· Fachbeitrag · Personal
Alles eine Frage der richtigen Deeskalation: Konfliktsituationen produktiv gestalten
von Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht
| Ob es sich um unzufriedene oder schwierige Kunden handelt, Streitigkeiten im Team, Probleme mit Vorgesetzten oder Dienstleistern ‒ Konflikte sind unangenehm, tragen aber oft die Chance für grundlegendere zukünftige Verbesserungen in sich. Um das zu erreichen, sollte die Deeskalation gut überlegt angegangen werden. |
Konflikte als Chance
Ein Konflikt ist ‒ nüchtern betrachtet ‒ ein Zeichen dafür, dass ein Missstand vorliegt. Wie bei einer akuten Krankheit liegt sein Vorteil darin, dass der Auslöser erkennbar ist und man daher einen Ansatzpunkt für die „Behandlung“ hat. Bei dauerhaft unterschwelligen Problemen ist dies meist nicht der Fall. Sie können aber durch einen akuten Konflikt zum Vorschein kommen.
Auch darüber hinaus können Konflikte von Nutzen sein:
- Sie zwingen dazu, eingefahrene Routinen zu überdenken und zu verändern.
- Sie erfordern eine intensivere Kommunikation untereinander und können zu neuen Möglichkeiten des Austauschs führen.
- Gemeinsam konstruktiv gelöste Konflikte stärken den Zusammenhalt. Sie verbessern die Teamsituation bzw. die Kundenbindung.
Grundlagen der Deeskalation
Bevor Sie aktiv werden, sollten Sie eine solide Basis für Ihre Deeskalationsmaßnahmen schaffen. Ermitteln Sie Hintergründe, Umstände und Bedingungen des Konflikts, holen Sie Informationen über die Konfliktparteien und ihre Motivation ein.
Schließen Sie sich selbst in die Analyse ein
Betrachten Sie möglichst sachlich ihren eigenen Anteil am Problem. Es verzerrt die eigene Sicht, wenn man von vornherein die anderen verantwortlich macht.
Nicht vorschnell handeln
Eine Deeskalation sollte niemals „aus dem Bauch heraus“ und spontan angegangen werden. Der Grund ist: Bisweilen schwelen unter einem akuten Konflikt grundlegende, verborgene Zerwürfnisse ‒ dann kann das Problem bei mangelnder Vorbereitung leicht unbeherrschbar werden. Auf der anderen Seite überschätzt man einen Konflikt gelegentlich auch. Wenn er in Wirklichkeit gar keine Auseinandersetzung wert ist, bringt ein Deeskalationsversuch nur unnötige Unruhe ins Team. Es lohnt sich also, die berühmte „Nacht darüber zu schlafen“.
Wer schreibt, erinnert sich
Falls es in Ihrem Team häufiger zu Konflikten kommt, zahlt es sich aus, „Konflikt-Notizen“ zu machen, indem Sie u. a. das Datum, den konkreten Auslöser, den Ablauf und die Folgen des Konflikts notieren. Nur allzu schnell vergisst man sonst die Details, die in der Rückschau für ein umfassendes Bild unabdingbar sind.
MERKE | Eine Auseinandersetzung anzugehen, sollte eine ganz bewusste Entscheidung sein. Eine zu schnelle oder oberflächliche Korrektur verhindert oftmals eine wirklich konstruktive Lösung. |
Regeln für das Konfliktgespräch
Bei der Vorbereitung des Konfliktgesprächs sollten Sie sich bewusst machen: Schweigen hilft niemandem weiter, Zurückschlagen oder Machtdemonstrationen ebenfalls nicht. Versuchen Sie, vorab eine neutrale Beziehung zum Gesprächspartner aufzubauen und sich auf ihn einzustellen, damit eine offene, konstruktive Kommunikation möglich ist. Auch wenn sich im Konfliktgespräch herausstellt, dass Sie einen Mitarbeiter „zur Ordnung rufen“ müssen, sollte das auf eine faire und kompromissbereite Art und Weise geschehen. Die folgenden Tipps helfen dabei.
