17.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120148
Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 01.08.2011 – 4 U 197/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 U 197/09
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts Bamberg vom 24.06.2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 68.831,93 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz aus übergegangenem Recht als Unfallversicherung der in der Nervenklinik der Beklagten am 29.10.2004 gestürzten (und später verstorbenen) E..
Die Patientin wurde am 14.10.2004 nach einem Schlaganfall in die Klinik der Beklagten eingeliefert worden. Die Arztseite ordnete Bettgitter und Fixierung an. Die Patientin wurde nach dem Sturz wegen einer Hirnblutung notoperiert und verstarb am 28.03.2005.
1.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 68.831,93 € gerichteten Klage nach Beweisaufnahme (Sachverständigengutachten Prof. Dr. A. / Vernehmung der Mutter der Patientin und der Krankenschwester) dem Grunde nach stattgegeben (§§ 611 ff., 280 Abs. 1, 278 BGB, 116 SGB X). Es hat eine Obhutspflichtverletzung (Verweis auf OLGR Düsseldorf 2004, 3629 etc.) des Personals der Beklagten darin gesehen, dass trotz des vom Sachverständigen festgestellten multimorbiden Zustandes der Patientin keine notwendige Sicherung erfolgt war (S. 6 oben) und das Bettgitter entfernt worden sei, ohne dass andere Überwachungsmaßnahmen getroffen worden seien (UA 7 oben).
Das fehlende Einverständnis der Patientin könne die Beklagte nicht entlasten. Sie habe bis zu einer entsprechenden Anordnung des Betreuungsrichters (das Betreuungsverfahren war vor dem Sturz schon eingeleitet) andere Maßnahmen (Überwachung) ergreifen müssen. Den Nachweis nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB habe die Beklagte nicht geführt. Der Anspruch sei auf die Klägerin übergegangen; eine private Verrichtung sei nicht bewiesen.
2.
Ziel der Berufung der Beklagten ist die Abweisung der Klage.
Das Anbringen eines Bettgitters und die Fixierung seien freiheitsentziehende Maßnahmen, denen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten vorgehe. Deshalb habe die Beklagten ihre Pflichten nicht verletzt. Eine richterliche Sicherungsanordnung habe nicht vorgelegen und auch so schnell nicht beschafft werden können. Zur Fixierung und Überwachung (UA 6) sei im Schriftsatz vom 20.10.2008 (Bl. 110 ff.) Stellung genommen worden, der Einzelrichter habe sich damit nicht befasst.
In diesem Schriftsatz ist im Wesentlichen vorgetragen, das Krankenhaus habe die in Betracht kommenden Maßnahmen (Sedierung / ständige Überwachung / Fixierung) nicht leisten dürfen bzw. nicht leisten können. Der Zustand der Patientin habe sich gebessert gehabt, sie sei ruhig und nicht mehr verwirrt gewesen. Deshalb habe die Schwester deren Willen achten dürfen (BGH MedR 2005, 721 = BGH III ZR 391/04). Die Patientin sei bis dahin nicht gestürzt gewesen. Zudem habe die Maßnahme dauerhaft getroffen werden müssen und sei deshalb vom Vormundschaftsgericht zu genehmigen gewesen (BGH VersR 2005, 984 = III ZR 399/04). Sodann befasst sich die Beklagte mit den denkbaren Maßnahmen und hält diese für ungeeignet oder nicht zu leisten. Der Erstgutachter habe konkrete Umstände übersehen: Eine aktuelle Sturzgefahr sei nicht gegeben bzw. nicht erkennbar gewesen, der Unfallhergang nicht geklärt und die Patientin nicht verwirrt gewesen (Zeugin B., Schadensmeldung K 1). Es habe keine zwingende Notwendigkeit zur Fixierung bestanden. Eine ständige Überwachung sei nicht realisierbar gewesen und kein Standard. Ein voll beherrschbares Risiko habe nicht vorgelegen. Ersatzansprüche beständen im Übrigen schon deshalb nicht, weil kein Arbeitsunfall ("private Verrichtung" - Klageerwiderung S. 6, Bl. 25 d.A.) vorgelegen und kein Forderungsübergang stattgefunden habe. Jedenfalls sei die Anhörung des Sachverständigen geboten.
