03.05.2011 | Arbeitsrecht
Kündigung trotz grober Beleidigung nicht automatisch gerechtfertigt
von RA, FA MedizinR Dr. Tobias Eickmann, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de und Ass. jur. Tim D. Hesse, Münster
Das bekannte Götz-Zitat von Goethe ist eine grobe Beleidigung und kann im Arbeitsverhältnis zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung führen. Bei der Interessenabwägung im Einzelfall sind allerdings die als Auslöser der Beleidigung anzusehende Konfliktsituation, der Erregungszustand und eine Entschuldigung des Arbeitnehmers zu dessen Gunsten zu berücksichtigen (Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 18.6.10, Az: 10 Sa 307/10, unter www.dejure.org).
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Ein Angestellter hatte gegen eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sowie auf Weiterbeschäftigung und Lohnfortzahlung geklagt. Der Entlassung lag eine verbale Auseinandersetzung des Angestellten mit seinem Vorgesetzten zugrunde. Dabei soll der Kläger seinen Chef lautstark mit der Äußerung „Du kannst mich mal am ...“ belegt haben. Die daraufhin ergangene Kündigung nach § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sah das LAG aber letztlich wegen mangelnder sozialer Rechtfertigung als ungerechtfertigt an.
Praxishinweise
Die Äußerung „Du kannst mich mal am ...“ ist natürlich eine erhebliche Missachtung der Person und Funktion einer Führungskraft - besonders wenn sie in Anwesenheit weiterer Mitarbeiter erfolgt. Selbstverständlich stellen derart grobe Beleidigungen und Bedrohungen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten dar, die eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.
Trotz allem muss aber im Einzelfall berücksichtigt werden, ob eine Entschuldigung vor (!) Kündigungsausspruch erfolgt und ob eine Wiederholungsgefahr besteht. Lassen zudem Konfliktsituation und Erregungszustand eine beleidigende Äußerung nicht als überlegte Handlung erscheinen, ist eine Abmahnung als Sanktion ausreichend. Zumindest wenn dem Arbeitnehmer bis dahin keine gleichgelagerten Entgleisungen vorzuwerfen sind.
Praxistipp
Bei einmaligen Entgleisungen sollte Gnade vor Recht walten und den Beteiligten eine Auseinandersetzung vor Gericht erspart werden. Arbeitgeber sollten stattdessen den Arbeitnehmer abmahnen. |
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