· Fachbeitrag · Apothekenentwicklung
Schwerpunktapotheke: Auf Diabetes-Patienten gut eingestellt
von Alexandra Schramm, Medienbüro Medizin, Hamburg
| Diabetes ist eine Volkskrankheit - da liegt der Gedanke nahe, sich mit seiner Apotheke in der Beratung und beim Produktsortiment auf dieses Gebiet zu spezialisieren. Welche Anforderungen und Aufgaben es für diesen Schwerpunkt gibt, zeigt dieser Beitrag anhand des Beispiels der Hirsch-Apotheke in Warburg. |
Was ist eine Schwerpunktapotheke?
Der Begriff „Schwerpunktapotheke“ ist laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) nicht geschützt und nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Demnach steht es jeder Apotheke frei, sich auf einen bestimmten Schwerpunkt zu spezialisieren und einen Teil des Medikamentensortiments darauf auszurichten - zum Beispiel auf die Onkologie, Homöopathie, Aids, Diabetes oder Zielgruppen wie Senioren, Schwangere und Mütter oder Babys und Kinder.
Festgelegte Spezialisierungsgebiete
Die ABDA geht davon aus, dass die Inhaber einer Schwerpunktapotheke sich für das jeweilige Indikationsgebiet qualifiziert haben, etwa durch Weiterbildung in einem Spezialisierungsgebiet. Zu den festgelegten Gebieten zählen: Allgemeinpharmazie, klinische Pharmazie, Arzneimittelinformation, pharmazeutische Analytik, pharmazeutische Technologie, Toxikologie und Ökologie, theoretische und praktische Ausbildung, öffentliches Gesundheitswesen und klinische Chemie.
Zusatzbezeichnungen für Apotheker
Ergänzend oder alternativ zu einer Gebietsweiterbildung können Apotheker auch in verschiedenen Bereichen eine Zusatzbezeichnung erwerben: Ernährungsberatung, Prävention und Gesundheitsförderung, Naturheilverfahren und Homöopathie, Onkologische Pharmazie und Geriatrische Pharmazie.
Diabetes - ein lukrativer Schwerpunkt
Von der Volkskrankheit Diabetes sind laut dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes etwa sieben Mio. Menschen im Bundesgebiet betroffen. Weltweit wurde im Jahr 2011 bei 366 Mio. Menschen Diabetes diagnostiziert. Weitere 280 Mio. tragen ein hohes Risiko, daran zu erkranken. Zudem gibt es viele Begleit- und Folge-Erkrankungen, wie etwa das metabolische Syndrom (wozu Übergewicht, Bluthochdruck, veränderte Blutfettwerte und Insulinresistenz zählen), Neuropathie oder das diabetische Fußsyndrom. All das muss neben dem eigentlichen Diabetes behandelt werden. Dazu gehören wiederum Themenfelder wie Ernährung, Bewegung und Hautpflege, die sich ebenfalls im Sortiment und in der Beratung in einer Schwerpunkt-Apotheke wiederfinden.
Spezialgebiet Diabetes: Hirsch-Apotheke in Warburg
Die Hirsch-Apotheke aus Warburg hat sich für das Spezialgebiet Diabetes entschieden. Weitere Beratungsschwerpunkte sind Sport-, Reise-, Tropen- und Höhenmedizin. Zudem bietet die Apotheke auch das gängige Sortiment an, damit so gut wie jeder Kunde bedient werden kann. Doch Diabetes macht den größten Anteil aus: 60 Prozent der Kunden sind Diabetiker. Ein Passantenstopper macht auf die Spezialisierung aufmerksam: Dies ist eine Apotheke mit Schwerpunkt Diabetes nach den Richtlinien der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) und hält daher ein umfangreiches Hilfs- und Arzneimittelsortiment für Diabetiker bereit. Zudem arbeitet die Apotheke mit einer diabetologischen Schwerpunktpraxis in Warburg zusammen. In der Praxis werden monatlich etwa 1.400 Diabetiker behandelt, die auch bis zu 70 Kilometer Entfernung für die Anreise in Kauf nehmen. Daher wissen viele Patienten von der Schwerpunkt-Apotheke, die Teil eines integrierten Versorgungskonzepts ist. Dazu gehören weitere Apotheken, Podologen, Ernährungsberater und Sportgruppen.
Kooperationsmodell seit 1999
Bereits 1999 haben Arzt und Apotheker ihr gemeinsames Kooperationsmodell gestartet. Die Arztpraxis hatte damals einen erhöhten Betreuungsbedarf von frisch eingestellten Diabetikern, der allein durch das Praxisteam nicht zu bewältigen war. Daher ergriff der Arzt die Initiative und fragte in der Hirsch-Apotheke, ob diese sich stärker in der Betreuung von Diabetes-Patienten engagieren möchte. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe erarbeitete verschiedene Ziele. Dazu gehörte zum Beispiel die Beantwortung der Fragen, welche Betreuungsaufgaben sich von der Praxis in die Apotheke auslagern lassen, wie ein guter Informationsfluss funktioniert, wie Fortbildungs- sowie Strukturstandards in der Apotheke geschaffen und welche Aktionen gemeinsam geplant werden können.
