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  • 27.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130669

    Oberverwaltungsgericht Münster: Beschluss vom 24.01.2013 – 13 A 2740/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberverwaltungsgericht NRW

    13 A 2740/11

    Tenor:

    Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 19. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

    Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 30.000 Euro festgesetzt.

    G r ü n d e :

    Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

    Eine die Berufung eröffnende Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt nicht vor. Soweit der Kläger ausführt, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Entscheidung vom Senatsurteil vom 19. Mai 2011 - 13 A 123/09 - abgewichen, kann dies dem Zulassungsantrag schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die benannte Senatsentscheidung durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2012 - 3 C 24.11 -, juris, abgeändert wurde. Die Divergenzrüge kann deshalb mit Blick auf diese Entscheidung ihr Ziel, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren, nicht mehr erreichen.

    Die Berufung ist ferner nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

    " ...,ob die Genehmigungsfähigkeit eines Heimversorgungsvertrages bei einer Entfernung zwischen Heim und Apotheke, die eine Fahrzeit von mehr als einer Stunde bedingt, noch genehmigungsfähig ist oder grundsätzlich nicht mehr genehmigungsfähig ist ".

    Mit dem bloßen Verweis auf zwei weitere ihn betreffende Zulassungsanträge in Parallelverfahren genügt der Zulassungsantrag jedoch nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Dieses setzt u.a. voraus, dass der Kläger ausführt, warum der aufgeworfenen Frage Bedeutung über den ihn betreffenden Einzelfall hinaus zuzumessen ist.

    Die vom Kläger aufgeworfene Frage lässt sich zudem ohne Weiteres auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens klären. So setzt die Genehmigung eines nach § 12a ApoG geschlossenen Heimversorgungsvertrages voraus, dass die Apotheke in angemessener Entfernung zum Heim liegt. Dieses Erfordernis ist regelmäßig nur erfüllt, wenn die Fahrzeit zum Heim nicht mehr als eine Stunde beträgt.

    Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

    Gemäß § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ApoG ist Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung, dass die öffentliche Apotheke und die zu versorgenden Heime innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten liegen. Von der ursprünglich im Gesetzentwurf (BT-Drs. 14/756, S. 4) enthaltenen Formulierung, "Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke darf mit dem Träger von Heimen im Sinne des § 1 des Heimgesetzes einen schriftlichen Vertrag zur Versorgung von Bewohnern nahegelegener Heime mit Arzneimitteln schließen" nahm der Gesetzgeber Abstand, um die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs "nahegelegener Heime" zu vermeiden. Mit der entsprechenden Übernahme der seinerzeit bereits in § 14 Abs. 5 ApoG für Krankenhausversorgungsverträge enthaltenen Terminologie (vgl. BT-Drs. 14/8930, S. 4) war jedoch kein Abrücken von dem Anliegen verbunden, eine möglichst zeitnahe und zuverlässige Arzneimittelversorgung von Heimbewohnern zu gewährleisten.

    Vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 30. März 2012 - 9 B 11.1465 -, juris, Rn. 25; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2006 OVG 5 S 64.05 -, juris, Rn. 67; VG Potsdam, Beschluss vom 17. Mai 2005 - 3 L 1036/04 - juris, Rn. 31; Landesberufsgericht für Heilberufe Koblenz, Urteil vom 11. September 2009 - LBGH A 10322/09 , juris, Rn. 30.

    Die Ortsnähe war auch im Anwendungsbereich des § 14 ApoG a.F Genehmigungsvoraussetzung.

    Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 3 C 24.11 , juris, Rn.17.

    Insoweit war anerkannt, dass das Begriffsmerkmal "benachbart" zwar keine gemeinsame Grenze der Gebietskörperschaften erforderte. Als benachbart im funktionalen Sinne des § 14 ApoA a.F. waren aber nur Kreise anzusehen, die in nicht allzu großer räumlicher Entfernung, innerhalb eines einheitlichen, eng verflochtenen nahen Wirtschafts- und Verkehrsraumes lagen, in denen auf Grund der gegebenen Verkehrssituationen von Nachbarschaft auszugehen war, und in denen nach Entfernung und Erreichbarkeit der rasche Zugang der Medikamente und eine ausreichende persönliche Betreuung durch die Apotheke möglich war.

    Vgl. Runderlass des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2003 III 4 - 0601.14 -; VG Oldenburg, Urteil vom 20. April 2005 - 7 A 3318/04 -, juris.

    Hieran sollte die Aufhebung der Landkreisgrenzen durch die Neufassung des § 14 ApoG in Art. 1 Nr. 2 des Gesetze zur Änderung des Apothekengesetzes vom 15. Juni 2005 (BGBl. I S. 1642) nichts ändern.

    Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012, a.a.O., Rn. 18.

    Das Erfordernis einer räumlichen und damit auch zeitlich angemessenen Nähe von Heim und Apotheke begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, denn es ist geeignet und erforderlich, um der besonderen Schutzbedürftigkeit von Heimbewohnern in einer mit Art. 12 GG und gemeinschafts- bzw. unionsrechtlichen Vorgaben,

    vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2008, Rs,

    - C -141/07 -, NJW 2008, 3693,

    im Einklang stehenden Weise Rechnung zu tragen. Heimbewohner sind infolge ihres Alters oder ihrer Gebrechen häufig immobil und nicht in der Lage, einen Apotheker vor Ort aufzusuchen. Die Versorgung durch Belieferung seitens eines ortsnahen Apothekers eröffnet ihnen die Möglichkeit, sich auch in dringenden Fällen schnell und zuverlässig mit Arzneimitteln beliefern zu lassen. Insoweit sind zwar bestehende Regelungen, welche die Arzneimittelversorgung von Heimbewohnern in besonderen Situationen und im Notfall gewährleisten, zu berücksichtigen. Dies betrifft beispielsweise die Abgabe von Arzneimitteln an Heimbewohner, die vor Wochenenden oder Feiertagen aus dem Krankenhaus entlassen werden (§ 14 Abs. 7 Satz 3 ApoG), oder den Apothekennotdienst außerhalb der regulären Dienstzeiten (§ 23 Abs. 1 und 5 ApBetrO). Diese Regelungen lassen aber das Bedürfnis des Heimbewohners, sich im Falle eines akuten Bedarfs unverzüglich mit (ärztlich verschriebenen) Arzneimitteln beliefern zu lassen, nicht entfallen. Insoweit hat die Beklagte zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei den Heimbewohnern erfahrungsgemäß vielfach um alte, multimorbide Menschen handele, die i.d.R. an Erkrankungen litten, die mit mehreren Medikamenten behandelt würden. Nur ein Teil dieses Medikamentenbedarfs sei planbar (z.B. Blutdruckpräparate, Cholesterinsenker), weil dieser Personenkreis anfälliger für Befindlichkeitsstörungen und Erkrankungen sei, die ein schnelles medikamentöses Eingreifen erforderlich machten. Viele Erkrankungen könnten rasch mit Medikamenten behandelt werden, sodass eine sich als zusätzliche Belastung für den Heimbewohner darstellende Krankenhauseinweisung nicht erforderlich sei. Insbesondere bei großen Heimen ergebe sich deshalb oft mehrmals täglich die Notwendigkeit einer raschen Belieferung.

    Über die rasche Belieferung mit Arzneimitteln hinaus sichert das Erfordernis einer heimnahen Versorgung aber auch eine im Bedarfsfall ohne große zeitliche Verzögerung mögliche Information und Beratung von Heimbewohnern und Heimbeschäftigten. Anders als der Kläger möglicherweise meint, beschränkt sich seine Tätigkeit als heimversorgender Apotheker im Sinne des § 12a ApoG nicht auf die Belieferung des Heims mit Arzneimitteln. Sein Aufgabenbereich erstreckt sich vielmehr auch auf umfangreiche Überwachungs-, Informations- und Beratungspflichten (vgl. § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ApoG). Eine große Entfernung zwischen Apotheke und Heim wäre der erwünschten häufigen Wahrnehmung dieser Aufgaben vor Ort schon wegen des damit verbundenen erheblichen zeitlichen Aufwands für den Apotheker abträglich. Sie erschwert nicht zuletzt auch die gegebenenfalls notwendige Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Apotheker und den von den Hausbewohnern konsultierten Ärzten, welche üblicherweise in der Nähe des Heims niedergelassen sind.

    Für die Bestimmung des Zeitraums, den die Arzneimittellieferung an ein Krankenhaus im Höchstfall in Anspruch nehmen darf, hat das Bundesverwaltungsgericht,

    vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 3 C 24.11 , a.a.O., Rn. 19,

    zu § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG ausgeführt, die Apotheke müsse grundsätzlich in einer räumlichen Nähe zum Krankenhaus liegen, die es dieser ermögliche, dem Krankenhaus die angeforderten Arzneimittel innerhalb einer Stunde zur Verfügung zu stellen. Zwar setzt § 12a ApoG seinem Wortlaut nach - anders als § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 ApoG – nicht voraus, dass die Apotheke dem Heim die Arzneimittel, die zur akuten medizinischen Versorgung besonders dringlich benötigt werden, unverzüglich und bedarfsgerecht zur Verfügung stellt. Gleichwohl gilt in der Sache nichts anderes. Gerade weil es den Heimen im Gegensatz zu Krankenhäusern nicht erlaubt ist, Arzneimittelvorräte für den Notfall anzulegen, und - anders als im Krankenhaus - eine ständige ärztliche und medikamentöse Grundversorgung nicht sichergestellt ist, ist für den Regelfall die Erreichbarkeit des Heims binnen eines Zeitraums von höchstens einer Stunde sicherzustellen. Ausgehend von dem im Bundesgebiet vorhandenen Apothekennetz ist auch zu erwarten, dass Dritten im Bedarfsfall der Besuch einer ortsnahen Apotheke innerhalb einer Anfahrzeit von einer Stunde regelmäßig möglich ist. Der Heimbewohner, der sich wegen des Heimversorgungsvertrages vom Vertragsapotheker beliefern lassen will bzw. muss, ist aber durch den Abschluss eines Heimversorgungsvertrages nicht schlechter zu stellen. Abweichendes gilt auch nicht deshalb, weil mit Blick auf die Größe bestimmter Kreise insbesondere im südlichen Bundesgebiet ein längerer Anlieferungszeitraum auch dann nicht auszuschließen ist, wenn Apotheke und Heim – wie in § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ApoG geregelt - im selben Kreis liegen. Dies lässt nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber längere Anfahrzeiten grundsätzlich für zulässig gehalten hat. § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ApoG setzt nämlich weiter voraus, dass eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung des Heims zu gewährleisten ist. Ob diese Voraussetzung bei einer Anfahrzeit von über einer Stunde erfüllt ist, ist aber zweifelhaft.

    Aus den obigen Erwägungen folgt zugleich das Fehlen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dem Zulassungsantrag ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass der Kläger, anders als von der Beklagten im angefochtenen Bescheid angenommen, das von ihm versorgte Heim regelmäßig innerhalb einer Fahrzeit von höchstens einer Stunde erreichen kann.

    Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe es vor Ablehnung der Klage versäumt, ihn auf Mängel der Vertragsgestaltung hinzuweisen, kommt es hierauf aus den obigen Erwägungen nicht an.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

    Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).