· Fachbeitrag · Verordnungen
So verordnen Sie Heilmittel rechtskonform und wirtschaftlich
von Jana Brandt, ZMV, individuelles Praxismarketing & Abrechnungsbetreuung InPrA, Sangershausen
| Eine Heilmittelverordnung ist schnell ausgestellt. Die Software verlangt nur wenige Angaben, die infrage kommenden Heilmittel werden Ihnen vorgeschlagen und Sie wählen aus. So einfach ist es aber nicht. Heilmittel, die verordnet werden, verlangen eine umfassende Diagnostik, das Abwägen verschiedener Optionen und eine Therapieüberwachung. Die Dokumentation ist daher sehr aufwendig. Um trotz der moderaten BEMA-Vergütung ein angemessenes Honorar zu erzielen, gilt es, den Aufwand in Grenzen zu halten und dem Patienten private Zusatzleistungen anzubieten. |
Die Heilmittelverordnung ist kein Allheilmittel
Wenn Sie sich mit einer Diagnostik und einer Indikation für eine Heilmittelverordnung (HMV) entscheiden, ist dies ein sehr komplexer Vorgang. Zu berücksichtigen sind die „funktionellen oder strukturellen Schädigungen, [und] Beeinträchtigung der Aktivitäten einschließlich der person- und umweltbezogenen Kontextfaktoren“ (§ 3 Abs. 6 Heilmittel-Richtlinie [HeilM-RL]; online iww.de/s12600)
Zudem ist zu erwägen, ob sich das Behandlungsziel ausschließlich mit Heilmitteln erreichen lässt. Kann der Patient auf anderen Wegen, z. B. andere Therapiemaßnahmen (z. B. Arzneimittel) oder eigenverantwortliche Maßnahmen (z. B. Eigenübungsprogramm oder Vermeiden von krankheitsbildbeeinflussenden Gewohnheiten) das Behandlungsziel erreichen, sind diese vorzuziehen.
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Heilmittel können zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet werden, wenn sie notwendig sind, um
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Die Diagnosestellung ist im BEMA sehr knapp vergütet
Für die Diagnostik steht Ihnen nur die BEMA-Nr. 01 (Eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten einschließlich Beratung) zur Verfügung. Mit einer Vergütung von ca. 22 Euro lässt sich die erforderliche umfassende Dokumentation kaum wirtschaftlich erbringen. Ggf. könnten auch die BEMA-Nrn.FU 1a-c (ca. 35 Euro), FU 2 (ca. 33 Euro) oder 01k (ca. 34 Euro) infrage kommen. Begrenzen Sie die Diagnostik und Dokumentation daher auf die Grundsätze der HeilM-RL, z. B. mit folgender Checkliste:
Checkliste / Dokumentation einer Heilmittelverordnung | |
Richtlinie | Ihre Dokumentation |
Diagnostik | 01 Befund, FU 1 a-c*, FU 2* oder 01k* |
Zustand des Patienten unter Angabe der Beschwerden | durch Untersuchung belegbar |
Eigene Bemühungen, Ergebnis | |
Information über die persönlichen Lebensumstände (Kontextfaktoren) | |
Bisherige Heilmittelverordnungen von Ihnen | Ergebnis/Therapiebericht |
Vom Patient wahrgenommene vorherige alio loco verordnete und erbrachte Heilmittelbehandlungen | o Vorhanden, erbracht = Ergebnis o Keine |
Indikation für HMV gem. Heilmittel-Richtlinie | o Ja, Diagnose: o Nein |
Andere Empfehlungen |
* Beachten Sie die Abrechnungsbestimmungen!
Wichtig | Sie haben jederzeit Zugriff auf die GOZ. Trotzdem haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch Anspruch auf eine HMV, wenn sie private Leistungen ablehnen. Eine HMV darf niemals von privaten Leistungen abhängig gemacht werden. Um so wichtiger ist es dem GKV-Patienten die Grenzen der GKV und die Vorteile einer umfassenden privaten Funktionsanalyse zu erklären.
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Leistung | GOZ |
Klinische Funktionsanalyse einschließlich Dokumentation | 8000 |
Erstellen eines Kostenvoranschlags „nur Funktionsanalyse“ | 0030 |
Erstellen eines Kostenvoranschlags „mit funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen Maßnahmen“ | 0040 |
Auswertung und Beratung | Ä1, Ä3 (alleinige Sitzung), ggf. Ä 34 |
Kautest:
| Ä 399 |
Beratendes und belehrendes Gespräch mit Anweisungen zur Beseitigung von schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen | 6190 |
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Diese Anforderungen muss die Heilmittelverordnung erfüllen
Haben Sie die Hürde der Diagnostik und Dokumentation für die HMV bewältigt, beachten Sie die Vorgaben der HeilM-RL Teil II (Heilmittelkatalog) zur Verordnung und zu den Behandlungsziele. In allen Fällen gibt Ihnen der Heilmittelkatalog der Richtlinie genaue Instruktionen vor, die Sie beachten müssen:
- Indikationsgruppen, mit Ihrer erhobenen Diagnostik belegbar (z. B. CD 2)
- Leitsymptomatik: Strukturelle/Funktionelle Schädigung (z. B. CD 2d)
- Ziel der Therapie
- Welches Heilmittel?
- Verordnungsmenge
Die Auswahl des Heilmittels richtet sich laut HeilM-RL Teil II (Heilmittelkatalog) nach
- Ausprägung und Schwere der Erkrankung,
- daraus resultierenden funktionellen oder strukturellen Schädigungen,
- Beeinträchtigungen der Aktivitäten und
- den angestrebten Therapiezielen.
