Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Leitlinien

    Biofilmmanagement und Antibiotikagabe: Parodontitis-Leitlinien im Überblick

    | Auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main präsentierte die DG PARO als federführende Fachgesellschaft ‒ neben der DGZMK ‒ die neuen S3-Leitlinien für die systematische Parodontitistherapie. Die Empfehlungen in den Leitlinien basieren auf einer systematischen Auswertung der Literatur unter Heranziehung von praxisrelevanten therapeutischen Endpunkten sowie einem breiten Konsens der beteiligten Fachgesellschaften. |

    Häusliches mechanisches Biofilmmanagement in der Prävention parodontaler Erkrankungen

    Die Leitlinie zum häuslichen mechanischen Biofilmmanagement ist ein evidenz- und konsensbasiertes Instrument, das das Potenzial und die Besonderheiten verschiedener häuslicher Hilfsmittel zur Prävention parodontaler Erkrankungen zusammenfasst. Die zentralen Empfehlungen lauten:

     

    • Elektrische Zahnbürsten (vor allem mit oszillierend-rotierenden Bewegungen) führen zu einer statistisch signifikanten, aber geringfügig größeren Reduktion von Gingivitis gegenüber Handzahnbürsten. Die Verwendung elektrischer Zahnbürsten kann empfohlen werden.

     

    • Unabhängig von der verwendeten Zahnbürste soll eine Bürstdauer von mindestens zwei Minuten eingehalten werden.

     

    • Unabhängig von den verwendeten Zahnbürsten soll eine detaillierte Instruktion zu deren Anwendung erfolgen. Dabei soll vor allem auf die Etablierung einer Bürstsystematik geachtet werden, die sicherstellt, dass alle erreichbaren Zahnflächen gereinigt werden. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die systematische Reinigung des Gingivarandbereichs gelegt werden. Bei Verbesserungsbedarf soll die Instruktion individualisiert und unter Einbeziehung praktischer Übungen erfolgen.

     

    • Zur Interdentalraumreinigung sollten bevorzugt Zwischenraumbürsten eingesetzt werden, da für sie gegenüber anderen Hilfsmitteln die höchste Evidenz besteht und sie den höchsten Effekt in der Gingivitisreduktion aufweisen. Soweit ihre Anwendung nicht möglich ist, soll z. B. auf Zahnseide ausgewichen werden. Die Anwendung von Hilfsmitteln zur Interdentalreinigung soll immer individuell von zahnärztlichem Fachpersonal instruiert werden. Die Auswahl der Hilfsmittel (z. B. Größe der Zwischenraumbürsten) soll auf die anatomischen Verhältnisse abgestimmt werden.

     

    • Zahnpasten haben keinen zusätzlichen Effekt bei der Reduktion von Gingivitis gegenüber dem Zähneputzen mit der Bürste allein. Aus Gründen der Akzeptanz und vor allem aus kariologischer Sicht soll dennoch die Verwendung einer fluoridhaltigen Zahnpaste beim Zähnebürsten empfohlen werden.

     

    • Auch bei dentalen Implantaten ist ein mechanisches Biofilmmanagement zur Kontrolle periimplantärer Entzündungen erforderlich.

     

    • Traumatisierungen durch falsche Anwendung der genannten Hilfsmittel zum häuslichen Biofilmmanagement sind selten und in der Regel lokalisiert. Bei der Reinigung sollen Zwischenraumbürsten nicht mit Zahnpasten beschickt werden.

    Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis

    Das chemische Biofilmmanagement besitzt einen hohen Stellenwert, da die mechanische Mundhygiene von der Bevölkerung aus unterschiedlichen Gründen nicht ausreichend durchgeführt wird. Mundspüllösungen mit antibakteriellen Wirkstoffen zur Ergänzung des täglichen Biofilmmanagements sind gemäß der Leitlinie insbesondere in den folgenden zwei Anwendungsgebieten indiziert:

     

    • In Situationen, bei denen kurzfristig (etwa zwei bis vier Wochen) als zusätzliche oder auch als alleinige Maßnahme eine hohe Keimzahlreduktion notwendig ist. Hier bieten sich Chlorhexidin-(CHX)-Lösungen in 0,1- bis 0,2%iger Konzentration oder einprozentige Gele an, deren therapeutische Fähigkeiten (Gingivitis-Reduktion) in zahlreichen Studien und mit hoher Evidenz nachgewiesen sind.

