· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Der Zugriff des Arbeitgebers auf das dienstliche E-Mail-Konto des Arbeitnehmers
von RA Martin Brilla, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Aachen
| Der Arbeitgeber kann aus verschiedenen Gründen ein Interesse an einem Zugriff auf das betriebliche E-Mail-Konto des Arbeitnehmers haben. In Betracht kommen der Verdacht von Straftaten, Compliance-Maßnahmen oder der plötzliche Ausfall des Arbeitnehmers. Dies ist jedoch wegen der hohen datenschutzrechtlichen Hürden nicht einfach oder sogar unmöglich. Der Beitrag stellt die Problematik dar und gibt Handlungsempfehlungen. |
1. Die grundsätzliche Weichenstellung
Da die datenschutzrechtlichen Möglichkeiten eines Zugriffs ganz entscheidend davon abhängen, ob den Arbeitnehmern die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Kontos erlaubt ist, erfolgt die Darstellung der besseren Übersichtlichkeit halber für die beiden Fallgruppen getrennt.
PRAXISHINWEIS | Im Hinblick auf die nachfolgend dargestellten Probleme ist dringend zu empfehlen, die private Nutzung des geschäftlichen E-Mail-Kontos ausdrücklich zu untersagen. Dies ist auch im Nachhinein unproblematisch möglich, sofern die private Nutzung
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Hat der Arbeitgeber die private E-Mail-Nutzung oder die Internet-Nutzung insgesamt wirksam verboten, darf er davon ausgehen, dass sich nur geschäftliche E-Mails im dienstlichen Konto des Arbeitnehmers befinden.
2. Zugriff bei verbotener Privatnutzung
Relativ unkompliziert ist die Situation, wenn den Arbeitnehmern die private Nutzung des geschäftlichen E-Mail-Kontos ausdrücklich untersagt ist. Von ein- und ausgehenden dienstlichen E-Mails darf der Arbeitgeber dann grundsätzlich im selben Maß Kenntnis nehmen wie vom sonstigen dienstlichen Schriftverkehr.
Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Da Leistungs- und Verhaltenskontrollen ebenso zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses gehören wie die Ausübung des Weisungsrechts, kommt es darüber hinaus darauf an, dass der Zugriff für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Dazu bedarf es einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeneinander abgewogen werden. Ist die Privatnutzung untersagt, kann die Privatsphäre der Arbeitnehmer nicht betroffen sein, sodass die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig überwiegen.
Gleiches gilt für Zugriffe im Rahmen von (präventiven) Compliance-Maßnahmen. Ergibt sich nach einer Durchsicht der anonymisierten oder pseudonymisierten Daten der konkrete Verdacht einer Straftat, dürfen die Daten personalisiert werden, wobei die Voraussetzungen von § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG einzuhalten sind (siehe unmittelbar nachfolgend).
Wichtig | Der Untersuchungsvorgang sollte äußerst sorgfältig dokumentiert werden.
Geht es dem Arbeitgeber darum, den Arbeitnehmer durch den Zugriff auf seine geschäftlichen E-Mails einer Straftat zu überführen, ist § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG einschlägig. In diesem Fall müssen (sehr sorgfältig) zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Mitarbeiter im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat. Darüber hinaus muss die Maßnahme zur Aufdeckung erforderlich sein. Ferner darf das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Maßnahme nicht überwiegen; insbesondere dürfen Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sein. Besonders schwere Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers sind nur dann zulässig, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis entweder zu Art und Schwere der Straftat oder zur Intensität des Verdachts stehen.
3. Zugriff bei erlaubter Privatnutzung
Ist die private Nutzung hingegen gestattet, sind die Möglichkeiten eines Zugriffs deutlich reduziert.
Denn beim Zugriff auf ein E-Mail-Konto, das sowohl für geschäftliche als auch private Zwecke genutzt werden darf, können zwangsläufig auch private Inhalte erfasst werden. In diesem Fall wird die Interessenabwägung, die im Rahmen von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG durchzuführen ist (s.o.), regelmäßig zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen, da seine Privatsphäre durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird.
Auch in dem nicht fernliegenden Fall, dass der Arbeitgeber für die fristgerechte Erfüllung eines Auftrags Informationen benötigt, die sich in den geschäftlichen E-Mails des krankheitsbedingt überraschend abwesenden Arbeitnehmers befinden, sind die Hürden für einen Zugriff wegen der Gefahr der Kenntnisnahme privater Inhalte sehr hoch.
Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zur Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.
Da auch in diesem Fall die Privatsphäre des Arbeitnehmers nahezu zwangsläufig verletzt wird, wird sein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Verarbeitung regelmäßig überwiegen. Selbst wenn der Arbeitgeber darauf achtet, private E-Mails nicht zu öffnen, wird er zumindest Kenntnis von Absendern, Betreffs und Sende- bzw. Empfangszeitpunkten der privaten E-Mails erlangen. Bei einer DV-gestützten Durchsuchung sämtlicher E-Mails z.B. nach bestimmten Schlüsselwörtern wird es unvermeidlich zu einer Kenntnisnahme vom Inhalt privater E-Mails kommen, sofern sie diese verwendeten Suchbegriffe enthalten.
3.1 Benachrichtigung des Arbeitnehmers
Angesichts dessen kann das (restriktiv auszulegende) berechtigte Interesse des Arbeitgebers nur in seltenen Ausnahmefällen überwiegen. Der Arbeitgeber muss daher nicht nur ein besonderes wirtschaftliches oder ideelles Interesse an den Informationen haben; der Zugriff muss darüber hinaus erforderlich sein. Dem Arbeitgeber darf also keine objektiv zumutbare Handlungsalternative zur Erlangung der Informationen zur Verfügung stehen. Dementsprechend muss er zumindest versuchen, den urlaubs- oder krankheitsbedingt abwesenden Mitarbeiter zu erreichen, um ihn zur Übermittlung der Informationen aufzufordern. Dabei darf es der Arbeitgeber jedoch nicht belassen. Je nach Sachlage muss er weitere zumutbare Alternativen ausschöpfen.
Nur wenn sämtliche zumutbaren Alternativen ausgeschöpft sind, darf der Arbeitgeber auf das E-Mail-Konto des Arbeitnehmers zugreifen. Im Zweifelsfall sollte der Arbeitgeber die Genesung bzw. Urlaubsrückkehr des Arbeitnehmers abwarten, sofern ihm dies zumutbar ist.
PRAXISHINWEIS | Eine Öffnung des Postfachs sollte nur im Beisein des Datenschutzbeauftragten, des Betriebsrats oder sonstiger „neutraler“ Zeugen erfolgen. |
3.2 Weiterleitung und Abwesenheitsnotiz
Sofern der Arbeitnehmer für die Zeit seiner Abwesenheit nicht selbst eine automatische Weiterleitung der an ihn gerichteten E-Mails eingerichtet hat, darf dies der Arbeitgeber nicht von sich aus tun. Zwar hat er ein berechtigtes Interesse daran, dass geschäftliche E-Mails, die betriebsrelevante Informationen enthalten können, während der Abwesenheit des Arbeitnehmers rechtzeitig bearbeitet werden können. Da das E-Mail-Programm bei der Weiterleitung jedoch nicht zwischen privaten und geschäftlichen E-Mails differenzieren kann, würde der stellvertretende Empfänger zwangsläufig auch Kenntnis von privaten E-Mails erhalten. Somit dürfte die nicht vom Arbeitnehmer selbst veranlasste Weiterleitung an einen Stellvertreter nicht erforderlich sein, denn als milderes Mittel kommt die Einrichtung einer Abwesenheitsnotiz in Betracht, in der der Absender gebeten wird, sich an den dort namentlich benannten anderen Mitarbeiter zu wenden.
Bei erlaubter Privatnutzung ist § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG ebenfalls einschlägig, sodass die vorstehenden Ausführungen für Zugriffe bei ausschließlich dienstlicher Nutzung auch hier gelten. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die daraus resultierende umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls sind jedoch im Falle der erlaubten Privatnutzung wegen der betroffenen Privatsphäre des Arbeitnehmers grundsätzlich noch höhere Anforderungen an das Aufklärungsinteresse des Arbeitgebers zu stellen.
Exkurs / Ist der Arbeitgeber „Diensteanbieter“ im Sinne des TKG? |
Hat der Arbeitgeber die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Kontos gestattet, stellt sich die umstrittene Frage, ob er dadurch ein „Diensteanbieter“ im Sinne von § 3 Nr. 6 TKG geworden ist. Dies ist von erheblicher Bedeutung, denn wenn man es bejaht, bestünde zusätzlich die Gefahr eines Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG) und damit einer Strafbarkeit nach § 206 StGB.
