· Fachbeitrag · Kassenabrechnung
Füllungstherapie: So setzen Sie die Neuregelungen der Abrechnung in der Praxis um
| Seit dem 01.07.2018 gelten geänderte Abrechnungsbestimmungen bei der „Füllungsposition“ BEMA-Nr. 13 und die neue BEMA-Nr. 13h (siehe auch AAZ 07/2018, Seite 3 ). Im folgenden Beitrag werden diverse Fragen in diesem Zusammenhang beleuchtet, z. B. ob nach wie vor eine Mehrkostenvereinbarung möglich ist. Die Änderungen werden anhand von konkreten Abrechnungsbeispielen erläutert. |
Auslöser: Amalgamverbot durch EU-Quecksilberverordnung
Seit dem 01.07.2018 darf Amalgam nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von Milchzähnen, von Kindern unter 15 Jahren und von Schwangeren oder Stillenden verwendet werden ‒ es sei denn, der Zahnarzt erachtet eine solche Behandlung wegen der spezifischen medizinischen Erfordernisse bei dem jeweiligen Patienten als zwingend notwendig (Art. 10 Abs. 2 der EU-Quecksilberverordnung). Der Zahnarzt muss deshalb für die Versorgung der genannten Patientengruppen regelmäßig ein entsprechendes Füllungsmaterial auswählen, das dauerhaft haltbar sowie erprobt ist und den aktuellen medizinwissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Die Frage der Haltbarkeit ist wegen der in § 136a SGB V geregelten Gewährleistung maßgebend.
Hinzu kommt, dass GKV-Patienten grundsätzlich einen Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Behandlung haben. Das gilt selbstverständlich auch in diesem Zusammenhang. Deswegen und aufgrund der Regelungen des Patientenrechtegesetzes muss der Zahnarzt die Patienten im Beratungsgespräch auf die verschiedenen, im konkreten Einzelfall medizinisch sinnvollen Therapiealternativen hinweisen. Auch eine Kostenaufklärung gehört dazu.
In den Allgemeinen Behandlungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) liest man zur vertragszahnärztlichen Indikation:
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„Es sollen nur anerkannte und erprobte plastische Füllungsmaterialien gemäß ihrer medizinischen Indikation verwendet werden. Die aktuellen Gebrauchs- und Fachinformationen und Aufbereitungsmonographien sollen berücksichtigt werden. Alle danach indizierten plastischen Füllungen sind auch im Seitenzahnbereich im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung zu erbringen. Im Frontzahnbereich sind in der Regel adhäsiv befestigte Füllungen das Mittel der Wahl. Adhäsiv befestigte Füllungen im Seitenzahngebiet sind nur in Ausnahmefällen Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.“ |
Für die Versorgung der Versicherten, die unter die EU-Quecksilberverordnung fallen und für die Amalgam grundsätzlich nicht mehr verwendet werden kann, stellen sich daher einige Fragen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) hat in einer Musterinformation vom 26.07.2018 hierzu Stellung genommen. Auch die einzelnen KZVen im Bundesgebiet positionieren sich sukzessive zu diesen Fragen ‒ insbesondere auch zur Mehrkostenfähigkeit dieser Füllungsleistungen.
Kompositfüllungen als Vertragsleistung
Die Änderung der BEMA-Nr. 13 zum 01.07.2018 führte dazu, dass nun auch Schwangere und Stillende als GKV-Patienten sowie Kinder bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres grundsätzlich eine Kompositfüllung im Seitenzahnbereich erhalten können. Diese Füllungen sind nach den BEMA-Nrn. 13e, f, g und h abzurechnen, wenn sie entsprechend der Adhäsivtechnik erbracht werden. Die Leistung ist als Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung ggf. ohne Zuzahlung des Versicherten zu erbringen. Zusätzlich wurde die mehr als dreiflächige Füllung als neue BEMA-Nr. 13h definiert.
