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  • 01.04.2006 | Apothekenrecht

    Abrechnungsbetrug: Krankenkasse kann gegen Vergütung des Apothekers aufrechnen

    von Rechtsanwälten Sören Kleinke und Anke Harney, Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse, Osnabrück, www.ra-wigge.de

    Das Sozialgericht (SG) Berlin hat in einem Eilverfahren das Begehren eines Apothekers gegen die AOK Berlin auf Zahlung einer Vergütung von rund 80.000 Euro aus abgerechneten Rezepten zurückgewiesen (Beschluss vom 25.11.2005, Az: S 82 KR 2638/05, Abruf-Nr: 060756). Denn der Apotheker wurde des Abrechnungsbetruges verdächtigt. So musste er es hinnehmen, dass die Krankenkasse gegen seine Vergütungsansprüche mit Rückforderungsansprüchen aufrechnete, obwohl das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren bzw. ein sich daran anschließendes Strafverfahren noch nicht abgeschlossen waren.  

    Sachverhalt

    Der Apotheker wurde beschuldigt, den gesetzlichen Krankenkassen Rezepte eines Internisten zur Abrechnung weitergeleitet zu haben, ohne die verordneten Medikamente gekauft und an die jeweiligen Patienten abgegeben zu haben (so genannte Luftabrechnungen). Die von dem Apotheker abgerechneten Rezepte wurden bei dem zuständigen Abrechnungszentrum beschlagnahmt und mit seinen Bestellungen bei Pharmagroßhändlern abgeglichen. Dabei konnten einer großen Anzahl von Verordnungen keine Einkäufe zugeordnet werden. Allein von Januar 2004 bis Februar 2005 war ein Schaden der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 154.000 Euro entstanden, wobei auf die AOK Berlin ein Anteil von 95.562,72 Euro entfiel. Letztere behielt daher für Juli und September 2005 über das Abrechnungszentrum rund 80.000 Euro ein. Der Apotheker verlangte von der AOK die Zahlung dieses Betrages und beantragte, es bis zum Abschluss des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens zu unterlassen, weitere Aufrechnungen vorzunehmen. Das SG wies das Begehren des Apothekers zurück.  

    Entscheidungsgründe

    Für die Frage, ob die Krankenkasse Vergütungsansprüche einbehalten kann, kommt es darauf an, dass der Krankenkasse ihrerseits ein zivilrechtlicher Zahlungsanspruch gegen den Apotheker zusteht. Dies wurde hier in Form von Schadenersatzansprüchen und Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung bejaht, da ein Abrechnungsbetrug vorlag. Bei dieser Einschätzung stützte sich das Gericht auf die polizeilichen Ermittlungsergebnisse. Insofern stuften die Richter das Ermittlungsvorgehen als methodisch einwandfrei ein. Daher konnte es als überzeugende Grundlage dafür dienen, dem Apotheker Abrechnungsbetrug vorzuwerfen.  

     

    Praxishinweise

    Festzuhalten bleibt: Krankenkassen können in vergleichbaren Fällen Vergütungsansprüche des Apothekers einbehalten, ohne dass das Ergebnis eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bzw. ein sich daran unter Umständen anschließendes Strafverfahren abgewartet werden müssen. Insbesondere hindert die strafrechtlich geltende Unschuldsvermutung das Gericht nicht daran festzustellen, dass die Voraussetzungen zivilrechtlicher Anspruchsnormen erfüllt sind. Denn die Unschuldsvermutung gilt nur im Strafrecht, bezieht sich allein auf den strafrechtlichen Vorwurf einer schuldhaften Tatbegehung und wirkt sich nicht auf ein Verfahren aus, in dem – wie hier – zivilrechtliche Voraussetzungen zu prüfen sind.