06.09.2011 · IWW-Abrufnummer 112966
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 17.08.2011 – L 7 KA 77/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
L 7 KA 77/08 KL
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit XXX
hat der 7. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2011 durch XXX für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass die Mindestmengenvereinbarung des Beklagten in der Fassung des Beschlusses vom 16. August 2005, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11. November 2010, nichtig ist, soweit sie in Anlage 1 Nr. 6 für Kniegelenk-Totalendoprothesen eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus (Betriebsstätte) festlegt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus in N, das als „Operatives Zentrum“ u.a. über eine Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie verfügt. Sie wendet sich gegen die vom Beklagten für Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP) beschlossene Mindestmenge von 50.
Mit dem Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz, FPG) vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412) ermöglichte der Gesetzgeber als ein Element der Qualitätssicherung die Einführung von Mindestmengen für die Erbringung bestimmter Leistungen in zugelassenen Krankenhäusern. § 137 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) bestimmte in der Fassung des FPG u.a.:
(Abs. 1) Die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung vereinbaren mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft unter Beteiligung der Bundesärztekammer sowie der Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe Maßnahmen der Qualitätssicherung für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser einheitlich für alle Patienten. Dabei sind die Erfordernisse einer sektor- und berufsgruppenübergreifenden Versorgung angemessen zu berücksichtigen; dazu ist der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Vereinbarungen nach Satz 1 regeln insbesondere
(…)
(Nr. 3.) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände
(…)
Mit dem 1. Januar 2004 übertrug das Gesetz die Kompetenz für Maßnahmen der Qualitätssicherung im Rahmen von § 137 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss (im Folgenden: Beklagter; Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz, GMG] vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190).
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) wurde § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V zu § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Die Vorschrift lautet nunmehr im Zusammenhang:
(Abs. 3)
1Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten auch Beschlüsse über
(…)
(Nr. 2) einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände (…)
2 Wenn die nach Satz 1 Nr. 2 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen entsprechende Leistungen nicht erbracht werden. 3Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann Leistungen aus dem Katalog nach Satz 1 Nr. 2 bestimmen, bei denen die Anwendung von Satz 2 die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte; sie entscheidet auf Antrag des Krankenhauses bei diesen Leistungen über die Nichtanwendung von Satz 2.
Im Mai 2004 stellten die Spitzenverbände der Krankenkassen einen Antrag auf Einführung einer „Mindestmenge von 20 Knie-TEP pro Jahr pro Krankenhaus und 10 Knie-TEP pro Jahr pro Operateur (…), mit der Option, diese jährlich um 10/5 steigen zu lassen bis zu einer Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Jahr pro Krankenhaus und 25 Knie-TEP pro Jahr pro Operateur“.
Mit dem Antrag befasste sich zunächst die „AG Mindestmengen“ des „Unterausschusses sonstige stationäre Qualitätssicherung“ des Beklagten. Sodann ersuchte der Beklagte die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) um Zulieferung deutscher Versorgungsdaten für die Jahre 2002 und 2003. Unter dem 9. August 2004 überließ die BQS dem Beklagten eine „Sonderauswertung Knie-Totalendoprothese (TEP): Untersuchung auf Abhängigkeit von Fallzahl und Qualität der Leistung“. Am 16. Juli 2004 nahmen die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie sowie der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie durch Prof. Dr. E Stellung zur Einführung einer Mindestmenge für den Bereich der Knie-TEP. Am 19. August 2004 nahm Prof. Dr. S für die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie Stellung. Wegen der Einzelheiten wird jeweils auf die vom Beklagten zusammengestellte Normsetzungsdokumentation Bezug genommen.
Am 21. September 2004 beschloss der Beklagte auf dieser Grundlage, Knie-TEP mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in den Katalog planbarer Leistungen zur Festsetzung von Mindestmengen nach § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V aufzunehmen, vorerst ohne Angabe einer Zahl und Festlegung einer Mindestmenge.
Am 21. Dezember 2004 beschloss der Beklagte, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einem Bericht über die Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für Knie-TEP und mit einem Bericht über die Entwicklung und Erstellung eines Prognosemodells zur Ermittlung der Auswirkungen von Schwellenwerten auf die Versorgung zu beauftragen.
Am 15. April 2005 beantragten die Spitzenverbände der Krankenkassen, ab dem 1. Januar 2006 für Knie-TEP eine verbindliche Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus pro Jahr einzuführen.
Daraufhin beschloss der Beklagte am 16. August 2005, für den Bereich der Knie-TEP eine Mindestmenge von 50 pro Jahr pro Krankenhaus (Betriebsstätte) für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2006; dieser Beschluss wurde am 15. September 2005 im Bundesanzeiger veröffentlicht (Nr. 175, S. 13864). Fortan – und bis heute – lautete Nr. 6 der Anlage 1 zur Mindestmengenvereinbarung wörtlich: „Kniegelenk-Totalendoprothesen - jährliche Mindestmenge pro Krankenhaus (Betriebsstätte): 50“
Mit Beschluss vom 20. September 2005 räumte der Beklagte zudem Krankenhäusern, die im Jahr 2005 zwischen 40 und 49 Knie-TEP erbracht hatten, eine Karenzzeit von einem Jahr zur Einhaltung der Mindestmenge ein.
Mit Stand vom 5. Dezember 2005 veröffentlichte das IQWiG seinen Abschlussbericht zur „Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für Knie-Totalendoprothesen“. Als „Diskussion“ und „Zusammenfassung“ formuliert der Bericht:
„6. Diskussion
Bei der Bewertung der in diesem Bericht beschriebenen Ergebnisse sind eine Reihe von Aspekten zu berücksichtigen: Die zugrunde liegenden Daten sind routinemäßig erhobene Daten der BQS Bundesauswertungen 2003 und 2004. Die Daten sind also nicht für den Zweck dieses Berichts, nämlich die Untersuchung von Volume-Outcome-Beziehungen bei der Knie-TEP erhoben worden, wodurch sie für die vorliegende Untersuchung zwangsläufig nur eingeschränkte Aussagekraft besitzen. Die Qualität dieser Daten ist unklar, da sie von den Krankenhäusern selbst berichtet werden und im Rahmen dieses Auftrags nicht überprüfbar waren. Eine solche Überprüfung der Krankenhausangaben wäre jedoch notwendig, um Analysen auf der Basis einer gesicherten Datenqualität durchzuführen. Für den primären Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" gibt es bei 17% (18635 von 110349) der Patienten aus 2004 fehlende Werte. Dies ist nach Aussagen der BQS nicht alleine auf fehlende Angaben, sondern auch auf unplausible Angaben der Krankenhäuser zurückzuführen, was die Qualität der Dokumentation der Krankenhäuser in Frage stellt. Unplausible Angaben zur Beweglichkeit wurden von der BQS auf fehlenden Wert gesetzt. Die Stabilität der Berechnungen bezüglich der fehlenden Werte wurde durch Sensitivitätsuntersuchungen analysiert. Ein weiteres Problem stellt der unklare Messzeitpunkt des Indikators "Unbeweglichkeit" dar, der nicht unbedingt auf das Ende der Verweildauer fällt. Dadurch war es nicht möglich, den Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" unter Berücksichtigung des Messzeitpunkts sinnvoller zu definieren. Es ist auch nicht auszuschließen, dass der unerwartete U-förmige Verlauf des Risikos für "Unbeweglichkeit" in Abhängigkeit von der Fallzahl durch Confounding mit einer im Datensatz nicht vorhandenen Variablen hervorgerufen wurde. Eine Ber ücksichtigung der vorhandenen möglichen Confounder (inklusive der Verweildauer) im Rahmen multipler Regressionsmodelle änderte jedoch nichts an dem U-förmigen Verlauf der Risikokurve.
Aufgrund der bekannten Einschränkungen der Daten sind jedoch die Ergebnisse entsprechend vorsichtig zu interpretieren.