     

    • Bei Personengruppen, die längerfristig eine Ergänzung ihrer täglichen mechanischen Mundhygiene benötigen. Die dazu empfohlenen antibakteriellen Lösungen sind auf dem deutschen Markt als Kosmetika zugelassen und haben ihren Schwerpunkt auf der Prävention von Gingivitiden. Zu ihnen gehören auch die niedrig dosierten Chlorhexidin-Lösungen (z. B. 0,06%ig).

     

    • MERKE | Bei der Frage nach den Inhaltsstoffen, die sich vor allem für die sechsmonatige Anwendung (wichtiges Einschlusskriterium der Studien) bewährt haben, zeigte sich neben CHX-haltigen Lösungen eine hohe Effektivität bei hohem Evidenzgrad vor allem für ein Produkt mit einer Mischung aus ätherischen Ölen. Daneben können aber auch Spüllösungen mit den Wirkstoffen Aminfluorid/Zinnfluorid oder Cetylpyridiniumchlorid eingesetzt werden, die einen kleinen bis moderaten Effekt bei geringem bis moderaten Evidenzgrad zeigten.

       

    Adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung

    Die adjuvante Gabe von systemisch wirksamen Antibiotika im Rahmen einer systematischen Parodontitistherapie sollte aufgrund der Gefahr mikrobieller Resistenzen und des Einflusses auf das gesamte Mikrobiom des menschlichen Organismus bei jedem Patienten individuell kritisch hinterfragt werden. Die Entscheidung für den Einsatz von adjuvanten Antibiotika im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung soll nicht allein aus der Häufigkeit des Auftretens einer Blutung auf Sondieren abgeleitet werden.

     

    • Patienten mit Parodontitis, die jünger sind als 56 Jahre und an mehr als 35 % aller erfassten Messstellen eine Taschentiefe ≥ 5 mm aufweisen, können im Rahmen der subgingivalen Instrumentierung eine adjuvante systemische Antibiotikagabe erhalten.

     

    • Patienten mit Parodontitis und einem Lebensalter ab 56 Jahren und/oder einem geringeren Anteil parodontaler Läsionen (weniger als 35 % aller erfassten Messstellen mit TST ≥ 5 mm) sollten primär keine Antibiotikatherapie erhalten.

     

    • Bei Patienten mit aggressiver Parodontitis, die 35 Jahre alt oder jünger sind, sollte zur Verbesserung des Therapieergebnisses im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung die adjuvante Gabe eines Antibiotikums erfolgen, sofern eine Parodontitis mit Stadium III vorliegt.

     

    • Für die adjuvante Antibiotikagabe im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung bei Patienten mit Diabetes mellitus kann keine gesonderte Empfehlung ausgesprochen werden. Für diese Patientengruppe sollte die Empfehlung bzgl. chronischer Parodontitis verwendet werden.

     

    • Für die adjuvante Antibiotikagabe im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung bei Patienten mit regelmäßigem Tabakkonsum kann keine gesonderte Empfehlung ausgesprochen werden. Für diese Patientengruppe kann die Empfehlung bezüglich chronischer oder aggressiver Parodontitis verwendet werden.

     

    Unter Berücksichtigung der oben gestellten Indikationen sollte die Dosierung von Amoxicillin 500 mg und Metronidazol 400 mg, jeweils 3/d für sieben Tage, betragen. Bei Penicillin-Allergie und/oder Arzneimittelexanthem ist die alleinige Gabe von Metronidazol zu empfehlen. Zusätzlich sollen grundsätzlich die jeweils aktuellen Fachinformationen des Herstellers zur Dosierung und Einnahmeregelungen beachtet werden.

     

    PRAXISTIPP | Leitlinien bilden nicht die Vielfalt der individuellen Rahmenbedingungen beim einzelnen Patienten ab und ersetzen daher nicht die individuelle therapeutische Entscheidung. Diese liegt weiterhin in der Verantwortung des behandelnden Zahnarztes.

     

     

    Quellen

    • S3-Leitlinie „Häusliches mechanisches Biofilmmanagement in der Prävention/Therapie von Gingivitis“, AWMF-Registernummer: 083-022 , Stand November 2018.
    • S3-Leitlinie „Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“, AWMF-Registernummer: 083-016, Stand November 2018.
    • S3-Leitlinie „Adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung im Rahmen der systematischen Parodontitistherapie“, AWMF-Registernummer: 083-029, Stand November 2018.

     

    VolltextE

    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 11 | ID 45638602