· Fachbeitrag · Betriebswirtschaftliche Apothekensteuerung
Wichtige Kennzahlen für Apotheken: pagatorische und kalkulatorische Kosten
von Prof. Dr. Hendrik Schröder, Universität Duisburg-Essen
| Kosten können als Werteverzehr verstanden und in pagatorische sowie kalkulatorische Kosten unterschieden werden. Pagatorische Kosten sind immer mit einer Auszahlung verbunden (pagare, lateinisch = zahlen). Kalkulatorische Kosten lassen sich in Zusatz- und Anderskosten unterteilen. Bei den Zusatzkosten erfolgt keine Auszahlung, bei den Anderskosten erfolgt eine Auszahlung in anderer Höhe als bei den pagatorischen Kosten. |
Entstehungszeitpunkte von Auszahlungen und Kosten
Pagatorische Kosten entstehen z. B. für Personal, Räume, Ladenausstattung, Botenfahrzeuge, Werbung und Fremdkapital. Einige Kosten fallen im Wirtschaftsjahr (dem Zeitraum, für den der Jahresabschluss erstellt wird) mit den Auszahlungen zusammen, z. B. für Gehälter, Miete und Fremdkapitalzinsen. Bei anderen Kosten fallen Auszahlungen und Kosten zeitlich auseinander.
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Ein Kommissionierautomat wird zum Preis von 100.000 Euro gekauft. Der Kaufpreis wird als Abschreibung über mehrere Jahre verteilt. Bei einer Nutzungsdauer von zehn Jahren und linearer Abschreibung sind das 10.000 Euro pro Jahr. Die Auszahlungen können zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen, z. B. zu Beginn, wenn der gesamte Anschaffungspreis gezahlt wird, oder über mehrere Jahre, wenn der Anschaffungspreis in Raten gezahlt wird. |
Auch in anderen Fällen können der Zeitpunkt der Auszahlung und der Zeitpunkt des Ansatzes als Kosten auseinanderfallen, etwa bei der Beschaffung von Verbrauchsmaterialien. Die Auszahlung erfolgt bei der Bezahlung der Rechnung, der Ansatz in der Kostenrechnung erst dann, wenn das Material verbraucht wird. Bislang nicht verbrauchte Materialien werden als Lagerbestände bewertet, gehen also in das Umlaufvermögen ein. Das Gleiche gilt für angeschaffte Handelswaren. Sie werden erst zum Zeitpunkt des Verkaufs zu Kosten, bis dahin werden sie als Umlaufvermögen erfasst.
Wenn die Zeitpunkte von Auszahlungen und Kosten (Werteverzehr) auseinanderfallen, ist es sinnvoll, zwischen der Liquiditäts- und der Erfolgsrechnung zu unterscheiden. Auszahlungen für den Kauf von Gegenständen des Anlagevermögens sowie für die Anschaffung von Vorräten an Verbrauchsgütern und Handelswaren müssen vorfinanziert werden, sei es durch Fremd- oder durch Eigenkapital. Hierfür fallen Kosten an, entweder Zinsen als pagatorische Kosten für das Fremdkapital oder Zinsen als kalkulatorische Kosten für das Eigenkapital. Der Werteverzehr für die genannten Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens fällt erst später an. Entsprechend später kommt es auch erst zu Einzahlungen, mit denen dann die Abschreibungen sowie die Verbrauchsmaterialien und die Handelswaren refinanziert werden. Es sollte daher überlegt werden, in welcher Höhe Auszahlungen für Gegenstände des Anlage- und des Umlaufvermögens getätigt werden. Hohe Lagerbestände beanspruchen nicht nur Lagerkapazitäten, sondern binden auch liquide Mittel. Besonders niedrige Beschaffungspreise eines Lieferanten tauchen in der Kostenrechnung erst dann auf, wenn die Produkte verkauft werden. Vorher sind sie nicht erfolgswirksam.
Kalkulatorische Kosten: Zusatz- und Anderskosten
Wird die Nutzungsdauer aufgrund von Erfahrungswerten abweichend von den gesetzlichen Vorgaben prognostiziert ‒ im Beispiel des Kommissionierautomaten mit 15 statt mit 10 Jahren ‒, kommen die Anderskosten ins Spiel. Nach der bilanziellen Aufwandsrechnung dürften vom 11. bis zum 15. Jahr keine Abschreibungen angesetzt werden, entsprechend erhöht sich der Gewinn in diesem Zeitraum. Es kann daher sinnvoll sein, im internen Rechnungswesen von einer Nutzungsdauer von 15 Jahren auszugehen, die Abschreibung beträgt dann ca. 6.667 Euro pro Jahr. Die Differenz der Abschreibung wird als Anderskosten bezeichnet. Der Vorteil dieser Anderskosten liegt darin, dass über die Jahre der Nutzung des Kommissionierautomaten eine gleichmäßige Abschreibung erfolgt, die der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Kommissionierautomaten angepasst ist. Gewinnschwankungen wie im externen Rechnungswesen aufgrund unterschiedlich hoher Abschreibungen (10 Jahre 10.000 Euro, 5 Jahre 0 Euro) entfallen.
Zusatzkosten können im internen Rechnungswesen dann angesetzt werden, wenn eigene Ressourcen genutzt werden, für die keine Auszahlungen anfallen, wie z. B. die Arbeitskraft des Inhabers (kalkulatorischer Unternehmerlohn), die eigene Immobilie (kalkulatorische Miete) und Eigenkapital (kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital). Würde man in der Erfolgsrechnung darauf verzichten, den Einsatz dieser Faktoren zu bewerten, würde man unterstellen, dass sie nicht vorhanden sind und nicht eingesetzt werden. Mit einem fiktiven Wertansatz wird dann abgebildet, was man an ihrer Stelle für fremde Einsatzfaktoren hätte bezahlen müssen, also für den angestellten Apotheker, die angemietete Apotheke oder das zu verzinsende Fremdkapital. Alternativ bieten sich Wertansätze an, die sich daraus ableiten, was man mit den eigenen Ressourcen hätte erwirtschaften können, also die eigene Anstellung als Apotheker in einer anderen Apotheke, die Vermietung der eigenen Räume an Dritte, die Anlage des Eigenkapitals auf dem Finanzmarkt.
MERKE | Für die Entscheidungsfindung ist eine zukunftsorientierte Erfolgsrechnung auf Basis des internen Rechnungswesens erforderlich, die alle künftig relevanten Kosten einbezieht, eben auch kalkulatorische Kosten und insbesondere Zusatzkosten. Ansonsten würde sich eine Apotheke erfolgreicher rechnen, als sie tatsächlich ist. Dies kann sogar dazu führen, dass eine Apotheke weitergeführt wird, die zwar nach Handels- und Steuerrecht (externes Rechnungswesen) ein positives Ergebnis ausweist, nach der internen Erfolgsrechnung jedoch einen Verlust. Diese Gefahr ist umso größer, je mehr eigene Ressourcen die Apotheke einsetzt. |