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  • · CME-Beitrag: Konsensuspapier

    Erosionen: Diagnose, Anamnese und Therapie

    Bild: ©bravissimos - stock.adobe.com

    | Ein Konsensuspapier der EFCD (European Federation of Conservative Dentistry) basierend auf der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Erosionen aus dem Jahre 2015 definiert die Zahnschäden und beschreibt umfassend Ätiologie, Diagnostik und Therapie. [1] Eine wissenschaftliche Leitlinie der AMWF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) gibt es zum Thema derzeit noch nicht. |

    Erosion, Attrition oder Abrasion?

    Erosion ist ein kumulativer Zahnhartsubstanzverlust aufgrund eines chemisch-mechanischen Prozesses. Er geht einher mit einem Verlust an Oberflächenmorphologie und Kontur der Zähne. Höckerspitzen zeigen sich eingedellt und die Kaufläche erscheint verflacht. Im fortgeschrittenen Stadium entstehen konkave, ausgehöhlte Oberflächen. Restaurationen sind gegenüber der angrenzenden natürlichen Zahnfläche erhöht. Dieser Prozess ist nicht bakteriell bedingt.

     

    Differenzialdiagnostisch müssen Erosionen okklusal von Attritionen unterschieden werden. Attrition ist der antagonistische Zahnabrieb z. B. aufgrund von Bruxismus. Dabei passen stets zwei Schlifffacetten zueinander. Sie sind typischerweise flach, scharf umrandet und glänzend. Abrasion sind Abnutzungvorgänge aufgrund von Fremdkörperabrieb, z. B. bei traumatischen Mundhygienegewohnheiten (keilförmiger Defekt im Zahnhalsbereich). Die koronalen Ränder sind scharf und rechtwinklig zur Schmelzoberfläche, die apikalen Anteile laufen bis auf die Wurzeloberfläche aus. Im klinischen Alltag können auch mehrere Ursachen zusammenwirken und eine klare Abgrenzung erschweren, insbesondere bei schon länger bestehenden Einflüssen.

    Ursachen erosiver Zahnschäden

    Erosive Zahnschäden sind multifaktoriell, doch die Hauptursache ist die Säureexposition der Zähne.

     

    Ursachen auf Patientenebene

    • Veranlagung für Erosion: Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen Menschen in ihrer Anfälligkeit gegenüber erosivem Verschleiß gemessen unter Standardbedingungen. Vermutlich ist diese Variation auf Unterschiede in der Anfälligkeit der Zahnhartgewebe für Anlösen durch Säure und auf Unterschiede im Speichel zurückzuführen.
    • Intrinsische Ursachen wie Reflux, Erbrechen (Bulimie)
    • Extrinsische Ursachen wie bestimmte Trink- und Essgewohnheiten sowie Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel. Hierzu zählen z. B. saure Speichelstimulanzien oder Acetylsalicylsäure-haltige Präparate und Vitamin-C-Tabletten, insbesondere in Form von Kautabletten.
    • Medikamente, die als Nebenwirkung zu Mundtrockenheit führen, als indirekte Ursache

     

    MERKE | Der Speichel ist ein wichtiges Schutzmedium gegenüber Erosionen. Er verdünnt die Säure, puffert und neutralisiert sie. Zudem sind seine Proteine Grundlage zur Bildung der Pellikel, die ebenfalls erosionsprotektiv wirkt. Daher ist ein reduzierter Speichelfluss ein Risikofaktor nicht nur für Karies, sondern auch für Erosionen. Blutdruckmedikamente oder Antidepressiva reduzieren beispielsweise den Speichelfluss.

