13.07.2006 · IWW-Abrufnummer 156507
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 10.05.2005 – 9 AZR 253/04
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL 9 AZR 253/04 Verkündet am 10. Mai 2005 In Sachen hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Düwell, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Reinecke, den Richter am Bundesarbeitsgericht Böck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Starke und Ott für Recht erkannt: Tenor: Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Februar 2004 - 7 Sa 1227/03 - wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand: Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld. Der Kläger war bei der Beklagten in der Kaserne in W als Maurer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 6. Dezember 1995 und die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge Anwendung. Ab dem 5. Dezember 2000 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 23. Juli 2001 bewilligte die Landesversicherungsanstalt RheinlandPfalz (LVA) dem Kläger ab dem 1. Mai 2001, längstens bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres, eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil er berufsunfähig sei. Auf Grund dieses Bescheides teilte die Beklagte dem Kläger am 15. August 2001 schriftlich mit, dass sein Arbeitsverhältnis gem. § 62 Abs. 1 MTArb mit Ablauf des 31. August 2001 ende. Der Kläger war auch über den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses hinaus arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 21. Juni 2002 machte der Kläger Resturlaubsansprüche aus dem Jahre 2000 iHv. 13 Urlaubstagen und den gesamten Jahresurlaub für das Jahr 2001 gegenüber der Beklagten geltend und verlangte eine Abrechnung über diese Urlaubsansprüche sowie die Auszahlung des sich ergebenden Nettobetrages. Die Beklagte lehnte eine Urlaubsabgeltung ab. Sie beruft sich darauf, alle Urlaubsansprüche des Klägers seien wegen seiner bis zum Ablauf des Übertragungszeitraumes dauernden Arbeitsunfähigkeit verfallen. Dem hält der Kläger entgegen, es wäre ihm trotz der ihm zuerkannten teilweisen Erwerbsminderung möglich gewesen, anderweitige leichte Arbeiten auszuführen. Mit seiner am 4. Dezember 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger die Abgeltung für 30 Urlaubstage aus dem Jahre 2001 iHv. 3.127,57 Euro und die Zahlung von 332,34 Euro Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter vom 16. März 1977 (TV Urlaubsgeld). Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.459,91 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2003 zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt. Entscheidungsgründe: Die Revision ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien habe auf Grund der durch die LVA festgestellten Berufsunfähigkeit des Klägers mit Ablauf des 31. August 2001 geendet, § 62 Abs. 1 MTArb. Weil er seit 5. Dezember 2000 bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten arbeitsunfähig gewesen sei und seine Arbeitsfähigkeit bis zum Ablauf des Übertragungszeitraumes nicht wieder erlangt habe, sei der Urlaubsabgeltungsanspruch erloschen. Dass der Kläger nach seinem Vorbringen in der Lage gewesen wäre, leichtere Tätigkeiten als die eines Maurers zu erbringen, sei ohne Bedeutung, weil es allein darauf ankomme, ob er seine vertragsgemäße Tätigkeit als Maurer hätte verrichten können. Der geltend gemachte Urlaubsgeldanspruch scheitere daran, dass die einschlägigen Vorschriften des TV Urlaubsgeld und der Berechnungsvorschriften nicht gegeben seien. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. II. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage auf Urlaubsgeld durch das Landesarbeitsgericht wendet. Bei der geltend gemachten Urlaubsgeldforderung handelt es sich um einen selbstständigen Anspruch, der sich auf den TV Urlaubsgeld stützt. In diesem Tarifvertrag sind eigenständige Anspruchsvoraussetzungen, wie zB eine Stichtagsregelung (Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Juli des Urlaubsjahres, § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Nr. 1 TV Urlaubsgeld) und eine Mindestbeschäftigungsdauer (§ 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Nr. 2 TV Urlaubsgeld) sowie eine besondere Fälligkeitsregelung (Auszahlung mit den Bezügen für den Monat Juli, § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 TV Urlaubsgeld) normiert. Somit hängt der Urlaubsgeldanspruch nicht vom Bestand des ebenfalls eingeklagten Urlaubsabgeltungsanspruches ab. Nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO muss der Revisionsführer zu jedem einzelnen Anspruch darlegen, warum er die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts für falsch hält (BAG 20. Juli 1989 - 2 AZR 114/87 - BAGE 62, 256). Dies hat der Kläger unterlassen. Seine Revisionsbegründung enthält keine Ausführungen zur Abweisung des Urlaubsgeldanspruches durch das Landesarbeitsgericht. Auch wenn das Landesarbeitsgericht die Ablehnung des Anspruches lediglich damit begründet hat, dass die "einschlägigen Vorschriften des Urlaubsgeldtarifvertrages ... nicht gegeben sind", hätte es einer Auseinandersetzung mit dieser Begründung bedurft. III. Im Übrigen ist die Revision zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. 1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 31. August 2001 auf Grund der Feststellung der LVA vom 23. Juli 2001, dass der Kläger ab 24. April 2001 die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit erfüllt und weil er eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder erhält, zu welcher die Beklagte Mittel beigesteuert hat, § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MTArb in der im Jahre 2001 geltenden Fassung. Bis zum 31. Dezember 2001 lautete diese Tarifnorm: "Wird durch Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, dass der Arbeiter berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, wenn der Arbeiter eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch den Arbeitgeber oder durch eine Versorgungseinrichtung erhält, zu der der Arbeitgeber Mittel beigesteuert hat." Inhaltlich stellt die Neufassung des § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MTArb ab 1. Januar 2002, die an Stelle der Begriffe "berufsunfähig oder erwerbsunfähig" das Wort "erwerbsgemindert" verwendet, keine sachliche Änderung dar. Die Tarifvertragsparteien haben mit der durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 29. Oktober 2001 erfolgten Änderung des § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MTArb mit Wirkung ab 1. Januar 2002 (vgl. § 5 des Änderungstarifvertrages Nr. 3) lediglich die tariflichen Begrifflichkeiten des § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 MTArb dem ab 1. Januar 2001 geltenden Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) angepasst. Damit war keine inhaltliche Änderung der Tarifvorschrift verbunden (so auch: Scheuring/Steingen/Banse/Thivessen MTArb Bd. Ia § 62 Erl. 1; zu dem vergleichbaren § 59 BAT: Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT-Kommentar § 59 Erl. 3; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau BAT § 59 Erl. 2). Die LVA hatte dem Kläger keine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt, so dass kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 4 und 5 MTArb eintrat. Letztlich besteht zwischen den Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2001 auch kein Streit. 2. Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung des noch nicht genommenen Jahresurlaubes 2001 iHv. 30 Urlaubstagen ist mit Ablauf des Übertragungszeitraumes am 30. Juni 2002 (§ 53 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb) erloschen. a) Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, war der Kläger zur Zeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und darüber hinaus während des gesamten Übertragungszeitraumes arbeitsunfähig krank und nicht in der Lage, seine vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen. Diese Feststellung wird von der Revision nicht angegriffen. Soweit das Landesarbeitsgericht auf Grund dieses Umstandes einen gesetzlichen und tariflichen Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung verneint hat, steht dies im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG entsteht nicht als Abfindungsanspruch, sondern als Ersatz für den wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf Befreiung von der Arbeitspflicht. Der Abgeltungsanspruch ist - abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Freistellungsanspruch selbst. Wie dieser erlischt er auf Grund seiner Befristung spätestens mit dem Ende des Übertragungszeitraumes, wenn der Freistellungsanspruch bis dahin bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis - zB wegen Arbeitsunfähigkeit - nicht hätte erfüllt werden können (BAG 27. Mai 2003 - 9 AZR 366/02 - EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 9). Soweit die Tarifvertragsparteien keine zu Gunsten des Arbeitnehmers abweichenden Sonderregelungen getroffen haben, ist die gesetzliche Abgeltungsregelung des § 7 Abs. 4 BUrlG auch für tarifliche Ansprüche anzuwenden. Eine solche Abweichung muss sich deutlich aus dem Tarifvertrag ablesen lassen (st. Rspr., vgl. BAG 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12 mwN). § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTArb enthält keine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung. Lediglich für den Fall, dass das Arbeitsverh ältnis des Arbeiters wegen der Gewährung einer befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zum Ruhen kommt, § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 MTArb, macht § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTArb eine Ausnahme. Nur dann soll die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht Voraussetzung für den tarifvertraglich besonders geregelten Urlaubsabgeltungsanspruch sein. Die Tarifvertragsparteien haben damit zu erkennen gegeben, dass Urlaub dann nicht abzugelten ist, wenn das Arbeitsverhältnis infolge der Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit endet und der Arbeiter über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Urlaubsanspruch verfallen würde, arbeitsunfähig ist (so zum gleichlautenden § 51 Abs. 1 BAT: BAG 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12). b) Entgegen der Meinung des Klägers verbietet sich eine solche Auslegung des § 54 Abs. 1 MTArb nicht deshalb, weil dann § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTArb für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen verminderter Erwerbsfähigkeit "ohne praktische Relevanz" wäre. § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTArb sieht einen Urlaubsabgeltungsanspruch dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis gem. § 62 MTArb wegen verminderter Erwerbsfähigkeit des Arbeiters endet. Hat dieser, wenn seine verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt wird, bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsleistung erbracht, so hat er nach § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 iVm. § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTArb Anspruch auf Abgeltung noch offener Urlaubsansprüche. Die Feststellung einer verminderten Erwerbsfähigkeit setzt nicht zwangsläufig voraus, dass der Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt der Feststellung dieser verminderten Erwerbsfähigkeit und damit bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses nach § 62 MTArb arbeitsunfähig war. Gerade die im vorliegenden Streitfalle aufgeworfene Frage, ob der Kläger trotz seiner festgestellten Arbeitsunfähigkeit und seiner verminderten Erwerbsfähigkeit in der Lage gewesen wäre, anderweitige leichte Tätigkeiten auszuführen, zeigt, dass eine verminderte Erwerbsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht zwangsläufig dazu führen muss, dass er bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses keine Arbeitsleistung erbringt. Auch kann den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden, sie seien bei der Formulierung der Urlaubsabgeltungstatbestände des § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 MTArb davon ausgegangen, ein erwerbsgeminderter Arbeitnehmer sei regelmäßig arbeitsunfähig (Senat 7. September 2004 - 9 AZR 587/03 - EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 12 zum entsprechenden § 51 Abs. 1 BAT). c) Das Vorbringen des Klägers, er wäre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. August 2001 in der Lage gewesen, anderweitige leichte Arbeiten auszuführen, ändert an diesem Ergebnis nichts. Könnte ein Arbeitnehmer trotz seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf des Übertragungszeitraumes andere Arbeiten als bisher verrichten, muss der Arbeitgeber einen offenen Urlaubsanspruch nur dann abgelten, wenn er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verpflichtet gewesen wäre, die dem Arbeitnehmer möglichen Tätigkeiten als vertragsgemäß anzunehmen (Senat 24. Juni 2003 - 9 AZR 423/02 - BAGE 106, 361; BAG 24. November 1987 - 8 AZR 140/87 - BAGE 56, 340). Für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (BAG 28. Februar 1991 - 8 AZR 89/90 - BAGE 67, 279). Nach den durch die Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt dazu ein entsprechender konkreter Sachvortrag des Klägers. Dieser hat nur behauptet, er wäre in der Lage gewesen, leichtere Tätigkeiten als die eines Maurers zu erledigen. Dass es möglich und dem Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechtes (seit 1. Januar 2003: § 106 GewO) zumutbar war, ihm diese Arbeiten zuzuweisen, ist nicht vorgetragen. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.