Auch wenn der sekundäre Qualitätsindikator "Infektion" vollständig vorhanden ist, gelten auch hier ähnliche Einschränkungen. Die grundsätzliche Datenqualität bleibt unklar und es kann ein Confounding durch nicht erhobene Variablen nicht ausgeschlossen werden. Hätte man in der vorliegenden Auswertung in der Beziehung zwischen Infektionsrisiko und Fallzahl deutliche Schwellenwerte gefunden, so wäre dies keinesfalls eine ausreichende Evidenz dafür gewesen, dass die Verwendung dieses Schwellenwerts als Mindestmenge automatisch auch zu einer entsprechenden Qualitätsverbesserung führt. Ein solcher evidenz-basierter Nachweis kann nur über eine kontrollierte Interventionsstudie geführt werden und nicht über den Nachweis einer statistischen Assoziation aus Routinedaten. Die gefundene monoton fallende Beziehung zwischen dem Infektionsrisiko und der Fallzahl war jedoch zu flach, so dass hier selbst hypothesengenerierend kein eindeutiger Schwellenwert ableitbar war, der sich möglicherweise als Mindestmenge eignet. Zudem zeigte sich das Problem, dass Mindestmengen, die sich – unter gewissen Vorgaben – für den einen Qualitätsindikator möglicherweise eignen, für einen anderen Qualitätsindikator gerade nicht zu empfehlen sind. Dieses Ergebnis aus den verfügbaren deutschen Daten steht in Übereinstimmung mit den Resultaten aus internationalen Daten, dass sich bei der Knie-TEP kein klarer und einheitlicher Grenzwert bezüglich der Fallzahl pro Krankenhaus und Jahr für die Unterscheidung zwischen höherer und geringerer Qualität finden lässt [21,22].
7. Zusammenfassung
Mit Hilfe von Daten des Bundesdatenpools der BQS aus den Jahren 2004 und 2003 von Patienten mit Knie-Totalendoprothesen-Erstimplantation wurde der Zusammenhang zwischen dem Risiko für "Unbeweglichkeit" (primärer Qualitätsindikator) bzw. dem Risiko für "Infektion" (sekundärer Qualitätsindikator) und der Fallzahl des betreffenden Krankenhauses pro Jahr mit Hilfe von logistischen Regressionsmodellen untersucht. Für beide Indikatoren konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Fallzahl und dem entsprechenden Risiko statistisch nachgewiesen werden. Weitere Risikofaktoren wie z.B. Alter und ASA-Status hatten zwar einen signifikanten Einfluss, stellten aber keine wichtigen Confounder dar. Ein deutlicher Cluster-Effekt, der die Beziehung zwischen Risiko und Fallzahl verändert, konnte ebenso wenig gefunden werden. Die vorliegende Auswertung unterstützt damit die Hypothese, dass es bei der Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität gibt. Somit kann aus diesen Ergebnissen nicht abgeleitet werden, dass eine Mindestmengenregelung zu keiner Veränderung der Ergebnisqualit ät führt.
Der Zusammenhang zwischen dem primären Qualitätsindikator "Unbeweglichkeit" und der Fallzahl zeigte allerdings unerwartet einen U-förmigen Verlauf, der das Konzept einer Mindestmengenregelung für den Leistungsbereich Knie-TEP bezüglich des Risikos für "Unbeweglichkeit" in Frage stellt. Hierfür wurden daher keine Schwellenwerte berechnet. Eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Ergebnisqualität scheint hier eher die Definition eines mittleren Leistungsmengenbereichs zu sein. Hierfür sind weitere Untersuchungen notwendig. Die Volume-Outcome-Beziehung für den sekundären Qualitätsindikator "Infektion" zeigte eine sehr flache, mit steigender Fallzahl sehr langsam fallende Risikokurve, die die Hypothese unterstützt, dass High-Volume-Krankenhäuser eine bessere Qualität aufweisen als Low-Volume-Krankenhäuser. Der Erklärungswert der Fallzahl war jedoch zu gering, um aus dieser Beziehung einen klaren eindeutigen Schwellenwert abzuleiten. Eine Assoziation mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung ergab sich nur für Mindestmengen in höheren Fallzahlbereichen. Hier muss jedoch der Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und anderen Qualitätsindikatoren sowie der Versorgungskontext beachtet werden.
Ein wissenschaftlicher Nachweis, dass eine Mindestmengenregelung für Patienten mit Knie-Totalendoprothesen-Erstimplantation zu einer Verbesserung der Ergebnisqualität führt, kann nur über eine kontrollierte Interventionsstudie geführt werden.“
Mit Stand vom 9. Oktober 2006 veröffentlichte das IQWiG seinen Abschlussbericht zur „Entwicklung und Erstellung eines Prognosemodells zur Ermittlung der Auswirkungen von Schwellenwerten auf die Versorgung“.
Mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2006, 22. November 2007, 18. Dezember 2008, 17. Dezember 2009 und 11. November 2010 befand der Beklagte jeweils über die ab 1. Januar des Folgejahres geltende Fassung der Anlage 1 der Mindestmengenvereinbarung. Punkt 6 („Kniegelenk-Totalendoprothesen - jährliche Mindestmenge pro Krankenhaus (Betriebsstätte): 50“) blieb unverändert; der Katalog der Prozeduren wurde dabei der jeweils im Folgejahr geltenden OPS-Version angepasst.
Mit Schreiben vom 18. März 2008 wandte die Klägerin sich wegen der Mindestmengenregelung erstmals an den Beklagten und legte „Widerspruch“ gegen den Beschluss vom 22. November 2007 ein „bezüglich Anlage 1 Nr. 6 (Kniegelenk-Totalendoprothesen)“. Zwei Operateure seien in der Lage, diesen Eingriff durchzuführen. 2005 sei es zu 24 Operationen gekommen. Binnen dreier Jahre sei es möglich, dies auf 50 zu steigern, sofern entsprechende Einweisungen erfolgten. Eine Ausnahmeerlaubnis sei von der Landesplanungsbehörde nicht zu erlangen, weil die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung bereits gesichert sei. Die Mindestmengenregelung sei als belastender Verwaltungsakt rechtswidrig. Es gebe keinen gesicherten Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Leistungsqualität. Der Widerspruch entfalte aufschiebende Wirkung, so dass die Klägerin weiterhin Knie-TEP erbringen dürfe.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2008 erklärte der Beklagte den Widerspruch für unstatthaft, da er sich gegen einen Akt der Normsetzung und nicht gegen einen Verwaltungsakt richte. Daher sei auch keine aufschiebende Wirkung eingetreten. Zudem sei die Mindestmengenregelung rechtmäßig. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dieses Schreiben nicht.
Am 11. September 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, da zu Jahresbeginn jeweils nicht absehbar sei, ob die Mindestmenge von 50 erreicht werde. Hierzu hat sie im Einzelnen dargelegt, seit dem Jahr 2003 Knie-TEP-Eingriffe in folgender Menge erbracht zu haben:
2003: 7
2004: 14
2005: 23
2006: 7
2007: 5
2008: 29
2009: 40
2010: 50
2011 (1. Halbjahr): 15
Sie habe dem Verbot der Leistungserbringung aus § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht zuwidergehandelt, denn die mit den Krankenkassen des Landes Brandenburg abgeschlossenen Entgelt- und Budgetvereinbarungen hätten jeweils die Erbringung von Knie-TEP-Operationen vorgesehen, in den Jahren 2008 bis 2010 auf der Grundlage von Anlage 2 Nr. 3 der Mindestmengenvereinbarung; die erbrachten Leistungen seien auch stets vergütet worden.
