· Fachbeitrag · Gesetzgebung
Neuerungen durch das Zweite AMG-ÄndG im Überblick: Was Apotheker wissen müssen
von Dr. Bettina Mecking, Düsseldorf
| Das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften - die sogenannte 16. AMG-Novelle - ist am 26. Oktober 2012 in Kraft getreten. Mit den Gesetzesänderungen wurden das Arzneimittelgesetz (AMG) und verwandte Gesetze an die europarechtlichen Vorgaben, insbesondere die EU-Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes bei Human-Arzneimitteln, angepasst. Die AMG-Novelle regelt vor allem arzneimittelspezifische Fragen zur Stärkung der Arzneimittel- und Medizinproduktesicherheit. Die folgenden Änderungen sind für Apotheken von Bedeutung. |
Themen | Was wurde geändert? | Konsequenzen |
Arzneimittelpreisverordnung | § 78 Abs. 1 S. 4 AMG: Klarstellung der einheitlichen Geltung des deutschen Arzneimittelpreisrechts für ausländische Anbieter | „Gleiches Recht für alle“, das heißt gleiche Preise für Rx-Arzneien und Arzneimittelpreisbindung für ausländische Anbieter und Versender |
Heilmittelwerbegesetz (HWG) | § 1 Abs. 7 HWG: Verkaufskataloge und Preislisten | Rein informelle Verkaufskataloge und Preislisten, die zum Beispiel von Apothekenversendern auf der Website benutzt werden, fallen neuerdings grundsätzlich nicht unter die Vorschriften des HWG |
§ 1 Abs. 8 HWG: Liberalisierung der Vorgaben zur Informationsweitergabe an Laien zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch die Bereitstellung im Internet | Die Weitergabe bereits behördlich genehmigter Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel an Laien ist erlaubt, wenn die so übermittelten Informationen aus
bestehen.
Unbedingte Voraussetzung ist also, dass die Informationen dem Interessenten im Internet nicht unaufgefordert dargeboten werden, sondern dass zu deren Abruf ein aktiver Suchschritt unternommen werden muss. | |
§ 6 HWG: Arzneimittelwerbung mit Empfehlungen, Zeugnissen und Gutachten jetzt möglich | § 6 HWG verlangt für Werbung mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten die Einhaltung bestimmter wissenschaftlicher Formalien. So müssen etwa Zitate, Tabellen oder sonstige Darstellungen aus der Fachliteratur wortgetreu übernommen werden. | |
§ 8 HWG:Lockerung des gänzlichenVerbots der Informationsweitergabe über den Einzelbezug von nicht zugelassenen Arzneimitteln | Die Übersendung von Verkaufskatalogen mit nicht zugelassenen Arzneimitteln durch Großhändler, Hersteller etc. an Apotheken ist zulässig, soweit sie nur Informationen über Bezeichnungen, Packungsgrößen, Wirkstärke und Preise dieses Arzneimittels enthalten. | |
Publikumswerbung nach dem HWG | § 10 Abs. 2 HWG: Lockerung des Werbeverbots für rezeptfreie Schlaf- und Beruhigungsmittel außerhalb der Fachkreise | Werbung für rezeptfreie Mittel gegen Schlaflosigkeit und psychische Störungen außerhalb der Fachkreise ist jetzt erlaubt, wenn die Wirkstoffe nicht körperlich abhängig machen. |
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG: Lockerung des Verbots der Werbung mit ärztlichen oder wissenschaftlichen Empfehlungen | Das Verbot der Werbung mit ärztlichen oder wissenschaftlichen Empfehlungen bleibt bestehen, künftig jedoch beschränkt auf die Werbung mit „bekannten“ Personen. | |
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HWG: Öffentlichkeitswerbung mit der Wiedergabe von Krankengeschichten möglich | Die Werbung mit Krankengeschichten ist nur noch dann unzulässig, wenn sie in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann. | |
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 HWG sowie § 11 Abs. 1 S. 3 HWG: Verbot von „Vorher/Nachher“-Bildern liberalisiert | Verboten ist jetzt die Werbung mit Bildern, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels im Körper zeigen. Ausdrücklich normiert wird ein umfassendes Werbeverbot mit Vorher‑/Nachher-Bildern gezielt für Schönheitsoperationen. | |
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 HWG: Verbot eines Nutzens von Angstgefühlen der Verbraucher abgeändert | Auch das Verbot, auf Angstgefühle zu setzen und zur Selbstdiagnostik anzuregen, gilt nicht mehr strikt, gleichwohl darf es nicht zu einem „Geschäft mit der Angst“ kommen. Verboten sind nun solche Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte. | |
