· Fachbeitrag · Prothetik
Vorsicht Abrechnungsfalle: Prothesenbasis aus PEEK für GKV-Patienten
von Dental-Betriebswirtin und ZMV Birgit Sayn, Leverkusen, sayn-rechenart.de
| Die Zahl der dentalen Werkstoffe nimmt weiter zu, digitale Techniken eröffnen neue Therapiealternativen. Der Werkstoff Polyetheretherketon (PEEK) wurde 1978 erfunden und wird seit den 1990er-Jahren als Metallersatz verwendet, etwa in der Luft- und Raumfahrt, der Elektronik, der Medizintechnik und der zahnärztlichen Prothetik. Prothesen aus PEEK haben keine Metallanteile. Sie sind somit keine Modellgussprothesen, da der Werkstoff PEEK das Metall ersetzt. Wer bei gesetzlich versicherten (GKV-)Patienten entgegen der G-BA-Zahnersatz-Richtlinie den Werkstoff PEEK z. B. als Prothesenbasis verwendet, sollte sich mit der Erstattungsfähigkeit auseinandersetzen. Denn Differenzen mit der KZV sind meist programmiert. |
Erster Patientenfall: Teleskopierende Versorgung und Modellgussprothese ‒ PEEK im BEMA-HKP nicht angegeben
Bei einem GKV-Patienten aus Baden-Württemberg wurde ein BEMA-HKP mit Anlage für sieben verblendete Teleskopkronen und eine Modellgussprothese im Oberkiefer bei der Krankenkasse beantragt. Da für diese Versorgung eine Modellgussprothese vorgesehen war, fand sich im Bemerkungsfeld nur ein Hinweis auf Abrasionen und Zahnhalsdefekte. Die Krankenkasse genehmigte die Behandlungsunterlagen und der Patient wurde im Sommer 2022 versorgt.
Eingereichte Behandlungsunterlagen
Eingereicht wurden der HKP (mit Anlage), die zur Beantragung von Festzuschüssen erhobenen Befunde sowie die Kostenplanung.
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Befund-Nr. | Zahn/Gebiet | Anzahl |
1.1 | 13‒23, 25 | 7 |
1.3 | 13‒23, 25 | 7 |
3.1 | OK | 1 |
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BEMA-Nr. | Anzahl |
19 | 7 |
96b | 1 |
98a | 2 |
98g | 1 |
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Zahn/Gebiet | GOZ | Leistungsbeschreibung | Anzahl | Betrag/Euro |
13‒23, 25 | 2197 | Adhäsive Befestigung | 7 | 117,74 |
13‒23, 25 | 5040 | Teleskopkronen | 7 | 3.589,53 |
36, 46 | 4040 | Beseitigung grober Vorkontakte | 1 | 5,82 |
Zahnärztliches Honorar GOZ (entsprechend Zeile III/3 HKP): | 3.994,29 | |||
Zahnärztliches Honorar BEMA (entsprechend Zeilen III/1 und 2 HKP) | 319,37 | |||
Material und Laborkosten (entsprechend Zeile III/4 HKP) | 5.714,66 | |||
Gesamtkosten (entsprechend Zeile III/5 HKP) | 10.028,32 | |||
abzüglich Festzuschüsse | 2.393,56 | |||
Ihr voraussichtlicher Eigenanteil wird hiernach betragen | 7.634,76 |
Fremdlabor für Verwendung von PEEK, Krankenkasse wird nicht informiert
Im Verlauf der prothetischen Versorgung plädierte der Zahntechniker vom gewerblichen Labor aus Fertigungsgründen für eine Prothese aus PEEK. Besprochen, realisiert ‒ doch in dieser Phase wurde übersehen, der Krankenkasse den neuen Prothesenwerkstoff mitzuteilen. Diesbezügliche Problematiken waren weder der Praxis noch dem Fremdlabor bekannt. Die teleskopierende Prothese aus PEEK wurde zur vollsten Zufriedenheit des Patienten eingegliedert, auch bei der Kontrolle hatte der Patient keine Beschwerden.
Behandlungsunterlagen werden bei der KZV eingereicht
Die Mitarbeiterin in der Verwaltung erstellte die Rechnungen für das Verbrauchsmaterial und das praxiseigene Labor, prüfte die Rechnung vom gewerblichen Labor, erstellte die Abrechnung und reichte die digitalen Behandlungsunterlagen anschließend bei der KZV ein.
