· Fachbeitrag · Zivilrecht
„Abzockpfuscher-Zahnarzte“: Wie weit geht die Meinungsfreiheit unter Zahnärzten?
von RA und FA für Arbeits- und Medizinrecht Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de
| Im Rahmen eines Zivilprozesses bezeichnete ein Zahnarzt einen Berufskollegen als „Abzockpfuscher-Zahnarzt“ und erklärte, dass man im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit die Begriffe „Abzocke“ und „Pfuscher“ verwenden könne. Das Landgericht (LG) Magdeburg sah diese Äußerungen des Zahnarztes in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 26. Februar 2014 als durch die Meinungsfreiheit gedeckt an: Hinter ihr müsse das Persönlichkeitsrecht des so titulierten Zahnarztes zurücktreten (Az. 9 O 1641/13). |
Der Sachverhalt
Der Zahnarzt, dem die Äußerungen galten, stritt vor Gericht um zahnärztliches Honorar. Der ihn als „Abzockpfuscher“ bezeichnende Berufskollege war in dem Verfahren Sachverständiger. Nach Erteilung des Gutachtenauftrags wandte sich der zahnärztliche Sachverständige zweimal an zwei unterschiedliche Richter der zuständigen Zivilkammer und erklärte, dass er nach dem ersten Aktenstudium seinen Berufskollegen betrügerisches Verhalten nachweisen wolle. Dieser sei ein „Abzockpfuscher-Zahnarzt“, man könne im Zusammenhang mit ihm die Begriffe „Abzocke“ und „Pfusch“ gebrauchen. Über seinen Anwalt erfuhr der so titulierte Zahnarzt von diesen Äußerungen. Ein Antrag auf Befangenheit des gutachtenden Berufskollegen hatte Erfolg.
Gleichzeitig beschwerte sich der betroffene Zahnarzt bei der zuständigen Landeszahnärztekammer und forderte den Kollegen schriftlich zur Unterlassung auf. Nachdem dieser das Ansinnen abgelehnt hatte, klagte der betroffene Zahnarzt vor dem LG Magdeburg auf Unterlassung.
Das Urteil des Landgerichts Magdeburg
Das LG Magdeburg wies die Klage des Zahnarztes ab, nachdem es sich zuvor intensiv um einen Vergleich zwischen den Parteien bemüht hatte. Es liege kein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Zahnarztes durch die getätigten Äußerungen vor. Es handele sich um eine Meinungsäußerung, die durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Grundgesetz geschützt sei. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass nur ein begrenzter Kreis von den Äußerungen erfahren habe. Die Entscheidung des LG Magdeburg ist bislang nicht rechtskräftig, der betroffene Zahnarzt hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
PRAXISHINWEIS | Die Frage, ob eine gerade noch zulässige Meinungsäußerung oder bereits eine unzulässige Schmähkritik vorliegt, wenn Zahnärzte sich untereinander im „Wort“ vergreifen, ist eine Wertungsfrage. Daher sollte sich jeder Zahnarzt, der sich durch einen Berufskollegen in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht, sehr genau überlegen, ob er hiergegen vorgeht. |