Die Freiheit des Krankenhauses zur Erbringung von Leistungen sei mit der angefochtenen Regelung unverhältnismäßig eingeschränkt, zumal die Klägerin eine Weiterbildungsermächtigung in Bezug auf Knie-TEP besitze. Schon die Ermächtigungsnorm sei verfassungswidrig. Auch lägen ihre Voraussetzungen nicht vor. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass das Behandlungsergebnis in besonderem Maße von der Leistungsmenge abhänge. Die Festlegung einer Mindestmenge von 50 beruhe nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und sei willkürlich. Dies belegten sowohl der Abschlussbericht des IQWiG vom 5. Dezember 2005 als auch der Abschlussbericht der Universität Düsseldorf „Begleitforschung Mindestmengeneinführung“ (Prof. G) vom Dezember 2007.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Mindestmengenvereinbarung des Beklagten in der Fassung des Beschlusses vom 16. August 2005, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11. November 2010, nichtig ist, soweit sie in Anlage 1 Nr. 6 für Kniegelenk-Totalendoprothesen eine Mindestmenge von 50 pro Krankenhaus (Betriebsstätte) festlegt,
hilfsweise, die vorgenannten Beschlüsse in dem vorgenannten Teilumfang sowie den Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bringt im Wesentlichen vor: Die angegriffene Regelung sei rechtmäßig. An der Tragfähigkeit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gebe es keinen Zweifel. Bei Knie-TEP handele es sich im Sinne des Gesetzes um „planbare Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes“. Bei diesen sei auch „die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig“. Grundsätzlich mache Übung den Meister. „In besonderem Maße“ führe Quantität zu Qualität, wenn Patienten in Bezug auf relevante Indikatoren überdurchschnittlich von der erhöhten Praxis profitierten. Ein evidenzbasierter Nachweis für die Richtigkeit gerade einer bestimmten Mindestmenge dürfe dabei nicht gefordert werden. In Bezug auf Knie-TEP sei jedenfalls nachgewiesen, dass der Korrelation zwischen Quantität und Qualität im Hinblick auf patientenrelevante Faktoren besondere Bedeutung zukomme. Schon im August 2004 habe die BQS im Auftrage des Beklagten herausgearbeitet, dass in Bezug auf die Indikatoren „Wundinfektion“ und „Reintervention wegen Komplikation“ Krankenhäuser mit Fallzahlen >100 bessere Ergebnisqualität aufwiesen als Krankenhäuser mit niedrigeren Fallzahlen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie sowie der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie hätten im Juli 2004 eine Mindestmenge von 50 angeregt. Schließlich habe auch das IQWiG in seinem Abschlussbericht vom 5. Dezember 2005 den Zusammenhang zwischen erbrachter Menge und Wundinfektionen bestätigt. Die Wundinfektion sei bei alledem ein besonders geeigneter patientenrelevanter Faktor. Sein Gestaltungsermessen habe der Beklagte auf dieser Grundlage mit der Mindestmenge von 50 auch in Ansehung der Rechte der Krankenhäuser rechtmäßig genutzt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die vom Beklagten eingereichte Normsetzungsdokumentation (zwei Ordner) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
A. Der Senat behandelt das vorliegende Verfahren in Übereinstimmung mit dem für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat des Bundessozialgerichts als eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne von § 31 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG; vgl. etwa Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R; Urteil vom 6. Mai 2009, B 6 KA 1/08 R; Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/09 R, jeweils zitiert nach juris). Zwar ist in der Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundessozialgerichts umstritten, nach welchen Kriterien die besondere Zuständigkeit einer Kammer bzw. eines Senats für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts (§§ 10 Abs. 2, 31 Abs. 2 SGG) von der allgemeinen Zuständigkeit einer Kammer bzw. eines Senats für Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) abzugrenzen ist; beim Großen Senat des Bundessozialgerichts ist insoweit auf Vorlage des 3. Senats (B 3 KR 36/09 B, Beschlüsse vom 10. März 2010 und 21. Juli 2011) ein Verfahren anhängig, in dem eine grundsätzliche Abgrenzung von krankenversicherungsrechtlicher und vertragsarztrechtlicher Streitigkeit vorzunehmen ist (GS 1/10).
Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes folgt der Senat jedoch bis zu einer abschließenden höchstrichterlichen Klärung oder einer Klarstellung durch den Gesetzgeber wie schon bisher der Auffassung des 6. Senats des Bundessozialgerichts und fasst den vorliegenden Streit eines Krankenhausträgers gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss unter das Vertragsarztrecht (vgl. insoweit schon die Beschlüsse des Senats vom 27. August 2010, L 7 KA 11/10 KL ER [Otobacid ®] sowie vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren], jeweils zitiert nach juris).
B. Für die Streitigkeit ist der Senat erstinstanzlich zuständig. Die Klage richtet sich unmittelbar „gegen Entscheidungen und Richtlinien“ des Beklagten im Sinne von § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG, nämlich gegen einen Verbindlichkeit entfaltenden Beschluss im Sinne der §§ 91 Abs. 6, 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) .
C. Die Klage ist zulässig.
1. Statthaft ist die Klage als Normfeststellungsklage. Der erkennende Senat hat als 7. Senat des LSG Berlin-Brandenburg und als 7. Senat des früheren LSG Berlin in ständiger Rechtsprechung als Klage auf Feststellung des Bestehen oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch die Normfeststellungsklage für zulässig gehalten, wenn sie auf die Feststellung der Gültigkeit bzw. der Nichtigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm gerichtet war (vgl. Urteile vom 15. Juli 2009, L 7 KA 30/08 KL [§ 116 b SGB V] und L 7 KA 50/08 KL; Urteil vom 17. März 2010, L 7 KA 125/09 KL [Monapax ®]; Beschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren]; LSG Berlin, Urteil vom 14. Juni 1995, L 7 Ka 6/95 [laborärztliche Leistungen]; zitiert jeweils nach juris).
Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es sich bei dem hier streitigen Beschluss des Beklagten nach § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V („Mindestmengenvereinbarung“) nicht um einen Verwaltungsakt handelt, der die Möglichkeit der Anfechtungsklage eröffnet, sondern um eine gemäß § 91 Abs. 6 SGB V verbindliche untergesetzliche Norm, vergleichbar mit den Richtlinien des Beklagten im Sinne von § 92 Abs. 1 SGB V, die in der Rechtsprechung seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt sind und deren Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten ebenso außer Frage steht (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20; Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21 [sortis]). Als sachgerechte Klageart kommt deshalb zur Vermeidung von verfassungsrechtlich im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht hinnehmbaren Rechtsschutzlücken nur eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Betracht, weil das SGG – von dem seit 1. April 2011 geltenden, aber nur auf Satzungen nach § 22a Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende) bezogenen § 55a SGG abgesehen – offensichtlich lückenhaft ist und Rechtsschutz in Form der Normenkontrolle nicht ausdrücklich vorsieht; eine § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Norm fehlt noch immer im SGG, das andererseits in § 29 Abs. 4 Nr. 3 – einer Norm zur funktionellen Zuständigkeit – Rechtsschutz gegen Entscheidungen und Richtlinien des Beklagten ausdrücklich voraussetzt und damit einen Bedarf an tauglichem Prozessrecht verursacht (vgl. insoweit den Tagungsbericht des 3. Deutschen Sozialgerichtstages vom 9. Januar 2011, Seite 7 [www.boorberg.de/sixcms/media.php/boorberg01.a.891.de/ Tagungsbericht-DSGT_3.pdf]).
Diese Rechtsschutzmöglichkeit hat auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 (B 6 KA 13/05 R [Clopidogrel], zitiert nach juris; vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 17. März 2010, L 7 KA 125/09 KL [Monapax ®]) anerkannt. Danach sind Klagen von Arzneimittelherstellern gegen die Rechtmäßigkeit von Therapiehinweisen, die der Beklagte zu einer Arzneimitteltherapie abgegeben hat, im Rahmen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig; zur Überzeugung des Senats kann für eine Klage gegen die Mindestmengenvereinbarung nach § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V nichts anderes gelten.