3. Die Klägerin erwidert:
a. Ihre Aktivlegitimation sei gegeben. Die Patientin habe einen Versicherungsfall der Gesetzlichen Unfallversicherung erlitten (§8 Abs. 1 SGB VII). Er sei durch unanfechtbaren Veraltungsakt vom 22.07.2005 durch Zuerkennung von Sterbegeld (§ 63 Abs. 1, S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB VII) anerkannt worden (Anlagen K 6, K 9). Der Versicherungsfall sei bindend nach § 118 SGB X gegeben; er belaste den Schädiger nicht (OLG Hamm r + s 99, 418; Konradi NZS 2009, 478). Die Entscheidungen BGH VI ZR 274/01 und BGH VI ZR 208/08 stünden nicht entgegen. Es bestehe nicht die Gefahr doppelter Inanspruchnahme für die Beklagte, so dass die Bindungswirkung nicht in Frage gestellt werden könne (BGH VI ZR 208/08). Vorliegend dürfe die Krankenversicherung nicht leisten (§ 11 Abs. 5 SGB V), auch andere Sozialleistungsträger nicht ("Alles aus einer Hand"-Prinzip). Ausnahmen lägen nicht vor (umfangreiche Literaturverweise zur Bindungswirkung; BGH VersR 2009, 995).
b. Das Landgericht habe keinen Rechtsfehler begangen: Die Anhörung des Sachverständigen sei nicht geboten gewesen, da die Beklagte im Schriftsatz vom 20.10.2008 lediglich die Rechtslage abweichend beurteilt habe. Das Landgericht habe eine Pflichtverletzung zutreffend festgestellt,
die Geschädigte habe sich in einem multimorbiden Zustand (insb. Sturzgefahr) befunden. Wegen der Sturzgefahr sei MARCUMAR abgesetzt worden. Die Schwester habe das ärztlich angeordnete Gitter am Bett eigenmächtig entfernt. Eine Besserung des Zustandes und der Wunsch nach Gitterentfernung seien nicht bewiesen, jedenfalls aus den Behandlungsunterlagen nicht ersichtlich. Die primäre Pflichtverletzung der Beklagten liege in der unbefugten Entfernung des Bettgitters (ärztlicher Aufgabenbereich). Nach Entfernung des Bettgitters hätten jedenfalls andere Maßnahmen ergriffen werden müssen.
4. Der Senat hat zunächst das in erster Instanz erstellte Gutachten ergänzen lassen, die Ergänzung aber für nicht ausreichend befunden und deshalb ein neues Gutachten erstellen lassen (Gutachten von Prof. Dr. R. vom 05.04.2011, Bl. 278 - 305 d.A.).
Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 04.05.11 (Bl. 311 ff. d.A.) Stellung bezogen und u.a. die Zeugen B. und Prof. Dr. C. benannt und Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 20.10.08 (Bl. 110 ff. d.A.). Der Senat hat darauf am 21.07.2011 einen Hinweis erteilt, wonach die Ausführungen der Beklagten weder zur Anhörung des Sachverständigen, noch zur Vernehmung der benannten Zeugen zwängen. Der Sachverständige habe die Aussage der Zeugin B. berücksichtigt (GA S. 13, Bl. 290 d.A.) und sei selbst von einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes der Patientin ausgegangen. Er habe jedoch das unverändert bestehende Sturzrisiko wegen der festgestellten Gleichgewichtsstörungen nach Auswertung der Pflegeberichte eindeutig bejaht (Gutachten S. 4, 7, 11, 12, 13, 14, 16, 23, 24). Die für die Zeugen formulierten Beweisthemen im genannten Schriftsatz der Beklagten könnten als wahr unterstellt werden. Im Übrigen trage die Beklagte (auch im Schriftsatz vom 20.10.2008) im Zusammenhang mit Entscheidungen des BGH (III ZR 399/04 = VersR 05, 984 / III ZR 391/04 = MedR 05, 721 - jeweils eine Heimunterbringung betreffend) zu Rechtsfragen vor, die zu entscheiden seien. Die Anhörung des Sachverständigen hat die Beklagte nicht beantragt.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das Landgericht (Einzelrichter) hat die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unter Benennung der einschlägigen Anspruchsnormen zu Recht bejaht.
