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  • 06.04.2020 · IWW-Abrufnummer 215126

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 16.01.2020 – 10 K 3930/18 K,G,F

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    1

    Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt --FA--) Zahlungen der Klägerin an ihre Geschäftsführerin, die Tante ihrer im Streitjahr alleinigen Gesellschafterin, aus einem Beratungsvertrag i.H.v. 60.000,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer i.H.v. 11.400,00 EUR im Streitjahr 2013 zu Recht als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) qualifiziert und dem steuerlichen Gewinn außerbilanziell hinzugerechnet hat.

    2

    Die Klägerin, eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ….11.2008 durch Frau C D gegründet. Diese ist die Tochter der Geschäftsführerin. Gegenstand des Unternehmens ist ... . Für weitere Einzelheiten wird auf die Errichtungsurkunde vom 10.11.2008 samt Anlage verwiesen.

    3

    Einzelvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreite Geschäftsführerin war ‒ und ist laut Handelsregisterauszug immer noch ‒ Frau B A, geborene D, die Mutter der o.g. Gründungsgesellschafterin. Mit notariellem Vertrag vom 8.2.2010 (UR-Nr. …/2010 des Notars E mit Amtssitz in F) übertrug Frau D ihren gesamten Geschäftsanteil an der Klägerin auf Herrn G H. Dieser wiederum übertrug den gesamten Geschäftsanteil an der Klägerin mit notariellem Vertrag vom 23.3.2010 (UR-Nr. …/2010 des Notars E mit Amtssitz in F) auf Frau I J, die Nichte von Frau A. Im Streitjahr war diese somit Alleingesellschafterin der Klägerin. Diese wiederum übertrug im Dezember 2015 den gesamten Geschäftsanteil an der Klägerin zu einem Kaufpreis i.H.v. insgesamt 1,00 EUR auf Frau A (Kauf- und Abtretungsvertrag vom 17.12.2015, UR-Nr. …/2015 des Notars K mit Amtssitz in F). Diesbezüglich hat Frau J im Rahmen des ebenfalls beim Beklagten geführten Einspruchsverfahrens wegen Einkommensteuer für die Jahre 2011-2013 vorgetragen, hierbei habe es sich um einen „symbolischen Kaufpreis“ gehandelt, da sie aufgrund der Privatinsolvenz ihrer Tante lediglich als formale Gesellschafterin eingeschaltet worden sei und die Anteile für ihre Tante daher „treuhänderisch“ gehalten habe. Insoweit wird auf den sich in den Betriebsprüfungsakten befindlichen Schriftsatz vom 29.11.2017 Bezug genommen. Über das Vermögen von Frau A war durch Beschluss des Amtsgerichts L am ….10.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet sowie mit Beschluss des Amtsgerichts L vom ….11.2015 Restschuldbefreiung erteilt worden.

    4

    Zwischen Frau A und der Klägerin bestand ein Geschäftsführervertrag vom 10.11.2008. Dieser war mit einem Firmenstempel der Klägerin versehen und wurde allein von Frau A unterzeichnet, zum einen in ihrer Funktion als Vertreterin der Klägerin sowie zum anderen als Vertragspartnerin. Gem. § 3 des Geschäftsführervertrags betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden. An bestimmte Arbeitszeiten war Frau A nicht gebunden. Frau A erhielt ein festes Gehalt pro Kalenderjahr i.H.v. 18.000,00 EUR (§ 4 des Geschäftsführervertrags). Sie war berechtigt, im Voraus unter Anrechnung auf ihre Vergütung monatlich bis zu 2.000,00 EUR zu entnehmen. Die Aufhebung, Änderung und Ergänzung des Anstellungsvertrags sowie die Änderung dieser Schriftformklausel selbst bedurften gemäß § 8 der Schriftform. Für weitere Einzelheiten wird auf den Geschäftsführervertrag vom 10.11.2008 verwiesen.

    5

    Bezüglich des Geschäftsführergehalts von Frau A existieren ab dem Jahr 2011,

    6

    d.h. nach Übernahme sämtlicher Geschäftsanteile an der Klägerin durch Frau J, mehrere Gesellschafterbeschlüsse:

    7

    8

    Mit Beschluss vom 15.3.2011 wurde das Geschäftsführergehalt von Frau A ab dem 1.4.2011 auf 2.000,00 EUR monatlich zuzüglich einer jährlich einmaligen Zahlung i.H.v. 500,00 EUR angehoben.

    9

    10

    Mit Beschluss vom 27.12.2011 wurde das Geschäftsführergehalt von Frau A ab Januar 2012 auf 2.000,00 EUR „herabgesetzt“. Im Gegenzug dafür erhielt Frau A anteilige Weihnachtsgeld- und Urlaubsgeldbezüge in Höhe von jeweils 223,00 EUR pro Monat.

    11

    12

    Mit Beschluss vom 13.10.2012 wurde das Geschäftsführergehalt ab September 2012 auf 2.500,00 EUR pro Monat erhöht. Die Weihnachtsgeld- und Urlaubsgeldzahlungen wurden gestrichen.