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Datum | Anzahl | Material | Einzelpreis | Euro |
10.06.22 | 1 | Alginat | 0,70 Euro | 0,70 |
16.08.22 | 1 | Alginat | 0,70 Euro | 0,70 |
17.08.22 | 1 | Bissabformung | 1,52 Euro | 1,52 |
12.09.22 | 7 | Kunststoff für Provisorien | 9,28 Euro | 64,96 |
14.10.22 | 1 | Elastomere Abformung | 14,52 Euro | 14,52 |
1 | Elastomere Abformung | 14,52 Euro | 14,52 | |
1 | Glasfaserstift | 13,07 Euro | 13,07 | |
119,27 |
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Datum | Anzahl | Nr. | Labor | Einzelpreis/Euro | MwSt. | Euro (netto) |
10.06.22 | 1 | 0010 | Modell | 6,80 | 0,0 | 6,80 |
1 | 0001 | Modell aus Hartgips | 9,35 | 0,0 | 9,35 | |
2 | 0732 | Desinfektion | 7,60 | 0,0 | 15,20 | |
01.08.22 | 1 | 1006 | Individueller Löffel aus Kunststoff | 18,50 | 0,0 | 18,50 |
1 | 1404 | Formteil für provisorische Versorgung | 12,50 | 0,0 | 12,50 | |
16.08.22 | 1 | 0723 | Zahnfarbenbestimmung | 15,75 | 0,0 | 15,75 |
1 | 0732 | Desinfektion | 7,60 | 0,0 | 7,60 | |
21.10.22 | 7 | 5306 | Keramik/geg. Glas konditionieren | 30,20 | 0,0 | 211,40 |
7 | 5401 | Keramik/geg. Glas konditionieren | 2,97 | 0,0 | 20,79 | |
317,89 |
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V. Rechnungsbeträge | Euro | Cent | |
1 | ZA-Honorar (BEMA siehe III) | 319 | 37 |
2 | ZA-Honorar zusätzl. Leistg. BEMA | 166 | 71 |
3 | ZA-Honorar GOZ | 3.768 | 72 |
4 | Material- und Laborkosten, gewerblich | 4.277 | 86 |
5 | Material- und Laborkosten, Praxis | 437 | 16 |
6 | Versandkosten Praxis | 0 | 00 |
7 | Gesamtsumme | 8.969 | 82 |
8 | Festzuschuss Kasse | 3.045 | 13 |
9 | Versichertenanteil | 5.924 | 69 |
KZV: Festzuschuss nur bei anerkannter Versorgungsform
Kurze Zeit nach Einreichung der Behandlungsunterlagen erhielt die Praxis einen Änderungsbescheid der KZVBW (Auszug):
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„… Im vorliegenden Fall wurde von Ihnen eine definitive Versorgung abgerechnet, welche aus dem Werkstoff PEEK/Valplast/Sunflex hergestellt wurde. Aktuell stellt die Herstellung und Eingliederung von definitiven Prothesen aus diesem Werkstoff keine anerkannte Versorgungsform dar und löst keinen Festzuschuss aus. Eine Abrechnung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ist auch dann nicht möglich, wenn die Verwendung des o. g. Werkstoffes der Krankenkasse im Vorfeld angezeigt wurde und diese die Genehmigung erteilt hat. Die Berechnung erfolgt nach GOZ und BEB auf der Grundlage einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 GOZ als Verlangensleistung mit dem Patienten. Sofern der Werkstoff bereits bei der Genehmigung angezeigt war, steht es der Krankenkasse frei, den Festzuschuss für eine derartige Versorgung an den Patienten direkt zu erstatten.
Bitte beachten Sie, dass geänderte Fälle nicht erneut bei der KZVBW zur Abrechnung eingereicht werden können und sich durch die von uns vorgenommene Änderungen ggfs. der Versichertenanteil entsprechend ändert.“ |
Ablehnung gefräster Zahnersatz aus PEEK als außervertragliche Leistung
Die Mitarbeiterin der Praxis hielt Rücksprache mit der Krankenkasse und fragte, ob der genehmigte und bereits abgerechnete BEMA-HKP nicht mit dem Hinweis auf „PEEK“ an die Krankenkasse zur Genehmigung der Änderung zugestellt werden kann oder ob alternativ eine Direktabrechnung aufgrund von PEEK mit dem Patienten erfolgen könne. Beides wurde verneint. Nach Eingliederung dieser Versorgung übernehme die IKK keinerlei Kosten, da der Werkstoff PEEK für die Prothesenbasis verwendet wurde. Es handle sich dabei um eine außervertragliche Leistung. Ein Festzuschuss kann nicht gewährt werden.
Wer trägt die Kosten der Versorgung?
Die gesamte Oberkieferversorgung ist eine außervertragliche Leistung, da in diesem Fall der § 135 Sozialgesetzbuch (SGB) V greift. Neue Behandlungsmethoden ohne entsprechende Empfehlung sind in der Regel nicht zulasten der Krankenkassen abrechenbar (vgl. Abruf-Nr. 48979111). Nach Eingliederung des Zahnersatzes kann der Zahnarzt keine Privatvereinbarung nach § 8 Abs. 7 Bundesmantelvertrag ‒ Zahnärzte (BMV-Z) mit dem gesetzlich versicherten Patienten vereinbaren, wenn eine Kostenübernahme im Nachgang von der Krankenkasse abgelehnt wird.
Die zahnärztlichen und zahntechnischen Kosten gehen zulasten des Zahnarztes. Ob eine Haftpflichtversicherung des Zahnarztes in Anspruch genommen werden kann, ist individuell zu prüfen. Die Änderung des Prothesenmaterials kam auf Empfehlung des Zahntechnikers zustande. Eine direkte Haftung dürfte ausgeschlossen sein, da der Zahnarzt die Laborarbeit beauftragt hat. Inwieweit man sich menschlich in einem derartigen Fall begegnet, ist intern abzuklären. Ein Widerspruch gegen den Änderungsbescheid der KZV ist aussichtslos.