Bezüglich der zu verwendenden Materialien wurde klargestellt, dass nur Komposite im engeren Sinne den Leistungsinhalt erfüllen. Abwandlungen bzw. Mischformen wie Kompomere gehören nicht dazu. Allerdings können auch solche Versorgungen in Betracht kommen. Dies entscheidet der behandelnde Zahnarzt gemeinsam mit dem Patienten ‒ immer bezogen auf den konkreten Einzelfall anhand der medizinischen Indikation und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots.
PRAXISTIPP | Die Feststellung des Leistungsanspruchs ist bei unter 15-jährigen Patienten noch relativ einfach. Eine Schwangerschaft kann ebenfalls anhand des Mutterpasses gut nachvollzogen werden. Ob eine Mutter allerdings (noch) stillt, ist schwieriger nachzuvollziehen. Vermerken Sie daher die Angaben der Patientinnen über eine Schwangerschaft oder das Stillen stets in der Karteikarte. |
Füllungen an Milchzähnen
Die Leistungsbeschreibungen der BEMA Nrn. 13e bis h unterscheiden nicht zwischen Milchzähnen und bleibenden Zähnen. Diese Leistungen können also grundsätzlich auch im Milchgebiss erbracht und abgerechnet werden. Selbstverständlich muss auch hier der Zahnarzt im Einzelfall entscheiden, ob eine Kompositfüllung bei dem jeweiligen Patienten in Betracht kommt. Dabei spielen verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle ‒ beispielsweise die Compliance des Patienten, die prognostizierte Dauerhaftigkeit der Versorgung im Hinblick auf einen anstehenden Zahnwechsel und die in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehenden Versorgungsalternativen.
Bei der Versorgung von Milchmolaren sollte das Wirtschaftlichkeitsgebot strikt beachtet werden, um Rückforderungen der Krankenkassen zu vermeiden. Das bedeutet, dass auch für die Versorgung von Milchmolaren in der Regel nicht zwingend Kompositfüllungen in Adhäsivtechnik das Mittel der Wahl sein müssen. Hierfür stehen ggf. auch alternative Materialien zur Verfügung. Handelt es sich jedoch bei den Milchzähnen um persistierende Milchzähne bei Patienten, die das 15. Lebensjahr bereits vollendet haben, können die BEMA-Nrn. 13e bis h grundsätzlich nicht abgerechnet werden ‒ es sei denn, es liegt dafür ein besonderer Grund vor (z. B. absolute Amalgam-Kontraindikationen wegen Allergie oder schwerer Niereninsuffizienz).
Möglichkeit der Mehrkostenvereinbarung
Eine Mehrkostenvereinbarung für Leistungen, die über den jeweiligen BEMA-Umfang hinausgehen, ist weiterhin möglich. Wann das genau der Fall ist, muss der Vertragszahnarzt bei seiner KZV erfragen. Es ist davon auszugehen, dass dies immer dann zulässig ist, wenn die Füllung nicht nur in Adhäsivtechnik, sondern als dentinadhäsive Restauration erbracht wird oder wenn die Mehrschichttechnik im Sinne einer Mehrfarbentechnik zur ästhetischen Optimierung durchgeführt wird. Letztere ist grundsätzlich nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung, wie der G-BA bei der BEMA-Umrelationierung in Bezug auf den Frontzahnbereich ausdrücklich festgelegt hatte. Das sollte nun für die Versorgungen im Seitenzahnbereich entsprechend gelten.
Insoweit wurden mit den aktuellen Änderungen bei der BEMA-Nr. 13 keine abweichenden Regelungen von der bisherigen Rechtslage bezüglich ggf. zu treffender Mehrkostenvereinbarungen im Sinne von § 28 Abs. 2 SGB V getroffen. Wählen Patienten eine solche höherwertige Füllungstherapie, ist die Mehrkostenvereinbarung vor der Behandlung in Schriftform zu treffen.
Berechnungsbeispiele zur Füllungstherapie
Die Änderungen in der Füllungstherapie werden nachfolgend anhand von 2 praktischen Fällen dargestellt.
1. Fall: Kompositfüllung bei einer schwangeren Patientin
Bei der schwangeren 25-jährigen Patientin wird eine mo-Füllung in regio 16 gelegt, um die insuffiziente Kompositfüllung auszutauschen. Die Patientin wünscht eine zuzahlungsfreie Leistung und die spätere Politur der Füllung.
