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  • · Fachbeitrag · Krankenhausmanagement

    Krankenhaus Rating Report 2014: Situation für Krankenhäuser noch schwieriger als zuvor

    von Dr. Boris Augurzky, Rheinisch-Westfälisches Institut fürWirtschaftsforschung (RWI), Essen, www.rwi-essen.de 

    | 2012 war für Krankenhäuser in wirtschaftlicher Hinsicht ein noch schwierigeres Jahr als 2011. 35 Prozent der Häuser schrieben 2012 auf Konzernebene einen Jahresverlust - bezogen auf die Ebene der einzelnen Standorte waren es vermutlich sogar 40 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle „Krankenhaus Rating Report 2014“ des RWI. Grundlage für die Analysen ist eine Stichprobe von 617 Jahresabschlüssen aus 2011 und 175 aus 2012, die insgesamt fast 1.000 Krankenhäuser umfassen. |

    Einzelaspekte der kritischen Entwicklung

    Noch im Jahre 2010 war die Rate von Häusern, die einen Verlust schrieben, mit 16 Prozent deutlich geringer als in 2012. Folgende Entwicklungen haben zu der prekären Situation in 2012 beigetragen:

     

    • 2012 sanken die Investitionsfördermittel der Länder auf 3,6 Prozent des Krankenhausumsatzes. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 lagen sie bei 6,8 Prozent. Zudem sank der Anteil des geförderten am gesamten Anlagevermögen in 2012 auf 54 Prozent. 2008 waren es noch 60 Prozent.

     

    • Nur noch 48 Prozent der Krankenhäuser waren 2012 voll und 7 Prozent schwach investitionsfähig. 44 Prozent waren nicht investitionsfähig. Ein hoher Anteil des Sachanlagevermögens war bereits stark abgeschrieben.

     

    • Insgesamt ist der Krankenhausbereich unterkapitalisiert, das heißt viele Krankenhäuser leben von ihrer Substanz. Dementsprechend hat sich auch das Rating verschlechtert. Die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit stieg 2012 auf 1,4 Prozent.

     

    • 16 Prozent aller Krankenhäuser - bzw. nach Trägerform 28 Prozent der öffentlich-rechtlichen, 16 Prozent der freigemeinnützigen und 3 Prozent der privaten Krankenhäuser - wiesen in 2012 eine erhöhte Insolvenzgefahr („roter Bereich“) auf. Zwei Jahre zuvor waren es nur halb so viele.

    Unterschiede in den Bundesländern

    In den ostdeutschen Bundesländern war die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser 2012 mit einer durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,55 Prozent deutlich besser als in den westlichen Bundesländern, wo die ermittelte Ausfallwahrscheinlichkeit 1,56 Prozent betrug. Die Spanne der Ausfallwahrscheinlichkeiten lag zwischen 0,51 (Sachsen-Anhalt und Thüringen) und 2,57 Prozent (Niedersachsen Bremen). Kaum besser als in Niedersachsen sah die Lage in Hessen (1,87), Baden-Württemberg (1,81) und Bayern (1,70) aus. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Situation der Krankenhäuser aber in allen Regionen verschlechtert.

     

    Die Gründe der regionalen Unterschiede sind vielfältig. In vielen Regionen ist festzustellen, dass die Krankenhausstrukturen ungünstig sind, das heißt, es gibt zu viele kleine Einheiten, eine zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierung.

    Insolvenzgefahr: Große Unterschiede bei den Trägern

    2012 wiesen 28 Prozent der öffentlich-rechtlichen, 16 Prozent der freigemeinnützigen und 3 Prozent der privaten Krankenhäuser eine erhöhte Insolvenzgefahr auf. Im Vergleich zu 2011 hat sich die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit bei allen Trägern verschlechtert, jedoch am stärksten bei den öffentlich-rechtlichen.

     

    Die Schwierigkeiten öffentlich-rechtlicher Kliniken äußerten sich regional unterschiedlich. In Ostdeutschland schnitten sie nur leicht schlechter als private und besser als freigemeinnützige ab. Vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz/Saarland und im Nordwesten war die Lage vieler öffentlich-rechtlicher Häuser kritisch. Erstmals konnte gezeigt werden, dass bei öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern kleine Aufsichtsgremien vorteilhaft waren. Für zehn untersuchte Universitätskliniken war überdies die Ausfallwahrscheinlichkeit noch höher als die der öffentlich-rechtlichen und hat sich gegenüber 2011 stärker verschlechtert als bei den anderen Trägertypen.

