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  • 01.05.2004 | Recht

    Der "Nottarifvertrag" - können auch Chefärzte davon betroffen sein?

    von Rechtsanwalt Norbert H. Müller, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Steuerrecht, Kanzlei Klostermann, Bochum

    Eine bisher zumeist juristisch-theoretische Ausnahmeerscheinung macht Schule. Selbst die Stadtverwaltung Döbeln will mit der Gewerkschaft Verdi in Verhandlung treten, um für den städtischen Eigenbetrieb, das Pflegeheim in Technitz, wenigstens eine "schwarze Null" zu schreiben. Das Ziel ist der Abschluss eines so genannten Nottarifvertrages. Dabei wurde durch ein von der Gewerkschaft bestelltes Gutachten noch nicht einmal eine Notlage des Pflegeheimes festgestellt.

    Personalmangel als Folge des neuen Arbeitszeitgesetzes

    Die Lage in vielen anderen städtischen und landeseigenen Institutionen ist jedoch weit ernster - und dies nicht nur in den neuen Bundesländern. Insbesondere in Brandenburger Krankenhäusern und Krankenhäusern in Teilen von NRW treten die Folgen des neuen Arbeitszeitgesetzes aber schon offen zutage:

    Spürbarer Personalmangel macht sich breit. In vielen Krankenhäusern sind seit langem dutzende Arztstellen vakant und können auch mangels Bewerber nicht nachbesetzt werden. Daraus resultiert bereits eine erhebliche Überlastung im Bereich der Ärzteschaft. Schon die Anforderungen des alten Arbeitszeitgesetzes konnten kaum eingehalten werden, erst recht nicht die des neuen Gesetzes.

    Nottarifverträge sollen die Rettung bringen

    Jetzt zeigt sich exemplarisch, zu welchen Konsequenzen die Untätigkeit der Gesundheitspolitik in praxi führt: Die jetzt bereits wenige Monate nach dem neuen Arbeitszeitgesetz auftretenden Notlagen verdeutlichen, dass dieses Gesetz sicherlich nicht ansatzweise zur Problemlösung beigetragen hat. Im Übrigen steht zu befürchten, dass es sich bei den jetzt auftretenden ersten Fällen nur um die Spitze eines Eisbergs handelt, dessen Volumen erst bei genauem Hinsehen - auch unter der Oberfläche - ersichtlich wird.

    Der Rahmentarifvertrag sieht in Brandenburg eine Arbeitszeitverkürzung von bis zu wöchentlich drei Stunden mit einer Gehaltskürzung bis zu 7,5 Prozent vor. Der Notlagenvertrag soll noch eine weitere Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit - im Gespräch sind 20 Prozent - vorsehen. Für viele Betriebe ist die Einhaltung der Anforderungen des für sie geltenden Tarifvertrages und des Arbeitszeitgesetzes derzeit auf Grund der wirtschaftlich angespannten Lage existenzbedrohend. Abhilfe und Milderungen sollen daher so genannte Nottarifverträge oder Notlagentarifverträge schaffen.

    Erstes Beispiel: Arbeiterwohlfahrt

    Der Abschluss eines Nottarifvertrages bzw. Notlagentarifvertrages setzt - wie die Bezeichnung schon indiziert - eine entsprechende Notlage voraus. Als Beispiel sei die Arbeiterwohlfahrt Lausitz e.V. angeführt. Zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und einer drohenden Insolvenz wurde ab dem 1. Oktober 2003 von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Sachsen für die rund 480 Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt ein Notlagentarif vereinbart. Mit diesem Notlagentarifvertrag erkaufen sich die Beschäftigten ihre Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2004 mit Lohnabschlägen. So erhalten die Beschäftigten in dem genannten Zeitraum nur 25 Prozent ihres tariflich garantierten Weihnachtsgeldes  .