· Fachbeitrag · Füllungstherapie
Amalgamersatz: Informationen für das Praxisteam
von Dental-Betriebswirtin und ZMV Birgit Sayn, Leverkusen, sayn-rechenart.de
| Seit dem 01.01.2025 darf Amalgam für die zahnärztliche Behandlung in der EU in der Regel nicht mehr verwendet werden. Bei Kindern unter 15 Jahren sowie bei schwangeren und stillenden Frauen ist die Verwendung seit 2018 verboten. Welche Alternativen es an Materialien für unterschiedliche Kavitätenklassen gibt und wo der Sachleistungsanspruch des GKV-Patienten endet, erläutert dieser Beitrag. |
Indikation für Amalgam
Dentalamalgame lassen sich auch unter schwierigen klinischen Bedingungen zuverlässig anwenden. Im Ausnahmefall kann dieser Werkstoff für bestimmte Situationen wie z. B. bei der Behandlung von vulnerablen Patientengruppen unter Einhaltung der Kontraindikationen weiter eingesetzt werden. Die Entscheidung dafür trifft im speziellen Einzelfall der Zahnarzt für zwingend notwendige Therapien. Für Patienten, die keine Zuzahlungen leisten können oder wollen, war Amalgam bislang eine Option. Es zählte zu den Füllungsmaterialien, die durch das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckt waren.
Alternative Materialien
Wie bereits berichtet, haben die KZBV und der Spitzenverband die GKV-Regelungen geschaffen, dass auch nach dem Inkrafttreten des Amalgamverbots zuzahlungsfreie Füllungen im Seitenzahnbereich möglich sind. Zu unterscheiden sind hierbei
- plastische Restaurationswerkstoffe, die zur Haftung an den Zahnhartsubstanzen spezieller Haftvermittler bedürfen (z. B. Komposite), und
- selbstadhäsive Materialien, die ohne zusätzliche Haftvermittler auskommen.
Statistik zu Füllungen in der GKV
Laut Statistik der KZBV wurde 2022 der Großteil aller Füllungen (74,4 Prozent) ohne Mehrkosten gelegt. Davon 66,7 Prozent mit plastischen Füllungsmaterialien, 2,2 Prozent waren Amalgamfüllungen und 5,5 Prozent entfielen auf Füllungen nach den BEMA-Nrn. 13 e−h. Etwas mehr als ein Viertel (25,6 Prozent) aller Füllungen wurden mit Mehrkostenvereinbarung gelegt. Von allen Füllungen waren 29 Prozent Frontzahnfüllungen, hinzu kommen Aufbaufüllungen für Zahnersatz.
Kavitätenklassen
Diese Einteilung wurde 1889 von dem amerikanischen Zahnarzt Greene Vardiman Black vorgeschlagen und gilt bis heute:
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I | Fissuren und Grübchen in der Kaufläche |
II | approximale Kavität im Seitenzahnbereich |
III | approximale Kavität im Frontzahnbereich ohne Beteiligung der Schneidekante |
IV | approximale Kavität im Frontzahnbereich mit Beteiligung der Schneidekante |
V | Zahnhalskavitäten |
VI | Defekte an den Milchzähnen |
Selbstadhäsive Materialien
Selbstadhäsive Füllungsmaterialien sind alle Werkstoffe, die ohne Haftvermittler auskommen. Dazu zählen Glasionomerzemente, kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente, Glas-Hybride und selbstadhäsive Komposit-Hybride.
Glasionomerzemente
Glasionomerzemente (GIZ) werden aus speziellen Glas-Pulvern und Flüssigkeit angemischt und härten durch eine Säure-Base-Reaktion aus. Der große Vorteil von Glasionomerzementen gegenüber Kompositen besteht darin, dass sie direkt chemisch an die Zahnoberfläche binden können und keinen separaten Haftvermittler benötigen (selbstadhäsiv). Das macht ihre Anwendung deutlich einfacher und schneller. Gegenüber Kompositen sind GIZ allerdings weniger abrasionsstabil. Zudem sind Restaurationen aus GIZ frakturanfälliger und weniger gut polierbar.
PRAXISTIPP | Gemäß der aktuell erschienenen S3-Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen in Front- und Seitenzahnbereich“ besteht ein starker Konsens, dass GIZ als Alternative zu Komposit in spezifischen Indikationsbereichen (u. a. kleinere Kavitätengrößen, eingeschränkte Mitarbeit, erhöhtes Kariesrisiko) für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen verwendet werden können. Beim Einsatz von Glasionomerzementen im Seitenzahnbereich ist zu beachten, dass nicht alle Produkte für permanente Restaurationen im kaulasttragenden Bereich zugelassen sind. |
Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente
Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente sind eine Unterklasse der Glasionomerzemente. Sie enthalten neben Glaspulver und Flüssigkeit zusätzlich Kunststoffanteile. Sie sind daher kaustabiler als die herkömmlichen GIZ und haben eine etwas glattere Oberfläche. Auch sie benötigen keine Haftvermittler. Für diese Materialgruppe gelten die o. g. Empfehlungen für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen ebenfalls.