Fortbildungen und Schulungen für das Apothekenteam und die Patienten
Mittels Fortbildungen und Schulungen durch die Arztpraxis hat sich der Apotheker Edmund Küpper auf die neuen Anforderungen vorbereitet. 2003 besuchte er den Kurs „Praktische Diabetologie“ der neu gegründeten Apotheken-Fortbildungsakademie. Hier können Apotheker nach den Normen der Apothekerkammer und der DDG eine diabetologische Teamschulung absolvieren. Der Kurs umfasst 42 Stunden sowie eine einwöchige Hospitation in einer diabetologischen Einrichtung mit dem Ziel, Fachwissen zu vermitteln, mit dem die Apotheke zu einem kompetenten Ansprechpartner wird.
PRAXISHINWEIS | Apotheker sollten kontinuierlich an Aufbauseminaren, Fortbildungen sowie an den jährlichen Tagungen der DDG teilnehmen, um stets auf dem neuesten Stand zu sein. Das Apothekenteam kann sich durch das Lesen von Fachzeitschriften informieren. |
Diesen Mehraufwand bringt eine Schwerpunkt-Apotheke mit sich. Zudem organisieren die Praxis und die Apotheke gemeinsame Patientenschulungen und haben die Gründung von Selbsthilfegruppen im Ort angestoßen: eine für Kinder mit Diabetes und ihre Eltern, eine für Pumpenträger und eine für Typ-II-Diabetiker.
Für PTAs sind keine besonderen Vorkenntnisse erforderlich. Dem Schwerpunktthema müssen sie jedoch offen gegenüberstehen und Interesse an der eigenen Weiterbildung haben. Denn in einer Schwerpunktapotheke müssen sich alle Mitarbeiter zeitnah Fachwissen zum Thema aneignen. Ziel sollte es sein, dass die PTAs kompetent alle Fragen zur Spezialisierung beantworten können - und das nicht nur für neue, sondern auch für gut eingestellte Patienten, die bereits über ein umfangreiches Know-how verfügen. Dazu gehört beispielsweise, die gängigen Blutzuckermessgeräte, Injektionshilfen (wie Pens verschiedener Anbieter), Insulinpräparate und -pumpen sowie deren Lagerung zu kennen. Außerdem sollten Präparate, um Folge- und Begleit-Erkrankungen zu behandeln, sowie Tipps und Hinweise zur Ernährung und zur Fußpflege vermittelt werden können. Daher haben die PTAs der Hirsch-Apotheke innerhalb von zwei Jahren an acht Weiterbildungskursen für Diabetologie teilgenommen, die vier Mal im Jahr stattfanden.
Eine besondere Anforderung stellen zudem die Abrechnungsmodalitäten für spezielles Pumpenzubehör dar, weil hier im Vorfeld Kostenvoranschläge gestellt werden müssen und einige Kassen die Kosten nicht übernehmen.
Ausführliche Beratungsgespräche führen zu einer besseren Compliance
In zwei Beratungsräumen mit Musterkoffern und Diabetes-Zubehör finden ausführliche Informationsgespräche statt. Diese dauern im Schnitt eine halbe Stunde. Patienten kommen mit ihrer Therapiemappe vom Arzt und können sich hier in Ruhe die Erkrankung sowie das Prinzip der Therapie und welche Folgen sie für den Alltag hat erklären lassen. Wichtige Themen wie Ernährung und Fußpflege finden ebenfalls Platz in der Beratung. Das ist vor allem für neue Diabetes-Patienten eine große Hilfe, da sie die Informationen aus dem Arztgespräch nicht alle behalten können.
Diesen Mehraufwand nimmt das Apothekenteam bewusst in Kauf, da es die Patienten-Compliance verbessert. So werden unklare Therapieabsprachen aufgedeckt und Fehlerquellen durch falsche Bedienung der Geräte sowie Ängste, etwa bei einer Umstellung auf Insulin, beseitigt. Der Hirsch-Apotheken-Inhaber ist überzeugt: So eine umfangreiche Diabetes-Betreuung kann von keiner Internet-Apotheke getoppt werden. Ein gut beratener Kunde ist ein treuer Kunde. Und Kompetenz ist das beste Werbemittel - das spricht sich herum.
PRAXISHINWEIS | Jährlich findet am 14. November der Weltdiabetestag statt. Als Apotheke mit dem Schwerpunkt Diabetes sollten Sie an diesem Tag unbedingt eine Apothekenaktion veranstalten. |
Weiterführende Hinweise
- „Zielgruppenmanagement in Apotheken: Woran leiden und sterben die Deutschen?“ in AH 06/2013, Seite 7
- „Auf zu neuen Ufern: Zusatzleistungen anbieten“ in AH 10/2011, Seite 9
- „Neue Dienstleistungen und Einnahmequellen für die Apotheke von morgen“ in AH 08/2005, Seite 12