2. Klagebefugt im Sinne des Vorliegens einer Beschwer bzw. der Berührung subjektiver Rechte ist die Klägerin, weil die Mindestmengenregelung sie unmittelbar betrifft. Sie ist insoweit Adressatin der allgemeinverbindlichen Regelung, als mit ihr unmittelbar ein Verbot der Leistungserbringung statuiert wird. Dies liegt in der Natur der Mindestmenge und bedarf keiner weiteren behördlichen Umsetzungsmaßnahmen. So bestimmen sowohl § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V als auch § 5 der Mindestmengenvereinbarung ausdrücklich, dass die Vereinbarung für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser „unmittelbar verbindlich“ ist. „Wird die erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht, dürfen ab dem Jahr des jeweiligen Inkrafttretens der Mindestmenge entsprechende Leistungen nicht erbracht werden“. Die Mindestmengenregelung kann damit die Rechtstellung der Klägerin als Plankrankenhaus beeinträchtigen. Da die Klägerin als GmbH privatrechtlich organisiert ist, kommt zudem das Vorliegen einer Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. hierzu Bohle, Mindestmengen im Krankenhaus, GesR 2010, S. 587 [589]). Aus alledem ergibt sich auch – mit anderen Worten – ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 55 Abs. 1, letzter Halbs. SGG.
3. Die Klägerin ist auch rechtsschutzbedürftig. Es ist nicht ersichtlich, welchen Weg sie an Stelle des Normenkontrollantrages vorrangig gehen sollte, um die Mindestmenge von 50 nicht erbringen zu müssen. Einen Verweis auf eine etwa vorrangig bei der Krankenhausplanungsbehörde des Landes zu beantragende Ausnahmegenehmigung nach § 137 Abs. 3 Satz 3 SGB V hält der Senat nicht für sachgerecht, zumal die Klägerin schlüssig vorgebracht hat, eine solche Ausnahmegenehmigung sei nicht zu erlangen, da die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung in Bezug auf Knie-TEP im Lande Brandenburg bereits sichergestellt sei. Zudem muss es jedem Betroffenen offen stehen, sich gegen eine unmittelbar belastende Regelung an sich zu wenden, bevor er sich darauf einlässt, sich unter Inkaufnahme dieser Regelung um eine Ausnahme bzw. einen Dispens von derselben zu bemühen. Diese Sichtweise trägt auch dem gesetzlich vorgesehenen Zusammenspiel von Gemeinsamem Bundesausschuss und Landesplanungsbehörden Rechnung (vgl. Bohle a.a.O., S. 595; ausführlich hierzu Beschluss des Senats vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren], zitiert nach juris, dort Rdnr. 69).
Eine stattgebende Entscheidung des Senats führt auch zu einer unmittelbaren Verbesserung der Rechtsstellung der Klägerin. Zwar hat sie im Jahre 2010 50 Knie-TEP-Eingriffe erbracht, dies rechtfertigt aber noch nicht die sichere Prognose, dass diese Zahl im Jahr 2011 ebenfalls erreicht wird, zumal sie im ersten Halbjahr 2011 nach ihrem Vorbringen nur 15 Eingriffe vorgenommen hat. Allein die Unklarheit, ob im Jahre 2011 noch 50 Eingriffe erreicht werden, ist Grund genug, die Klägerin für rechtsschutzbedürftig zu halten. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sie gegenwärtig und Jahr für Jahr die Mindestmenge sicher erreichte bzw. überschritte.
4. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen nicht; insbesondere ist die Normfeststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht fristgebunden.
Zwar dient es der Rechtssicherheit, wenn Normen nicht noch Jahre nach ihrer Bekanntmachung einer Überprüfung zugeführt werden können (vgl. BT-Drs. 13/3993, S. 10; BT-Drs. 16/2496, S. 17; Giesberts in BeckOK VwGO, Rdnr. 50 zu § 47); hierauf beruhen maßgeblich auch die Fristbestimmungen in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bzw. § 93 Abs. 3 BVerfGG.
Eine analoge Heranziehung der genannten Fristbestimmungen ist methodisch aber schon deshalb ausgeschlossen, weil die Regelungslücke im SGG nicht planwidrig ist, sondern geradezu planhaft und vom Gesetzgeber gewollt. Der Gesetzgeber hat im Zuge der Einführung von § 29 Abs. 2 bis 4 SGG durch das Gesetz vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) bewusst auf die Schaffung einer § 47 VwGO entsprechenden Norm verzichtet, weil die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R [Clopidogrel]) die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Normfeststellungsklage hinreichend beschrieben habe und den Erfordernissen von Art. 19 Abs. 4 GG sachgerecht Rechnung trage (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/7716, S. 16 r.Sp.). Angesichts dessen hielte der Senat es für unvertretbar, die Normfeststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGG zu Lasten der Rechtsschutz suchenden Klägerin von der Einhaltung einer Klagefrist abhängig zu machen, selbst wenn eine solche Fristbestimmung im Interesse der Rechtssicherheit sinnvoll erschiene.
Nichts anderes ergibt sich aus den seit 1. April 2011 geltenden §§ 29 Abs. 2 Nr. 4, 55a SGG. Die dort vorgesehene Normenkontrolle gilt nur für solche Rechtsvorschriften, die auf Landesebene nach § 22a SGB II verbindliche Regelungen über die Kosten der Unterkunft vorsehen. Die Regelungen in § 55a SGG sind zwar dem „Vorbild des § 47 VwGO“ (Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/3404, S. 132) nachgebildet, erstrecken sich aber auf den spezifischen Bereich der Leistungsverwaltung nach dem SGB II und taugen daher schon im Ansatz nicht zur Analogiebildung für Normfeststellungsklagen gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Bundesausschusses. Vor allem sieht § 55a SGG gerade keine Fristbestimmung vor, was aber auch in der Natur der Sache liegt, denn den Antrag kann jede natürliche Person stellen, die geltend macht, „durch die Anwendung der Rechtsvorschrift in ihrer Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden“. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass eine unübersehbare Anzahl von Personen unter Umständen erst lange nach Inkrafttreten der Rechtsvorschriften nach § 22a SGB II zu Leistungsempfängern werden kann; daher wäre eine strikte, an die Bekanntmachung der Norm anknüpfende Fristbestimmung in diesem Bereich ohnehin unbillig.
D. Die Klage ist auch begründet.
1. In Rahmen der Normfeststellungsklage hat der Senat grundsätzlich einen engen Prüfungsmaßstab anzulegen und Zurückhaltung zu üben gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten. Gleichzeitig ist der Maßstab für eine Überprüfung administrativer Normsetzung ein weniger strenger als bei derjenigen von Parlamentsgesetzen durch die Verfassungsgerichtsbarkeit; die Zurückhaltung etwa des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgeber muss eine andere sein als diejenige der Fachgerichtsbarkeit bei der Kontrolle von Rechtsnormen der Verwaltung. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beklagten sind damit gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26 [sortis]; Gerhardt/ Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Rdnr. 140 zu § 47; so auch schon der Senat in seinem Beschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren], zitiert nach juris, dort Rdnr. 72).
Hiervon ausgehend ist die vom Beklagten bewirkte Normsetzung darauf zu überprüfen, ob die spezifischen Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten sind, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm erfüllt sind und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums in Gestalt etwa höherrangigen Rechts eingehalten sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 68).
Die in § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V für den Erlass von Mindestmengen vorgegebenen engmaschigen Tatbestandsvoraussetzungen (Vorliegen planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist) sind danach vom Senat vollständig überprüfbar; der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Umsetzung dieser Regelungselemente keinen Gestaltungsspielraum (so ausdrücklich in Zusammenhang mit den Tatbestandsmerkmalen aus § 35 SGB V: Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26 [sortis]). Art. 19 Abs. 4 GG erlaubt und gebietet zugleich eine vollständige gerichtliche Überprüfung, denn das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist ohne Weiteres einer sachgerechten Überprüfung auch durch ein Gericht zugänglich.
Ein Gestaltungsspielraum ist nur eröffnet, wenn bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen das Tor für eine gestalterische Entscheidung gleichsam aufgestoßen ist, etwa in Bezug auf die Bewertung der zutreffend ermittelten Studienlage oder im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einführung oder die konkrete Höhe der Mindestmenge. Ist Letzteres der Fall, hat der Senat den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum des Beklagten zu respektieren, denn insoweit steht dem Beklagten eine durch seine fachkundige und interessenpluralistische Zusammensetzung begründete Entscheidungsprärogative zu, die es ausschließt, dass die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen an die Stelle der vom Beklagten getroffenen Wertungen setzt (vgl. Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 8 Rdnr. 38; Beier in jurisPK-SGB V, § 92 Rdnr. 38; Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27 [sortis]; Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 67 ff. [Clopidogrel]; Urteil vom 16. Mai 2001, B 6 KA 20/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 31 [Überprüfung einer EBM-Ä-Regelung]; Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 36/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 [Leistungsausschluss für Hippotherapie]; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Dezember 2009, L 9 KR 8/08 [sortis ® I], zitiert nach juris, dort Rdnr. 102).
