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  • 03.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131098

    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 14.02.2013 – 13 A 2521/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberverwaltungsgericht NRW

    13 A 2521/11

    Tenor:

    Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ­gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

    Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwert­festsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge jeweils auf 15.000,- Euro festgesetzt.

    G r ü n d e :

    Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Denn es liegt keiner der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Gründe für eine Zulassung der Berufung vor.

    Die Berufung ist nicht wegen der zuvorderst geltend gemachten grundsätzlichen Be­deu­tung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Darlegung der Grundsatzbedeutung setzt voraus, dass eine bestimmte, oberge­richtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungs­entscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird. Zudem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hin­ausgehende Bedeutung bestehen soll. Darzulegen sind die konkrete Frage, ihre Klä­rungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeu­tung.

    Der Zulassungsantrag enthält keine solche Frage. Die Frage, „ob eine Zuweisung im Sinne des § 11 Apothekengesetz auch dann anzunehmen ist, wenn ein Rezept die Apotheke erreicht und die Apotheke keinen Anlass zur Annahme hat, dass dies gegen den ausdrücklichen Wunsch des Patienten bzw. entgegen den Voraussetzun­gen für eine zulässige Verweisung nach der Berufsordnung für Ärzte geschehen ist“, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist auch ohne Durchführung eines Berufungsver­fahrens zu bejahen.

    Das Verbot der Zuweisung von Verschreibungen schützt die strenge Trennung zwi­schen dem Beruf des Arztes und dem des Apothekers. Der Arzt soll sich bei der Arz­neimittelwahl ausschließlich von medizinischen Gesichtspunkten und seinem ärzt­lichen Gewissen leiten lassen, der Apotheker soll seine Kontrollfunktion bei der Be­lieferung von Verschreibungen eigenverantwortlich wahrnehmen,

    vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1994 – 3 B 49.93 –, NJW 1995, 1627 = juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 2. September 1999 – 13 A 3323/97 –, NWVBl. 2000, 218 = juris, Rn. 8.

    Hiervon ausgehend setzt eine durch § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG untersagte Zuweisung von Verschreibungen nicht voraus, dass der Apotheker Grund zur Annahme hat, dass mit der Rezeptübersendung gegen den ausdrücklichen Wunsch des Patienten verstoßen wurde,

    vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 29. August 2006 ‑ 19 U 39/06 -, GesR 2006, 572 = juris, Rn. 26.

    Ebenso wenig muss der Apotheker nach dem Wortlaut oder dem dargelegten Sinn und Zweck des § 11 ApoG Anlass zu der Annahme haben, dass keine zulässige Verweisung nach der Berufsordnung für Ärzte vorliegt.

    Zudem führt der Bundesgerichtshof hinsichtlich des Verbots der ärztlichen Verwei­sung aus, dass Ärzte Patienten nicht verbindlich vorgeben können, bei welchen Apotheken sie ihre Arzneimittel beziehen, und zitiert obergerichtliche Recht­sprechung, wonach schon bestimmte ärztliche Empfehlungen von Apotheken, z.B. die Werbung nur für einen Anbieter, untersagt sind,

    vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 ‑ I ZR 111/08 ‑, NJW 2011, 2211 = juris, Rn. 19 f.

    Vor diesem Hintergrund legt der Zulassungsantrag schon nicht im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dar, warum hinsichtlich der streitgegenständlichen zugewiese­nen Verschreibungen jeweils zulässige ärztliche Verweisungen vorgelegen haben sollten und aus welchen Gründen bzw. inwiefern solche im Rahmen des § 11 ApoG beachtlich sein sollten.

    Soweit der Prozessbevollmächtigte zumindest konkludent die Frage stellt, ob eine „ausgesprochen große Anzahl von Rezepten“ auf eine unzulässige Absprache im Sinne des § 11 ApoG schließen lässt, legt er bereits nicht die über den Einzelfall hin­ausgehende, allgemeine Bedeutung dieser Frage dar.

    Die weitere Frage, ob „ein Mittel ohne weitere Prüfung als Arzneimittel einzustufen ist, wenn es auf seiner Verpackung weder als Arzneimittel bezeichnet wurde noch mit konkreten arzneilichen Wirkungen versehen wurde und es für solche tatsächlich auch keinen wissenschaftlichen Beleg gibt“, ist nicht weiter klärungsbedürftig.

    Denn es ist geklärt, dass die Eigenschaft als sogenanntes Funktionsarzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) den wissenschaftlichen Nachweis voraussetzt, dass die physiolo­gischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metaboli­sche Wirkung wiederhergestellt, korrigiert oder beeinflusst werden,

    vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2009 – 3 C 5.09 –, NVwZ 2009, 1038 = juris, Rn. 15.

    Präsentationsarzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) sind demgegenüber Stoffe bzw. Stoffzubereitungen, die zur Anwendung im bzw. am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es aus­drücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder wenn bei einem durchschnittlich informierten Adressaten auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck ent­steht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung diese Eigenschaften haben müsse. Dazu kann es aber z.B. auch ausreichen, dass den Produkten auf der Internet-Seite des Herstellers bzw. des Verkäufers arzneiliche Eigenschaften zugeschrieben wer­den.

    Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 – 3 C 8.10 –, A&R 2011, 128 = juris, Rn. 12 bis 20; OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2010 – 13 A 1187/10 –, A&R 201, 284 = juris, Rn. 28.

    Der Prozessbevollmächtigte legt auch nicht die Entscheidungserheblichkeit der wei­teren Frage dar, „ob es zum Ausschluss eines erkennbaren Irrtums oder einer sons­tigen Unklarheit im Sinne des § 17 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung ausreicht, dass ein Apotheker das Verordnungsverhalten des Arztes einmal erfragt und die daraus zu ziehenden Folgerungen für die Ausführung eines Rezepts in jedem Einzelfall wie­derholt, oder ob der Apotheker dazu verpflichtet ist, in jedem Einzelfall beim Arzt er­neut Rückfrage zu nehmen, wenn dieser in ständiger Übung stets in gleicher Weise seine Verordnung vornimmt“.

    Diese Frage war für die Entscheidung der Vorinstanz nicht von Bedeutung. Denn das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klägerin ausweislich einiger in der Gerichtsakte vorhandener Rezeptkopien Granulate hergestellt hat, obwohl nach dem Wortlaut der Verschreibung Rohdrogen bezeichnet worden waren.

    Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind ebenso wenig dargelegt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe aus einer ausgesprochen großen Anzahl von eingetroffenen Rezepten nicht auf eine stillschweigende Übereinkunft der Zuweisung von Verschreibungen nach § 11 ApoG schließen dürfen. Er legt aber schon nicht dar, warum aus einer großen Zahl eingetroffener Rezepte nicht auf eine Absprache der Zuweisung von Verschreibungen im Sinne des § 11 ApoG zu schließen sein sollte. Bei lebensnaher Betrachtung lässt das Auffinden einer großen Zahl aus einer Arzt­praxis übermittelter Rezepte in einer Apotheke – bei Fehlen besonderer, hier nicht vorgetragener Umstände – durchaus auf eine solche, zumindest konkludente Ab­sprache schließen.

    Selbst wenn die Rezepte – wie von der Klägerin weiter vorgetragen – jeweils mit Zu­stimmung der Patienten von dem Arzt an die Apotheke übersandt worden sein soll­ten, schließt dies angesichts der genannten Schutzzwecke des § 11 Abs. 1 Satz 1 ApoG, dass der Arzt sich bei der Arzneimittelwahl ausschließlich von medizinischen Gesichtspunkten und seinem ärztlichen Gewissen leiten lässt und dass der Apothe­ker seine Kontrollfunktion bei der Belieferung von Verschreibungen eigenverantwort­lich wahrnimmt, den Verstoß gegen die Vorschrift nicht aus.

    Wie bereits dargelegt, führt der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Bundesge­richtshofs vom 13. Januar 2011 zu keinem anderen Ergebnis. Soweit der Prozessbe­vollmächtigte daraus ableitet, dass Empfehlungen bestimmter Leistungserbringer durch den Arzt gerechtfertigt sein könnten, verkennt er, dass es vorliegend nicht um ärztliche Empfehlungen zu Gunsten der Apotheke der Klägerin geht, sondern dass die Rezepte direkt an die Apotheke übersandt wurden. Daher hatten die Patienten auf diese Rezepte keine Zugriffsmöglichkeit und konnten ihr Recht auf freie Apothe­kenwahl nicht mehr ausüben. Einen solchen Verfahrensablauf will der Gesetzgeber durch § 11 ApoG aber gerade verhindern. Deshalb ist auch die erstinstanzliche Wür­digung der elektronischen Kommunikation zwischen der Klägerin und einem Arzt hinsichtlich eines Versandfehlers nicht zu beanstanden.

    Soweit die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hinsichtlich an­genommener Verstöße gegen § 21 Abs. 1 AMG geltend macht, indem sie vorträgt, sie sei bis zu der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen, dass sich die Vor­würfe allein auf die (TCM-)Granulate bezogen hätten, führt dies schon deshalb nicht zu ernstlichen Zweifeln, weil diese TCM-Granulate nicht zugelassene bzw. nicht ge­nehmigte Fertigarzneimittel im Sinne des § 21 Abs. 1 AMG in Form von Präsenta­tionsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) waren. Insoweit wird zur Vermeidung un­nötiger Wiederholungen auf den Beschluss des Senats vom heutigen Tage in dem weiteren zwischen den Beteiligten geführten Verfahren 13 A 1792/12 verwiesen. Ein diesbezüglicher Ausnahmetatbestand (§ 21 Abs. 2 AMG) ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Daher kann dahinstehen, ob an der erstinstanzlichen Einstufung weiterer Mittel als Arzneimittel ernstliche Zweifel bestehen.

    Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind auch nicht hinsichtlich der angenommenen Verstöße gegen § 7 ApBetrO dargelegt. Die Behauptung, die Klägerin habe genau die Bestandteile verwendet, die der Verschreibende für die Herstellung der Rezeptur wünschte, erschüttert nicht die Feststellung des Verwal­tungsgerichts, dass die Klägerin ausweislich einiger in der Gerichtsakte vorhandener Rezeptkopien Granulate hergestellt habe, obwohl nach dem Wortlaut der Verschrei­bung Rohdrogen bezeichnet worden waren. Zudem hat das Verwaltungsgericht be­gründet, weshalb die nicht schriftliche dokumentierte und daher nicht nachprüfbare Behauptung einer telefonischen Abklärung mit dem Arzt keine hinreichende Absiche­rung der Einzelverschreibung darstelle und überdies als Schutzbehauptung er­scheine. Damit setzt sich der Zulassungsantrag ebenso wenig auseinander wie mit den Rezepten vom 30. Dezember 2009, vom 27. Juli 2010 und vom 10. Februar 2009, die nach dem angefochtenen Urteil eigenständig den Vorwurf des Verstoßes gegen § 7 ApBetrO tragen.

    Eine die Berufung eröffnende Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht dargelegt. Dies setzt voraus, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich be­stimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verall­gemeinerungsfähi­gen Tatsachensatz benennt, mit dem das Ver­waltungsgericht einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwal-tungsgerichts, des Ge­meinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfas­sungsgerichts aufgestellten entscheidungstra­genden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.

    Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2007 – 1 B 271.06 –, juris, Rn. 5.

    Die Klägerin hat einen solchen abstrakten Rechtssatz jedoch hinsichtlich des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht benannt. Vielmehr bemängelt er im Stile einer Beru­fungsbegründung die das Vorliegen von Arzneimitteln bejahende Rechtsanwendung im Einzelfall. Zudem handelte es sich bei den TCM-Granulaten durchaus um Prä­sentationsarzneimittel, wie sich aus dem Beschluss des Senats vom heutigen Tage in dem Verfahren 13 A 1792/12 ergibt.

    Durch den bloßen Verweis auf die vorangestellten Ausführungen sind auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) dargelegt. Solche liegen im Übrigen nicht vor. Diese sind nur gegeben, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die erstinstanzliche Ent­scheidung begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung ge­ben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern. Der Ausgang des Rechtsstreits muss offen erscheinen. Das ist nicht der Fall, wie sich aus dem Fehlen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt.

    Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor, auf dem das Urteil beruhen kann. Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, ihr rechtliches Gehör sei hinsichtlich der im Rahmen des § 21 Abs. 1 AMG herangezo­genen „angeblichen Fertigarzneimittel“ verletzt worden. Diese Mittel sind auf Seite 12 der angefochtenen Ordnungsverfügung aufgeführt worden. Zudem hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung die Amtsapothekerin auf die Frage des Gerichts, auf welche Arzneimittel sich die Ziffer 8 der Verfügung beziehe, ausgeführt, es handele sich z.B. um die Augentropfen und andere Fertigarzneimittel.

    Darüber hinaus würde das Urteil nicht auf einer solchen Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen,

    vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschlüsse vom 12. März 1999 – 2 BvR 206/98 –, juris, Rn. 24, und vom 22. September 2009 – 1 BvR 3501/08 –, juris, Rn. 20.

    Denn unabhängig von den mit der Gehörsrüge bezeichneten Mitteln verstieß die Klägerin gegen § 21 Abs. 1 AMG auch insoweit, als sie mit den TCM-Granulaten nicht zugelassene bzw. nicht genehmigte Fertigarzneimittel in Form von Präsenta­tionsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) in den Verkehr brachte, worauf auch das Verwaltungsgericht hingewiesen hat.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung be­ruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 3 GKG. Der Senat erachtet hinsichtlich jeder der im erstinstanzlichen Urteil und im Zulassungsverfahren streit­befangenen drei Untersagungen angesichts ihrer nicht unerheblichen, aber nicht ge­nau zu taxierenden wirtschaftlichen Bedeutung einen Wert von jeweils 5.000,- Euro als angemessen (vgl. § 52 Abs. 2 GKG).

    Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).