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Physiotherapie | Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie |
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Was die Menge der Behandlungseinheiten angeht, gilt laut Heilmittelkatalog: „Nicht bei jeder funktionellen oder strukturellen Schädigung ist es erforderlich, die Höchstmenge je Verordnung beziehungsweise die orientierende Behandlungsmenge auszuschöpfen.“
Wichtig | Nutzen Sie bitte den Freitext für genaue Angaben. Das Formular für die HMV ermöglicht Ihnen zudem, vom Heilmittelerbringer (z. B. Physiotherapeut, Logopäde) einen Therapiebericht anzufordern. Dieser ist dringend anzuraten, denn wenn Sie ein Folgerezept ausstellen wollen, benötigen Sie die Daten aus dem Therapiebericht zum Abgleich.
Auch eine Folgeverordnung erfordert wieder eine strenge Indikationsstellung
Für ein Folgerezept müssen wieder alle Faktoren aus der Diagnostik (erneute schädigungsabhängige Erhebung des aktuellen Befundes) mit der erfolgten Therapie verglichen werden. Dokumentieren Sie zudem die Gründe für eine Folgeverordnung.
Langzeitverordnung ‒ was ist das?
In bestimmten Fällen können Versicherte auf Basis der Verordnung eine Langzeitverordnung bei der gesetzlichen Krankenkasse erwirken. Für einen bestimmten Zeitraum erfolgt dann die Kostenübernahme der zuständigen Krankenkasse, ohne dass Sie erneute Verordnungen ausstellen müssen. Zeichnet sich also anhand des Schweregrades eine längere Therapiedauer ab, beraten Sie den Patient eingehend und bitten Sie ihn, die Langzeittherapie bei der Krankenkasse zu beantragen.
Wenn die Therapie nicht erfolgreich war ‒ was dann?
Bei Nichterreichen des individuell angestrebten Therapiezieles ist nach § 6a Abs. 3 HeilM-RL eine weiterführende Diagnostik erforderlich, die maßgebend ist für die Entscheidung über die Notwendigkeit zur Einleitung anderer Maßnahmen, die Beendigung oder die Fortsetzung einer Therapie. Die Vertragszahnärztin oder der Vertragszahnarzt entscheidet schädigungsabhängig, welche Maßnahmen der weiterführenden Diagnostik sie oder er durchführt bzw. veranlasst. Unter Umständen ist ein anderer Facharzt zu konsultieren.
Drei Beispiele für die Heilmittelverordnung
Nachfolgend veranschaulichen drei Beispiele die Dokumentation einer Heilmittelverordung bei einem Kind (25 Monate), bei einer 56-jährigen Patientin nach Fahrradunfall sowie bei einem 34-jährigen Patienten mit Stresssymptomatik und Kiefergelenkbeschwerden.
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FU 1c (1. Kalenderhalbjahr) | Früherkennungsuntersuchung vom 21. bis zum vollendeten 33. Lebensmonat | Einzeluntersuchung mit Mutter |
181a | Rücksprache mit Kinderärztin | Keine Verordnung HMV erfolgt |
/ | Ausstellung HMV | |
Ä 75/7750 | Umfassender Befundbericht für Kinderärztin |
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Folgesitzung, Therapiebericht liegt vor. Es sind Fortschritte zu verzeichnen ‒ Mutter bemüht sich um eine Langzeitverordnung mit dem Folgerezept und dem Therapiebericht des Therapeuten. | ||
01 (2. Kalenderhalbjahr, 4 Monate Abstand) | Eingehende Untersuchung und Beratung und gemeinsame Auswertung der therapeutischen und häuslichen Maßnahmen | Cave: Bestimmung BEMA-Nr. 01 zur FU 1c beachten (Abstand) |
/ | Folgeverordnung | |
Ä 70/7700 | Kleiner Befundbericht für Logopädie | |
Ä 75/7750 | Umfassender Befundbericht für Kinderärztin |
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01 | Untersuchung | Befundaufnahme |
Unfallbericht/Zahnschaden | Angaben aus dem Unfall | Formular ausgefüllt, Abkommensgebühr |
/ | Verordnung HMV | |
Auswertung Therapiebericht ‒ Beschwerden deutlich besser, häusliche Maßnahmen ausreichend | ||
Ä1 | Beratung | |
Keine Folgeverordnung |
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01 | Untersuchung | Befundaufnahme, Beschwerdebild nicht ausreichend für HMV |
Ä3 | Alleinige Beratung über Therapiealternativen, FAL und ggf. FTL; Beratung über weiterführende private Untersuchungsleistungen und Grenzen der Sachleistung | Patient einverstanden Vereinbarung nach § 8 Abs.7 BMV-Z, z. B.:
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Vereinbarung: FAL / GOZ | Funktionsanalyse + Übungsanwendungen + Überweisung Netzwerk Osteopathie | |
Beschwerden deutlich besser, häusliche Maßnahmen ausreichend | ||
BEMA Ä1 | Beratung | |
Keine Folgeverordnung |
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| => BEMA: 01, 01k, FU 1a-c // FU 2 |
| => Indikation, Ziel der Therapie und Heilmittel gemäß Vorgaben der HeilM-RL |
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| => BEMA: Ä1, 01, FU 1 a-c //FU 2 |
| => Antrag durch Versicherten |
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FAZIT | Diagnostik, Dokumentation und Indikation sind sehr komplex. Ein strukturiertes Vorgehen und eine sorgfältige Dokumentation helfe Ihnen, sich bei ggf. später angeordneten Regressen zu verteidigen. Heilmittelverordnungen sind in der Regel nicht budgetiert, sie unterliegen aber dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Insofern ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung und/oder Regress immer möglich, da die Heilmittelverordnung nicht beantragt oder genehmigt wird (Ausnahme: Langzeitverordnung, s. o.). |