13.12.2011 · IWW-Abrufnummer 114141
Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 30.08.2011 – 14 U 651/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 14 U 651/11
4 HKO 4217/09 LG Leipzig
Verkündet am 30.08.2011
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Wettbewerbsstreitigkeit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2011 durch XXX
für Recht erkannt:
I. Das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 08.04.2011, Az. 4 HKO 4217/09, wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt,
1. es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd auf Schaufensterscheiben oder sonst werblich für seine Apotheke mit dem Hinweis zu werben:
a) „Immer alles Mc Günstig“ oder
b) „Die preiswerte Apotheke“ oder
c) „Discountapotheke“ oder
d) „Mc… A …….
Die preiswerte Apotheke“;
2. an die Klägerin 208,65 EUR zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.12.2009.
II. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I.1. wird dem Beklagten Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR angedroht, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 16.000,00 EUR
Gründe:
I.
Von der Darstellung der Tatsachengrundlagen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Das Landgericht hat die Klage im Unterlassungsantrag wegen mangelnder Bestimmtheit als unzulässig, im Übrigen als unbegründet abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung und beantragt wie tenoriert.
Der Beklagte verteidigt das die Klage abweisende Urteil.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
A.
Die Klage ist zulässig.
Sie erfüllt auch die Anforderungen des § 253 Abs.2 Nr. 2 ZPO und ist damit hinreichend bestimmt.
Zutreffend geht das Landgericht vom sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff aus, zieht aber die sich daraus ergebenden Grenzen des Streitgegenstandes viel zu eng.
Die Klägerin hat ihre Klage stets damit begründet, dass die im Klageantrag genannten Werbeaussagen irreführend und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig seien. Ob es bereits zu einer Änderung des Streitgegenstandes führt, wenn die Klägerin die Eignung zur Irreführung nicht mehr nur auf verschreibungspflichtige Medikamente bezieht, sondern auf das Gesamtsortiment des Beklagten, kann für die Entscheidung dahinstehen, denn die Klägerin hat in der Berufungsinstanz ebenso wie in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht stets klargestellt, dass sie den Vorwurf der Irreführung nur auf die verschreibungspflichtigen Medikamente bezogen wissen will. Keinesfalls aber änderte sich mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) zum 01.01.2011 am Klagesachverhalt und damit am Streitgegenstand etwas. Dieses Gesetz hat wesentlich die Frage zum Gegenstand, wie zwischen Pharmaunternehmen und gesetzlichen Krankenversicherungen die Preise für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen ausgehandelt oder festgelegt werden. Es fällt schon schwer, darin Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung des Falles zu sehen, den der Klage zugrunde liegenden Sachverhalt lässt das Gesetz in jedem Falle unberührt.
B.
Die Klage ist auch begründet.
1.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG zu.
Die angegriffene Werbung ist irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG und damit unlauter.
Weil sie sich an die Allgemeinheit richtet, gehört auch der Senat zu den angesprochenen Verkehrskreisen und kann die Frage der Irreführung selbst beantworten.
a.
Die Aussage „Immer alles Mc Günstig“ führt in die Irre.
Bei den angesprochenen Verbrauchern entsteht so der Eindruck, „alles“, d.h. das gesamte Apothekensortiment des Beklagten, sei „immer“ billiger als bei der Konkurrenz. Die Begriffsschöpfung „Mc Günstig“ weckt mit ihrem Bestandteil „Mc“ Assoziationen an schottische Namen. Schotten haftet das Vorurteil an, geizig zu sein. „Mc Günstig“ steht damit für Preise, die selbst Geizhälsen günstig erscheinen, die also extrem niedrig sind. Der Beklagte rückt sich damit zudem in die Nähe der auch in ……., dem Standort des Beklagten, mehrfach vertretenen Billigmarktkette „Mäc Geiz“, deren Name ähnliche Assoziationen weckt.
Dass die Preise des Beklagten extrem niedrig seien, ist mindestens für einen erheblichen Anteil des Sortiments objektiv unrichtig. Weil verschreibungspflichtige Medikamente preisgebunden sind, kann der Beklagte allenfalls seine sonstigen Waren günstiger anbieten als andere Apotheken.
Die Eignung zur Irreführung entfällt auch nicht dadurch, dass die objektiv falsche Werbeaussage vom Verkehr dennoch richtig verstanden würde (zur dogmatischen Einordnung vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, § 5 Rn. 2.70). Es gehört keineswegs zum Allgemeinwissen von Verbrauchern, dass verschreibungspflichtige Medikamente infolge der Preisbindung in allen Apotheken dasselbe kosten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich ein nennenswerter Prozentsatz der Verkehrskreise mit den umfangreichen und sich ständig wandelnden gesetzlichen Grundlagen des Gesundheitswesens näher beschäftigen würde. Die Preisbindung selbst feststellen könnte nur derjenige, der ein und dasselbe verschreibungspflichtige Medikament in relativ kurzer Zeit von mehreren verschiedenen Apotheken bezöge. Von einer kleinen Gruppe chronisch Kranker abgesehen, dürfte dies aber bei kaum jemandem der Fall sein. Dass einzelne Versicherte um die Preisbindung wissen, ändert jedoch nichts an der generellen Eignung der Werbung zur Irreführung.
Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant.
Das Argument des Beklagten, die Kosten verschreibungspflichtiger Arzneimittel seien für die angesprochenen Verbraucherkreise lediglich ein „durchlaufender Posten“ und damit für die Wahl der Apotheke ohne Bedeutung, verfängt nicht. Vielmehr ist die irreführende Werbung geeignet, dem Beklagten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Konkurrenten zu verschaffen. Es gibt sowohl unter den gesetzlich wie auch unter den privat Versicherten ein Preisbewusstsein. Bei letzteren folgt dies schon daraus, dass etliche private Krankenversicherungen ihren Versicherten einen Teil der Beiträge erstatten, wenn sie in einem bestimmten Zeitraum keine Leistungen in Anspruch nehmen. So wird ein Anreiz geschaffen, Kosten, die unter dem Erstattungsbetrag liegen, selbst zu tragen. Auch gesetzlich Versicherten ist der Preis medizinischer Leistungen nicht durchweg gleichgültig. Zum einen kann davon die Höhe etwaiger Zuzahlungen abhängen, zum anderen besteht weithin ein Interesse daran, die Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen nicht durch überteuerte Medikamente weiter steigen zu lassen.
b.
Die Bezeichnung „die preiswerte Apotheke“ ist ebenfalls irreführend.
Sie legt den Schluss nahe, es gebe die generell preiswerte Apotheke des Beklagten auf der einen und die generell teueren übrigen Apotheken auf der anderen Seite. Auch das ist, jedenfalls bezogen auf die verschreibungspflichtigen Medikamente, objektiv falsch. Zur weiteren Begründung sei auf die Ausführungen unter 1.a. verwiesen.
c.
Auch in der Benennung als „Discountapotheke“ liegt eine zur Irreführung geeignete Werbebotschaft.
Als Discounter, abgeleitet von „discount“, dem englischen Wort für Rabatt, werden Einzelhandelsunternehmen bezeichnet, die sich vor allem durch gegenüber der Konkurrenz günstigere Verkaufspreise auszeichnen (vgl. Wikipedia „Discounter“). Zu den hierzulande bekanntesten Discountern gehören die Lebensmittelmärkte von Aldi, Lidl und Netto.
Die Discountapotheke des Beklagten wäre demnach gleichsam der „Aldi unter den Apotheken“, eine Apotheke also, die ihre Waren billiger anbietet als die Wettbewerber.
Wie oben dargestellt, stimmt das in dieser Form nicht.
d.
Soweit er unter der Bezeichnung „Mc …. A……. Die preiswerte Apotheke“ auftritt, führt der Beklagte auch in die Irre.
Wie bei der unter lit. b. dargestellten Werbung allein mit der Wendung „die preiswerte Apotheke“ suggeriert der Beklagte wiederum, es gebe neben den übrigen teuren Apotheken seine in jeder Hinsicht preiswerte „Mc …. A…….“. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Bestandteil „Mc ….“, der ähnlich wie die Bezeichnung „Mc Günstig“ besonders niedrige Preise erwarten lässt.
2.
Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs.1 S.2 UWG.
Den detaillierten Darlegungen zur Höhe des Anspruchs trat der Beklagte nicht substantiiert entgegen.
Die zugesprochenen Zinsen schuldet der Beklagte nach §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB.
III.
Grundlage für die Androhung der Ordnungsmittel ist § 890 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.