    13

    14

    Ein Beschluss vom 29.12.2012 sah schließlich vor, das Geschäftsführergehalt von Frau A aufgrund geplanter Umstrukturierungen der Firmengruppe sukzessive herabzusetzen, und zwar ab Januar 2013 auf 2.100,00 EUR, ab Februar 2013 auf 1.250,00 EUR sowie ab März 2013 auf 1.200,00 EUR. Zum 30.6.2013 sollte das Geschäftsführergehalt schließlich letztmalig gezahlt werden. Danach sollte ein Beratungshonorar festgesetzt werden, dessen Höhe noch neu festzulegen sei.

    15

    Zusätzlich existiert ein Beratungsvertrag zwischen der Klägerin und Frau A, der das Datum 1.11.2014 trägt. Dieser beinhaltete auszugsweise folgende Regelungen:

    16

    „§ 1 Vertragsgegenstand

    17

    (1) Der Auftraggeber erteilt hiermit dem Auftragnehmer den Auftrag, ihn bei folgenden Entscheidungen/Vorhaben zu beraten:

    18

    Umstrukturierungsmaßnahmen der Unternehmensgruppe so zu gestalten, dass die Geschäftsführung anschließend an 1 - 2 Stunden pro Tag erledigt werden können.

    19

    (2) Bestandteile dieses Vertrages sind:

    20

    Standardisierungsprozesse und Suche geeigneter Kooperationspartner, sodass das Kanzleigeschäft alleine läuft.

    21

    § 2 Leistungen des Auftragnehmers

    22

    Zur Erfüllung der in § 1 genannten Aufgaben wird der Auftragnehmer insbesondere folgende Leistungen erbringen:

    23

    Die Positionierungsstrategie und die Einführung der Standards bis zum 31.12.2015.

    24

    Stundenaufzeichnungen sind täglich zu führen.

    25

    § 3 Vergütung

    26

    (1) Der Auftragnehmer erhält für seine Leistung pro Stunde eine Vergütung i.H.v. 30,00 € zzgl. Umsatzsteuer in gesetzlicher Höhe.

    27

    Die Vergütung wird mit den Entnahmen (Buchhaltungsskonto # 1701 verrechnet).

    28

    § 4 Berichterstattung

    29

    (1) Der Auftragnehmer erstattet dem Auftraggeber einen schriftlichen Bericht über seine laufende Arbeit und deren Ergebnisse. Die Berichterstattung erfolgt in der Leistungserfassung des xxx Buchungssystems.“

    30

    Sämtliche vorstehend benannten Beschlüsse sowie der Beratungsvertrag waren wiederum mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen und allein durch Frau A in ihrer Funktion als Vertreterin der Klägerin unterzeichnet. Für weitere Einzelheiten wird auf die vorgenannten Beschlüsse vom 15.3.2011, vom 27.12.2011, vom 13.10.2012 und vom 29.12.2012 sowie den Beratungsvertrag vom 1.11.2014 verwiesen.

    31

    Die Klägerin ist Teil der „Unternehmensgruppe A“. Insoweit existieren neben der Klägerin u.a. die M Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) sowie die N Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Beide Gesellschaften wurden mit Gesellschaftsvertrag vom 12.3.2013 durch Frau J als Alleingesellschafterin gegründet. Unternehmensgegenstand der M Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist ..., der der N Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)... . Einzelvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 des BGB befreite Geschäftsführerin war Frau J. Mit Anteilskauf- und Übertragungsverträgen vom 11.3.2015 übertrug Frau J ihren jeweiligen gesamten Geschäftsanteil an beiden Gesellschaften auf Frau A, die sodann in beiden Gesellschaften auch einzelvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführerin wurde.

    32

    Auf Grundlage der Prüfungsanordnung vom 17.03.2016 führte das FA bei der Klägerin für die Jahre 2011-2013 eine steuerliche Außenprüfung durch.

    33

    Im Hinblick auf das in dem Beschluss vom 29.12.2012 erwähnte Beratungshonorar stellte die Betriebsprüfung (-- Bp. --) fest, dass dieses zum 31.12.2013 in einer Summe als Rechts- und Beratungskosten i.H.v. 60.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. 11.400,00 EUR (Buchungskonto # 4950) gegen das Konto # 1500 „sonstige Vermögensgegenstände“ mit dem Buchungstext „Beratervertrag vom 01.11.2014“ gebucht worden ist. Bei dem Konto # 1500 handelt es sich um ein Forderungsverrechnungskonto der Klägerin gegenüber Frau A. Zum Nachweis der entsprechenden Arbeitsleistungen durch Frau A (vgl. § 3 Abs. 2 des Beratungsvertrags) wurde im Rahmen der Bp. eine Mitarbeiter-Zeitauswertung für Frau A für den Zeitraum vom 2.1.2013 bis 20.12.2013 vorgelegt. Diese weist textlich insbesondere folgende, zT wiederkehrende Tätigkeiten von Frau A aus: „lfd. Kanzleiarbeit“, „lfd Buha“, „Mandantentermine“, „Bewerbungsgespräche“, „Akquise“, „Kanzleibuchhaltung“, „Lohnabrechnungen“, „Honorarabrechnungen“, „Post“, „E-Mails“, „Besprechung“, „Aufstellung JA 2012“, „BP Beratung“, „Zahlungsverkehr“, „Debitorenmanagement“. Für weitere Einzelheiten wird auf die vorliegenden Stundenaufzeichnungen verwiesen. Die Bp war hierzu der Auffassung, dass die Tätigkeiten laut Zeitauswertung lediglich den normalen Geschäftsbetrieb der Klägerin und damit die laufenden Geschäftsführungsaufgaben auf Grundlage des Geschäftsführervertrages vom 10.11.2008 (mit einer festgelegten Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich) umfassten, nicht jedoch die gesonderten Tätigkeiten laut Beratungsvertrag (Beratung zu Umstrukturierungsmaßnahmen, Standardisierungsprozesse und Suche geeigneter Kooperationspartner).

