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  • · ZR-Fachgespräch / CME-Beitrag

    „Scanner sind keine Plug-and-Play-Geräte!“

    Bild: ©fancycrave1 - pixabay.com

    | Die Digitalisierung hat Einzug in die Zahnmedizin gehalten und diese Entwicklung ist wohl unumkehrbar. Intraoralscanner bieten viele Vorteile, doch ihr Einsatz erfordert eine eingehende Auseinandersetzung mit der neuen Technik und eine Umstrukturierung von etablierten Prozessen in der Praxis. Dr. med. dent. Oliver Seligmann ist mit zwei Kolleginnen in Berlin-Friedenau niedergelassen und hat sich vor rund zwei Jahren entschlossen, mit Intraoralscannern zu arbeiten. Im ZR-Fachgespräch erläutert er Dr. med. dent. Kerstin Albrecht seinen Entscheidungsprozess und welche Lernkurve er seither durchlaufen hat. |

     

    Frage: Herr Dr. Seligmann, was war für Sie der ausschlaggebende Impuls, einen Intraoralscanner anzuschaffen?

     

    Antwort: Im Gespräch mit einer in Schweden tätigen befreundeten Kollegin berichtete diese begeistert, dass sie seit der Anschaffung eines Intraoralscanners weitaus passgenauere Restaurationen erhielte und erheblich Zeit in den Eingliederungssitzungen einsparen könne. Im Nachgang habe ich dann, nach einer ersten Vorauswahl von für mich infrage kommenden Scannern, mit einem Kollegen, der seit längerer Zeit mit dem von mir favorisierten Gerät scannt und hier auch als Referent tätig ist, das Gerät hands-on erleben dürfen und war begeistert.

     

    Frage: Eine Hürde für einige Kolleginnen und Kollegen ist es, den erprobten Workflow mit konventioneller Abdrucknahme ‒ der gut funktioniert und etabliert ist ‒ zu verändern. Gibt es Gründe, die dennoch für einen Scanner sprechen?

     

    Antwort: Es gibt sicherlich Kolleginnen und Kollegen, die einen perfekten analogen Workflow haben. Die brauchen vermutlich nicht unbedingt einen Scanner. Auch das empfehle ich aber: Probieren Sie es aus! Der digitale Workflow ist präzise ‒ und er macht Spaß! Es gibt allerdings noch Einsatzmöglichkeiten über die Abformung hinaus. Beispielsweise kann ich mit einem Intraoralscan Patienten sehr gut aufklären. Gerade bei komplexen Fällen kann ich mit einem 3-D-Scan zudem sehr gut beraten. Für die meisten dieser Patienten ist das nachvollziehbarer als intraorale Fotografien.

     

    Frage: Die Technologie des Scannens wird immer moderner. Sollte ich jetzt einsteigen oder lieber noch abwarten?

     

    Antwort: Ich fürchte, das ist ähnlich wie bei Computern. Die sind ‒ scherzhaft gesagt ‒ auch schon wieder veraltet, wenn ich sie gekauft und aus der Ladentür getragen habe. Hier ist der Support des Herstellers ein ausschlaggebender Punkt. Die meisten Verbesserungen finden heutzutage nicht im Hardware-, sondern im Softwarebereich statt. Schauen Sie unbedingt darauf, ob der Anbieter fortlaufende Updates anbietet. Von unserem Anbieter erhalten wir etwa alle zwei Wochen solche kostenlosen Updates, oft mit neuen Funktionen.

     

    Mein Rat in dieser Frage lautet daher: Der richtige Zeitpunkt zum Kauf eines Intraoralscanners ist jetzt, denn es kann immer sein, dass das angeschaffte Gerät ein halbes Jahr später von einem moderneren abgelöst wird.

     

    Frage: Welcher Scanner sollte es denn sein und was müsste ich investieren?