2. a) Erhebliche rechtliche Bedenken hat der Senat schon in formeller Hinsicht aufgrund des konkreten Verfahrensablaufs und des Fehlens einer besonderen Begründung für die angegriffene Regelung.
aa) Es spricht viel dafür, dass der Beklagte den Beschluss vom 16. August 2005 – Einführung einer verbindlichen Mindestmenge von 50 für Knie-TEP – nicht hätte fassen dürfen, ohne den zuvor im Dezember 2004 in Auftrag gegebenen Bericht des IQWiG über die Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für Knie-Totalendoprothesen abzuwarten. Hierin könnte ein Verfahrensfehler liegen, denn der Ablauf wird der besonders hervorgehobenen, gesetzlich abgesicherten Stellung des IQWiG nicht gerecht.
Der Beklagte hat das IQWiG gesetzeskonform als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut errichtet (§ 139a Abs. 1 Satz 1 SGB V, eingeführt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) Zu seinem Aufgabenbereich gehört u.a. nach § 139a Abs. 3 Nr. 2 SGB V die Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen. Das IQWiG arbeitet in einer transparenten Form unter Unterrichtung Betroffener und Interessierter über alle Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse (§ 139a Abs. 4 SGB V),insbesondere auch über die Grundlagen f ür die Entscheidungsfindung Indem das IQWiG zu gewährleisten hat, dass die international anerkannten Standards der evidenzbasierten Medizin eingehalten werden(§ 139a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 SGB V),hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es seine Arbeitsmethode nach den international üblichen und akzeptierten Standards der evidenzbasierten Medizin auszurichten hat. Das IQWiG geht nach der Gesetzeskonzeption bei seinen Bewertungen in vergleichbarer hoch qualitativer Weise vor wie andere mit entsprechenden Aufgaben betraute Stellen im internationalen Bereich, z.B. das National Institute for Health and Clinical Excellence Zusätzlich bestehen Rechte Sachverständiger, Interessierter und Betroffener, Stellung zu nehmen (§ 139a Abs. 5 SGB V). Ziel des Gesetzgebers ist es, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den Beklagten den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 127).
Im vorliegenden Zusammenhang, nämlich im auf Einführung einer Mindestmenge gerichteten Verfahren, das auf Antrag der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Mai 2004 in Gang gekommen war, hat der Beklagte das IQWiG folgerichtig und nachvollziehbar am 21. Dezember 2004 mit einem Bericht über die Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für Knie-TEP beauftragt. Hierin lag nicht etwa nur eine formlose Anfrage, sondern die Erteilung eines Auftrags im Sinne von § 139a Abs. 3 Nr. 2 SGB V. Noch im Juni 2005 hat der Beklagte seinen Auftrag wie folgt konkretisiert:
„Auftragsgegenstand und –umfang
Das IQWiG soll adäquate Rechenmodelle für die Indikation Knie-TEP entwickeln und diese zur Ermittlung von Schwellenwerten anwenden. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung zu gewährleisten. Für diese Indikation ist eine Evidenz für einen Zusammenhang zwischen der Menge der erbrachten Leistung und Parametern der Ergebnisqualität untersucht und festgestellt worden. Daraufhin wurde die Indikation „Knie-TEP“ in der Sitzung des gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 91 Abs. 7 SGB V am 21. September 2004 in den Katalog der planbaren Leistungen aufgenommen. Ein Schwellenwert wurde vorerst nicht festgelegt, da zunächst geprüft werden sollte, ob sich aus deutschen Daten Schwellenwerte berechnen lassen.
Konkretisierung des Auftrages zur Schwellenwertberechnung der Indikation „Knie-TEP“
Zur Berechnung eines Schwellenwertes für die Indikation Knie-TEP wurden folgende Endpunkte bestimmt:
a) Infektion
b) Beweglichkeit (Funktion)“
Richtungweisend ist insoweit die Zuspitzung des Arbeitsauftrags auf die beiden Endpunkte „Infektion“ und „Beweglichkeit“, weil damit verbindlich sachgerechte und nachvollziehbare Kriterien benannt waren, anhand derer die Abhängigkeit der Behandlungsqualität von der erbrachten Leistungsmenge untersucht werden konnte.
Es dürfte weder dem vom Beklagten selbst gewählten Weg noch der besonderen Stellung des IQWiG gerecht werden, dass der Beklagte die angefochtene Regelung beschlossen hat, bevor das IQWiG sein abschließendes Arbeitsergebnis vorlegen konnte, dessen Relevanz als maßgebliches Abwägungsmaterial absehbar war. Der Verfahrensablauf unterliegt damit rechtlichen Bedenken und bewirkte im Übrigen einen erheblichen Verlust an Akzeptanz für die am 16. August 2005 getroffene Entscheidung (vgl. Klakow-Franck und Wetzel in Deutsches Ärzteblatt 103, Heft 7, vom 17. Februar 2006, Seite A-376: „Übers Knie gebrochen“).
bb) Dieser Verfahrensmangel dürfte einen formellen Begründungsmangel für den Beschluss vom 16. August 2005 nach sich ziehen: Weil der Bericht des IQWiG mit Stand vom 5. Dezember 2005 erhebliche Zweifel an der Beweisbarkeit einer Abhängigkeit zwischen Quantität und Qualität in diesem Bereich formulierte (hierzu weiter unten), hätte der Beklagte sich nicht ohne besondere Begründung über das Arbeitsergebnis des IQWiG hinwegsetzen dürfen.
Gemäߧ 139b Abs. 4 Satz 1 SGB Vleitet das IQWiG seine Arbeitsergebnisse dem Beklagten als Empfehlungen zu Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung „zu berücksichtigen“ (§ 139b Abs. 4 Satz 2 SGB V), „wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen“ (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 82 [sortis]) dürfen.
Der angegriffenen Mindestmengenregelung fehlt indessen nicht nur eine „besondere“ Begründung, sondern sogar jegliche Begründung für die Abweichung von den Empfehlungen des IQWiG. Unerheblich ist dabei, ob es sich bei der „Mindestmengenvereinbarung“ um eine Richtlinie im Sinne von § 92 SGB V handelt oder nur um einen Beschluss mit Normcharakter (vgl. den Wortlaut von § 137 Abs. 1 Satz 1 SGB V einerseits und von § 137 Abs. 3 Satz 1 SGB V andererseits). Denn schon aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen – abgesehen von der besonderen Stellung des IQWiG, von dessen Arbeitsergebnis die angegriffene Regelung abweicht – ergibt sich das Erfordernis einer gesonderten, allgemein zugänglichen Begründung für den im vorliegenden Verfahren angefochtenen Beschluss. Ein Beteiligter, in dessen Rechte eingegriffen wird, hat stets ein Recht darauf, die Gründe dafür zu erfahren, weil er nur so seine Rechte sachgerecht wahrnehmen kann; die nachvollziehbare Begründung einer belastenden Regelung dient zudem nicht nur dem Schutz des Betroffenen, sondern zwingt die Behörde auch zu einer erneuten Prüfung ihrer Entscheidung und führt zu Transparenz und Klarstellung. Gerade Letzteres hätte sich vorliegend aufgedrängt, nämlich eine erneute Überprüfung der eigenen Entscheidung vom 16. August 2005 im Lichte des Abschlussberichts des IQWiG vom 5. Dezember 2005; ohne die Veröffentlichung einer substantiellen Begründung wirkt die Mindestmengenregelung intransparent und aufgrund der fehlenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen des IQWiG willkürlich.
b) Jedenfalls ist die angegriffene Mindestmengenregelung aber materiell rechtswidrig und damit nichtig, denn sie steht tatbestandlich nicht in Einklang mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zur Überzeugung des Senats liegen die Voraussetzungen aus § 137 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V für die Einführung einer Mindestmenge von 50 für Knie-TEP nicht vollständig vor.