    34

    Mit Schreiben vom 24.3.2017 legte die Klägerin schließlich einen weiteren Gesellschafterbeschluss, datierend vom 29.12.2012, mit folgendem Wortlaut vor:

    35

    „Frau B A erhält folgende Beratungshonorare für die Tätigkeiten in der Unternehmensgruppe A:

    36

    •              für die A UG (haftungsbeschränkt) monatlich 5.000,00 € insgesamt 60.000,00 € p. a. zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer.

    37

    Das Honorar wird mit den Entnahmen, die z.Z. noch über das Buchhaltungsskonto #1701 abgewickelt werden, verrechnet.

    38

    Das Honorar ist ein Jahreshonorar und gilt erstmalig für den 1.1.2013 bis 31.12.2013.“

    39

    Dieser Beschluss war wiederum mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen und von Frau A sowie an zwei Stellen von Frau J ‒ zum einen als Gesellschafterin und zum anderen als „Geschäftsführerin“ ‒ unterzeichnet.

    40

    Weiterhin stellte die Bp. fest, dass Frau A ab dem 1.7.2013 auch für die N UG entgeltlich tätig war. Der Arbeitslohn für Frau A wurde der Klägerin durch die N UG weiterbelastet und auf dem Buchungskonto # 4120 („Gehälter“) erfasst. Zudem veräußerte die Klägerin mit Vertrag vom 30.9.2013 einen Teil ihres Kundenstamms (bzgl. der Erstellung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen) für 5.000,00 EUR an die N UG (Buchungskonto #8800).

    41

    Schließlich bestand nach den Feststellungen der Bp. auch zwischen der M UG und der Klägerin insoweit eine geschäftliche Verflechtung, als Erlöse der Klägerin an die M UG weiter berechnet wurden (Buchungskonto # 8200 „Erlöse Weiterberechnung Prod. Kosten DVD“). Sowohl für die N UG (#1362) als auch für die M UG (#1380) führte die Klägerin Verrechnungskonten.

    42

    Im Hinblick auf diese sowie weitere Prüfungsfeststellungen wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 10.5.2017 verwiesen.

    43

    Das FA schloss sich den Feststellungen der Bp. an und beurteilte die Leistungen aus dem vermeintlichen Beratervertrag durch Verbuchung auf dem Forderungsverrechnungskonto bei der Klägerin als vGA und erließ mit Datum vom 24.10.2017 entsprechend geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer 2013, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2013, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2013 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2013 sowie mit Datum vom 2.11.2017 einen entsprechend geänderten Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2013.

    44

    Die hiergegen eingelegten Einsprüche vom 27.11.2017 bzw. 4.12.2017 begründete die Klägerin damit, dass die Zahlungen und Buchungen im Einklang mit den (im Vorhinein) getroffenen Vereinbarungen stünden. Insbesondere sei das Datum 1.11.2014 auf dem Beratungsvertrag offenbar nicht das Datum des Vertragsabschlusses, sondern lediglich das des Ausdrucks. Außerdem entspreche der Beratungsvertrag dem in den Beschlüssen vom 29.12.2012 ausgedrückten Willen der Vertragspartner.

    45

    Mit Einspruchsentscheidung vom 19.11.2018 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Es führte aus, dass die Vereinbarung mit Frau A als Tante der Alleingesellschafterin über die Honorarzahlungen nicht mit den Bedingungen an Verträge zwischen einer Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter, die auch für nahestehende Personen gelten, im Einklang stehe. Der Beratungsvertrag verstoße gegen das Rückwirkungsverbot. Zudem stehe er im Widerspruch zu den Beschlüssen vom 29.12.2012. Auch die beiden Beschlüsse vom 29.12.2012 selbst seien untereinander nicht klar und eindeutig formuliert, sondern vielmehr widersprüchlich. Schließlich fehle es auch an der tatsächlichen Durchführung, da aus den vorgelegten Stundenzetteln nicht ersichtlich sei, dass überhaupt im Anwendungsbereich des Beratungsvertrags gearbeitet worden sei, zumal die im Geschäftsführervertrag vereinbarte 40-Stunden-Woche nach den Stundenzetteln weitgehend nicht überschritten worden sei.

    46

    Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin begründet diese ergänzend damit, dass ein neben dem Anstellungsvertrag für besondere Beratungsaufgaben zwischen einer Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer geschlossener Beratungsvertrag nicht schlechterdings unzulässig sei, auch dann nicht, wenn er eine gesonderte Vergütung vorsehe. Der vorliegende Beratervertrag umfasse von der Geschäftsführertätigkeit klar abgrenzbare Tätigkeiten, nämlich Umstrukturierungsmaßnahmen der Unternehmensgruppe. Hierzu sei bereits mit Datum vom 29.12.2012 ein Gesellschafterbeschluss gefasst worden, wonach an Frau A ein Beraterhonorar i.H.v. monatlich 5.000,00 EUR netto gezahlt werden könne. Nicht entscheidend sei, dass dieser Beschluss dem FA erst am 24.3.2017 vorgelegt worden ist. Der Gesellschafterbeschluss sei jedenfalls vor Umsetzung des Beratervertrags erfolgt. Auf die Frage einer möglichen Rückwirkung des schriftlich geschlossenen Beratervertrags vom 1.11.2014 komme es daher nicht an. Schließlich sei auch nicht zu beanstanden, dass die Zahlungen aus dem Beratervertrag letztlich erst am Ende des Kalenderjahrs 2013 mit einer Gegenbuchung über 60.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. 11.400,00 EUR gegen sonstige Vermögensgegenstände buchhalterisch erfasst worden ist.

    47

    Die Klägerin beantragt sinngemäß,

    48

    die Bescheide über Körperschaftsteuer 2013, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2013, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2013 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2013, jeweils vom 24.10.2017, sowie den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 vom 2.11.2017, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2018, dahingehend zu ändern, dass die vom FA angesetzte vGA i.H.v. 71.400 € nicht mehr berücksichtigt wird.

    49

    Das FA beantragt,

    50

    die Klage abzuweisen.

    51

    Hierzu führt das FA aus, dass die von der Klägerin selbst aufgelisteten Mängel für sich allein möglicherweise noch unbeachtlich seien, in einer Gesamtschau jedoch dazu führten, dass die gezahlten Honorare als vGA zu qualifizieren sind. Bereits die Einbuchung der Monatshonorare als Jahresbetrag auf das Verrechnungskonto sei unüblich. Mit einer Rücksichtnahme auf Liquiditätsprobleme sei dies nicht zu begründen, da diese auch durch eine monatliche Verbuchung auf dem Verrechnungskonto vermieden würden. Zudem verlange das Verrechnungskonto aufgrund seiner gewöhnlichen Verzinslichkeit die Aufstellung aktueller Salden. Das FA vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein einheitliches und von vornherein gewolltes Vertragswerk nicht vorliege. Die Einbuchung auf dem Verrechnungskonto mit dem Text „Beratervertrag vom 01.11.2014“ widerlege, dass es sich bei dem Datum 1.11.2014 lediglich um das Ausfertigungs- und nicht das Erstelldatum des Vertrags handle. Der Beratervertrag könne hilfsweise auch nicht als Bestätigung dessen angesehen werden, was schon früher mündlich vereinbart und durchgeführt worden sei. Dies scheitere daran, dass sich insoweit der Leistungsgegenstand und das vorgesehene Vergütungssystem unterscheiden würden. Im Gegensatz zu einem neben dem Geschäftsführergehalt vereinbarten und geleisteten Beratungshonorar für eine abgrenzbare Tätigkeit liege vorliegend eine unklare Mehrfach-Vergütung vor.

    Entscheidungsgründe

    52

    Die Klage ist zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet.

    53

    I. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2013 richtet, ist die Klage unzulässig.

    54

    Dass die Klägerin durch diesen Feststellungsbescheid in ihren Rechten verletzt sein soll, hat sie nicht geltend gemacht, vgl. § 40 Abs. 2 FGO. Die zur Begründung der vorliegenden Klage vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel beziehen sich ausschließlich auf die streitige Qualifizierung des an Frau A gezahlten Beratungshonorars als vGA. Die streitige vGA hat hingegen weder Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto noch auf das durch Umwandlung von Rücklagen entstandene Nennkapital. Sowohl der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2013 als auch die Höhe des durch Umwandlung von Rücklagen entstandenen Nennkapitals zum 31.12.2013 lauten sowohl im Ausgangsbescheid vom 13.2.2015 als auch im Änderungsbescheid vom 24.10.2017 auf null Euro.

    55

    II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Recht hat das FA die Zahlungen der Klägerin i.H.v. 60.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer i.H.v. 11.400,00 EUR an Frau A als vGA qualifiziert und dem Gewinn der Klägerin sowohl für Zwecke der Körperschaftsteuer als auch für Zwecke der Gewerbesteuer außerbilanziell hinzugerechnet.

    56

    1. Unter einer vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis (mit)veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG (für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 GewStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (st. Rspr. des BFH, vgl. z.B. Urteile vom 22.2.1989 I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; vom 26.4.1989 I R 172/87, BStBl. II 1989, 673; vom 24.10.2018 I R 78/16, BStBl. II 2019, 570). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (st. Rspr. des BFH, vgl. Urteile vom 7.8.2002 I R 2/02, BStBl. II 2004, 131 und vom 8.9.2010 I R 6/09, BStBl. II 2013, 186).

    57

    a. Durch die aufwandswirksame Verbuchung des Beratungshonorars auf dem Aktivkonto # 1500 „Sonstige Vermögensgegenstände“, ein bei der Klägerin für Frau A geführtes Verrechnungskonto, liegt insoweit eine Vermögensminderung auf Ebene der Klägerin vor, die sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG (für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 GewStG) ausgewirkt hat.

    58

    b. Die Vermögensminderung ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und steht in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung. Vorliegend mangelt es bereits an der tatsächlichen Durchführung einer im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen sowie zivilrechtlich wirksamen Vereinbarung zwischen der Klägerin und Frau A (sog. formeller Fremdvergleich). Die Grundsätze des formellen Fremdvergleichs sind vorliegend im Verhältnis der Klägerin zu Frau A ‒ als eine der Alleingesellschafterin nahe stehenden Person ‒ anzuwenden.

    59

    aa. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist i.d.R. anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.2005 VIII R 70/04, BFH/NV 2006, 722) einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (st. Rspr. des BFH, vgl. z.B. Urteil 16.3.1967 I 261/63, BStBl. III 1967, 626). In diesen Fällen weist das von dem Verhalten gegenüber einem fremden Dritten abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters auf eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis hin (vgl. BFH-Urteile vom 14.3. 1990 I R 6/89, BStBl. II 1990, 795; vom 23.10.1996 I R 71/95, BStBl. II 1999, 35).

    60

    bb. Bei Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter liegt ein Indiz für eine Veranlassung der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung im Gesellschaftsverhältnis darüber hinaus bereits dann vor, wenn der Leistung keine klare, im Vorhinein getroffene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung zugrunde liegt (sog. formeller Fremdvergleich, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17.12.1997 I R 70/97, BStBl. II 1998, 545 und vom 17.1.2018 I R 74/15, BFH/NV 2018, 836, jeweils m.w.N.).

    61

    cc. Nach st. Rspr. des BFH bedarf es auch bei einer Leistung an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahe stehende Person einer solchen klaren, im Vorhinein getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung (vgl. BFH-Urteile vom 22.2.1989 I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; vom 16.12.1992 I R 2/92, BStBl. II 1993, 455; vom 8.10.2008 I R 61/07, BStBl. II 2011, 62).

    62

    (1) Dies gilt uneingeschränkt bezüglich nahe stehender Personen i.e.S., wie z.B. Ehegatten, Geschwister oder Eltern bzw. Kinder des beherrschenden Gesellschafters (vgl. Rengers in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 KStG Rz. 143).

    63

    (2) Ob die formellen Sonderbedingungen für beherrschenden Gesellschaftern nahestehende Personen ohne Weiteres auch auf nahe stehende Personen i.w.S., z.B. Onkel/Tante, Neffe/Nichte oder persönliche Freunde, anzuwenden sind oder diese nur dann gelten, wenn weitere Umstände hinzutreten, die auf einen fehlenden Interessengegensatz im Hinblick auf den zugewandten Vermögensvorteil hindeuten (vgl. Rengers in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8 KStG Rz. 143; offen gelassen durch BFH-Urteil vom 20.9.1990 IV R 17/89, BStBl. II 1991, 18), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

    64

    Im Streitfall war Frau A die Tante der im Streitjahr alleinigen Gesellschafterin der Klägerin. Vorliegend treten neben diesem formalen Angehörigenverhältnis i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 7 der Abgabenordnung (AO) weitere besondere Umstände hinzu, die einen fehlenden Interessengegensatz wie unter fremden Dritten zur vollen Überzeugung des Senats belegen.

    65

    Frau A war alleinige einzelvertretungsberechtigte und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Geschäftsführerin der Klägerin. Bereits als solche hatte sie weitreichenden Handlungsspielraum bei der Klägerin. Zustimmungspflichtige Geschäfte der Geschäftsführung waren im Gesellschaftsvertrag der Klägerin nicht vorgesehen. Hinzu kommt, dass Frau A in tatsächlicher Hinsicht einen sehr weitreichenden ‒ auch über formale Kompetenzen hinausgehenden ‒ Handlungsspielraum für sich in Anspruch nahm. Sowohl der ursprüngliche Geschäftsführervertrag zwischen der Klägerin und Frau A (ein zugrunde liegender Gesellschafterbeschluss fehlt) als auch die nachfolgenden Gesellschafterbeschlüsse über die unterschiedlichen Anpassungen des Geschäftsführergehalts von Frau A sowie der vom 1.11.2014 datierende Beratungsvertrag zwischen der Klägerin und Frau A waren allein von Frau A unterzeichnet, obwohl sämtliche Bestimmungen dem Aufgabenkreis der Gesellschafterin der Klägerin unterlagen. Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschafterin der Klägerin an den vorgenannten Regelungen ausreichend mitgewirkt hat, liegen nicht vor.

    66

    Dies zeigt, dass Frau A im Ergebnis auch die Rolle der Gesellschafterin der Klägerin wahrgenommen hat. Diese Schlussfolgerung wird auch dadurch belegt, dass die Anteile an der Klägerin ‒ sowie die Anteile an den beiden weiteren Gesellschaften im „Unternehmensverbund A“, der M UG und der N UG ‒ im Jahr 2015 nach Abschluss ihrer Privatinsolvenz auf Frau A übertragen wurden. Zudem hat Frau J im Rahmen des ebenfalls beim FA geführten Einspruchsverfahrens wegen Einkommensteuer für die Jahre 2011-2013 vorgetragen, die Veräußerungen seien lediglich zu einem „symbolischen Kaufpreis“ erfolgt, da sie aufgrund der Privatinsolvenz ihrer Tante lediglich als formale Gesellschafterin eingeschaltet worden sei und die Anteile für ihre Tante bis zum Abschluss der Privatinsolvenz lediglich „treuhänderisch“ gehalten habe. Frau A war damit nicht nur unmittelbar bei der Klägerin, sondern im gesamten „Unternehmensverbund A“ die maßgebliche Akteurin. Insgesamt fehlte angesichts dieser Umstände ein natürlicher Interessengegensatz wie zwischen fremden Dritten.

    67

    dd. Unter Anwendung der Sonderbedingungen für beherrschende Gesellschafter bzw. diesen nahe stehende Personen halten die getroffenen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und Frau A über das streitige Beratungshonorar sowie deren vermeintliche tatsächliche Durchführung einem formellen Fremdvergleich nicht stand.

    68

    (1) Es liegt bereits keine im Vorhinein abgeschlossene sowie zivilrechtlich wirksame Vereinbarung über das Beratungshonorar vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen einer klaren und eindeutigen sowie zivilrechtlich wirksamen Vereinbarung ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung durch den Gesellschafter bzw. die nahe stehende Person. Demnach sind Vereinbarungen mit dem Geschäftsführer über Vergütungen vor Erbringung der damit abzugeltenden Leistung und nicht erst vor Zahlung der Vergütung abzuschließen (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1991 I R 49/90, BStBl. II 1992, 434). Eine unzulässige rückwirkende Vereinbarung liegt somit auch dann vor, wenn zwar die Zahlung erst nach Abschluss der Vereinbarung erfolgt, die zugrunde liegende Leistung aber bereits erbracht ist (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 17.3.1997 II 147/95, RFG 1997, 1051).

    69

    Die vermeintlichen Leistungen durch Frau A, die vorliegend durch das streitige Beratungshonorar neben oder anstelle des gewöhnlichen Geschäftsführergehalts abgegolten werden sollten, wurden - eine tatsächliche dahingehende Leistungserbringung unterstellt - im Streitjahr 2013 erbracht. Einer vorherigen Vereinbarung genügt der vorliegende Beratungsvertrag zwischen der Klägerin und Frau A somit nicht. Dieser datiert vom 1.11.2014. Die Klägerin hat ‒ entgegen ihrer Behauptung ‒ keinerlei Beweis dafür vorgelegt, dass der Beratungsvertrag tatsächlich schon vor Leistungserbringung abgeschlossen wurde und es sich bei dem Datum 1.11.2014 lediglich um das Datum eines späteren Ausdrucks des Vertrags handelt. Insbesondere liegt weder das Original des Vertrags noch eine sonstige Ausfertigung des vermeintlichen Originals mit einem früheren Datum vor Leistungserbringung vor. Vielmehr belegt das vorliegende Kontoblatt über die Verbuchung des Beratungshonorars mit dem Buchungstext „Beratervertrag v. 01.11.2014“, dass es sich bei dem Datum 1.11.2014 tatsächlich um den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses handelt. Auch ist das vorliegende und vom 1.11.2014 datierende Exemplar des Vertrags mit einem Firmenstempel und mit der Unterschrift von Frau A versehen, was bei einem späteren Ausdruck eines bereits zuvor unterschriebenen Vertrags nicht zu erwarten wäre.

    70

    Im Übrigen ist der Beratungsvertrag, datierend vom 1.11.2014, auch zivilrechtlich unwirksam. Für den Abschluss und die Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags ist als Annexkompetenz zur organschaftlichen Bestellung bzw. Abberufung des Geschäftsführers gem. § 46 Nr. 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung zuständig (vgl. BGH-Urteil vom 25.3.1991 II ZR 169/90, NJW 1991, 1680; Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., 2014, § 46 Rz. 70). Gleiches gilt für den Abschluss eines Beratervertrags mit einem amtierenden Geschäftsführer (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., 2019, § 46 Rz. 36, 38a; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., 2020, § 46 Rz. 23). Dem Geschäftsführer selbst fehlt insoweit die Vertretungsbefugnis. Allenfalls kann die Gesellschafterversammlung in dem Beschluss über den Anstellungsvertrag einen oder mehrere Personen bevollmächtigen, diesen umzusetzen. Dies ist vorliegend hingegen nicht geschehen. Der Beratungsvertrag wurde ausschließlich durch Frau A unterzeichnet. Eine Unterschrift der Gesellschafterin der Klägerin, Frau J, fehlt.

    71

    Auch die beiden Gesellschafterbeschlüsse der Klägerin vom 29.12.2012 scheiden als im Vorhinein getroffene, klare und eindeutige Vereinbarung über die streitige Honorarzahlung aus. Zum einen kann ein Gesellschafterbeschluss nur dann ausnahmsweise als Vereinbarung mit dem Geschäftsführer angesehen werden, wenn dieser als (beherrschender) Gesellschafter selbst an dem Beschluss mitgewirkt hat. Der Gesellschafterbeschluss ist insoweit als Vertragsangebot zu qualifizieren, das der Gesellschafter-Geschäftsführer wiederum durch seine Zustimmung in der Gesellschafterversammlung annimmt. Zur Verhinderung von Gewinnmanipulationen erscheint es nach Auffassung des BFH in diesem Fall nicht zwingend geboten, die in dem Gesellschafterbeschluss verkörperten Vereinbarungen in weiteren vertraglichen Urkunden „nach außen“ erkennbar werden zu lassen, da von diesem Akt wiederum nur Personen erfahren würden, die ohnehin bereits an dem Gesellschafterbeschluss beteiligt waren (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1991 I R 49/90, BStBl. II 1992, 434). Frau A war im Streitjahr hingegen nicht Gesellschafterin der Klägerin und konnte an einem etwaigen Gesellschafterbeschluss und einer darin begründeten Annahme eines Vertragsangebots nicht mitwirken.

    72

    Aber auch wenn der Senat in dem Umstand, dass Frau A ‒ obwohl sie nicht Gesellschafterin der Klägerin war ‒ beide Gesellschafterbeschlüsse unterzeichnet hat, die Annahme eines durch Gesellschafterbeschluss begründeten Vertragsangebots sehen würde, fehlte es an einer hinreichenden Eindeutigkeit und Klarheit der vorliegenden Gesellschafterbeschlüsse als Vertragsgrundlage. An einer klaren Vereinbarung fehlt es, wenn zeitgleich zwei sich widersprechende Vereinbarungen abgeschlossen werden, ohne dass zu erkennen ist, welcher von beiden der maßgebende sein soll (vgl. BFH-Urteil vom 24.5.1989 I R 90/85, BStBl. II 1989, 800). Vorliegend liegen zwei taggleich gefasste Gesellschafterbeschlüsse vom 29.12.2012 vor, die sich inhaltlich widersprechen. In dem einen Gesellschafterbeschluss, überschrieben mit „Beschluss (Geschäftsführergehalt)“, ist vorgesehen, dass das Geschäftsführergrundgehalt von Frau A aufgrund der geplanten Umstrukturierungen der Firmengruppe sukzessive herabgesetzt, letztmalig zum 30.6.2013 gezahlt sowie erst anschließend durch ein der Höhe noch festzulegendes Beratungshonorar abgelöst wird. Die für das Beratungshonorar zu erbringenden Leistungen werden in dem Gesellschafterbeschluss nicht bezeichnet. In dem zweiten Gesellschafterbeschluss ist hingegen vorgesehen, dass Frau A ein Beratungshonorar i.H.v. monatlich 5.000,00 EUR zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer erhält, welches ein Jahreshonorar sei und erstmalig für den 1.1.2013 bis 31.12.2013 gelte. Dies widerspricht insoweit dem vorgenannten Gesellschafterbeschluss, als das Beratungshonorar hier bereits betragsmäßig bestimmt ist und zudem bereits ab dem 1.1.2013 zu zahlen ist. Mehrere voneinander abweichende Fassungen können nur dann klar und eindeutig sein, wenn nach außen deutlich zu erkennen ist, auf welche Fassung es maßgeblich ankommt (BFH-Urteil vom 24.3.1998 I R 96/97, BFH/NV 1998, 1375). Diese Voraussetzungen werden vorliegend nicht erfüllt. Vielmehr ist in keiner Weise erkennbar, welcher von beiden Beschlüssen oder ob überhaupt einer der beiden Beschlüsse der tatsächlichen Handhabung bei der Klägerin zugrunde gelegt wurde. Nach außen ist bereits nicht erkennbar, dass das Honorar an Frau A i.H.v. 60.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer für tatsächlich erbrachte, von den gewöhnlichen Geschäftsführungsaufgaben abgrenzbare Beratungstätigkeiten gezahlt wurde. Einen Nachweis hierfür hat die Klägerin nicht erbracht. Vielmehr liegt eine umfassende Mitarbeiter-Zeitauswertung für Frau A für das gesamte Streitjahr 2013 vor, die ‒ worauf das FA zutreffend hinweist ‒ keinerlei Tätigkeit im Zusammenhang mit der vereinbarten Beratungstätigkeit im Zusammenhang mit einer geplanten Umstrukturierung der „Firmengruppe A“ enthält. Die vorgelegte Mitarbeiter-Zeitauswertung ergibt vielmehr, dass Frau A im Streitjahr auch weiterhin lediglich mit den üblichen Geschäftsführungsaufgaben betraut war. Anhand der vorgelegten Kontenblätter ist zudem ersichtlich, dass Frau A jedenfalls bis einschließlich Juni 2013 tatsächlich ein Geschäftsführergehalt von der Klägerin bezogen hat. Nicht hinreichend nach außen erkennbar wird, ob das Beratungshonorar i.H.v. 60.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer sodann die Vergütung ab Juli 2013 auf Grundlage des ersten Beschlusses vom 29.12.2012 oder das Jahreshonorar für das gesamte Jahr 2013 auf Grundlage des zweiten Beschlusses vom 29.12.2012 abbildet.

