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  • 17.10.2018 · IWW-Abrufnummer 204959

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 05.04.2018 – 8 K 1313/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    BFH-Az.: XR 16/18

    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    Az: 8 K 1313/17

    In dem Finanzrechtsstreit

    xxx
    ­­­ ­­­­­­­­    ­
    wegen ­Einkommensteuer 2015

    hat der 8. Senat unter Mitwirkung von

    xxx

    auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 5.4.2018 für Recht erkannt:

    Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom 06.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2017 wird dahingehend abgeändert, dass unter Aufhebung des Vorläufigkeits-vermerks Beiträge zur Krankenversicherung ohne Kürzung in Höhe von 230 Euro als Sonder-ausgaben abzuziehen sind.

    Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten vorgenommene Verrechnung einer Bonuszahlung seiner Krankenversicherung gegen seine als Sonderausgaben abzugsfähigen Krankenversicherungsbeiträge.

    Der Kläger ist bei der Krankenkasse A) krankenversichert. In § 34 ihrer im Streitjahr 2015 gültigen Satzung bestimmte die  Krankenkasse A):

    (1) Die KRANKENKASSE A) gewährt ihren Versicherten verschiedene Boni für gesundheitsbewusstes Verhalten im Sinne des § 65a SGB V.

    (2) Versicherte nach Vollendung des 18. Lebensjahrs, die sich gesundheitsbewusst verhalten, erhalten einen Bonus, wenn sie

    1. regelmäßig Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten nach dem § 25, die gesetzliche Hautkrebs- und Darmkrebsvorsorge, das Mammographiescreening (gemäß Krebsfrüherken-nungsrichtlinie),
    2. Leistungen zur Zahnvorsorge nach § 22 SGB V (Individualprophylaxe) bzw. § 55 Abs. 1 Satz 4 SGB V (Zahnvorsorgeuntersuchung),
    3. die Mutterschaftsvorsorge nach § 24d SGB V,
    4. qualitätsgesicherte Präventionsmaßnahmen,
    5. 1. sonstige qualitätsgesicherte Vorsorgeleistungen nach Anhang 3, der Bestandteil dieser Satzung ist, oder
    6. regelmäßige qualitätsgesicherte sportliche Aktivitäten und Maßnahmen zur Unterstützung einer gesunden Lebensführung nach Anhang 3, der Bestandteil dieser Satzung ist,

    in Anspruch nehmen und nachweisen.

    (3) ….

    (4) Die Versicherten werden im KRANKENKASSE A)-Bonusheft über die Inhalte des Bonusprogramms informiert.

    (5) Die Inanspruchnahme der Leistungen oder die Teilnahme an entsprechenden qualitäts-gesicherten Programmen und Maßnahmen ist vom Versicherten durch eine Bestätigung des Anbieters bzw. Leistungserbringers im KRANKENKASSE A)-Bonusheft oder durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen.

    (6) Der Bonus wird als Geldprämie gewährt. Bei Versicherten nach Vollendung des 18. Lebensjahrs können je Kalenderjahr maximal 300 Euro Bonus gezahlt werden. Voraussetzung ist, dass mindestens 4 bonifizierbare Aktivitäten im Kalenderjahr durchgeführt werden. …

    Das in der Satzung angesprochene Bonusheft listet die "bonifizierbaren Aktivitäten" auf und gibt die Höhe des Bonus für die einzelnen "Aktivitäten" an. Der Kläger legte der Krankenkasse A) im Jahr 2015 ein ausgefülltes Bonusheft vor, in dem folgende "Aktivitäten" teilweise durch Stempel und Unterschrift des Leistungserbringers, teilweise durch Ankreuzen und Vorlage eines Beleges dokumentiert wurden (Bl. 56 u. Bl. 56R der Prozessakte):

    Fitness-Studio 30 Euro
    Sportverein 30 Euro
    Teilnahme Sportveranstaltung 20 Euro
    Gesundes Körpergewicht 20 Euro
    Gesundheits-Check-up 10 Euro
    Zahnvorsorge 10 Euro
    Glaukomuntersuchung 20 Euro
    PSA-Test 20 Euro
    Haut-Check 20 Euro
    Professionelle Zahnreinigung 50 Euro

    Darauf zahlte die Krankenkasse A) dem Kläger einen Bonus in Höhe von 230 Euro aus. Die entsprechende Mitteilung der Krankenkasse A) legte der Kläger seiner Einkommensteuererklärung bei, da die Mitteilung den Hinweis enthielt, dass die Bonuszahlung die steuerlich absetzbaren Beiträge zur Krankenversicherung mindere und daher der Kläger verpflichtet sei, das Finanzamt zu informieren.

    In seinem Einkommensteuerbescheid v. 6.1.2017 kürzte der Beklagte die Summe der Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG um 230 Euro. Er kennzeichnete den Bescheid diesbezüglich als vorläufig. Der Kläger legte hiergegen am 6.2.2017 unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofes v. 1.6.2016 (X R 17/15) Einspruch ein. Am 18.8.2017 verwarf der Beklagte den Einspruch als unzulässig. Dem Kläger fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der angegriffene Bescheid die vorgenommene Kürzung der Vorsorgeaufwendungen unter einen Vorläufigkeitsvermerk gestellt habe.

    Der Kläger erhob am 15.9.2017 Klage zum Sächsischen Finanzgericht.

    Der Kläger ist der Auffassung, dass der von der Krankenkasse A) ausgezahlte Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten gegen seine Vorsorgeaufwendungen nicht verrechnet werden dürfe. Es handele sich um einen Bonus solcher Art, wie er der Entscheidung des Bundesfinanzhofes v. 6.12.2016 zugrunde gelegen habe. Er habe für seine Aktivitäten höhere Aufwendungen getragen, als sie ihm von Seiten der Krankenversicherung vergütet worden seien. Verfahrensrechtlich sei das Finanzamt fehlerhaft vorgegangen. Der Vorläufigkeitsver-merk hätte auch nach den Anweisungen der Finanzverwaltung schon vor Erlass der Ein-spruchsentscheidung entfernt werden müssen. Ihm stehe ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.

    Der Kläger beantragt,

    1. die Einspruchsentscheidung v. 18.8.2017 aufzuheben,

    2. die Vorläufigkeit hinsichtlich der Kürzung der Beiträge zur Basiskrankenversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG um Bonuszahlungen der Krankenkasse für gesundheits-bewusstes Verhalten im Einkommensteuerbescheid für 2015 aufzuheben,

    3. die Einkommensteuer für 2015 von 7.371 Euro (anstatt 7.449 Euro) festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte sieht maßgebliche Unterschiede zu dem vom Bundesfinanzhof am 1.6.2016 entschiedenen Sachverhalt. Der Bundesfinanzhof habe die Kürzung der Vorsorgeaufwen-dungen um eine Zahlung der Krankenkasse in dem Fall missbilligt, in welchem die Kranken-kasse vom Versicherten getragene Kosten für Gesundheitsmaßnahmen erstattet. Davon abweichend leiste die Krankenkasse A) eine reine Geldprämie für gesundheitsbewusstes Verhalten, die keinen Zahlungsnachweis erfordere, da Aufwendungen nicht erstattet würden. Der Beklagte bezieht sich auf ein im Internet veröffentlichtes Schreiben der Krankenkasse A) v. 10.3.2017, das aus diesen Gründen ihren Bonus für "komplett steuerpflichtig" hält und die Erteilung einer anderen Bescheinigung ablehnt.

    Der Beklagte verweist zudem auf das BMF-Schreiben v. 6.12.2016 (BStBl I 2016, 1426), das eine nicht gegen die Vorsorgeaufwendungen zu verrechnende Leistung der Krankenkasse nur dann annehme, wenn dem Versicherten nachgewiesene Kosten für nicht im regulären Versicherungsumfang enthaltene Gesundheitsmaßnahmen erstattet werden. Nicht begünstigt seien hingegen Programme, die lediglich die Durchführung bestimmter Gesundheits-maßnahmen oder ein bestimmtes Handeln des Versicherten als Voraussetzung für eine Bonusleistung vorsehen, selbst wenn diese Maßnahmen mit Aufwand beim Versicherten verbunden sind. Um ein solches nicht begünstigtes Programm handele es sich bei dem streitgegenständlichen Bonusmodell der Krankenkasse A).   

    Auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Akten des Beklagten wird verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und begründet.

    I. Die Klage ist zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist ungeachtet des Umstandes gegeben, dass der angegriffene Einkommensteuerbescheid mit Bezug auf die Kürzung der Vorsorgeaufwendungen um den ausgezahlten Bonus der Krankenkasse A) eine Vorläufigkeits-regelung enthält. Denn diese Vorläufigkeitsregelung ist offenbar im Zusammenhang mit dem allerdings schon am 1.6.2016 abgeschlossenen Verfahren des Bundesfinanzhofes X R 17/15 in den Einkommensteuerbescheid 2015 gelangt, dessen Ergebnis der Beklagte auf den vorliegenden Fall nicht für anwendbar hält.