     

    Die ländlichen Krankenhäuser der Grundversorgung sowie ländliche Großversorger wiesen 2012 größere wirtschaftliche Schwierigkeiten auf als ländliche Spezialkliniken. Dies war allerdings auch in städtischen Regionen der Fall, wenngleich die Großversorger dort etwas besser als Grundversorger abschnitten. Weiter konnte bestätigt werden, dass ein hoher Spezialisierungsgrad vorteilhaft war, sowohl in wirtschaftlicher als auch in qualitativer Hinsicht. Qualität, Spezialisierung und Wirtschaftlichkeit gingen also Hand in Hand.

    Entwicklungen bei Krankenhauseckdaten

    Folgende Entwicklungen weist der Rating Report 2014 aus:

     

    • Die Krankenhauskapazitäten haben sich 2012 gegenüber dem Vorjahr nur wenig verändert. Die Zahl der Betten blieb nahezu konstant bei knapp über 500.000.
    • Die Zahl der Krankenhäuser (bzw. Institutskennziffern) verringerte sich um 1,4 Prozent auf 2.017.
    • Private Krankenhäuser konnten ihren Marktanteil (gemessen an der Bettenzahl) leicht von 16,3 Prozent auf 16,8 Prozent erhöhen. Der Marktanteil öffentlich-rechtlicher Häuser sank von 49,3 Prozent auf 48,8 Prozent, während der Anteil freigemeinnütziger Häuser bei 34,4 Prozent blieb.
    • Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten sank weiter auf 7,6 Tage.
    • Die durchschnittliche Bettenauslastung verharrte bei 77 Prozent.
    • Die gesamten Ausgaben für Krankenhäuser betrugen 79 Mrd. Euro.
    • Die Krankenhauskosten je Einwohner fielen 2012 mit rund 829 Euro je Einwohner in Baden-Württemberg am niedrigsten und mit 1.112 Euro im Saarland am höchsten aus.

     

    Die vor der Bundestagswahl 2013 beschlossenen Finanzhilfen für Krankenhäuser im Rahmen des Beitragsschuldengesetzes sowie ein relativ hoher Anstieg der Landesbasisfallwerte 2014 sollten insbesondere zu einer Entspannung der Lage 2013 und 2014 beitragen. Ab 2015 dürften die Kostenzuwächse aber wieder über den Erlöszuwächsen liegen. Ohne Produktivitätsfortschritt würde der Anteil der Krankenhäuser im roten Bereich bis 2020 auf über 30 Prozent ansteigen.

    Wo sind die Hebel für eine Verbesserung der Lage anzusetzen?

    Mit einem jährlichen Produktivitätsfortschritt von 0,8 Prozent könnte sich die Lage langfristig stabilisieren. Da dieser Wert nur schwer erreichbar sein dürfte, werden nicht alle Krankenhäuser überleben. Wir rechnen damit, dass unter „normalen“ Verhältnissen bis 2020 etwa 13 Prozent der Häuser aus dem Markt ausscheiden würden. Eine Verbesserung der Lage ist prinzipiell durch folgende vier Stellschrauben erreichbar:

     

    1. Höhere Preise für Krankenhausleistungen

    Höhere Preise wirken sich positiv auf zahlreiche wirtschaftliche Kennzahlen der Krankenhäuser aus, jedoch negativ auf die Beitragszahler der GKV und PKV. Derzeit sind die Sozialversicherungen finanziell gut ausgestattet und könnten Preiserhöhungen schultern - allerdings nicht dauerhaft, weil vor allem in den 2020er-Jahren die Zahl der Nachfrager nach Gesundheitsleistungen sprunghaft ansteigen und die Zahl der Beitragszahler stark sinken wird. Dies liegt an den geburtenstarken Jahrgänge aus den 1960er-Jahren, die dann in Rente gehen. Um sich für die schwierige Zukunft zu wappnen, müssen dauerhaft mehr Investitionen in den Krankenhausbereich fließen.

     

    2. Mehr Kapital für Investitionszwecke

    Krankenhäuser sind unterkapitalisiert. Viele Betriebe und Krankenhausverbünde können manche effizienzverbessernden Maßnahmen nicht umsetzen. Tatsächlich korreliert eine hohe Unternehmenssubstanz positiv mit der wirtschaftlichen Lage. Ohne ausreichende Investitionen ist die Zukunft in Gefahr.

     

    Die Politik stellt derzeit jedoch andere Weichen. Maßnahmen wie die „Mütterrente“ und die Ausweitung der Frühverrentung sind politisch opportun, sie besitzen jedoch keinerlei investiven Charakter: Die „Mütterrente“ wird nicht die Geburtenzahlen und die Frühverrentung nicht die Erwerbstätigenzahl erhöhen. Vor dem Hintergrund einer konsumorientierten Prioritätensetzung einer älter werdenden Gesellschaft ist die Gefahr groß, dass auch im Krankenhausbereich Investitionen ausbleiben und sich der Substanzabbau fortsetzt.

