29.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123596
Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 15.10.2012 – 13 U 60/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG Celle, 15.10.2012
13 U 60/12
Gründe
I. Der Verfügungsbeklagte betreibt in A. eine Präsenzapotheke und warb im regionalen Anzeigenblatt unter der Überschrift "Rezept einreichen und Holland-Vorteil sichern!" und dem hervorgehobenen Hinweis "Bis zu 15 € Maximal-Bonus* sichern" für das so genannte Konzept "Vorteil 24". Danach nahm der Verfügungsbeklagte in seiner Apotheke Rezepte entgegen und leitete diese nach Einscannen auf elektronischem Weg die M. Apotheke BV, eine in den Niederlanden befindliche Präsenzapotheke weiter. Die Medikamente wurden an den Verfügungsbeklagten geliefert und von ihm in seiner Apotheke an die Kunden, ggf. nach Beratung, ausgehändigt. Den Kaufpreis beziehungsweise den Zuzahlungsbetrag zog der Verfügungsbeklagte für die M. Apotheke BV ein. Von der S. BV wurde auf verschreibungspflichtige Medikamente ein Rabatt von 3 % gewährt, mindestens 2,50 €, maximal 15 €. Dieser Rabatt wurde entweder in Form der Verrechnung mit der Zuzahlung oder - bei Zuzahlungsfreiheit oder Übersteigen des Zuzahlungsbetrags - in Form eines in der Apotheke des Verfügungsbeklagten einzulösenden Gutscheins gewährt.
Der Verfügungskläger betreibt in L. zwei Präsenzapotheken und wollte erreichen, dass dem Beklagten untersagt wird, auf das Konzept "Vorteil 24" hinzuweisen und beziehungsweise oder an der Umsetzung mitzuwirken sowie - hilfsweise - bei der Werbung für das Konzept "Vorteil 24" nicht darauf hinzuweisen, dass der Kunde das Medikament nicht sofort mitnehmen kann und beziehungsweise oder nicht darauf hinzuweisen, wie sich der Bonus berechnet.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass § 78 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 AMG, wonach für verschreibungspflichtige Medikamente eine Preisbindung besteht, auf das von dem Verfügungsbeklagten angebotene Konzept "Vorteil 24" nicht anwendbar sei. Die M. Apotheke BV unterliege nicht der deutschen Preisbindung. Vertragspartner sei jedoch zweifelsfrei die niederländische Apotheke. Der Verfügungsbeklagte sei auch nicht Abgebender. Er überreiche letztlich nur eine verschlossene Packung. Die Möglichkeit einer persönlichen Beratung ändere daran nichts. Denn grundsätzlich sei sogar eine fernmündliche Beratung nach § 11 a Satz 1 Nr. 2 Buchst. d ApoG ausreichend. Es werde auch hinreichend deutlich, dass der Kunde das Medikament nicht sofort mitnehmen könne und dass sich die Höhe des Bonus nach dem Preis für das Medikament richte. Die Ausgabe eines Warengutscheins sei unbedenklich.
Hiergegen hat sich der Verfügungskläger mit seiner Berufung gewandt, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt und sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat.
Nachdem die Systempartner sich entschlossen hatten, das Konzept "Vorteil 24" zu beenden, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache mit widerstreitenden Kostenanträgen für erledigt erklärt.
II. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache nunmehr übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nach § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei ist das Gericht nicht gezwungen, schwierige Rechtsfragen zu klären. Maßstab der Entscheidung ist vielmehr der aufgrund summarischer Prüfung zu prognostizierende Ausgang des Rechtsstreits ohne Eintritt der Erledigung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2008 - XI ZB 24/07, NJW-RR 2009, 425, 426; OLG Celle, Beschluss vom 21. April 2006 - 11 W 17/06, juris Rn. 9). Danach ist es gerechtfertigt, dem Verfügungsbeklagten die Kosten aufzuerlegen.
Denn die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen (§§ 517, 519, 520 Abs. 1 bis 3 ZPO) zulässige Berufung hätte aller Voraussicht nach Erfolg gehabt.
1. Der von dem Verfügungskläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch (Anträge zu 1.1. und 1.2.) war aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs.1 und 4, § 3 AMPreisV begründet.
a) Die Werbung war geeignet, die Interessen des Verfügungsbeklagten als Mitbewerber zu beeinträchtigen.
aa) Es bestand ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2000 - I ZR 210/98, juris Rn. 13). Dabei kommt es auch darauf an, ob die beteiligten Unternehmen auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt tätig sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 - I ZR 222/97, juris Rn. 13). Im Interesse des lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes sind an das Wettbewerbsverhältnis allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - I ZR 241/03, juris Rn. 16).
