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Betriebliche Altersversorgung in der Apotheke: Diese rechtlichen Aspekte sollten Sie beachten!
von RA Markus Kleffner, Markkleeberg, www.kleffner-rechtsanwaelte.de
| Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist neben der gesetzlichen Rente und der privaten Absicherung die dritte Säule der persönlichen Alterssicherung. Sie spielt wegen des seit 2002 allgemein bestehenden gesetzlichen Anspruchs der Arbeitnehmer und für Apotheken insbesondere wegen des „Tarifvertrags zur betrieblichen Altersvorsorge für Mitarbeiter in Apotheken und Auszubildende zur pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten“ (gültig seit 1. Januar 2012) eine große Rolle. Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten rechtlichen Aspekte der bAV in der Apotheke. |
Einführung in die bAV
Die bAV ist eine komplizierte Sache. Es gibt fünf Durchführungswege (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse und Pensionszusage) mit jeweils drei Leistungsformen, zwei Finanzierungswege (Arbeitgeber/Arbeitnehmer) und mehrere Fördermöglichkeiten (zum Beispiel Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit, „Riesterförderung“). Alle Varianten sind miteinander kombinierbar und für den Laien nicht mehr zu überschauen. Der Tarifvertrag zur bAV in Apotheken sieht ausschließlich den Weg der Direktversicherung vor. Notwendig ist aber immer eine arbeitsrechtliche Regelung zwischen der Apotheke und dem Arbeitnehmer, die genau das abbildet, was die Parteien sich vorgestellt haben.
Pflichten des Arbeitgebers
Bereits seit 2002 hat jeder Arbeitnehmer gemäß § 1a des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) das gesetzlich verbriefte Recht, bis jährlich maximal vier Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (2.784 Euro im Westen bzw. 2.352 Euro im Osten im Jahr 2013) von seinem Gehalt zum Aufbau einer bAV umzuwandeln (Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung). Der Arbeitnehmer kann sogar noch mehr als diese 2.784 bzw. 2.352 Euro einzahlen, er hat allerdings über diese Höhe hinaus keinen Rechtsanspruch mehr.
Der umgewandelte Arbeitslohn ist bis zu 2.784 bzw. 2.352 Euro steuer- und sozialabgabenfrei. Rechnerisch ergibt sich daher zunächst ein finanzieller Vorteil für den Arbeitnehmer. Aus diesem Grund ergibt sich nach Auffassung einiger Experten aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, dass er seine Arbeitnehmer auf die Möglichkeit und die möglichen Vorteile der Entgeltumwandlung hinweisen muss. Denn wenn der Arbeitnehmer feststellen muss, wie viel Geld ihm durch die fehlende Einrichtung einer bAV entgangen ist, macht er diesen Schaden später eventuell beim Arbeitgeber geltend. Das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) vom 22.8.2001 (Az. 8 Sa 146/00, Urteil unter www.dejure.org) zeigt, dass der Arbeitgeber für die ausführliche und vollständige Information der Belegschaft haftet.
Aus der Beratungspflicht folgt aber auch die Gefahr einer Beratungshaftung. Was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an Informationen zur Verfügung stellt, muss also richtig und vollständig sein. Es häufen sich derzeit gerichtliche Verfahren, in denen Arbeitnehmer aufgrund einer nicht oder schlecht durchgeführten Beratung Schadenersatz bei ihrem Arbeitgeber einklagen. Wählt der Arbeitgeber einen Durchführungsweg (zum Beispiel Direktversicherung) oder einen Versicherungstarif aus, muss er darauf achten, dass er bei der Auswahl vor allem die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt.
PRAXISHINWEIS | Das wichtigste Instrument für den Arbeitgeber bei der Einführung einer bAV ist die Schaffung eines rechtlichen Regelwerks, die sogenannte Versorgungsordnung. Diese führt zu rechtlicher Klarheit bei einer Entgeltumwandlung. Der Arbeitnehmer erhält alle notwendigen Informationen sowie Hinweise und der Arbeitgeber schließt mögliche Haftungsrisiken aus. |
Kann auch der Arbeitgeber profitieren?