Keine Zweifel bestehen zunächst daran, dass es sich bei Knie-TEP um „planbare Leistungen“ im Rechtssinne handelt (unten aa). Nicht belegt ist allerdings, dass in diesem Bereich die Qualität des Behandlungsergebnisses – wie gesetzlich ausdrücklich gefordert – „in besonderem Maße“ von der Menge der erbrachten Leistungen abhängt (unten bb).
aa) Das Gesetz ermächtigt den Antragsgegner zur Festlegung von Mindestmengen für „planbare Leistungen“. Was unter dem Begriff „planbar“ zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar. Der Begriff war im Regierungsentwurf zum Fallpauschalengesetz (BT-Drs. 14/6893, S. 3) nicht enthalten und hat erst im Zuge der Beratungen im Ausschuss für Gesundheit Aufnahme in die Norm gefunden (BT-Drs. 14/7824, S.6), was zumindest darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber der „Planbarkeit“ eine eigenständige Bedeutung beimessen wollte. Weil der Begriff der Planbarkeit der Leistung Voraussetzung für Mindestmengen in allen Behandlungsbereichen ist, muss er auch einer abstrakten Bestimmung zugänglich sein. „Planbar“ bedeutet im allgemeinen sprachlichen Sinne „sich planen lassend“, „berechenbar“ oder „voraussehbar“; gemeint ist eine Situation des planmäßigen Vorgehens, der vorausschauenden und abwägenden Steuerung ohne drängende Zeitnot im Gegensatz zur Notfallsituation. Dementsprechend hat der Senat etwa im Rahmen eines Eilverfahrens die Versorgung Frühgeborener in Perinatalzentren für nicht „planbar“ im Rechtssinne angesehen, weil dort das Unvorhergesehene und Notfallähnliche dominiere (Beschluss vom 26. Januar 2011, L 7 KA 79/10 KL ER [Mindestmengen Perinatalzentren], zitiert nach juris, dort Rdnr. 79). Als Gegenbeispiele hat der Senat schon in jenem Beschluss Leber- und Nierentransplantation, Knochenmarktransplantation und eben auch Knie-TEP angeführt. All diese Eingriffe sind chirurgischer Natur und erfolgen geplant, nicht „von jetzt auf gleich“, sondern nach ausführlicher ärztlicher Beratung und eingehendem Nachdenken seitens des Patienten über das „Ob“, das „Wie“, das „Wo“ und das „Wann“ des Eingriffs. Hieran hält der Senat auch nach erneuter Sachprüfung fest.
bb) Allerdings vermag der Senat nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses bei Knie-TEP in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängt.
(1) Der Gesetzgeber hat sich tatbestandlich als Voraussetzung für die Einführung einer Mindestmenge nicht mit einem einfachen Zusammenhang von Leistungsmenge und Behandlungsergebnis begnügt (Gesetzesbegründung: BT-Drs. 14/6893, S. 31 li.Sp.; s.a. Roters in Kasseler Kommentar, 69. Ergänzungslieferung 2011, SGB V, Rdnr. 33 zu § 137; v. Wolff, NZS 2009, S. 184 [188 f.]). Dieser dürfte ohnehin nach dem Motto „Übung macht den Meister“ bei so gut wie jeder Art von ärztlicher Behandlung bestehen, so dass ohne das Merkmal „in besonderem Maße“ annähernd jede Leistung – ihre Planbarkeit vorausgesetzt – von der Erbringung einer Mindestmenge abhängig gemacht werden könnte.
Notwenig ist vielmehr das Vorliegen von „Operationen oder Prozeduren (…), bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zahl der durchgeführten Eingriffe und der Qualität der Leistung in besonderem Maße vorliegt“ (BT-Drs. a.a.O.). Diese Formulierung trägt der Erkenntnis Rechnung, dass Leistungsmengen nur ein mittelbarer Faktor zur Vorhersage von Leistungsqualität sind; unmittelbar wird das jeweilige Leistungsergebnis regelmäßig durch andere Faktoren wie etwa Qualifikation und Geschick von Ärzten und Pflegekräften, sachliche und personelle Ausstattung, Prozessqualität, Implementierung und Aktualisierung von Standards, Aufarbeitung von Fehlern und regelmäßige Fortbildung bestimmt. Der Fallzahl an sich kann dagegen nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Steuerungsfunktion im Rahmen der Qualitätssicherung zukommen, wenn feststeht, dass in besonderem Maße eine Abhängigkeit von Leistungsmenge und Leistungsqualit ät feststellbar ist und nicht nur eine allgemeine statistische Assoziation (vgl. v. Wolff, a.a.O., S. 189).
Die erforderliche Gewissheit dafür, dass die Qualität des Behandlungsergebnisses „in besonderem Maße“ von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, können zur Überzeugung des Senats nur belastbare wissenschaftliche Belege erbringen; solche Belege müssen unter Beachtung üblicher methodischer Standards der medizinischen Wissenschaft beweisen, dass die nach der gesetzlichen Wertung zugrunde zu legende Vermutung für einen Zusammenhang von Quantität und Qualität stärker als üblich besteht und eine nennenswerte, greifbare und patientenrelevante Beziehung zwischen Menge und Qualität besteht. Erforderlich ist hier mehr als nur eine schlichte statistische Assoziation, denn sie allein belegt keine „besondere“ Kausalität der Leistungsmenge für bessere Ergebnisqualität. Denkbar ist hier vor allem ein evidenz-basierter Nachweis über kontrollierte Studien. Die Notwendigkeit gerade solcher wissenschaftlicher Belege setzt der Antragsgegner selbst in § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Mindestmengenvereinbarung voraus. Gefordert wird danach eine „Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes und empirischer Ergebnisse zu der Frage, ob für einen bestimmten Leistungsbereich die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistung abhängig ist (evidenzbasiertes Verfahren)“.
(2) Hinreichende wissenschaftlichen Belege für eine besonders starke Abhängigkeit der Ergebnisqualität von der Leistungsmenge liegen dem Senat für den Bereich der Knie-TEP nicht vor.
(a) (aa) Maßgeblich orientiert der Senat sich hier an dem im Auftrage des Beklagten erstellten Abschlussbericht des IQWiG vom 5. Dezember 2005 zur „Entwicklung und Anwendung von Modellen zur Berechnung von Schwellenwerten bei Mindestmengen für Knie-Totalendoprothesen“. Diesem Arbeitsergebnis hervorgehobene Relevanz beizumessen, entspricht der weiter oben dargestellten besonderen, gesetzlich begründeten Stellung des IQWiG. Es stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell besonders abgesichert ist; aus AusstattungAufgabe und gesetzlichem Zweck der Einrichtung des IQWiG folgt eine Rechtsvermutung für die Richtigkeit seiner Beurteilungen (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 77 ff. [sortis]), die nur durch substantielle wissenschaftliche Beweise entkräftet werden kann.
(bb) Der Abschlussbericht des IQWiG vom 5. Dezember 2005 lässt keine verlässlichen Schlussfolgerungen darauf zu, dass die Ergebnisqualität im Bereich der Knie-TEP „in besonderem Maße“ von der Leistungsmenge abhängt. Das Gegenteil ist der Fall. Der Bericht bestätigt in seiner im Tatbestand zitierten „Zusammenfassung“ lediglich die „Hypothese, dass es bei der Knie-TEP einen Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und der Ergebnisqualität gibt“. Ein belastbarer, gerichtlich nachprüfbarer wissenschaftlicher Nachweis aber, „dass eine Mindestmengenregelung für Patienten mit Knie-Totalendoprothesen-Erstimplantation zu einer Verbesserung der Ergebnisqualität (führe, könne) nur über eine kontrollierte Interventionsstudie geführt werden“. Damit stellt das IQWiG gerade in Abrede, dass der oben definierte „wissenschaftliche Beleg“ für die besondere, über das Normalmaß hinausgehende Abhängigkeit der Ergebnisqualität von der Leistungsmenge besteht.
Das IQWiG begründet seine Ergebniszusammenfassung nachvollziehbar und schlüssig. Fraglich war so schon die Datenqualität. Die zugrunde liegenden Daten beruhten auf Erhebungen der BQS für die Jahre 2003 und 2004, denen das IQWiG aus plausiblen Gründen nur eingeschränkte Aussagekraft und unklare Qualität beimaß. Sie seien nämlich nicht für den Zweck der Untersuchung erhoben worden, sondern routinemäßig von den Krankenhäusern selbst. Die Qualität der Daten sei somit nicht überprüfbar gewesen. Die Qualität der Angaben der Krankenhäuser sei insgesamt fraglich, weil für den primären Qualitätsindikator „Beweglichkeit“ bei 17 Prozent der Patienten des Jahres 2004 Werte gefehlt hätten, und zwar nicht aufgrund fehlender, sondern aufgrund nicht plausibler Angaben der Krankenhäuser. Unklar geblieben sei auch der Messzeitpunkt in Bezug auf den Indikator der Beweglichkeit. Ein Confounding durch nicht erhobene Variablen könne nicht ausgeschlossen werden, insgesamt gebiete die Datenlage eine vorsichtige Interpretation.
Unabhängig davon erscheinen die untersuchten Qualitätsindikatoren „Beweglichkeit“ und „Infektion“ dem spezifischen Eingriff „Knie-TEP“ angemessen. Der Senat sieht den Indikator „Beweglichkeit“ dabei als primären Endpunkt bzw. primären Qualitätsindikator an (so bezeichnet auch im Bericht des IQWiG, Seite 43), weil er sich auf den erstrebten Behandlungserfolg bezieht, während der Frage der Wundinfektion zwar keine unwichtige, so doch lediglich sekundäre Bedeutung zukommt, denn sie betrifft lediglich eine mögliche unerwünschte Komplikation auf dem Weg zum eigentlichen Behandlungsziel.
Allein die Ergebnisse zum Indikator „Beweglichkeit“ belegen sodann zur Überzeugung des Senats, dass von keinem besonderen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität die Rede sein kann. Umgekehrt hätte der Beklagte angesichts der Ergebnisse zu diesem Indikator gerade von der Einführung einer Mindestmenge zwingend absehen müssen:
Hier fand sich nämlich kein geradliniger, sondern ein U-förmiger Kurvenverlauf mit Qualitätsverschlechterung bei sehr hohen Fallzahlen. Bis zu einer bestimmten Fallzahl sank die Risikokurve, während sie dann wieder erheblich anstieg. Hieraus schlussfolgerte das IQWiG (Bericht Seite 33), dass – ausgehend von dem gefundenen Risikoverlauf und dem starken Anstieg ab einer Fallzahl von etwa 500 – eher eine Kombination einer Mindest- mit einer Maximalmenge sinnvoll sei. Jedenfalls hätte auf dieser Grundlage aber zur Überzeugung des Senats keine Mindestmenge eingeführt werden dürfen, denn das vom IQWiG formulierte Ergebnis verdeutlicht, dass es unter Geltung der Mindestmenge – gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG – zu einem willkürlichen Ausschluss von Leistungserbringern kommt, die nur geringe Fallzahlen aufweisen können. Es ist nämlich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt sachgerecht, eine Gruppe von Leistungserbringern dem Leistungsverbot zu unterwerfen, während eine andere Gruppe von Leistungserbringern weiter tätig sein darf, obwohl dort das Qualitätsrisiko „Unbeweglichkeit“ gleich hoch oder sogar höher ist.
Hätte der Beklagte sich schon allein durch dieses Ergebnis von der Einführung der Mindestmengenregelung abhalten lassen müssen, ergibt sich nichts anderes bei Betrachtung des Indikators „Wundinfektion“. Von einem evidenz-basierten Nachweis höherer Ergebnisqualität bei höherer Leistungsmenge kann hier nach den vom IQWiG gewonnen Ergebnissen keine Rede sein. Die gefundene monoton fallende Beziehung zwischen Infektionsrisiko und Fallzahl sei zu flach gewesen, so dass ein Schwellenwert nicht habe abgeleitet werden können. „Damit stellt die eingeführte Mindestmenge von 50 keine Maßnahme dar, für die aus den BQS-Daten bezüglich des Qualitätsindikators Wundinfektion mit populationsbezogener Sichtweise eine klinisch relevante Qualitätsverbesserung abzuleiten ist“ (Bericht Seite 41).
Insgesamt interpretiert der Senat die Ausführungen des IQWiG dahin, dass jegliche klare und bejahende Aussage in Bezug auf einen besonderen Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge fehlt. Die Ausführungen des IQWiG sind vorsichtig und fordern – was unmittelbar einleuchtet – eine kontrollierte Interventionsstudie, um überhaupt verlässliche Aussagen treffen zu können.
(cc) Dieses Verständnis des Abschlussberichts des IQWiG vom 5. Dezember 2005 deckt sich mit dessen eigener Interpretation. In seiner Pressemitteilung vom 6. Februar 2006 („Mindestmengen für Knie-TEP sind aus verfügbaren Routinedaten nicht ableitbar“) führt es zwar aus, ein – im Sinne des Gesetzes nicht genügender – statistischer Zusammenhang zwischen Menge und Ergebnisqualität sei nachweisbar. Schwellenwerte für Mindestmengen ließen sich daraus aber nicht ableiten. Die Daten hätten zu geringe Aussagekraft, die Ergebnisse seien widersprüchlich. Höhere Mindestmengen seien möglicherweise für den Indikator „Infektion“ geeignet, aber nicht zu empfehlen für den Indikator „Beweglichkeit“.
(dd) Dass der Abschlussbericht des IQWiG vom 5. Dezember 2005 nicht geeignet ist, um eine besondere Relation zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge zu begründen, ergibt sich aus einem Weiteren: Die für das IQWiG in diesem Zusammenhang tätig gewordenen Wissenschaftler Sch, G und B haben sich 2007 in einem Aufsatz in Der Orthopäde (Heft 6, Seite 570) dazu geäußert, ob Mindestmengen für Knie-TEP anhand von Routinedaten errechnet werden können und hierbei ihre Analysen im Rahmen des IQWiG-Auftrages weiter interpretiert. Erneut wiesen sie auf den U-förmigen Verlauf des Graphen für die Funktion Beweglichkeit/Fallzahl und auf die sehr flach und monoton fallende Beziehung zwischen Infektionsrisiko und Fallzahl hin. Eine Gewichtung der beiden Indikatoren unter einander ergebe aber eine größere Wichtigkeit der Beweglichkeit, da diese eines der wesentlichen Ziele des Eingriffs überhaupt sei, während die Infektion eher eine möglichst zu vermeidende Komplikation darstelle. Während der U-förmige Verlauf der Kurve in Bezug auf den Faktor der Beweglichkeit keine Schlussfolgerungen auf einen Schwellenwert zulasse, ergebe sich für das Risiko einer Infektion Folgendes: Verwende man zur Definition von Low- und High-Volume-Krankenhäusern die eingeführte Mindestmenge von 50 pro Jahr, so errechne sich theoretisch, dass unter 1.460 Knie-TEP-Patienten ein Fall von Wundinfektion aufgrund der Behandlung in einem Low-Volume-Krankenhaus (mit weniger als 50 Knie-TEP pro Jahr) zu erwarten wäre, entsprechend also ein Patient bei 1.460 Knie-TEP von der Mindestmengenregelung von 50 pro Jahr profitieren würde. Aus diesem Zahlenverhältnis schlussfolgert der Senat aufs Neue, dass kein besonderer Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Behandlungsqualität besteht, sondern nur eine schwache statistische Beziehung. Dass ein Patient von 1.460 unter Geltung der streitigen Mindestmenge gegebenenfalls keine Komplikation in Gestalt einer Infektion erfährt, mag zwar ein Akt der Qualitätssicherung sein, ist statistisch aber so stark zu vernachlässigen, dass in Bezug auf den Indikator „Infektionsrisiko“ nicht ansatzweise davon die Rede sein kann, dass die Leistungsqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängt; die messbare Risikoreduktion erscheint vernachlässigenswert.