Tipp 1: Ich-Botschaften richtig formulieren
Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass es in Konfliktgesprächen wichtig ist, nicht einfach Vorwürfe auszutauschen, sondern in sogenannten Ich-Botschaften zu sprechen. Viele stellen sich unter solchen Ich-Botschaften aber immer noch etwas Falsches vor und wundern sich, dass diese Technik bei ihnen nicht funktioniert. Vergleichen Sie einmal folgende Formulierungen:
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A: „Ich habe das Gefühl, dass Sie in letzter Zeit versuchen, sich vor dem Einräumen der Waren zu drücken, und den Kolleginnen die ganze Arbeit zuschieben.“
B: „Mir ist aufgefallen, dass Sie während des Einräumens gestern dreimal rausgegangen sind, um eine Pause zu machen. Die Arbeit war abends erst etwa zur Hälfte fertig. Ich ärgere mich darüber, wenn die Arbeit morgens nachgeholt werden muss.“ |
Variante A ist nur scheinbar eine Ich-Botschaft. Sie beginnt zwar mit dem eigenen Gefühl, geht dann aber direkt in Vorwürfe über. Variante B enthält demgegenüber nur reine Ich- und Sachaussagen. Sie drückt Ihr eigenes Gefühl aus, benennt das Problem und zeigt, wie Sie es wahrnehmen ‒ so sieht eine richtige Ich-Botschaft aus.
Tipp 2: keine Vorwürfe machen
Statt der Mitarbeiterin ihr Verhalten vorzuwerfen, versuchen Sie, Fragen zu stellen. Anstelle von „Immer haben Sie am Wochenplan etwas auszusetzen“ könnten Sie fragen „Was genau gefällt Ihnen an der Gestaltung der Wochenpläne nicht?“, statt „Dauernd spielen Sie sich in den Vordergrund“ könnten Sie fragen „Fühlen Sie sich übergangen?“ oder einfach nur „Was ist los?“
Tipp 3: Die Sicht des Gegenübers schildern lassen
Geben Sie Ihrem Gegenüber die Gelegenheit, das Problem aus seiner Perspektive zu schildern, und widersprechen Sie nicht. Zu einem Konflikt gehören immer mehrere Personen und die haben naturgemäß eine unterschiedliche Sicht auf die Situation ‒ sonst wäre es ja nicht zum Konflikt gekommen. Manchmal ergeben sich auf diese Weise ganz neue Aspekte und Lösungsansätze. Auf jeden Fall aber dient dieser Teil des Gesprächs dazu, Wertschätzung auszudrücken. Und Gesprächspartner, die sich ernst genommen und angehört fühlen, sind zum Entgegenkommen eher bereit als solche, die meinen, in die Verteidigungsposition gehen zu müssen.
Tipp 4: Gemeinsamkeit herstellen
Sofern Sie mit einem Problem schon früher Erfahrungen gemacht haben, berichten Sie kurz davon. Arbeitet Ihr neuer Mitarbeiter beispielsweise sehr langsam, könnten Sie erzählen, dass auch andere (oder Sie selbst) am Anfang Schwierigkeiten hatten und wie sie diese bewältigt haben. Einer Mitarbeiterin, die seit Kurzem viel zu oft privat telefoniert, könnte beispielsweise versichert werden, dass man Probleme mit der Familie aus eigener Erfahrung nur allzu gut kennt.
MERKE | Es ist gut, in einem Konfliktgespräch von Zeit zu Zeit gemeinsame Interessen hervorzuheben. |
Tipp 5: Hilfe anbieten
Verlangen Sie nicht alle Aktivitäten nur von Ihrem Gesprächspartner ‒ bieten Sie konkrete Hilfe an. Damit ist nicht gemeint, dass Sie die Arbeit des anderen nun offiziell delegieren oder selbst übernehmen. Aber Sie könnten dem hoffnungslos unorganisierten Mitarbeiter einen VHS-Kurs zum Selbst- und Zeitmanagement heraussuchen oder die Mitarbeiterin mit Familienproblemen für einen Monat flexibler einteilen. Auch hier gilt: Kleine Gesten bewirken oft eine deutlich höhere Kooperationsbereitschaft.
Tipp 6: Pause machen
Ihr Gegenüber muss das Gehörte vermutlich erst einmal „verdauen“. Es ist nicht nötig, am Ende des ersten Gesprächs eine endgültige und verbindliche Lösung gefunden zu haben. Schlafen Sie beide besser noch einmal darüber. Wenn Sie keine Verhaltensänderung wahrnehmen, können Sie in den nächsten Tagen erneut nachfragen, ob Ihr Mitarbeiter schon über das Gespräch nachdenken konnte und ob Sie sich noch einmal zusammensetzen sollen. Dann ist immer noch Zeit, verbindliche Vereinbarungen zu treffen. Und schließlich: Ist der Konflikt beigelegt, ist er das auch. Seien Sie nicht nachtragend.
Weiterführender Hinweis
- „Team-Kommunikation: So minimieren Sie kollegiale Reibungsverluste“, in AH 09/2018, Seite 7