Die Einführung einer bAV kann für den Arbeitgeber ebenfalls positive Effekte haben. So entfällt auf den umgewandelten Betrag auch der Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung. Personalpolitisch kann der Arbeitgeber in der Regel eine erhöhte Motivation und Zufriedenheit bei seinen Mitarbeitern sowie eine sehr hohe Bindung von qualifizierten Mitarbeitern an die Apotheke und Identifikation mit der Apotheke erreichen. Diese Ziele verfolgt auch der bestehende Tarifvertrag, nach dem die Arbeitgeber schon zu einem Arbeitgeberbeitrag verpflichtet werden, der zudem bereits ab Beginn unverfallbar ist.
Ansprüche der Arbeitnehmer in der bAV
Bei Klärung der Ansprüche aus der bAV ist zunächst festzustellen, ob die Ansprüche aus einem Beitrag des Arbeitnehmers (Entgeltumwandlung) oder aus einer Leistung des Arbeitgebers (Arbeitgeberfinanzierung) entstanden sind.
Durchführungsweg
Die Entgeltumwandlung erfolgt durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Parteien können grundsätzlich frei darüber bestimmen, welchen Durchführungsweg sie für die Entgeltumwandlung wählen möchten. Dabei stehen alle fünf Durchführungswege zur Verfügung. Findet keine Vereinbarung statt, kann der Arbeitgeber bestimmen, dass die Entgeltumwandlung über eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds durchgeführt wird. Bietet der Arbeitgeber eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds an, so ist der Arbeitnehmer an diese Entscheidung gebunden. Wenn der Arbeitgeber von diesem Wahlrecht keinen Gebrauch macht, hat der Arbeitnehmer das Recht, eine Direktversicherung zu verlangen. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass die Entgeltumwandlung über die Fördermöglichkeit nach § 10a Einkommensteuergesetz („Riesterförderung“) durchgeführt wird.
Unverfallbarkeit
Endet das Arbeitsverhältnis vor Erreichen des Rentenalters, bleiben dem Arbeitnehmer die durch die Entgeltumwandlung erworbenen Ansprüche erhalten - sie sind „unverfallbar“. Sofern die bAV arbeitgeberfinanziert war, muss der Arbeitnehmer 25 Jahre oder älter sein und die Zusage mindestens fünf Jahre bestehen, damit sie dem Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden erhalten bleibt.
Hinweis | Daran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitnehmer „fristlos“ gekündigt worden sein sollte.
Insolvenz des Arbeitgebers
Keine Sorgen müssen sich die Arbeitnehmer für den Fall der Insolvenz des Arbeitgeberunternehmens machen. Die entstandenen unverfallbaren Ansprüche sind in der Regel über die Gestaltung der Versorgung, also über den Versorgungsträger gesichert. Eine weitere Absicherung, quasi als „Auffangbecken“, besteht über den Pensionssicherungsverein. Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bieten sich grundsätzlich drei Möglichkeiten an:
- Aufrechterhaltung der unverfallbaren Anwartschaft durch den alten Arbeitgeber („Beitragsfreistellung“)
- Persönliche Fortführung der Altersversorgung aus privaten Mitteln
- „Mitnahme“ der Versorgung zum neuen Arbeitgeber, um sie weiterzuführen
Was ist eine Versorgungsordnung?
Rechtliche Grundlage jeder Form der bAV ist eine arbeitsrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese kann in schriftlicher Form als Einzel- oder Gesamtzusage auftreten. Letztere gilt für eine Vielzahl von Arbeitnehmern und wird häufig als Versorgungsordnung oder -werk bezeichnet.
Wie wird eine Versorgungsordnung vereinbart?
Eine Versorgungsordnung kann ausdrücklich, schriftlich und mündlich vereinbart oder auch einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden. Der häufigste - und gleichzeitig problematischste - Weg ist jedoch die stillschweigende Geltung durch betriebliche Übung. Dabei reicht es - vereinfacht ausgedrückt - schon aus, wenn der Arbeitgeber dem Wunsch der Arbeitnehmer nachkommt, eine Entgeltumwandlung durchzuführen, aber in gewisser Weise gestaltend eingreift, zum Beispiel durch Auswahl einer Direktversicherungsgesellschaft. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und Fürsorgepflicht sorgen dann dafür, dass eine Änderung dieser „Gepflogenheiten“ oftmals nicht mehr ohne Weiteres möglich ist - schon gilt eine Versorgungsordnung.
Welche Pflichten des Arbeitgebers folgen daraus?