     

    Antwort: Hier müssen sich Kolleginnen und Kollegen fragen, welchen Workflow sie bevorzugen. Möchten sie beispielsweise nur scannen, aber die gesamte Zahntechnik outsourcen, oder möchten sie möglichst vieles chairside in der Praxis machen? Im ersten Fall wären sie preislich bei einem Intraoralscanner als Stand-alone-Gerät, das schon ab ca. 20.000 Euro zu haben ist. Wenn Sie den kompletten Workflow digitalisieren wollen, also von der Abdrucknahme bis zum fertigen Zahnersatz, wie wir es vom CEREC-System kennen, sind Sie ‒ grob geschätzt ‒ bei ca. 95.000 Euro.

     

    Frage: Welche Vor- und Nachteile sehen Sie beim (teil-)digitalen Workflow?

     

    Antwort: Die Vorteile des kompletten digitalen Workflows in der Praxis sind die relativ freie Preisgestaltung für den Zahnersatz mit einem hohen Ertrag, da keine Fremdkosten mehr anfallen. Nachteile sehe ich hier in hohen Anschaffungskosten, einem höheren Aufwand bei der Einarbeitung, bei höheren Kosten für Schulungen, Personal, Softwarelizenzen sowie Lagerhaltung. Hier wäre auch die Frage zu klären, ob ich wirklich alle anfallenden Arbeiten mit meinem System herstellen kann.

     

    Eine andere Möglichkeit wäre, den Zahnersatz nach dem Scannen und dem Design am Computer in einem Fräszentrum herstellen zu lassen. Heutzutage können sich nicht nur zahntechnische Labore, sondern auch Zahnärztinnen und Zahnärzte als Endkunden an Fräszentren wenden. Diese Zentren stellen entweder die Arbeit nach den Vorgaben des Behandlers her oder sie begleiten zusätzlich den Design-Prozess. Die Vorteile dieses Vorgehens sind die geringeren Investitionskosten, kaum Indikationsbegrenzungen ‒ außer der Leistungsfähigkeit des Scanners ‒ und keine Personal- und Folgekosten wie zum Beispiel Jahresgebühren für die CAD-Software. Eine Preisgestaltung wie beim Eigenlabor ist hier allerdings nicht möglich, sondern die geringeren Kosten für Zahnersatz aus dem Fräszentrum müssen zumindest im GKV-Bereich an den Patienten 1:1 weitergegeben werden.

     

    Die dritte Möglichkeit ist natürlich die Fertigung im Fremdlabor. Auch hier hätten die Behandler geringe Investitionskosten, keine Personal- und Folgekosten und sie könnten das Know-how eines erfahrenen Zahntechnikermeisters nutzen, der sich mit digitalen Workflows in der Regel sehr gut auskennt. Die Nachteile sind die höheren Kosten gegenüber dem Fräszentrum und dass kein Laborumsatz in der Praxis generiert wird.

     

    Frage: Mit welchen Fallstricken könnten Praxisinhaber bei der Anschaffung und Implementierung eines Intraoralscanners konfrontiert werden?

     

    Antwort: Intraoralscanner sind keine „Plug-and-Play-Geräte“. Sie benötigen unbedingt eine Schulung. Wenn Sie es ohne versuchen, zahlen Sie Lehrgeld und müssen entweder später eine Schulung dazubuchen oder den Zahnersatz neu herstellen. Daneben ist ein schnell reagierender technischer Support wichtig. Wenn Sie gerade mitten im Scanprozess stecken und haben ein Problem, sollte es doch schnell gelöst werden. Hier ist darauf zu achten, was in den Paketen der Anbieter enthalten ist, beispielsweise für Software-Updates, Support und Speicherplatz.

     

    Ein weiterer wichtiger Punkt ist, für sich am Anfang mehr Zeit einzuplanen. Der Behandler/die Behandlerin selbst braucht Zeit, bis er oder sie mit der neuen Technik sicher umgehen kann, und natürlich auch das Team benötigt seine Zeit. Es sollte unbedingt mit ins Boot geholt werden. Zwei Kiefer zu scannen, kann am Anfang schon mal eine Viertelstunde dauern. Aus eigener Erfahrung empfehle ich eine Einführungsschulung und dann in der Folge mit Schulungsvideos zu arbeiten. Am Patienten würde ich in den ersten Wochen und Monaten so viel Zeit einplanen, dass Sie zur Not wieder auf den analogen Weg umsteigen können, sollte zu Beginn nicht gleich alles klappen. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit beziehungsweise nach einigen Patientenfällen würde ich eine Nachschulung empfehlen, um die inzwischen aufgetretenen Fragen zu klären.

     

    Frage: Oft ist die Darstellung von subgingivalen Bereichen beim Scannen schwierig. Wie kann man hier effizient vorgehen?

     

    Antwort: Bei der konventionellen Abformung müssen Sie viele Stümpfe in einer Abformung möglichst perfekt darstellen. Der Scanner bietet hier die Möglichkeit, schon vor der Präparation einen Präscan anzufertigen, den Sie klonen und Stumpf für Stumpf ausschneiden können, um dann jeden einzelnen Stumpf unter optimalen Bedingungen scannen zu können. Falls das nicht funktioniert, lässt sich bei manchen Scannern eine konventionelle Abformung auch mit einem Scan kombinieren. Von besonders tiefen Bereichen mache ich meist einen Minitray-Abdruck und scanne diesen.

     

    Frage: Nehmen wir einmal an, ein Kollege hätte einen Intraoralscanner gekauft und eine erste Schulung erhalten. Was wären die nächsten Schritte?

     

    Antwort: Einfach anfangen! Bitte nicht wochenlang auf den richtigen Fall warten. Terminausfälle kann das ganze Team dazu nutzen, das Scannen zu üben. Am besten erst einmal gegenseitig und auch an Planungs- und Meistermodellen üben. Ein erstes Betätigungsfeld am Patienten wäre es, Schienen digital herzustellen. Das funktioniert meiner Erfahrung nach sehr gut und auch präziser als im konventionellen Workflow. Die nächste Stufe wäre die Einzelkrone im (teil-)digitalen Workflow und das Scannen von Einzelzahn-implantaten für die Weiterversorgung. Von dem Scannen zahnloser Areale würde ich am Anfang noch Abstand nehmen, dazu muss man einige Tipps und Kniffe kennen. Besser mit bezahnten Patienten anfangen.

     

    Falls etwas nicht gleich klappt, bitte nicht aufgeben! Die Scans werden in der Regel aufgezeichnet, und Sie können gegebenenfalls im Nachgang mit dem Support-Team gemeinsam das Problem herausfinden. Im gesamten Praxisteam sollten Sie sich über aufgetretene Probleme austauschen. Ganz wichtig ist hier natürlich der regelmäßige Austausch mit dem Zahntechniker, egal ob im eigenen oder im Fremdlabor. Ein Erfahrungsaustausch ermöglicht hier eine steile Lernkurve. Mit der Zeit werden Sie vermutlich immer weniger Dinge analog machen wollen.

     

    Frage: Sollte ich nach dem Scannen im digitalen Workflow bleiben oder kann ich auch in den analogen wechseln?

     

    Antwort: Versuchen Sie bitte im digitalen Workflow zu bleiben, also zum Beispiel Scannen der Präparation in der Praxis, Designen der Krone am digitalen Modell im Labor oder Fräszentrum und Herstellung der Krone in der Fräsmaschine. Ein Wechsel ins Analoge hat seine Tücken, nämlich immer dann, wenn Sie ein Modell brauchen. Sie haben zum Beispiel digital ein Käppchen konstruiert und wollen es nun manuell verblenden. In dem Fall wird ein Modell mit 3-D-Druckern aus Kunststoff hergestellt. Hier liegt das Präzisionsproblem. Solange der Workflow rein digital ist, bekommen Sie zu 95 Prozent perfekt passende Arbeiten, die Sie ohne einen Schleifstrich eingliedern können. Das kenne ich aus dem analogen Workflow nicht ‒ auch bei größter Sorgfalt muss man doch öfter approximal oder okklusal korrigieren, während zumindest bei mir die Kronen immer perfekt auf dem Stumpf passen. Brauchen Sie ein Modell, wird es gern ungenauer als im analogen Workflow bzw. es bedarf etlicher Abstimmung im Workflow.

     

    Herr Dr. Seligmann, vielen Dank für das Gespräch.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2022 | Seite 8 | ID 48119046