Entfallen: Werbeverbot von Personen in Berufskleidung oder bei der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe | Ärzte, Apotheker oder andere Personen in Berufskleidung dürfen jetzt bildlich dargestellt werden. Eine solche Werbung darf jedoch nicht zum Arzneimittelgebrauch anregen. | |
Entfallen: Verwendungsverbot für nicht allgemein gebräuchliche Begriffe | Es dürfen Fachwörter, die nicht dem allgemeinen deutschen Sprachgebrauch entsprechen, in der Werbung verwendet werden. | |
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG: Einschränkung des Verbots mit Äußerungen Dritter, insbesondere Dankes- und Empfehlungsschreiben | Das Verbot der Werbung mit Empfehlungen Dritter richtet sich nur noch gegen missbräuchliche, abstoßende oder irreführende Werbung. | |
§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 13 HWG: Lockerung des Verbots, mit Preisausschreibungen, Verlosungen etc. zu werben | Verlosungen bleiben unzulässig, sofern dadurch der unzweckmäßige oder übermäßige Einsatz von Arzneimitteln gefördert werden könnte. | |
Arzneimittelsicherheit | § 4 Abs. 13 Arzneimittelgesetz (AMG): Nebenwirkungsbegriff erweitert | Bislang waren Nebenwirkungen (unbeabsichtigte schädliche Reaktionen) im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs erfasst. Jetzt sind auch solche Reaktionen erfasst, die infolge von Missbrauch, Fehlgebrauch, Überdosierung oder Medikationsfehlern auftreten. Patienten werden dazu aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung ihren Ärzten und Apothekern zu melden, die diesen an die zuständigen Bundesoberbehörden weiterleiten. Diese haben die Pflicht, Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen innerhalb von 15 Tagen an die europäische „EudraVigilance Datenbank“ zu melden, um die nationalen Pharmakovigilanzsysteme zu harmonisieren. |
Arzneimittelsicherheit | § 13 Abs. 2a AMG: Herstellungserlaubnis | Die Apotheke bedarf nun einer Herstellerlaubnis für die Herstellung von Arzneimitteln für neuartige Therapien und xenogene Arzneimittel. Ausnahmsweise ist keine solche Erlaubnis erforderlich, wenn
Diese Herstellungen müssen der zuständigen Behörde angezeigt werden |
§ 4 Abs. 40 AMG: Definition der Arzneimittelfälschung (Ein Arzneimittel gilt dann als gefälscht, wenn es falsche Angaben über seine Identität, Herkunft oder den Vertriebsweg enthält.) | Um gegen die Verbreitung gefälschter Arzneimittel (AM) in der Lieferkette vorzugehen, wird die Transparenz auf sämtlichen Handelswegen verstärkt. Die Herkunft eines Arzneimittels soll so lückenlos nachvollzogen werden können. Darüber hinaus sollen Sicherheitsmerkmale auf der Packung bestimmter Arzneimittel angebracht werden. Diese Merkmale sind für alle Rx-Human-Arzneimittel vorgesehen:
Zusätzlich sollen Import-Zertifikate bestätigen, dass sowohl die Wirkstoffherstellung als auch das AM selbst mindestens den europäischen GMP(= Good Manufacturing Practice)-Vorgaben entsprechen.
„securPharm“: Pilotprojekt zur Erprobung der Voraussetzungen für ein sicheres, praktikables System für die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen | |
Palliativversorgung | § 13 BtMG: Abgabe von Betäubungsmitteln der Anlage III an ambulant zu versorgende Palliativpatienten | Um eine absehbare Krisensituation zu überbrücken, dürfen Vertragsärzte in Ausnahmefällen ambulant versorgten Palliativpatienten ein Betäubungsmittel in Form eines Fertigarzneimittels überlassen, wenn der Bedarf durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden kann.
Die Menge darf den Bedarf von drei Tagen nicht überschreiten. Der Arzt muss über die ordnungsgemäße Arzneimittelanwendung aufklären und es muss die Aushändigung einer schriftlichen Gebrauchsanweisung erfolgen. Der Arzt muss die Voraussetzungen für die Überlassung des Betäubungsmittels dokumentieren und die Tatsache, dass er vor seiner Abgabe bei einer dienstbereiten Apotheke eine Anfrage gestellt hat. Die Dokumentationen müssen mindestens drei Jahre aufbewahrt werden. |