Heute hat der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gegenüber zahlreiche Pflichten - unter anderem Hinweis- und Informationspflichten. Nur ein Teil davon ergibt sich aus dem Betriebsrentengesetz. Eigene wirtschaftliche oder strukturelle Interessen des Arbeitgebers sind noch nicht einmal im Ansatz berücksichtigt. Dies führt letztlich zu einer Vielzahl von Haftungsrisiken zulasten des Arbeitgebers, wie eine Reihe von Urteilen der letzten Jahre zeigt:
- 1. Die erste Pflicht ist, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter über die Möglichkeit der Entgeltumwandlung informiert (Bundesarbeitsgericht [BAG], zuletzt Urteil vom 17.12.1991, Az. 3 AZR 44/91, Urteil unter www.dejure.org). Tut er das nicht, besteht die Gefahr, dass der Mitarbeiter den Arbeitgeber wegen des aus der fehlenden Information resultierenden Versorgungsverlusts auf Schadenersatz in Anspruch nimmt.
- 2. Sofern in dem für die Direktversicherung gewählten Tarif Versicherungsprovisionen/Verwaltungskosten des Versicherers enthalten sind, kann der Arbeitgeber das Risiko der Auffüllung tragen. Das wird relevant, wenn die an den Arbeitnehmer ausgezahlte Leistung nicht wertgleich mit dem umgewandelten Entgelt ist (BAG, Urteil vom 15.9.2009, Az. 3 AZR 17/09, Abruf-Nr. 093119).
- 3. Der Arbeitgeber hat seine Mitarbeiter über die einzelnen Bedingungen der von ihm ausgewählten Altersversorgung zu informieren. Tut er das nicht, haftet er für einen Schaden, der daraus entsteht, dass der Mitarbeiter sich gegebenenfalls anders entschieden hätte (Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 17.1.2005, Az. 19 Ca 3152/04, Abruf-Nr. 052965).
- 4. In der Regel sehen die Entgeltumwandlungsvereinbarungen vor, dass der Arbeitgeber den umgewandelten Betrag für eine bestimmte Form der bAV verwendet. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass diese Versorgung auch wertgleich mit dem umgewandelten Betrag ist. Ist sie das nicht, haftet er für die Differenz (LAG München, Urteil vom 15.3.2007, Az. 4 Sa 1152/06, Abruf-Nr. 071464).
- 5. Die Folgen einer unterbliebenen Einhaltung des Durchführungswegs, zum Beispiel durch unterbliebene Beitragszahlung, zeigen sich erst im Versorgungsfall. Wegen dieses zeitlichen Auseinanderfallens können Ausschlussfristen ihren Zweck nicht erfüllen, die Rechtslage umgehend und schnell zu klären (BAG, Urteil vom 12.6.2007, Az. 3 AZR 186/06, Urteil unter www.dejure.org). Daraus folgt, dass der Arbeitgeber auch noch nach vielen Jahren für Unterlassungen in Anspruch genommen werden kann.
- 6. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bereits in einem Informationsheft des Arbeitgebers eine Zusage für eine bAV enthalten sein kann (BAG, Urteil vom 22.12.2009, Az. 3 AZR 136/08, Urteil unter www.dejure.org) oder sich ein Anspruch aus betrieblicher Übung ergibt (BAG, Urteil vom 15.5.2012, Az. 3 AZR 610/11, Urteil unter www.dejure.org).
- 7. Der Arbeitgeber kann haften, wenn das vorhandene Vermögen in einer Pensionskasse nicht ausreichend ist, um zum Beispiel eine Anpassung der Renten nach § 16 BetrAVG zu bezahlen. Nach ihrer Satzung dürfen Pensionskassen die Leistungen kürzen. Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf diesen Umstand hin, hat er gegebenenfalls die Differenz zu bezahlen (LAG Hessen, Urteil vom 3.3.2010, Az. 8 Sa 187/09, Abruf-Nr. 101262; BAG, Urteil vom 19.6.2012, Az. 3 AZR 408/10, Abruf-Nr. 121917).
PRAXISHINWEIS | Schaffen Sie klare Regelungen! Geben Sie alle notwendigen Hinweise! In einer professionellen Versorgungsordnung sind alle Aspekte der bAV der Arbeitnehmer geregelt:
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