     

    Ursachen auf Lebensmittelebene

    Lebensmittelbedingte Hauptrisikofaktoren für Erosionen sind ein niedriger pH-Wert und eine hohe Pufferkapazität. Ein protektiver Faktor dagegen ist eine hohe Kalziumkonzentration. Säuren aus Lebensmitteln oder Magensäure wirken allerdings erst dann erosiv, wenn sie immer wieder und über einen langen Zeitraum einwirken und recht stark sind. Eine vorübergehende Übelkeit in der Frühschwangerschaft mit Erbrechen ist daher kaum problematisch, ein bulimisches Erbrechen über Jahre hinweg dagegen schon. Lebensmittel und Getränke wirken nicht per se aufgrund eines bestimmten kritischen pH-Werts erosiv. Joghurt hat den pH-Wert 4, ist allerdings aufgrund seines hohen Kalziumgehaltes nicht erosiv.

     

    Berufsbedingte Ursachen

    Berufsbedingte Faktoren wären eine Exposition von Arbeitern gegenüber säurehaltigen Flüssigkeiten oder Dämpfen (Stichwort: Batterieherstellung). Aufgrund der Arbeitsschutzbestimmungen in Deutschland ist diese Ätiologie heute allerdings zu vernachlässigen.

    Ursachenforschung, Intervention, Therapie und Vorbeugung

    Wenn Erosionen diagnostiziert wurden, sollte eine gründliche Anamnese zur Ursachenerforschung stattfinden, einschließlich allgemeiner Erkrankungen, Medikamenteneinnahme und Mundhygienegewohnheiten. Es kann helfen, wenn der Patient einige Wochen ein Ernährungstagebuch führt, um bestimmten Nahrungsmitteln oder Getränken auf die Spur zu kommen.

     

    • Tipps für Patienten bei nahrungsmittelbedingten Erosionen
    • 1. Weniger der identifizierten erosiven Lebensmittel und Getränke verzehren
    • 2. Ess- und Trinkgewohnheiten vermeiden, die die Kontaktzeit der Säure mit den Zähnen verlängern (z. B. Softgetränke durch die Zähne ziehen)
    • 3. Sicherere Lebensmittelalternativen wählen wie z. B. Wasser, Milchprodukte sowie mit Kalzium angereicherte (Sport-)Getränke und Lebensmittel
     

    Der Zahnarzt kann eine wichtige Rolle bei der Erkennung relevanter Erkrankungen wie Essstörungen und Reflux spielen (GERD = Gastro-Esophageal Reflux Disorder). Anzeichen und Symptome von GERD können Sodbrennen, Husten, Heiserkeit und Dysphagie (Schluckstörungen) sein. Wenn der Verdacht besteht, dass intrinsische Säurequellen der Hauptursachenfaktor sind, sollte an einen Facharzt oder den Hausarzt überwiesen werden.

     

    Als präventive Maßnahme sollte das Fortschreiten der Läsionen reduziert oder gestoppt werden. Klinische Zeichen einer Progression sind Dentinüberempfindlichkeit und eine stumpfe, „geeiste“ Oberfläche, sowie das Fehlen einer Verfärbung der Läsion. Zahnpasten oder Mundspülungen, die Zinnfluorid oder Zinnchlorid enthalten, haben protektiven Charakter. Sie können das Fortschreiten der Erosionen verlangsamen. Zwar führen sie auf Dauer zu Verfärbungen, doch die sind bei der PZR entfernbar. Zur Schmerzreduktion bei Überempfindlichkeiten eignen sich adhäsive Schutzliner. Restaurative Therapien können bei Schmerzen und Dentinüberempfindlichkeiten helfen und sie stellen Ästhetik und Funktion wieder her. Sie sollten allerdings immer in Verbindung mit präventiven Strategien durchgeführt werden.

     

    Quelle

    • Carvalho TS, Colon P, Ganss C, Huysmans MC, Lussi A, Schlueter N, Schmalz G, Shellis RP, Tveit AB, Wiegand A. Consensus report of the European Federation of Conservative Dentistry: erosive tooth wear-diagnosis and management. Clin Oral Investig. 2015 Sep; 19 (7): 1557‒61. doi.org/10.1007/s00784-015-1511-7.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2021 | Seite 6 | ID 47702030