Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Patientenkommunikation

    Nur ein Bruchteil der medizinischen Informationen kommt beim Patienten an

    | Dass Patienten im ärztlichen Gespräch etwas miss- oder gar nicht verstehen, ist im Klinikalltag an der Tagesordnung. Den Behandelnden ist dies oft gar nicht bewusst. Patientenbriefe, in denen, ähnlich einem Arztbrief, der Gesundheitszustand des Patienten erklärt wird, können das Verständnis und damit die Compliance verbessern ‒ und quasi „nebenbei“ dazu führen, dass die Klinik öfter weiterempfohlen wird. |

     

    Das Sprachniveau des Patienten muss der Maßstab sein

    Punktion, Resektion, Embolie … Selbst unter deutschen Worten wie „Schlüssellochchirurgie“, „bildgebendes Verfahren“ oder „Herzkranzgefäße“ können sich viele nichts vorstellen. Die beiden häufigsten Begriffe, die beispielsweise bei Pschyrembel online abgefragt werden, sind „Herzinfarkt“ und „Diabetes mellitus“. Und bei befunddolmetscher.de zählt das Abdomen zu den „Top Ten“ an unverständlichen Worten. Aber auch Sätze wie „Diese Behandlung ist optimal für Sie“ versteht nicht jeder Patient. Die Kunst ist, sich dem Sprachniveau des Patienten anzupassen.

     

    Pilotprojekt mit der Paracelsus-Klinik Bad Ems

    „Ärzte überschätzen das Sprachverständnis ihrer Patienten häufig. Ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland hat Probleme mit Texten auf Grundschulniveau“, sagt Ansgar Jonietz, Geschäftsführer der „Was hab‘ ich?“ gGmbH (washabich.de). Dort übersetzen Medizinstudenten und Ärzte gratis medizinische Befunde für Patienten ‒ über 40.000 Begriffe bisher. In einem Pilotprojekt mit der Paracelsus-Klinik Bad Ems verschickte „Was hab’ ich?“ Patientenbriefe an 418 internistische Patienten. Diese Briefe bestanden aus über 3.000 Textbausteinen, mit denen die Krankheit, Untersuchungen, die Behandlung und Medikamente verständlich erklärt wurden. Die Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert:

     

    • Die Kontrollgruppe (n=176) erhielt drei Tage nach ihrer Entlassung nur einen Fragebogen zur Evaluation der Zufriedenheit mit dem stationären Aufenthalt.
    • Die Interventionsgruppe (n=242) dagegen bekam drei Tage nach der Entlassung zunächst den Patientenbrief, gefolgt vom Zufriedenheits-Fragebogen drei weitere Tage später.

     

    Das Feedback der Patienten war positiv, was sich auch an der Zufriedenheit mit dem Krankenhausaufenthalt zeigte: 68,5 Prozent der Patienten, die einen Patientenbrief erhalten hatten, gaben an, dass sie immer das Gefühl hatten, aufmerksam und rücksichtsvoll behandelt worden zu sein. In der Kontrollgruppe waren es 57,5 Prozent. Die Interventionsgruppe mit Brief verstand zudem besser, was die Arzneimittel bezweckten, sie fühlte sich bei der Entlassung besser unterstützt ‒ und sie gab auch signifikant häufiger an, dass sie die Klinik weiterempfehlen würde. Alle Ergebnisse unter patientenbriefe.de.

     

    • Beipackzettel von Medikamenten

    Neben sprachlichen Hürden kann auf der Gebrauchsinformation zu Arzneimitteln auch die Informationsfülle abschreckend wirken. Insbesondere die Liste der möglichen Nebenwirkungen kann die Compliance mindern. Hier setzt das Schweizer Projekt med111 an. Es bietet ergänzend zum Beipackzettel kurze Informationen zu bisher etwa 350 Wirkstoffen an, auf denen in etwa 15 Punkten nur das Allerwichtigste steht: Wann und wie anwenden? Welche Wirkung kann erwartet werden? Was tun bei Nebenwirkungen? Muss man mit Interaktionen rechnen? Worauf ist sonst noch zu achten? Link: https://med111.com/de/index.php

     
    Quelle: Ausgabe 06 / 2020 | Seite 16 | ID 46332555