Zweiter Patientenfall: Prothese aus PEEK ‒ Material vorab im BEMA-HKP angegeben
Bei einer Patientin wurde 2022 ein BEMA-HKP mit Anlage für eine Prothese aus PEEK an die Krankenkasse zur Kostenfestsetzung übermittelt. Im Bemerkungsfeld wurde ein Hinweis auf das Material PEEK notiert. Daraufhin erhielt die Praxis von der Krankenkasse auszugsweise folgende Mitteilung:
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„… Leider können wir den Leistungsantrag nicht wie von Ihnen beantragt bewilligen. Beigefügt erhalten Sie den Heil- und Kostenplan zur Änderung zurück. Bitte prüfen Sie den nachfolgend aufgeführten Sachverhalt. Bei der Prothese aus biokompatiblen Kunststoff handelt es sich um eine außervertragliche Leistung. Ein Festzuschuss kann nicht gewährt werden. Wir bitten Sie, die Beanstandungen bei der weiteren Behandlungsplanung zu berücksichtigen und mit Ihrem Patienten zu besprechen.“ |
Warum wurde die Prothese aus PEEK abgelehnt? Der Grund ist der § 135 SGB V. Dort ist im Abs. 1 verankert, dass neue Behandlungsmethoden (NUB)zulasten der Krankenkassen nur nach entsprechender Empfehlung abgerechnet werden können (vgl. Abruf-Nr. 48979111).
ZE-Richtlinie und Werkstoffe bei Prothesen
Welche Werkstoffe derzeit in der GKV bei Prothesen anerkannt sind, ist in Abschnitt D. III. G-BA Zahnersatz-Richtlinie definiert (online unter iww.de/s7876). Laut der Richtlinie Nr. 28 ist bei Teilprothesen in der Regel eine parodontal abgestützte Modellgusskonstruktion angezeigt. Bei einem Restgebiss ohne parodontale Abstützungsmöglichkeit (Nr. 29) und bei totalen Prothesen (Nr. 30) sind i. d. R. die Basen in Kunststoff herzustellen.
Moderner Werkstoff PEEK
Die Verwendung von PEEK ist in der Zahnmedizin verbreitet, jedoch findet sich noch keine Freigabe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) z. B. für Prothesenbasen aus PEEK, sodass in jedem Bundesland für sich entschieden wird, ob ein Festzuschuss bei gleich- bzw. andersartiger Versorgung gewährt wird oder ob eine außervertragliche Versorgung ohne Festzuschuss vorliegt (AAZ 03/2022, Seite 8 ff.).
MERKE | In Baden-Württemberg ist ein Zahnersatz aus PEEK ohne vorherige Notiz über den Werkstoff im Bemerkungsfeld zurzeit keine anerkannte Versorgungsform und löst somit keinen Festzuschuss aus. Findet sich ein entsprechender Hinweis im Bemerkungsfeld, entscheidet die Krankenkasse, ob ein Festzuschuss gewährt wird. In diesem Fall findet eine Direktabrechnung mit dem Patienten statt. |
Moderner Werkstoff Nylon
In der Änderungsmitteilung zum ersten Patientenfall werden von der KZVBW auch Valplast und Sunflex bei definitivem Zahnersatz erwähnt. Es handelt sich bei beiden Produkten um ein flexibles Prothesenmaterial aus biokompatiblem, thermoplastischem Nylon. Auch für diesen Werkstoff liegt bis heute keine Freigabe vom G-BA vor, obwohl Nylonprothesen insbesondere bei Interimsversorgungen seit rund 20 Jahren in Deutschland verwendet werden.
Auch zu diesem Werkstoff variieren die Abrechnungsempfehlungen je nach Bundesland. Es wird separat entschieden, ob ein Festzuschuss bei gleich- bzw. andersartiger Versorgung gewährt wird oder ob eine außervertragliche Versorgung ohne Festzuschuss vorliegt.
PRAXISTIPP | Bevor Sie Kronen und Zahnersatz aus PEEK oder aus Nylon beantragen, prüfen Sie die Rundschreiben der KZV, recherchieren Sie online im internen Abrechnungsbereich Ihrer KZV oder halten Sie Rücksprache mit der KZV bzw. mit der Krankenkasse Ihres Patienten, um die Abrechnungsmodalitäten zu klären. Erst nach der Genehmigung kann der Patient abschließend über die vorgesehenen Materialien und über seinen Eigenanteil in Kenntnis gesetzt werden. |
Weiterführende Hinweise
- NUB: Bewertung, Prüfung und Kostenübernahme (iww.de/aaz, Abruf-Nr. 48979111)
- Fremdlabor fertigt Prothese ohne Wissen der Zahnärztin aus PEEK ‒ Zahnärztin haftet (iww.de/aaz, Abruf-Nr. 48983306)
- Welche Leistungen gehören auf BEMA-HKP Teil 2 und welche werden bei Mischfällen mitgezählt? (AAZ 03/2022, Seite 8 ff.)