· Fachbeitrag · Patientenversorgung
Rassismus in der Medizin: Strukturreformen statt erhobener Zeigefinger gefragt
von Alexandra Buba M. A., Wirtschaftsjournalistin, Fuchsmühl
| Zuletzt tauchte das Thema „Rassismus in der Medizin“ immer wieder in der Fach- und Publikumspresse auf. Das signalisiert ein wachsendes Bewusstsein für ein Problem, das vor allem auf der strukturellen Ebene wirkt ‒ und nicht vorrangig in Form von extremen Einzelfällen existiert. |
Wer darf aus welcher Perspektive sprechen ...?
Über Rassismus sprechen oder schreiben ohne Klärung der eigenen Zugehörigkeit geht ‒ zumindest momentan ‒ kaum. Viele aus der älteren Generation unterstellen der jüngeren gern ein Zuviel an Wokeness (= Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus). Und viele aus der jüngeren Generation heben sofort die Hand, wenn eine privilegierte weiße Frau über die strukturelle Benachteiligung etwa von People of Colour schreibt. Diese wiederum vermuten Rassismus bei derselben Schreibenden, wenn diese den Begriff „Rasse“ kritisch sieht, da dieser ja letztlich für die Diskriminierung über Jahrhunderte maßgeblich war. Sie bezeichnen sich als „BIPoC” ‒ Black, Indigenous and People of Color ‒ im Sinne einer positiv besetzten, politischen Selbstbezeichnung als rassistisch diskriminierte Personen. Das ist nicht nur anstrengend, sondern erschwert auch die sachliche faktenbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema.
... und forschen?
„Wir geraten alle schnell in komplexe Dilemmata“, sagt Univ.-Prof. Dr. phil. Ulrike Kluge. Sie leitet das Zentrum für Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie (ZIPP) und die AG Transkulturelle Psychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité. Was für die Gesellschaft im Allgemeinen, für Behandelnde und Behandelte gilt, spiegele sich auch in der Gesundheitsversorgung und der Forschung wider. „Natürlich brauchen wir in Deutschland mehr Forschung zu dem Thema, aber wir müssen auch fragen: Wer forscht zu welchen Inhalten mit welcher Brille?“ Viel Grundlegendes sei nach wie vor ungeklärt, so Kluge. Zum Beispiel, wie wir die verschiedenen rassifizierten Gruppen definieren und worin sich diese Gruppen in der Forschung zum Beispiel von Menschen mit Migrationshintergrund unterscheiden. Das macht Messungen und Quantifizierungen schwierig. Sie rät daher dazu, dass das, was bislang als gesicherte Forschung angesehen werde, vielmehr als begründete Hypothesen zu lesen und mit Zahlen und vermeintlich Faktischem vorsichtig umzugehen.
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