Datum | Zahn/regio | Leistung | BEMA-Nr. | GOZ-Nr. |
29.08.2018 | 16 | Sensibilitätsprüfung (+) | 8 | ‒ |
14-17 | Besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen … (Anlegen von Spanngummi) | 12 | 1‒ | |
16 | Indirekte Überkappung | 25 | ‒ | |
16 | Kompositfüllung mit adhäsiver Befestigung (mo) einschl. Politur | 13f | ‒ | |
29.01.2019 | Privatvereinbarung gemäß § 8 Abs. 7 BMV-Z | ‒ | ‒ | |
Beratung über Nachpolitur der Füllung | ‒ | Ä1 | ||
16 | Kontrolle, Finieren/Polieren einer Restauration in separater Sitzung, auch Nachpolieren einer vorhandenen Restauration | ‒ | 2130 |
2. Fall: Adhäsive Kompositfüllung bei 14-jährigem Patienten in regio 34
Bei einem 14-jährigen Patienten wird eine mod-Füllung in regio 34 gelegt. Der Patient bzw. dessen Eltern wünschen eine dentinadhäsive Füllung in Mehrfarbentechnik.
Datum | Zahn/regio | Leistung | BEMA-Nr. | GOZ-Nr. |
29.08.2018 | 34 | Sensibilitätsprüfung (+) | 8 | ‒ |
33-36 | Besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen… (Anlegen von Spanngummi) | 12 | ‒ | |
34 | Kompositfüllung in Adhäsivtechnik (Konditionieren), dreiflächig, ggf. einschl. Mehrschichttechnik | ‒ | 2100 | |
34 | abzgl. plastische Füllung, dreiflächig | -13c | ‒ |
Durch die schriftliche Mehrkostenvereinbarung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V, die vor Beginn der Behandlung zu treffen ist, wird als Sachleistung die BEMA-Nr. 13c in Abzug gebracht. Beachten Sie dabei regionale Unterschiede in den KZVen. In einigen Bundesländern können anstelle der BEMA-Nrn. 13a ff. die BEMA-Nrn. 13e ff. in Abzug gebracht werden.
PRAXISTIPP | Für den Fall, dass die BEMA-Nrn. 13e ff. in Abzug gebracht werden, wird das Anlegen von Spanngummi als Sachleistung nach BEMA-Nr. 12 abgerechnet. Wenn die preisgünstigste plastische Füllung nach BEMA-Nr. 13a bis d abzuziehen ist, wäre das Anlegen von Spanngummi eine zusätzliche Privatleistung, die auf der Mehrkostenvereinbarung aufzuführen ist, weil es bei der Amalgamfüllung nicht benötigt würde. Die Leistung könnte auf der entsprechenden Mehrkostenvereinbarung wie folgt vereinbart werden:
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1-Prozent-Regelung und HVM/Budget
Nach wie vor besteht eine Formulierung in Form einer Protokollnotiz zum BEMA, wonach der G-BA davon ausgeht, dass die nach den BEMA-Nrn. 13e bis h abrechenbaren Füllungen im Seitenzahnbereich bei maximal 1 Prozent der Gesamtzahl der Füllungen liegen sollen. Wichtig ist, dass diese Vorgabe für die Einzelpraxis keine Bedeutung hat. Auch Zahnarztpraxen, die hauptsächlich Kinder behandeln, müssen eine Honorarkürzung beispielsweise durch Prüfungseinrichtungen nicht befürchten. Diese Grenze bedeutet lediglich, dass KZBV und GKV-Spitzenverband die Regelungen regelmäßig überprüfen müssen und ggf. über eine Anpassung beraten.
Die Budgetregelungen in den einzelnen KZVen zur Honorarverteilung sind ebenfalls nicht geändert worden. Das bedeutet aber auch, dass sich Praxen, die zu einem großen Teil Kinder behandeln, wegen der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten mit der für sie zuständigen KZV verständigen sollten.