(b) Andere wissenschaftliche Belege für einen besonderen Zusammenhang zwischen Ergebnisqualität und Leistungsmenge sind nicht ersichtlich.
(aa) Dies gilt insbesondere für den „Abschlussbericht zur Begleitforschung zur Einführung von Mindestmengen gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V für den Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 30. November 2007“, erstellt im Auftrage des Beklagten unter Federführung von Prof. Dr. M. G am Klinikum der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dieser Bericht hat im vorliegenden Zusammenhang von vornherein wenig Relevanz, weil er sehr allgemein gehalten ist und die Problematik der Knie-TEP nicht spezifisch in den Blick nimmt. Zudem zitiert der Bericht mehrfach den o.g. Abschlussbericht des IQWiG als Quelle und erarbeitet keine neuen Ergebnisse; insbesondere basiert auch er auf Daten der BQS. Dementsprechend sind die Formulierungen fast deckungsgleich mit denen des IQWiG. Aufgrund problematischer Datenlage in Bezug auf den Indikator „Beweglichkeit“ beschränkt sich der Bericht von G u.a. auf die Datenlage zu den Faktoren „Wundinfektionsrate“ und „Wundhämatom/Nachblutung“. Es bestehe ein „Trend“ dahin, dass die Mindestmengenregelung insoweit zu einer Verbesserung geführt habe, aber kein statistisch belegbarer Zusammenhang. Erst recht sei die Bestimmung eines genauen „Cut-off-points“ angesichts methodischer Probleme und heterogener Datenlage nicht möglich.
(bb) Nichts anderes ergibt sich auch aus der vom Beklagten als maßgeblich angesehenen „Sonderauswertung Knie-Totalendoprothesen (TEP): Untersuchung auf Abhängigkeit von Fallzahl und Qualität der Leistung“ der BQS vom 9. August 2004. Hierauf hat der Beklagte sich bei seinen Mindestmengenbeschlüssen insbesondere gestützt, hierauf bezieht er auch ausdrücklich sein Vorbringen im Prozess und meint, einen Beleg für den besonderen Zusammenhang von Menge und Qualität erkennen zu können. Insgesamt kann dieser „Auswertung“ nur wesentlich weniger Gewicht zukommen als dem IQWiG-Bericht vom Dezember 2005, denn das IQWiG hat – wie ausgeführt – besondere Sachkunde und hat diese gerade in Auswertung von Daten der BQS eingesetzt. Auch für den Beklagten hätte daher die Einschätzung des IQWiG entscheidend sein müssen. Unabhängig davon ist die „Auswertung“ der BQS im Detail auch nicht ansatzweise geeignet, die vom Beklagten gezogenen Schlussfolgerungen zu stützen und als wissenschaftlicher Beleg für den – im Sinne des Gesetzes – besonderen Zusammenhang von Menge und Qualität zu gelten; der Beklagte selbst hat im Dezember 2004 die Notwendigkeit gesehen, das IQWiG zu beauftragen, auf der Grundlage der BQS-Daten weiter gehende Aussagen zu Mindestmengen im Bereich der Knie-TEP zu treffen. Das schlichte Datenmaterial in der „Auswertung“ der BQS vom August 2004 konnte dabei allenfalls als Ausgangspunkt dienen, denn es enthält nur eine statistische Assoziation aus Routinedaten und beruht nicht auf evidenz-basierter Methode (vgl. hierzu ausdrücklich Abschlussbericht des IQWiG vom 5. Dezember 2005, S. 44 oben).
3. Ob der Beklagte sein Ermessen als Normgeber in Bezug auf die Gestaltung der Mindestmenge beanstandungsfrei ausgeübt hat, kann danach offen bleiben, denn es fehlt bereits an den gerichtlich voll überprüfbaren Tatbestandsvoraussetzungen für die Einführung der Mindestmenge, so dass das Tor für eine gestalterische Entscheidung verschlossen blieb.
E. Nach alledem musste die Klage Erfolg haben. Der sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebende Anspruch der Klägerin auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebietet es, dem Urteil nicht nur Wirkung „inter partes“, sondern Wirkung „interomnes b“ beizumessen. Die Entscheidung ist allgemein verbindlich. Der Beklagte hat die Entscheidungsformel ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen war.
Der Entscheidung nur „interpartes“ - Wirkung zukommen zu lassen, würde für die obsiegende Klägerin – im Lichte und orientiert an den sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Maßstäben – zu keinem hinreichenden Rechtsschutz führen. Denn die Rechtskraft des Urteils wirkte dann, wie im Regelfall (§ 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG), nur zwischen den Beteiligten, mithin zwischen der Klägerin und dem Gemeinsamen Bundesausschuss. Die Krankenkassen wären nicht an die Entscheidung gebunden. Zwar hätte der Senat die – theoretische – Möglichkeit gehabt, die Rechtskraft durch Beiladungen aller deutschen Krankenkassen auf diese zu erstrecken. Hiervon hat der Senat jedoch abgesehen, da schon der Kreis gesetzlicher Krankenkassen zu groß ist und sich das berechtigte Interesse der Klägerin an einer Bindungswirkung der Entscheidung auch nicht auf diesen Kreis beschränkt. So besteht durchaus auch ein nachvollziehbares Interesse daran, dass einweisende Ärzte (wie auch Versicherte und Landesplanungsbehörden) sicher davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin nicht dem Leistungserbringungsverbot aus § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB unterliegt und Versicherte auf Kosten der Krankenkassen auch im Bereich der Knie-TEP versorgen darf. Zur Überzeugung des Senats ist daher ein über die Unanwendbarkeit der Norm im konkreten Einzelfall hinausgehendes Ungültigkeitsurteil aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, weil der einzelnen Rechtsverletzung ohne umfassenden Ausspruch wirksam nicht begegnet werden könnte (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann in Maunz, Dürig u.a., Grundgesetz, Rdnr. 74 zu Art. 19 Abs. 4 GG).
Hinzu kommt: Die Normenkontrolle erfolgt im vorliegenden Verfahren nicht nur inzident, sondern allgemein und „prinzipal“, was der Rechtsklarheit, der Vereinfachung und der Bündelung des Rechtsschutzes dient und nicht zuletzt auch im Interesse des Beklagten liegt. Typisch für diese Art der Normenkontrolle ist gerade die Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung, wie sie sich auch in § 55a Abs. 5 Satz 2, 2. Halbs. SGG, § 47 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbs. VwGO oder § 31 BVerfGG manifestiert (vgl. Schmidt-Aßmann, a.a.O., Rdnr. 75). Zwar dürften die drei genannten Vorschriften insoweit aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht analogiefähig sein (so Schmidt-Aßmann, a.a.O., Rdnr. 291). So wie der Senat aber schon im Rahmen seines Beschlusses vom 26. Januar 2011 (L 7 KA 79/10 KL ER, Perinatalzentren, zitiert nach juris, dort Rdnr. 65) unmittelbar auf Art. 19 Abs. 4 GG zurückgegriffen hat, um die vorläufige Außervollzugsetzung einer Mindestmengenregelung zu ermöglichen, verfolgt er diesen Ansatz aus den genannten Gründen auch im Bereich der Breitenwirkung seiner Entscheidung weiter. Weil das Sozialgerichtsgesetz – wie erörtert – im Bereich der Normenkontrolle insuffizient ist, ergänzt der Senat das Prozessrecht unmittelbar auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Erwägungen: Effektiver Rechtsschutz ist im Bereich der prinzipalen Normenkontrolle nur gewährleistet, wenn der Entscheidung interomnes Wirkung zukommt.
F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der Senat lässt die Revision zu, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung