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  • · Nachricht · Heimversorgung

    Fachkundenachweis für Injektionen

    von Bernd Hein, Fachjournalist Gesundheitswesen, Buch am Buchrain

    | In der Altenpflege arbeiten Mitarbeiter mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen. Je nachdem, ob es sich um Kranken- oder Altenpflegehelfer, Angehörige anderer Gesundheitsberufe oder Assistenzkräfte handelt, dürfen sie Injektionen vornehmen oder nicht. |

    Die Verabreichung von Arzneimitteln ist zunächst eine ärztliche Aufgabe

    Die Verabreichung von Arzneimitteln an Patienten ist erst einmal eine ärztliche Tätigkeit. Bei der Bewertung dieser Maßnahme gelten drei juristische Grundsätze:

     

    • Ärzte dürfen behandeln, wenn der Patient in die „Körperverletzung“ eingewilligt hat: Einer Person Wirkstoffe zuzuführen, die geeignet sind, die natürlichen Abläufe im Körper zu beeinflussen, entspricht dem Straftatbestand der Körperverletzung. Dabei spielt es keine Rolle, auf welchem Weg die Stoffe in den Körper gelangen. Ausschließlich die Zustimmung des Patienten befreit von der Strafe. Der Patient erteilt diese Zustimmung per Unterschrift vor größeren Eingriffen, nachdem er angemessen aufgeklärt worden ist. Für kleinere therapeutische Maßnahmen gilt bereits das Erscheinen des Patienten beim Arzt als Einverständnis. Wenn der Patient nicht kommunikationsfähig ist, entscheiden Ärzte in dessen mutmaßlichem Interesse. Injektionen sind nur scheinbar problematischer, weil sie zusätzlich eine aktive Verletzung der Körperhülle des Patienten erfordern. Tatsächlich sind sie erst einmal in alle anderen Formen der Arzneimittelgabe eingereiht.

     

    • Ärzte tragen die Verantwortung: „In der medizinischen Behandlung gibt es keinen arztfreien Raum“, lautet das Fazit eines gültigen Grundsatzurteils, mit dem die Zuständigkeiten medizinischer Fachberufe geregelt worden ist. Damit ist klargestellt, dass Ärzte die Verantwortung für die Verordnung von Dosis und Art eines Arzneimittels ebenso wie für die sachgerechte Verabreichung tragen.

     

    • Ärzte dürfen teilweise delegieren: Ärzte dürfen einen Teil ihrer Aufgaben an Personen delegieren, die qualifiziert sind, sie auszuführen. Sie können sich dabei an den Ausbildungsinhalten der Berufsgruppen orientieren. Da Ärzte sich persönlich für die von ihnen verordneten Behandlungen zu rechtfertigen haben, legen sie individuell die Voraussetzungen fest, die Angehörige von Gesundheitsfachberufen erfüllen müssen, um als delegationsfähig zu gelten.

    Unter diesen Voraussetzungen dürfen Angehörige von Gesundheitsfachberufen Injektionen vornehmen

    Aus diesen drei Regeln lassen sich die Bedingungen ableiten, unter denen Angehörige von Gesundheitsfachberufen Injektionen vornehmen dürfen:

     

    • Kranken-, Kinderkranken-, Altenpfleger und Medizinische Fachangestellte: Die sachgerechte Durchführung von subkutanen und intramuskulären Injektionen gehört zum Ausbildungsumfang von Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegern sowie Medizinischen Fachangestellten. Sie lernen die Techniken in theoretischen und praktischen Übungseinheiten.

     

    • Assistenzkräfte: In der Altenpflege arbeiten auch zahlreiche Assistenzkräfte, die sehr unterschiedliche Qualifikationen vorweisen. Die dafür geltenden Verordnungen sind überwiegend durch Landesgesetze festgelegt und deshalb bundesweit uneinheitlich. Kranken- und Altenpflegehelfer, die das staatliche Examen nach einem oder anderthalb Jahren ablegen, sind befähigt, Subkutaninjektionen sachlich korrekt auszuführen. Angehörige anderer Gesundheitsberufe oder Assistenzkräfte, die kürzere Ausbildungen vorweisen, haben keine solche Qualifikation erworben.

    Gewohnheitsrechte und einrichtungsinterne Gepflogenheiten zählen nicht

    Die aus den Ausbildungen resultierenden Voraussetzungen kollidieren auf unterschiedliche Weise mit dem Alltag. Ärzte können nur schwer einen Überblick über die verschiedenen Ausbildungsstufen der Personen gewinnen, die mit ihnen zusammenarbeiten. Außerdem haben sich in der Routine der Einrichtungen meist Handlungsabläufe eingeschliffen, die ein Gewohnheitsrecht zu begründen scheinen.

     

    Das Verabreichen von Injektionen wirkt wie eine Aufgabe, die im Vergleich zu anderen patientenbezogenen Tätigkeiten höherwertig ist. Angehörige von Gesundheitsfachberufen definieren ihre Bedeutung nicht selten über die Berechtigung, diese Form der Arzneimittelgabe auszuführen. Als Basis gilt dann nicht zwingend die berufliche Qualifikation, sondern eine Erfahrung, die sich im Laufe der Jahre nach dem Prinzip „learning by doing“ gesammelt hat.

     

    WICHTIG | In der juristisch korrekten Form der Betrachtung spielen jedoch weder Gewohnheitsrechte noch einrichtungsinterne Gepflogenheiten eine Rolle. Wesentlich bleibt, dass die verantwortlichen Ärzte im Einzelfall darüber entscheiden müssen, ob eine Person, an die sie die Medikamentengabe per Injektion delegieren, tatsächlich in der Lage ist, sie korrekt und mit ausreichender Kenntnis der möglichen unerwünschten (oder angestrebten) Wirkungen auszuführen.

    Delegation oder Einwilligung des Arztes bestätigen Spritzenbefähigung

    In diesem Zusammenhang ist immer wieder von einem „Spritzenschein“ die Rede. Der Begriff ist juristisch nicht eindeutig fassbar, weil er unterschiedliche Sachverhalte bezeichnen kann:

     

    • Ärztliche Formblätter: Man findet „Spritzenscheine“ als Formblätter, auf denen ein Arzt einem Angehörigen eines nichtärztlichen Gesundheitsberufs bescheinigt, eine definierte Injektionstechnik (subkutan, intramuskulär) zu beherrschen. Damit ist geklärt, dass die Person, auf die dieses Formular ausgestellt ist, entsprechende Anordnungen des Arztes ausführen darf, der das Formular unterschrieben hat. Diese Aussage ist nicht für andere Ärzte bindend und gilt nicht für Techniken, die nicht genannt sind. Die Grundlage dieser Form des Spritzenscheins ist eine Unterweisung und ggf. Überprüfung der Handlungssicherheit, die der unterzeichnende Arzt vorgenommen hat. Der Arzt hat sich persönlich davon überzeugt, dass die erforderlichen Kenntnisse vorhanden sind.

     

    • Fortbildungsveranstaltungen: Es ist außerdem möglich, eine Fortbildungsveranstaltung (ein Angebot zahlreicher Akademien und Schulen) zu besuchen, an deren Ende die Befähigung für einen „Spritzenschein“ stehen soll. Die Kurse umfassen 8 bis 16 Unterrichtsstunden und vermitteln theoretisches und praktisches Wissen über Arzneimittel und Injektionstechniken. Sie haben durchaus eine Berechtigung, weil sie Sicherheit im Umgang mit dem Thema verschaffen. Allerdings entsteht aus dem Besuch des Unterrichts keine Erlaubnis, Injektionen vorzunehmen. Bevor ein Absolvent solcher Kurse eine Injektion verabreichen darf, ist es notwendig, die Einwilligung des anordnenden Arztes einzuholen.

    Die Verantwortung zwischen Arzt und Delegationsempfänger ist geteilt

    Die Teilung der Verantwortung zwischen den Ärzten und den Delegationsempfängern klärt das Problem mit den Injektionen aus einem anderen Blickwinkel:

     

    • Anordnungsverantwortung der delegierenden Ärzte: Die Ärzte übernehmen die Anordnungsverantwortung. Damit haften sie für die korrekte Auswahl des Arzneistoffs, der Dosierung und Applikationsform. Darüber hinaus umfasst die Verantwortung auch die Bestimmung der Person, an die sie z. B. eine Injektion delegieren. In hierarchisch gegliederten Einrichtungen, die über entsprechendes Fachpersonal verfügen (z.B. Krankenhäuser, ambulante Operationszentren) gehen die Ärzte üblicherweise davon aus, dass ausschließlich geschulte Mitarbeiter ihre Verordnungen ausführen. Streng genommen müssten sie sich auch hier im Einzelfall von den Fähigkeiten und Kenntnissen überzeugen.

     

    • Übernahme- und Durchführungsverantwortung der Delegationsempfänger: Den Angehörigen der delegationsfähigen Gesundheitsberufe kommt zunächst die Übernahmeverantwortung zu. Darunter ist vor allem die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zu verstehen: „Kann ich den Auftrag mit der erforderlichen Sorgfalt ausführen?“ Zusätzlich muss die beauftragte Person im Rahmen ihrer Kenntnisse einschätzen, ob die angeordnete Maßnahme dem Patienten nützt oder schadet.
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    • Außerdem entsteht dem Delegationsempfänger die Durchführungsverantwortung, die ihn verpflichtet, eine angeordnete Maßnahme lege artis (nach den Regeln der Kunst) umzusetzen.
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    • WICHTIG | Wenn sich in der Einschätzung der Übernahme- und Durchführungsverantwortung Unklarheiten ergeben, also wenn der Delegationsempfänger sich überfordert fühlt bzw. die Maßnahme für schädlich hält, greift das Remonstrationsrecht. Das heißt, es ist möglich, die Ausführung aus sachlichen Gründen zu verweigern. Diese Weigerung darf keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen haben, sofern sie gerechtfertigt ist. Außerdem dient sie als Schutzmechanismus für abhängig Beschäftigte.

     

    PRAXISHINWEIS | Probleme mit Injektionen lassen sich in Einrichtungen der Altenpflege durch strategisches Vorgehen verhindern:

     

    • Es ist sinnvoll, die Qualifikationen der Mitarbeiter zu prüfen. Auch ihre berufliche Erfahrung ist zu beachten.
    • Eine ausschließliche Konzentration auf Examina kann jedoch die Handlungsfähigkeit von Einrichtungen stark einschränken. Deshalb sind die verantwortlichen Ärzte gut beraten, im Einzelfall die Kompetenzen von Pflegekräften zu klären. Am besten eignet sich dazu ein Praxistest, in dessen Verlauf eine Pflegekraft zeigt, ob sie in der Lage ist, die Injektionen sachgerecht durchzuführen und auf unerwünschte Wirkungen der Arzneimittel zu reagieren.

     

    Grundsätzlich sind subkutane Verabreichungen unproblematischer. Bei intramuskulären Injektionen kann es zusätzlich zu den Reaktionen auf die Wirkstoffe infolge einer falschen Technik oder individueller anatomischer Bedingungen des Patienten zu Nervenschäden kommen.

     

    Mangelhafte Hygiene kann außerdem massive Infektionen verursachen, wenn Krankheitserreger mit der Kanüle tief in das Gewebe gelangen.

     
    Quelle: ID 44202832