1.
Die Klägerin ist nach ihren zutreffenden, unter Ziffer I/3a dargestellten Ausführungen aktiv legitimiert. Die Beklagte hat die von der Klägerin dargelegte Bindungswirkung des unanfechtbaren Verwaltungsaktes vom 22.07.2005 nicht in Frage gestellt. Zur weiteren Begründung kann auf die Ausführungen der Klägerin und die von ihr zitierten Entscheidungen Bezug genommen werden.
2.
Zu Recht hat das Landgericht die Verletzung einer Obhutspflicht angenommen, weil die Beklagte die Patientin nicht durch geeignete Maßnahmen gegen einen Sturz aus dem Krankenbett nach Aufstehen gesichert hat.
Die vom BGH - allerdings bezogen auf eine Unterbringung im Pflegeheim - in den von der Beklagten zitierten Entscheidungen aufgestellten Anforderungen (BGH III ZR 399/04 / BGH III ZR 391/04) sind gegeben.
a.
Danach kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden, welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines alten und kranken Menschen zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen (BGH III ZR 399/04, RN 8 zu Beginn nach der Zitierung bei JURIS; hierzu allgemein: Martis/Winkart, Arzthaftungsrecht, 3. Auflage 2010, unter RN S 500 ff., S. 986 ff.).
Anders also dort befand sich vorliegend die Patientin in einer konkreten Gefahrensituation, die gesteigerte Obhutspflichten auslöste (vgl. hierzu Martis/Winkart, a.a.O., RN S 503).
Wegen der vom Sachverständigen (wie schon vom Vorgutachter) eindeutig zu bejahende Sturzgefahr (Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. S. 4, 7, 11, 12, 13, 14, 16, 23, 24), der die Ärzte der Beklagten auch durch die grundsätzliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (vgl. die Hinweise in den Pflegeberichten, Anlage K 3, auf "Sturzgefahr" und die Anweisung "Bettgitter") und die Absetzung vom MARCUMAR (Gutachten S. 4 unten) gerecht geworden sind, durfte das Bettgitter am Unfalltag nicht ersatzlos heruntergeklappt werden. Vielmehr hätte stattdessen - gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem zuständigen Arzt - eine andere Sicherung erfolgen müssen. Es durfte nicht riskiert werden, dass die Patientin aufsteht und stürzt.
Anders als in dem vom BGH a.a.O. entschiedenen Fall ging es vorliegend nicht um den normalen, alltäglichen Gefahrenbereich, der grundsätzlich in der eigenverantwortlichen Risikosphäre der Patientin verblieb, sondern es war nach Entfernen des Bettgitters durch die Zeugin B. ein "Sicherheitsvakuum" entstanden, das angemessen und nach den gegebenen Möglichkeiten beseitigt werden musste.
Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. R. eindeutig bekundet (Fallneigung nach vorne, S. 4 des Gutachtens / Fixierung wegen der Pflegeberichte erforderlich, S. 9, 10, 11, 12 / Erkennbarkeit für das Personal, S. 14 / keine Befugnis des Personals, die ärztliche Anordnung zu missachten, S. 23 unten / kein Absehen von jeglichen Schutzmaßnahmen zulässig, S. 24).
Auch die Zeugin D. hat den (schlechten) Gesundheitszustand ihrer Mutter anschaulich geschildert (Protokoll vom 28.05.2008, S. 2-4) und u.a. angegeben, dass ihr bei den Besuchen an den Tagen vor dem Sturz mitgeteilt worden sei, dass "Hand- und Bauchfixierung" notwendig sei (S.4) und die Sicherungsmaßnahmen "eigentlich immer" (S. 2, 4) und "zur eigenen Sicherheit meiner Mutter" (S. 4) angewandt worden seien.
b.