Nach § 3 Nr. 6 TKG ist „Diensteanbieter“ jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt. § 3 Nr. 10 TKG wiederum definiert „geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten“ als das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht.
Noch sind viele Stimmen in der Rechtsliteratur der Auffassung, dass in einem solchen Fall ein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten durch den Arbeitgeber vorliegt; eine Gewinnerzielungsabsicht sei ja nicht erforderlich. Allerdings gibt es in der jüngeren Rechtsprechung Gegenstimmen (LAG Berlin-Brandenburg 16.2.11, DB 11, 1281; VG Karlsruhe 27.5.13, 2 K 3249/12, NVwZ-RR 13, 797, bestätigt durch VGH Baden-Württemberg 30.7.14, 1 S 1352/13, NVwZ-RR 15, 161).
Auch wenn Sinn und Zweck des TKG - es geht um die Regulierung des Wettbewerbs im Telekommunikationssektor, leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen und die Qualität und Verfügbarkeit von Telekommunikationsdienstleistungen - gegen seine Anwendbarkeit auf Arbeitgeber sprechen, besteht die Gefahr von strafrechtlichen Ermittlungen. |
4. E-Mail-Verkehr und Betriebsrat
Da der Betriebsrat nach § 75 Abs. 2 BetrVG die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern hat, muss er rechtswidrige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch unverhältnismäßige Eingriffe des Arbeitgebers verhindern. Deshalb ist es seine Aufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Rechtsvorschriften zu überwachen. Aus diesem Grund ist der Betriebsrat über eventuelle Zugriffe auf betriebliche E-Mail-Konten der Arbeitnehmer zu informieren.
Erlaubt oder verbietet der Arbeitgeber die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Kontos, ist dies nicht mitbestimmungspflichtig. Möchte der Arbeitgeber jedoch verbindliche Verhaltensvorschriften für die private bzw. geschäftliche Nutzung des E-Mail-Kontos festlegen, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (LAG Hamm 7.4.06, 10 TaBV 1/06, NZA-RR 07, 20).
Die Installation von Programmen zur Überwachung der E-Mail-Nutzung der Arbeitnehmer ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Dabei genügt bereits die Einführung eines dafür geeigneten Systems. Einer konkreten Nutzung bedarf es dann nicht mehr.
Die Einführung eines Spamfilters unterliegt hingegen nicht der Mitbestimmungspflicht, da es sich weder um eine Frage der Ordnung des Betriebs noch um eine Verhaltensregelung nach § 87 Abs. 1 BetrVG handelt.
5. Handlungsempfehlungen
Nach alledem ist ein ausdrückliches Verbot der privaten Nutzung des E-Mail-Kontos dringend anzuraten, weil sich der Arbeitgeber auf diese Weise wesentlich mehr Handlungsspielraum verschafft.
Ist dies nicht gewollt oder möglich, gibt es eine Reihe weiterer Optionen, die unterschiedliche Auswirkungen bzw. Effektivität haben:
- Die Regelung der E-Mail- und Internet-Nutzung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung,
- die private Nutzung unter den ausdrücklichen Vorbehalt zu stellen, dass der Arbeitgeber in bestimmten (aufzuzählenden) Situationen Zugriff auf die E-Mails hat,
- die private Nutzung nur über separate private E-Mail-Adressen oder einen Freemail-Account zu gestatten,
- die Arbeitnehmer eigenständig eine Trennung zwischen privaten und geschäftlichen E-Mails mit einer Aufbewahrung in verschiedenen Ordnern vornehmen zu lassen,
- die Verpflichtung, private E-Mails ausdrücklich als solche zu kennzeichnen.
Die ausdrückliche Gestattung des arbeitgeberseitigen Zugriffs auf sämtliche E-Mails im Rahmen des Arbeitsvertrags ist hingegen problematisch. Um den Erfordernissen der Rechtsprechung zu genügen, müsste sie sehr deutlich hervorgehoben werden. Gegen eine (ggf. nachträgliche) Einzelvereinbarung bestehen hingegen keine einschneidenden Bedenken.