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Das sagt der EuGH zur Gutscheinwerbung durch Versandapotheken
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 27.02.2025, Az. C-517/23) mehrere Fragen zur Zulässigkeit von Werbegaben in Form von Gutscheinen und Rabatten beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel bei einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat betriebenen Versandapotheke vorgelegt. |
Das Verfahren betrifft eine Auseinandersetzung zwischen der Apothekerkammer Nordrhein und dem Unternehmen DocMorris als Betreiberin einer in den Niederlanden ansässigen Versandapotheke. Die Kammer sah in verschiedenen Werbeaktionen der Apotheke einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland und erwirkte in den Jahren 2013 bis 2015 einstweilige Unterlassungsverfügungen bezüglich dieser Aktionen. Die Verfügungen bezogen sich auf das Angebot einer Prämie bei der Teilnahme an einem „Arzneimittel-Check“, das Angebot eines Hotelgutscheins oder einer vergünstigten ADAC-Mitgliedschaft bei Anwerbung eines Freundes und andere Vergünstigungen.
Im Anschluss an die gerichtliche Aufhebung einiger Verfügungen erhob DocMorris Klage auf Schadenersatz i. H. v. rund 18,5 Mio Euro gegen die Apothekerkammer. In der Folge hatte sich der BGH mit dem Rechtsstreit zu befassen. Um eine europarechtskonforme Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) sicherzustellen, wandte sich der Senat an den EuGH. Geklärt werden sollte, ob die in dem Verfahren in Rede stehenden Werbeaktionen für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die einen Teil des gesamten Warensortiments einer Apotheke ausmachen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83/EG fallen und insbesondere von dem Begriff „Werbung für Arzneimittel“ i. S. v. Art. 86 Abs. 1 dieser Richtlinie umfasst sind. Dem EuGH zufolge ist Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel dahin gehend auszulegen, dass Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Gestalt von Preisnachlässen und Zahlungen keine „Werbung für Arzneimittel“ i. S. dieser Bestimmung sind. Demgegenüber fallen Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Form von Gutscheinen für den nachfolgenden Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter diesen Begriff.
Im Übrigen befand der EuGH, dass Art. 34 AEUV und Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die aus Verbraucherschutzgründen eine Werbeaktion verbietet, in deren Rahmen Kunden einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Apotheke für die Einsendung ihrer Rezepte und die Teilnahme an einem „Arzneimittel-Check“ eine Geldprämie angeboten wird, ohne dass die genaue Höhe dieser Prämie ersichtlich wäre.
Nach Ansicht des EuGH steht schließlich Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 einer nationalen Regelung nicht entgegen, die Werbeaktionen für den Bezug unbestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter Verwendung von Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen bestimmten Geldbetrag oder über einen prozentualen Preisnachlass für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte ‒ etwa nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel ‒ verbietet.
Quelle
- AG Medizinrecht (Deutscher Anwaltverein) ‒ Newsletter Februar 2025