Glas-Hybride
Glas-Hybride sind ebenfalls eine Unterklasse der (selbstadhäsiven) GIZ. Bei ihnen wird die gerade gelegte Füllung mit einem speziellen Lack abgedeckt, um die feuchtigkeitsempfindliche Abbindereaktion zu schützen.
Selbstadhäsive Komposit-Hybride
Selbstadhäsive Komposit-Hybride sind Komposite, die aufgrund von speziellen Zusätzen direkt chemisch an den Zahn binden und keine Haftvermittler benötigen. Sie erreichen keine so starken Haftwerte am Zahn wie Dentalkomposite in Verbindung mit Haftvermittlern, sind aber sehr kaustabil.
Komposite mit Haftvermittlern
Komposite umfassen alle Füllungsmaterialien, die einen Haftvermittler benötigen. Dazu zählen Komposite, Bulk-Fill-Komposite, Kompomere und Alkasite.
Komposite
Komposite haben sehr gute Materialeigenschaften und können im kaulasttragenden Bereich bei Läsionen aller Größen, inklusive dem Höckerersatz, eingesetzt werden. Zudem sind sie auf Hochglanz polierbar und bieten daher im Frontzahnbereich haltbare und ästhetische Möglichkeiten der Versorgung.
Bulk-Fill-Komposite
Eine Unterklasse der Dentalkomposite sind die sogenannten Bulk-Fill-Komposite. Laut Mitteilung des Bewertungsausschusses darf in Ausnahmefällen im Seitenzahnbereich Bulk-Fill verwendet werden, z. B. aufgrund der Ausdehnung der Kavität, bei kaubelasteten Bereichen oder dem Höckerersatz.
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Kompomere ‒ Mischung aus Komposit und GIZ
Kompomere sind Hybridmaterialien aus Glasionomerzementen und Dentalkompositen, die ebenfalls eine adäquate Adhäsivtechnik erfordern. Sie sind ähnlich kaustabil wie Dentalkomposite, da sie werkstoffkundlich eher Komposite sind. Besonders bei Restaurationen für Milchzähne werden Kompomere empfohlen.
Alkasite
Alkasite unterscheiden sich von Kompositen, da sie in der Lage sind, Hydroxid-Kalzium und Fluoridionen freizusetzen. Kommt es während des Kariesprozesses zu einer Absenkung des pH-Wertes, so kann durch die Freisetzung von Hydroxidionen der pH-Wert wieder ausgeglichen werden. Alkasite weisen eine höhere Festigkeit als GIZ auf.
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BEMA-Nr. | Preis/Euro* | GOZ | 2,3-fach | 3,5-fach | GOZ | 2,3-fach | 3,5-fach |
13 a | 41,70 | 2050 | 27,55 | 41,93 | 2060 | 68,17 | 103,74 |
13 b | 51,80 | 2070 | 31,30 | 47,64 | 2080 | 71,92 | 109,45 |
13 c | 67,00 | 2090 | 38,42 | 58,46 | 2100 | 83,05 | 126,38 |
13 d | 79,60 | 2110 | 41,26 | 62,79 | 2120 | 99,60 | 151,57 |
* Punktwert 1,2638, gerundete Werte
Kostenübernahme von direkten Restaurationen von der GKV
Der Beschluss des Bewertungsausschusses zur Änderung der BEMA-Nr. 13 vom 02.10.2024 sieht vor, dass plastische Füllungsmaterialien, die ausreichend, zweckmäßig, erprobt und praxisüblich sind, Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung sind (vgl. AAZ 12/2024, Seite 6 ff).:
Füllung im Frontzahnbereich
Adhäsiv befestigte Füllungen stellen auch seit dem 01.01.2025 weiterhin die GKV-Sachleistung im Frontzahnbereich dar. Sobald eine Mehrfarben- und/oder Mehrschichttechnik verwendet wird, kann mit dem Patienten eine Mehrkostenvereinbarung (MKV) nach § 28 Abs. 2 SGB V getroffen werden. Berechnet wird die Nrn. 2060, 280, 2100 oder 2120 GOZ abzüglich der vergleichbaren Füllungsfläche nach BEMA-Nrn. 13 a‒d als Sachleistung.
Füllung im Seitenzahnbereich
Sobald durch einen separaten Arbeitsschritt eine adhäsive Befestigung erfolgt, kann mit dem gesetzlich versicherten Patienten für Füllungen im Seitenzahnbereich bei der Mehrschicht- und Mehrfarbentechnik gleichfalls eine MKV nach § 28 Abs. 2 SGB V getroffen werden. Weiterhin ist eine MKV bei Einlagefüllungen (Nrn. 2150‒2170 GOZ) sowie den selten gefertigten Goldhämmerfüllungen (Berechnung gem. § 6 Abs. 1 GOZ) gestattet.
Abgrenzung zu höherwertigen Leistungen
Die Abgrenzung zu höherwertigen Leistungen im Rahmen der Mehrkostenvereinbarung (MKV) liegt nicht mehr bei der Materialwahl, sondern an anderer Stelle: Unterschiede können in verlängerter Lebensdauer, größerem Komfort, minimalinvasiveren Präparationstechniken oder einem Mehr an Ästhetik liegen.