     

    In der gegenwärtigen Krankenhausstruktur rechnen wir mit einem jährlichen Investitionsbedarf der Krankenhäuser (ohne Universitätskliniken) von mindestens 5,4 Mrd. Euro. Das ist in etwa das Doppelte des derzeitigen Investitionsfördervolumens der Länder. Eine Erhöhung der Ländermittel ist schwierig. Produktivitätserhöhungen durch Strukturoptimierung sollten daher unseres Erachtens über die zusätzliche Bereitstellung eines Investitionsfonds auf Bundesebene angestrebt werden, der aus Mitteln der Krankenversicherungen oder aus Steuermitteln des Bundes gespeist werden könnte.

     

    3. Höhere Produktivität

    Produktivitätssteigerungen sind auf drei Ebenen anzustreben: Erstens auf der Ebene des einzelnen Krankenhauses, zweitens durch Optimierung von regionalen Krankenhausstrukturen und drittens durch die Optimierung von Versorgungsstrukturen, die sämtliche Leistungserbringer umfassen („Netzwerkmedizin“). Dabei sind folgende Faktoren förderlich: effektive Management- und Aufsichtsstrukturen, ausreichende Investitionen, effizienter Personaleinsatz, Spezialisierung, indikationsgerechte Patientensteuerung, hohe medizinische Qualität, guter Service und elektronische Vernetzung.

     

    Besonders in ländlichen Regionen mit Bevölkerungsrückgang wird die gegenwärtige Infrastruktur aus personellen und finanziellen Gründen nicht aufrecht zu erhalten sein. Eine weiterhin gute Gesundheitsversorgung der schrumpfenden Bevölkerung kann dann nur noch gewährleistet werden, wenn Sektorengrenzen aufgegeben und althergebrachter Besitzstand hinterfragt werden. Dies gilt im Speziellen für die Notfallversorgung.

     

    4. Schließungen von weniger produktiven Einrichtungen

    Eine weitere Möglichkeit zur Produktivitätsverbesserung sind Schließungen von weniger produktiven Krankenhäusern. In nicht-regulierten Märkten geschieht dies fortwährend und führt zusammen mit Eintritten von Innovatoren insgesamt zu Wirtschaftswachstum. In Bezug auf Krankenhausstandorte könnte auf 14 Prozent verzichtet werden, wenn man die Krankenhausdichte Sachsens zugrunde legte. Ein ähnlicher Wert ergäbe sich bei Annäherung an die durchschnittliche Dichte der europäischen OECD-Länder.

     

    Da das Krankenhaus für die Bevölkerung und damit die Wählerschaft vor Ort als ein kostenloser Zusatznutzen gesehen wird, auf den kaum jemand zu verzichten bereit ist, werden Schließungen von unproduktiven Häusern nur selten angepackt. Das ist in Einzelfällen durchaus berechtigt, wenn die Krankenhausversorgung bereitgestellt wird, obwohl sie nicht wirtschaftlich erbracht werden kann. Dies betrifft Leistungsangebote ländlicher Krankenhäuser, wenn bei ihrer Aufgabe kein Alternativangebot in ausreichender Distanz vorhanden ist. In Deutschland existiert jedoch eine so hohe Krankenhausdichte, dass selbst in ländlichen Regionen bei ihrer Reduktion häufig keine Gefahr für die Versorgungssicherheit besteht.

     

    Es gilt also, den betroffenen Bürgern die Alternativen aufzuzeigen. Häufig be-trifft die Schließungsdebatte kleine Standorte mit wenigen Betten und einem geringen Spezialisierungsgrad. Im günstigsten - aber nicht immer umsetzbaren Fall - kann sich ein solcher Standort zu einem Spezialisten weiterentwickeln. Dies könnten die Bürger vor Ort jedoch auch als Einschränkung verstehen. Im Gegenzug dürften sie aber im eingeschränkten Leistungsspektrum eine höhere medizinische Qualität erwarten können - und im „verlorenen“ Teil des Spektrums bei einem weiter entfernten Alternativanbieter vermutlich ebenfalls. Das müsste dem Bürger transparent gemacht werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Der vollständige Report kann beim Verlag medhochzwei bestellt werden. Er ist auch als E-Book erhältlich. Je nach Angebotsform liegen die Preise zwischen knapp 300 und 898 Euro (Foliensatz-CD).
    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 11 | ID 42862786