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  • · Fachbeitrag · Apothekenentwicklung

    Self-Tracking: Moderne Technik erschließt neue Zielgruppen

    von Yvonne Willibald, Medienbüro Medizin (MbMed), Hamburg

    | Bestimmte Kunden/Patienten kennen ihren Blutdruck sowie die Kalorienzahl und den Fettanteil ihrer Mahlzeiten. Manche wissen sogar, ob sie nur gefühlt oder tatsächlich gut geschlafen haben: Die sogenannten Self-Tracker messen die verschiedensten Körperwerte, um ihre Gesundheit zu überwachen. Hierzu nutzen sie Apps und sogenannte Gadgets - kleine elektronische Geräte, die sich mit Handy und PC verbinden lassen. AH stellt Ihnen die neue Zielgruppe vor und zeigt, wie Sie am besten auf sie eingehen. |

    Digitale Tools können Diagnostik erleichtern

    Das Bild des Patienten, der mit dem Smartphone beim Arzt sitzt und diesem seine Werte zeigt, ist längst keine Fiktion mehr: Das sogenannte Telemonitoring ermöglicht etwa Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, ihre Herzfrequenz selbst zu kontrollieren. So lernen sie, besser mit ihrer Krankheit umzugehen, was die Compliance verbessern kann. Zudem können Ärzte so Erkenntnisse gewinnen, die im Rahmen eines Untersuchungstermins nicht zutage getreten wären. Denn Patienten können mit digitalen Tools über einen längeren Zeitraum regelmäßig selbst Messwerte sammeln.

     

    Doch längst nutzen nicht mehr nur Patienten die digitalen Tools zur Selbstvermessung. Auch gesunde Menschen verwenden zusehends Apps und Gadgets, um ihre Gesundheitswerte zu ermitteln: Nach Angaben des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) gab es 2011 allein für den Bereich Gesundheit und Fitness bereits 15.000 Apps - Tendenz steigend. Fast ein Viertel der Bundesbürger nutzt demzufolge mittlerweile solche Smartphone-Anwendungen.

    Soziale Netzwerke als Motivationshilfe

    Unter den vielen digitalen Helfern ist für jeden etwas dabei - vom Schrittzähler bis hin zum Stirnband, das die Gehirnaktivität im Schlaf und somit die Schlafqualität misst. Die Selbstvermesser haben unterschiedliche Motivationen: Einige von ihnen sind einfach besonders technikaffin, weshalb sie gerne immer neue Tools testen. Andere möchten ihren Lebensstil dauerhaft verbessern - die Apps und Gadgets sollen dabei helfen, sich selbst anzutreiben und zu kontrollieren.

     

    Viele teilen ihre Daten zusätzlich in sozialen Netzwerken und über Twitter. Wer sich etwa vorgenommen hat, täglich mindestens 10.000 Schritte zu laufen, teilt dieses Ziel über eine Plattform anderen Nutzern mit. Ein Schrittzähler dient der Kontrolle. Stellt man die Ergebnisse nun online, loben einen die anderen User, wenn man viel gelaufen ist, und tadeln einen, wenn man faul gewesen ist. Das kann helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden.

     

    Bei den meisten Self-Trackern spielt aber auch der Wunsch eine Rolle, sich mithilfe der eigenen Messungen zumindest teilweise von den Aussagen verschiedener Akteure im Gesundheitswesen unabhängig zu machen - etwa von Ärzten, Krankenkassen und Pharma-Unternehmen. Sie messen ihre Körperdaten, um gesund zu bleiben. Ist ein Wert unnormal, möchten Self-Tracker selbst entscheiden, was sie tun: Einige werden zunächst versuchen, mit mehr Sport und gesünderer Ernährung gegenzusteuern. Andere werden vielleicht Ihre Offizin aufsuchen, Ihnen die Werte auf ihrem Smartphone zeigen und Sie um Rat fragen. Immerhin haben 85 Prozent der Bundesbürger „sehr hohes“ oder „ziemlich hohes“ Vertrauen in Apotheker und ihre Mitarbeiter, so das Ergebnis der repräsentativen Umfrage „Reader’s Digest European Trusted Brands 2013“. Seien Sie daher auf die neue Zielgruppe vorbereitet.

    Nicht alle Apps und Gadgets messen exakt

    Zeigt Ihnen ein Kunde solche Daten auf seinem Smartphone, sollten Sie wissen, dass nicht alle digitalen Helfer verlässlich sind: Nur wenn ein Tool als Medizinprodukt zertifiziert ist, sind exakte Messwerte gewährleistet. Da die Zertifizierung aber lange dauert und aufwendig ist, melden viele Hersteller ihre Apps und Gadgets lieber als Lifestyle-Produkte im Bereich Gesundheit und Fitness an. Insbesondere für chronisch kranke Menschen sind exakte Werte jedoch wichtig - und gerade für sie sind Gadgets besonders nützlich. Denn mithilfe dieser kleinen Messgeräte können sie etwa ihre Blutzuckerwerte beobachten, auf dem Handy abspeichern und von dort auf den PC oder eine Internetplattform übertragen. Teilweise wandeln die Programme die Daten sogar direkt in eine anschauliche Grafik um. Gerade bei technikaffinen Patienten erhöht das die Motivation, Werte über einen längeren Zeitraum zu erfassen. Sie sollten aber nur zertifizierte Medizinprodukte verwenden, um fehlerhafte Werte auszuschließen. Weisen Sie Self-Tracker auf dieses Problem hin.