Nach den getroffenen Feststellungen sowie dem unstreitigen Parteivorbringen ist hinreichend wahrscheinlich, dass sich die Parteien mit ihrem Leistungsangebot im Markt unmittelbar begegnen. Was den sachlichen Markt angeht, ergibt sich dies bereits daraus, dass die Parteien Waren gleicher Art anbieten. Hinsichtlich des räumlichen Marktes entspricht es der Lebenserfahrung, dass der Einzugsbereich von Apotheken deutlich über den jeweiligen Nahbereich hinausgeht. Die Parteien betreiben Apotheken. Die Apotheken des Verfügungsklägers in L. sind nur 4,7 bzw. 5,5 km von der Apotheke des Beklagten in A. entfernt. Im Hinblick auf die räumliche Nähe der drei Standorte ist daher davon auszugehen, dass sich die Einzugsbereiche jedenfalls teilweise überdecken. Diese Annahme wird dadurch bekräftigt, dass die im Streitfall beanstandete Anzeige, mit der der Verfügungsbeklagte für das Konzept "Vorteil 24" warb in der Stadt L. und im Umland erscheint (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 23. April 1997 - 13 U 119/96, juris Rn. 5; Köhler in ders./Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 2 UWG Rn. 106). Hinzu kommt, dass jedenfalls in dem besiedelten Zwischenbereich eine Überschneidung deutlich wird.
Nach der örtlichen Lage, wie sie den Anschriften der Parteien zu entnehmen ist, ist die Entfernung nicht so erheblich, dass durch die beanstandete Werbung des Beklagten nicht auch Kunden angelockt werden könnten, die ihren Weg anderenfalls zu einer Filiale des Klägers gefunden hätten.
bb) Zwar richtet sich die Maßnahme an die Verbraucher, so dass sie sich nur mittelbar auf den Verfügungskläger auswirken kann. Es reicht aber, wenn die Maßnahme den Verbraucher dazu veranlassen kann, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er sonst nicht getroffen hätte, was ohnehin eine Frage der geschäftlichen Relevanz ist (vgl. Köhler in ders./Bornkamm, aaO., § 3 UWG Rn. 119), die hier ebenfalls gegeben ist (s.u. nachfolgend b] cc]).
b) Die Werbung für das Konzept "Vorteil 24" stellte einen Verstoß nach § 4 Nr. 11 UWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs.1 und 4, § 3 AMPreisV dar.
aa) Die in diesem Rahmen relevanten Bestimmungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV sind nach ihrem Zweck dazu bestimmt, den (Preis-)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln und stellen damit Marktverhaltensregelungen i.S. § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 98/08, juris Rn. 19; Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, juris Rn. 22; Köhler in ders./Bornkamm, aaO., § 4 UWG Rn. 11.138).
bb) Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt, oder wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 98/08, aaO. Rn. 15). So liegt es hier. Entweder reduziert sich die gesetzliche Zuzahlung oder der Kunde erhält einen Warengutschein, so dass er im Ergebnis in jedem Fall weniger zahlt, als er nach den gesetzlichen Bestimmungen und der Arzneimittelpreisverordnung eigentlich aufzuwenden hätte.
cc) Das beanstandete Verhalten des Beklagten ist auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern i.S. des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen.
Das ist bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV allerdings dann nicht der Fall, wenn die für eine entsprechende Heilmittelwerbung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG bestehenden Grenzen eingehalten sind, unabhängig davon, ob die Werbung produktbezogen - dann findet § 7 HWG Anwendung - oder unternehmensbezogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, aaO. Rn. 24).
Bei einem Rabatt - wie hier - kommt es auf die Geringfügigkeit nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, aaO. Rn. 24; OLG Stuttgart, Urteil vom 25. August 2011 - 2 U 21/11, juris Rn. 86; OLG München, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 6 U 2657/09, juris Rn. 102 bis 104).
Die im Streitfall in Rede stehende Werbung des Verfügungsbeklagten ist darüber hinaus nach keiner der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 HWG enthaltenen Regelungen zulässig. Insbesondere handelt es sich bei dem Bonus im Wert von bis zu 15 € für jedes im Wege des Versandes eingelöste Rezept für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht um eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung fallen unter diesen Begriff allein Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint; als geringwertige Kleinigkeiten sind daher nur kleinere Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen (BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 98/08, juris Rn. 22). Da bei einer Publikumswerbung zudem - im Hinblick auf die leichtere Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten - von einer niedrigeren Wertgrenze auszugehen ist, überschreitet in diesem Bereich eine Werbegabe im Wert von 5 € die Wertgrenze (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, juris Rn. 25).
dd) Das Verhalten des Verfügungsbeklagten verstößt gegen § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs.1 und 4, § 3 AMPreisV 78 AMG
(1) Die Preisbindung für Arzneimittel ist europarechtlich grundsätzlich zulässig (vgl. RL 89/105/EWG). Weitergehende Bedenken bestehen nicht. Das vom Beklagten herangezogene Kohärenzgebot ist eine Bestimmung des Primärrechts der Europäischen Union, wonach alle Organe bei ihren Handlungen zur Erreichung der Ziele der Europäischen Union beitragen sollen.