    II. Die Klage ist begründet. Die Kürzung der Krankenkassenbeiträge des Klägers um den Bonus in Höhe von 230 Euro ist rechtswidrig, so dass der Einkommensteuerbescheid 2015 insoweit zu ändern war (§ 100 Abs. 2 FGO).

    Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 a) EStG sind Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zur Erlangung eines dort näher bestimmten Versicherungsschutzes unter der Voraussetzung als Sonderausgaben abziehbar, dass sie den Steuerpflichtigen tatsächlich und endgültig wirt-schaftlich belasten (BFH v. 1.6.2016, X R 17/15, BStBl II 2016, 989 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist in der Person des Klägers für sämtliche von ihm geleisteten Krankenver-sicherungsbeiträge des Jahres 2015 erfüllt. Die ihm zugeflossene Bonuszahlung seiner Krankenversicherung in Höhe von 230 Euro mindert seine wirtschaftliche Belastung mit Krankenversicherungsbeiträgen nicht. Denn eine Beitragsrückerstattung liegt nicht vor.

    Die Zahlung der Krankenkasse A) könnte nur dann als die wirtschaftliche Belastung des Versicherten mindernde Beitragsrückerstattung angesehen werden, wenn sie im unmittelbaren Zusammenhang mit dem in § 10 Abs. 1 Nr. 3 a) EStG definierten Basiskrankenversicherungs-schutz stünde (BFH v. 1.6.2016, a.a.O.). Ein solcher Zusammenhang liegt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht vor. Der Kläger hat den Bonus überwiegend aufgrund von "Aktivitäten" erhalten, die mit dem Basiskrankenversicherungsschutz nichts zu tun haben, sondern (lediglich) als allgemein gesundheitsfördernd angesehen werden. So gründet sich der Gesamtbetrag seines Bonus wesentlich auf dem regelmäßig kostenpflichtigen Besuch eines Fitness-Studios, der ebenfalls regelmäßig kostenträchtigen Mitgliedschaft in einem Sport-verein und der gebührenpflichtigen, aber im Rahmen des Basiskrankenversicherungsschutzes nicht erstattungsfähigen professionellen Zahnreinigung. Hinzu kommen als weitere Elemente die Teilnahme an einer Sportveranstaltung und ein gesundes Körpergewicht, für die ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Basiskrankenversicherungsschutz ebenfalls nicht vorhanden ist. Insofern die Höhe des dem Kläger zugeflossenen Bonus zum Teil auf Vorsorgeuntersuchungen beruht, die vom Basiskrankenversicherungsschutz umfasst sind, stellt dieser Umstand den unmittelbaren Zusammenhang mit dem Basiskrankenversicherungs-schutz nicht her, wie auch ein solcher Zusammenhang nicht etwa dadurch zustande kommt, dass der Bonus von einer Inanspruchnahme der Vorsorgeleistungen des Basiskranken-versicherungsschutzes abhängig gemacht wird (BFH v. 1.6.2016, a.a.O.). Die spezielle Art der Berechnung eines auf § 65a SGB V fußenden Bonus vermag einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Basiskrankenversicherungsschutz nicht zu bewirken, so dass sich seine Auszahlung nicht als Beitragsrückerstattung darstellt.

    Nach Auffassung des erkennenden Senats ohne Bedeutung ist, dass die Krankenkasse A) auf der Grundlage ihres Bonusmodells mit seinem Modus der Bonusberechnung vom Versicherten Kostenbelege nicht einfordert und sich damit deren Prüfung vor der Auszahlung eines Bonus ersparen kann. Insoweit im BMF-Schreiben v. 6.12.2016 (BStBl I 2016, 1426) das Gegenteil zum Ausdruck kommt, folgt der Senat der Finanzverwaltung nicht. Unerheblich erscheint ihm auch, dass die Krankenkasse A) selbst unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben den ausgezahlten Bonus für "komplett steuerpflichtig" hält.

    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    IV. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    V. Die Zulassung der Revision erfolgt aufgrund des § 135 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

    Rechtsmittelbelehrung

    Gegen dieses Urteil steht jedem Beteiligten die Revision zu.

    Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof, Postfach 86 02 40, 81629 München, Hausanschrift: Ismaninger Straße 109, 81675 München, Telefax-Anschluss 089/9231-201, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder auf elektronischem Weg einzulegen.

    Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Ihr soll eine Ausfertigung oder Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden; dies gilt nicht im Falle der elektronischen Revisionseinlegung.

    Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder auf elektronischem Weg zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit ein Verfahrensmangel gerügt wird, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

    Für den elektronischen Weg gelten § 52a Finanzgerichtsordnung (FGO) und die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803, mit späteren Änderungen.

    Vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen in § 62 Abs. 4 FGO genannten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen.