· Fachbeitrag · Apothekenentwicklung
Erfolgsfaktor Serialisierung: „Kundenbindung und Kundenzufriedenheit sind unsere Erträge“
| 2012 startete der Apotheker Markus Kerckhoff, Geschäftsführer der Schloss Apotheke in Bergisch Gladbach, mit der Serialisierung. Jede Arzneimittelpackung erhält beim Wareneingang eine Seriennummer. Darüber lassen sich zu jeder Packung Informationen zu Lieferant, Charge, Verfallsdatum und Empfänger nachverfolgen. Kerckhoff ließ dazu eine eigene Datenbank entwickeln. Für die Schloss Apotheke, zu deren Standbeinen der Versand von Impfstoffen gehört, sei die Serialisierung inzwischen unverzichtbar. AH-Autorin Ursula Katthöfer ( www.textwiese.com ) sprach mit ihm über sein Konzept. |
Frage: Eine Datenbank programmieren zu lassen, bringt einen hohen Zeit- und Kostenaufwand mit sich. Warum haben Sie investiert?
Antwort: Das war ganz banal. Es gibt bis heute keine Software, mit der eine vernünftige Chargendokumentation, die auch Buchungen berücksichtigt, möglich ist. Mithilfe der Serialisierung betrachten wir nun einzelne Packungen, befinden uns also noch eine Ebene unterhalb der Charge, die ja beliebig groß sein kann. So können wir dem Kunden sagen, ob er betroffen ist oder nicht, wenn z. B. ein Medikament zurückgerufen wird. Es geht um Arzneimittelsicherheit und Qualität.
Frage: Wie kam es zu diesem Ansatz der Chargendokumentation?
Antwort: Auslöser war ein Impfstoff in einer ungekühlten Isolierbox. Die Kühlkette war nicht eingehalten worden. Über diesen Missstand habe ich mich geärgert und damit begonnen, nach einer Lösung zu suchen. Denn bei Impfstoffen haben wir eine besondere Verantwortung. Einerseits wünscht der Staat eine hohe Durchimpfungsrate, andererseits verlangt das Grundgesetz die Bedingung der körperlichen Unversehrtheit. Eine Impfung ist juristisch betrachtet Körperverletzung. Der Staat kommt zwar für Impfschäden auf, will jedoch im Gegenzug, dass jede Charge einzeln freigegeben wird.
Frage: Welche Vorteile hat die Serialisierung, wenn ein Rückruf kommt?
Antwort: Wir versorgen viele Arztpraxen und arbeitsmedizinische Dienste. Ruft ein Hersteller eine Charge zurück, sehen wir auf Knopfdruck, welcher Kunde Arzneimittel aus dieser Charge bekommen hat. Er erhält einen Serienbrief mit den nötigen Informationen und dem Hinweis, sein Lager zu kontrollieren. Auch Arztpraxen und Privatpersonen werden gebeten, in ihren Kühlschrank zu schauen. Das System perfektioniert den hundertprozentig genauen Chargenrückruf. Wir sind bundesweit die einzige Apotheke, die zur Chargendokumentation durch den TÜV ISO zertifiziert wurde ‒ und das seit 1998.
Frage: Welche betriebswirtschaftlichen Vorteile ergeben sich aus der Serialisierung?
Antwort: Kundenbindung und Kundenzufriedenheit sind unsere Erträge. Das Konzept lässt sich für weitere Aspekte in der Apotheke nutzen, etwa für die Lieferzuverlässigkeit. Wünscht der Kunde beispielsweise Medikamente mit einer bestimmten Restlaufzeit, sortiert der Scanner alle Packungen aus, die das gewünschte Kriterium nicht erfüllen.
Frage: Über securPharm muss seit Februar 2019 jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel vor Abgabe an den Patienten einer Echtheitsprüfung unterzogen werden. Wo ist der Unterschied zu Ihrem System?
Antwort: Es handelt sich um einen ganz anderen Ansatz. securPharm möchte über eindeutige Seriennummern, die in einer europäischen Datenbank hinterlegt sind, den Vertrieb von gefälschten Arzneimitteln verhindern. Die Idee ist: Wenn die Nummer noch in der Datenbank ist, muss das Arzneimittel ein Original sein. Ein Fehler dieses Systems ist, dass pharmazeutische Unternehmen berechtigt sind, selbst Seriennummern zu vergeben. Ein Fälscher kann die gefälschten Medikamente mit einer Seriennummer versehen und in die Datenbank eintragen.
Frage: Zurück zu der von Ihnen entwickelten Serialisierung. Wie funktioniert es praktisch, die Seriennummern anzubringen?
Antwort: Die Datenbank erzeugt fortlaufende Nummern. Sie fängt bei 1 an und hört bei unendlich auf. Wir erfassen beim Wareneingang die Chargennummer, das Verfallsdatum, den Lieferanten und den Preis des Arzneimittels. Es entsteht ein Etikett mit einer Seriennummer, das auf die Packung geklebt wird. Jedes Ein- und Ausbuchen findet also nicht auf Ebene der PZN, sondern der Seriennummer statt. Dazu passend haben wir ein eigenes Warenwirtschaftssystem entwickelt, mit dem wir unseren Bestand detailliert verwalten können.
Frage: Könnte Ihr Konzept in Serie gehen?
Antwort: Wir würden keine Lizenzen verkaufen. Unser Ziel ist zu zeigen, was in einer Apotheke möglich ist, um die Patientensicherheit zu verbessern. Jede Apotheke kann zu ihrem Softwarehaus gehen und ein System wie unseres beauftragen.
Frage: Mit welchen Kosten müssten Apotheken rechnen?
Antwort: Unsere Investition in die Serialisierung war deutlich fünfstellig. Es fallen laufende Kosten an, denn wir beschäftigen einen eigenen Programmierer, der das System immer wieder anpasst.
Frage: Was müssen die Mitarbeiter dazu wissen?
Antwort: Eine besondere Schulung ist nicht notwendig. Doch Mitarbeiter müssen sehr sorgfältig arbeiten und sich selbst gegenüber ehrlich sein. Wenn 40.000 Packungen kommen und man dafür Etiketten ausdruckt, können schnell Fehler wie das doppelte Bekleben einer Packung passieren. Man muss so systematisch arbeiten wie bei einer Rezeptur.