     

    PRAXISHINWEIS |  Kommt ein Kunde in Ihre Apotheke und sagt, er habe mit einem Gadget außergewöhnlich hohe Blutzuckerwerte gemessen, fragen Sie, was für ein Tool er benutzt. Zusätzlich können Sie anbieten, den Blutzucker einmal gleichzeitig mit dem Gadget des Kunden und einem Kontrollgerät zu testen. Misst das Gerät des Kunden falsch, könnten Sie ein als Medizinprodukt zertifiziertes Gadget anbieten - zumindest, sofern Sie auf die neue Zielgruppe eingestellt sind und solche Produkte in Ihrem Sortiment führen.

     

    Empfehlungen für Ihre Kunden

    Sie können auch Kundeninformationen zum Thema „Self-Tracking“ anbieten - als Broschüren zum Mitnehmen und auf Ihrer Website. Dabei können Sie erläutern, warum es besser ist, sich ein zertifiziertes Gerät aus der Apotheke zu besorgen, auch wenn dieses teurer ist. Passenden Zielgruppen können Sie aktiv Gadgets zur Selbstvermessung empfehlen - zum Beispiel jungen Menschen mit Diabetes. Doch auch wenn Sie feststellen, dass ein älterer Kunde sich für moderne Technik begeistert, sollten Sie diesen auf die neuen Geräte hinweisen. So gibt es unter anderem Apps, die an die Medikamenteneinnahme erinnern. Gerade für Senioren, die häufig mehrere Medikamente gegen verschiedene Beschwerden einnehmen müssen, können solche Anwendungen sehr nützlich sein.

    Ehrenkodex für App-Anbieter

    Die wenigen zertifizierten Tools sind allerdings oft relativ teuer. Sie lohnen sich noch am ehesten für chronisch kranke Menschen. Doch auch andere Nutzer möchten sich darauf verlassen können, dass die Messwerte stimmen. Hierzu können sie sich am Gütesiegel des sogenannten HealthOn-App-Ehrenkodex orientieren: Die Anbieter von Gesundheits-Apps können sich selbst dazu verpflichten, diesen einzuhalten. Im Gegenzug erhalten sie das Gütesiegel.

     

    Die Kriterien des Ehrenkodex lauten:

     

    • Ein Experte mit medizinischem Sachverstand hat alle gesundheitsbezogenen Dokumentationshilfen und Angaben entwickelt und/oder geprüft.
    • Alle gesundheitsbezogenen Aussagen innerhalb der App sind mit wissenschaftlich anerkannten Quellen belegt.
    • Der Hinweis, dass die App einen Arztbesuch nicht ersetzt, ist Pflicht.
    • Die Anbieter legen ihre Finanzierungsquellen, wie Sponsoren, Werbepartner, öffentliche Fördermittel und Steuergelder, offen und versichern, dass deren Interessen die Inhalte der App nicht beeinflussen.
    • Daten- und Verbraucherschutz sind garantiert.
    • Verstößt die App gegen wenigstens eines der Kriterien, muss der Anbieter diese umgehend überarbeiten.

     

    Hinweis | Für die Überarbeitung stellt HealthOn auf seiner Website einen Prüfkatalog (eva.healthon.de) zur Verfügung, anhand dessen jeder Nutzer jede App prüfen und bewerten kann. HealthOn wertet die Prüfberichte im Anschluss aus. So soll gewährleistet werden, dass sich die App-Hersteller an die Kriterien halten.

    Quantified Self: organisierte Selbstvermesser

    Die Zielgruppe der Self-Tracker wächst stetig. Das zeigt sich unter anderem darin, dass einige von ihnen sogar in einem richtigen Netzwerk organisiert sind - dem sogenannten Quantified-Self-Netzwerk. Sein Geburtsort ist Amerika. 2007 riefen die Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly dort die Plattform Quantifiedself.com ins Leben. Quantified Self heißt - frei übersetzt - soviel wie „Das Selbst in Zahlen“. Den Kern des Netzwerks bilden die sogenannten Meetups. Das sind Treffen, auf denen sich die Self-Tracker über ihre Erfahrungen mit verschiedenen Tools austauschen. Zudem können Unternehmen dort neue Tools vorstellen und bekommen Feedback von den Nutzern. Das erste Meetup fand 2008 in der San Francisco Bay Area statt. Inzwischen gibt es 138 Meetup-Gruppen in 34 Ländern. Das Netzwerk umfasst weltweit rund 23.000 Mitglieder, davon 800 in Deutschland - und es werden täglich mehr.

     

    FAZIT |  Apotheker und ihre Mitarbeiter sollten für die Zukunft gerüstet sein. Indem Sie beispielsweise auf den HealthOn-Ehrenkodex verweisen und als Medizinprodukte zertifizierte Tools anbieten, gehen Sie auf die Bedürfnisse der Self-
Tracker ein. So können Sie deren Vertrauen gewinnen und eine wachsende Zielgruppe erschließen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 3 | ID 42330935