Danach ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH, Urteil vom 10. März 2009 - C-169/07, juris Tz. 55). Nach Meinung des Beklagten sei der Vertrieb über Pick-up Drogerien dem des Vertriebs über Apotheken vergleichbar und es sei inkohärent, den ausländischen, nicht der Preisbindung unterfallenden Apotheken den Vertrieb über Pick-up Drogerien, nicht aber über Apotheken zu gestatten, obgleich in beiden Fällen das Ziel, durch Ausschaltung des Preiswettbewerbs eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen, entgegengewirkt werde. Diese Argumentation stünde jedoch nicht der hier vorgenommenen Auslegung des § 78 AMG, sondern der Zulässigkeit des Vertriebs über die Pick-up Drogerien entgegen. Es ist schließlich nicht inkohärent, wenn die Preisvorschriften bei Abgabe im Inland, nicht aber bei Abgabe im Ausland und Versand ins Inland gelten.
Die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung begegnen auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
(2) Ob die AMPreisV auf die im Wege des Versandhandels nach Deutschland eingeführten und direkt an den Kunden versandten Medikamente Anwendung findet, ist Gegenstand einer Vorlage des Bundesgerichtshofs an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. Vorlagebeschluss vom 9. September 2010 - I ZR 72/08, juris; ergangen im Hinblick auf BSG, Urteil vom 28. Juli 2008 - B 1 KR 4/08 R, juris Rn. 23; ablehnend Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 78 Rn. 81).
Auf die Entscheidung der Vorlagefrage kommt es hier nicht an. Denn in dem dort zu entscheidenden Fall geht es um eine niederländische Präsenzapotheke, die Arzneimittel direkt an die Kunden versendet, während es hier darum geht, ob der Verfügungsbeklagte aufgrund seiner Einbindung in den Bestellvorgang Abgebender und daher § 78 AMG anzuwenden ist, obwohl er die Bestellung durch den Kunden nur vermittelt (bejahend OLG München, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 6 U 2657/09, juris Rn. 93 ff.; a. A. OLG Köln, Urteil vom 8. Mai.2009 - 6 U 213/08, juris Rn. 18 ff.).
Die Abgabe der Arzneimittel im Sinne von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG erfolgt nicht im Direktversand aus dem Ausland an die Endverbraucher, sondern durch den Verfügungsbeklagten in seiner Apotheke. Nach dem Gesetzeszweck (vgl. § 1 AMG) ist mit Abgabe die körperliche Überlassung der Arzneimittel unmittelbar an denjenigen gemeint, der sie für sich verbrauchen will, durch denjenigen, der vor Übergabe an den Verbraucher letztmals Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu prüfen hat; gleich, ob die Arzneimittel nicht in eigenem Namen in Rechnung gestellt und ggf. Zahlungen nur für Dritte vereinnahmt werden (vgl. OLG München, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 6 U 2657/09, aaO. Rn. 94; a. A. OLG Köln, Urteil vom 8. Mai. 2009 - 6 U 213/08, aaO. Rn. 20). Dabei handelt es sich auch um eine Abgabe im Wiederverkauf i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AMPreisV durch den Verfügungsbeklagten; der Kunde hat bis zur Aushändigung der Medikamente in der Filiale des Verfügungsbeklagten zu keiner Zeit die Verfügungsgewalt über das Medikament (vgl. OLG München, aaO. Rn. 100 f.).
Dass der Verfügungsbeklagte die Arzneimittel in dem hier zu entscheidenden Fall im Sinne von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG abgibt, ergibt sich daraus, dass der Verfügungsbeklagte mit eigenen Leistungen maßgeblich in die Beschaffung und Aushändigung der Arzneimittel eingebunden ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts findet auf Wunsch des Kunden in der Apotheke des Verfügungsbeklagten eine Beratung statt. Der Beklagte prüft die Verschreibung und kassiert die Bezahlung. Zudem wirbt der Beklagte als Apotheker für seine Beratung. Damit unterscheidet sich die Bestellung bei der M. Apotheke BV nicht wesentlich von dem Fall, dass der Kunde die Arzneimittel von dem Verfügungsbeklagten erwirbt. Dem Kunden steht in der Filiale fachkundiges Personal gegenüber, auf dessen Rat er zurückgreifen kann und den er eher nutzen wird, als fernmündlich Rat bei der niederländischen Verkäuferin einzuholen.
Ob der Verbraucher erkennt, dass Verkäufer die niederländische Apotheke ist (darauf abstellend OLG Köln, Urteil vom 8. Mai.2009 - 6 U 213/08, aaO. Rn. 20, unter Hinweis auf die "Pick-up-point"-Entscheidung des BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 27/07, juris Rn. 17) erscheint dem Senat nicht entscheidend. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13. März (13 C 27/07, aaO. Rn. 25) ausgeführt, dass kein zulässiger Arzneimittelversand vorliege, soweit die Beteiligung Dritter am Vertrieb über eine bloße Transportfunktion hinausgehe und sich die Beteiligten so geben, als würden sie selbst Arzneimittelhandel betreiben. Ein solcher Fall liege auch dann vor, wenn das in den Vertrieb eingeschaltete Unternehmen durch seine Werbung den Eindruck erweckt, bei ihm könne man die Arzneimittel - wenn auch im Wege der Bestellung - kaufen (vgl. BVerwG, aaO., Rn. 25). So verhält es sich hier. Die Arzneimittel werden regelmäßig in der Apotheke des Verfügungsbeklagten ausgehändigt. Die Alternative, die Medikamente in den Niederlanden bei der M. Apotheke BV abzuholen, und dadurch 50 Cent zu sparen, kommt nicht ernsthaft in Betracht. Die Werbung bezieht sich auf die Apotheke des Verfügungsbeklagten, und der eigentliche Verkäufer wird nur in untergeordneter Art und Weise erwähnt. Der Beklagte kassiert die Zuzahlungsbeträge beziehungsweise den Kaufpreis und der Bonus kann nur in der Apotheke des Verfügungsbeklagten realisiert werden.
Die Auslegung des § 78 AMG dahin, dass auch der deutsche Apotheker erfasst wird und er daher mangels Einhaltung der Mindestpreise nach § 4 Nr. 11 wettbewerbswidrig handelt, ist jedenfalls mit Blick auf die Zielsetzung des § 78 AMG und der AMPreisV geboten, wonach eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung mit günstigen Arzneimitteln gewährleistet werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 98/08, juris Rn. 14).
c) Die Wiederholungsgefahr folgte aus dem erstmaligen Verstoß und war auch im Übrigen nicht widerlegt. Eine Änderung der für das beanstandete Verhalten maßgebenden Umstände, wie beispielsweise die Einstellung der Werbung - wie hier wegen Wegfall des Konzepts - berührt die Wiederholungsgefahr im Regelfall nicht (vgl. Ohly in Piper/Ohly/Sosnitzer, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 19 m. w. N.). Allerdings entfällt die im Wettbewerbsrecht geltende Vermutung, ein Wettbewerber werde sein in der Vergangenheit gezeigtes Verhalten auch in der Zukunft fortsetzen oder wiederholen, immer dann, wenn die Wettbewerbswidrigkeit des fraglichen Verhaltens in der Vergangenheit umstritten war, aufgrund einer Gesetzesänderung nunmehr aber eindeutig zu bejahen ist (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - I ZR 29/99, juris Rn. 22). Zwar konnte die Rechtslage nicht als geklärt bezeichnet werden, wie sich nicht zuletzt aus den unterschiedlichen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln und München ergibt. Es war jedoch keineswegs klargestellt, dass der Apotheker, der wie hier am Konzept "Vorteil 24" mitwirkt, Abgebender im Sinne § 78 AMG ist. Über den entsprechenden Gesetzentwurf war bis zur Erledigungserklärung noch nicht abschließend beraten.
2. Der Verfügungsgrund ergab sich aus § 12 Abs. 2 UWG. Die Darlegung und Glaubhaftmachung der für die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung erforderlichen Umstände obliegt dem Antragsgegner, hier dem Verfügungsbeklagten (vgl. OLG München, Beschluss vom 22. April 2008 - 29 W 1211/08, juris Rn. 51). Die Dringlichkeitsvermutung ist als widerlegt anzusehen, wenn ein Antragsteller längere Zeit ab Erlangung der Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß und vom Verletzer zuwartet, bevor er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt (vgl. OLG München, aaO. Rn. 52: 1 Monat). So liegt es hier nicht. Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, von dem Verstoß erst durch die streitgegenständliche Werbung erfahren zu haben. Der Verfügungsbeklagte wurde mit Schreiben vom 18. Januar 2012 zur Abgabe der Unterlassungserklärung mit Fristsetzung zum 23. Januar 2012 aufgefordert. Die Werbung stammte vom 11. Januar 2012. Dass dem Verfügungskläger das Konzept als solches bekannt war, steht der Annahme der Eilbedürftigkeit nicht entgegen. Denn es kommt auf den konkreten Verstoß an. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten ergibt sich indessen nicht, dass dem Verfügungskläger der Umstand der Einbindung gerade des Verfügungsbeklagten in das Konzept zweifellos bekannt war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2003 - I ZB 40/02, NJW-RR 2003, 1075 [unter 3.]).