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    (2) Zudem fehlt es am Nachweis einer tatsächlichen Durchführung des Beratungsvertrags oder eines diesem zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses.

    74

    Wie bereits ausgeführt, weist die vorliegende Mitarbeiter-Zeitauswertung für Frau A keinerlei Tätigkeiten aus, die im Zusammenhang mit einer vermeintlich vereinbarten Beratungstätigkeit zu einer geplanten Umstrukturierung der Firmengruppe stehen. Zudem ist fernliegend, dass Frau A neben den auf Grundlage des ‒ jedenfalls bis zum 30.6.2013 ‒ nach wie vor gültigen Geschäftsführervertrags vom 10.11.2008 geschuldeten gewöhnlichen Geschäftsführungsaufgaben im Umfang einer vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsleistung von 40 Stunden weitere Beratungsleistungen erbracht haben soll. Im Hinblick auf den zeitlichen Arbeitsumfang von Frau A ist zudem zu berücksichtigen, dass Frau A ab dem 1.7.2013 auch bei der N UG entgeltlich tätig war, die das Gehalt für Frau A wiederum an die Klägerin weiter belastete. Da Frau A bereits aufgrund des Geschäftsführervertrags vom 10.11.2008 ihre gesamte Arbeitskraft der Klägerin zur Verfügung zu stellen hatte, waren hiermit weitere (zudem gesondert vergütete) Tätigkeiten, ob bei der Klägerin selbst oder bei Dritten, unvereinbar.

    75

    Eine Gesamtschau der objektiven Umstände zeigt, dass Frau A im Streitjahr zulasten der Klägerin bereits ein Gehalt für ihre gewöhnlichen Tätigkeiten als Geschäftsführerin für das gesamte Jahr 2013 gezahlt wurde. Unmittelbar von der Klägerin wurde ein Geschäftsführergehalt jedenfalls bis zum 30.6.2013 gezahlt. Ab dem 1.7.2013 wurde ein Geschäftsführergehalt sodann mittelbar durch die Klägerin getragen, in dem dieses der Klägerin durch die N UG weiter belastet wurde.

    76

    ee. Besondere Umstände, die die Indizwirkung des Verstoßes gegen den formellen Fremdvergleich entkräften könnten, liegen nicht vor. Im Gegenteil dazu wird die gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Honorarzahlungen durch die besondere tatsächliche Stellung von Frau A bei der Klägerin und innerhalb der „Unternehmensgruppe A“, die über die Stellung einer bloßen Geschäftsführerin weit hinausgeht, noch bestärkt. Damit kann vorliegend offenbleiben, ob und unter welchen Umständen die Vereinbarung eines Beratungshonorars neben dem gewöhnlichen Geschäftsführungsgehalts fremdüblich sein kann. Der BFH prüft in ständiger Rechtsprechung die Veranlassung von Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter bzw. diesem nahe stehende Personen sowohl an Hand einer klaren, im Vorhinein getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1993 I R 51/92, BFHE 171, 58, BStBl II 1993, 635 m.w.N.) als auch an Hand eines materiellen Fremdvergleichs (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1994 I R 137/93, BFHE 175, 347). Zwischen den beiden Prüfungsansätzen besteht untereinander kein vorrangiges oder nachrangiges Verhältnis.

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    2. Liegt ein Verstoß gegen den formellen Fremdvergleich vor, ist die gesamte Leistung dem Grunde nach als vGA zu behandeln, d.h. vorliegend das gesamte Beratungshonorar i.H.v. 60.000,00 EUR. Ebenfalls von der verdeckten Gewinnausschüttung erfasst wird eine hierauf entfallende Umsatzsteuer (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.2005 VIII R 70/04, BFH/NV 2006, 722), vorliegend i.H.v. 11.400,00 EUR.

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    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

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    IV. Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf einer Anwendung der durch den BFH geklärten Grundsätze über die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung sowie die besonderen Anforderungen zwischen Gesellschaften und ihren beherrschenden Gesellschaftern bzw. diesen nahe stehenden Personen (formeller Fremdvergleich) auf den Streitfall.