· Fachbeitrag · GastbeitragHaftungsrecht
Keine Haftung wegen Behandlungsfehler bei fehlendem Schutzzweckzusammenhang
von RAin Christiane Dieckmann, Voß.Partner, Münster, voss-medizinrecht.de
| Ein Zahnarzt vergisst, ein Implantat nach Entfernung des Abutments mit einer Abdeckschraube zu versehen. Bei der Patienten kommt es zu einer Entzündung mit Fistelbildung und Knochenabbau. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln stellt einen groben Behandlungsfehler fest. Schadenersatz und Schmerzensgeld erhält die Patientin dennoch nicht (Urteil vom 26.06.2024, Az. 5 U 151/22). |
Der Fall
Die Klägerin machte Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen Unbrauchbarkeit der im Zusammenhang mit einer Implantation erbrachten Leistungen geltend. Die bei der Klägerin nach der Behandlung festgestellte Entzündung mit Fistelbildung sowie der möglicherweise daraus resultierende Knochenabbau sei nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht auf einen Behandlungsfehler des beklagten Zahnarztes zurückzuführen. Die Lage des Implantats sei ausweislich des unmittelbar nach der Implantation angefertigten OPG in Ordnung gewesen.
Festgestellt wurde allerdings, dass das Implantat, nachdem das darauf befindliche Abutment entfernt worden war, nicht mit einer Abdeckschraube versorgt wurde. Die Versorgung mit einer Abdeckschraube gehöre zu einer ordnungsgemäßen Behandlung nach zahnärztlichem Standard und stelle einen groben Behandlungsfehler dar. Dieser Fehler habe sich jedoch nicht nachweisbar nachteilig für die Klägerin ausgewirkt. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden beruhe nicht auf der grob fehlerhaften Nichtverwendung einer Abdeckschraube und somit bestehe kein Kausalzusammenhang.
Ziel und Zweck der Einbringung einer Abdeckschraube sei es vielmehr, zu verhindern, dass Gewebe in den Hohlkörper eindringt, nicht hingegen, das Eindringen von Keimen in den Implantatkörper und sich daraus möglicherweise ergebende Infektionen zu verhindern. Der eingetretene Gesundheitsschaden sei somit nicht vom Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsregel umfasst. Eine Schadenersatzpflicht bestehe hier nicht, da sie durch den Schutzzweck der verletzen Norm begrenzt werde.
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Die Schadenersatzpflicht bei Verletzung einer Sorgfaltspflicht wird durch den Schutzzweck der verletzten Norm begrenzt. Eine Schadenersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, auch aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die Norm gerade erlassen worden ist, d. h., wen sie genau vor dem entstandenen Schaden schützen soll. Dies ist in der Regel nicht der Fall, wenn sich eine Gefahr realisiert, die dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist. |