Die Zeugin B. durfte sich nicht darauf verlassen, dass sich der Gesundheitszustand der Patientin aus ihrer Sicht gebessert hatte (die Richtigkeit dieser Behauptung der Beklagten wird als wahr unterstellt). Denn die Beurteilung insbesondere der Sturzgefahr oblag dem Arzt. Dieser hatte auch darüber zu entscheiden, ob die angeordnete Sicherung verbleiben soll oder durch eine andere zu ersetzen ist. Dies hat die Zeugin selbst vor dem Einzelrichter des Landgerichts so bekundet (Protokoll vom 28.05.2008, S. 7 Mitte, Bl. 44 d.A.). Sie hat dann angemerkt, das Pflegepersonal würde den Ärzten im Verlauf des Aufenthalts des Patienten empfehlen, ob das Gitter bleiben solle oder nicht. Im Streitfall hat die Schwester das Gitter aber offensichtlich aus eigenem Entschluss heruntergeklappt, ohne dies mit einem Arzt zu besprechen und dessen Entscheidung auf ihre entsprechende Empfehlung hin abzuwarten.
Der Sachverständige hat festgestellt, dass den Pflegeberichten keine grundsätzliche Änderung der Sturzneigung der Patientin zu entnehmen sei und eine Krankenschwester dies auch aus medizinisch-ärztlicher Sicht nicht beurteilen könne (Gutachten S. 23, Bl. 300 d.A.). Bei der Koordinationsstörung müssten immer auch die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen beurteilt werden, die (in gewissen Grenzen) prognostische Aussagen zuließen, die nur der Arzt (und nicht das Pflegepersonal) treffen dürfe (a.a.O.). Maßgebend sei dabei die körperliche Beeinträchtigung, nicht die (vom Personal in gewisser Weise erkennbare) psychische (Gutachten S. 16, Bl. 293 d.A.). Auch die Angaben der Tochter der Patientin (Zeugin D.) sprechen im Übrigen eindeutig für die Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen.
c.
Es mag zutreffen, dass eine engmaschige Betreuung (insb. eine Stuhlwache) der Beklagten im Rahmen ihrer personellen Ausstattung nicht möglich gewesen ist. Die entsprechende, in das Wissen des Zeugen Prof. Dr. C. gestellte Behauptung der Beklagten wird als wahr unterstellt. Dies darf aber nicht dazu führen, dass eine sturzgefährdete Patientin ungesichert bleibt. Die Beklagte hätte jedenfalls dann auf die (durchaus problematische) Fixierung oder eine ähnliche, von ihr zu leistende Maßnahme zurückgreifen müssen.
d.
Wegen der konkreten Gefährdung war eine solche Maßnahme auch unter Berücksichtigung ihres freiheitsentziehenden Charakters zunächst zum Schutz des Patienten (Gedanke des § 34 StGB - Notstand) kurzfristig erlaubt, zumal ein Betreuungsverfahren bereits eingeleitet war (Angaben der Zeugin D., S. 4 oben des Protokolls vom 28.05.2008).
Jedenfalls hätte für die Beklagte auch die Möglichkeit bestanden, im Rahmen des bereits laufenden Betreuungsverfahrens auf eine kurzfristige Entscheidung des Betreuungsrichters hinzuwirken, weil bereits - jedenfalls über die Tochter der Patientin - eine Kontaktmöglichkeit bestand. Anders als in dem vom BGH a.a.O. entschiedenen Fall (vgl. dort RN 11 in der Zitierung bei JURIS) bestand nach den Ausführungen beider Sachverständiger wegen des Zustandes der Patientin im konkreten Streitfall für die Beklagte hinreichender Anlass, von sich aus auf eine derartige Entscheidung des Vormundschaftsgerichts hinzuwirken, ohne selbst erst ein Verfahren in Gang bringen zu müssen (vgl. hierzu Martis/Winkart, a.a.O., RN S 505).
e.
Soweit die Beklagte Zweifel an der Wirksamkeit und Geeignetheit einer Fixierung geäußert hat (Panik / Schlaganfall / notwendige Mobilisierung etc.), hat der Sachverständige ausgeführt, es komme auf die Art der Verwendung an (Gutachten S. 20, Bl 297 d.A.), wobei die Fixierung allerdings immer nur die "zweitbeste Lösung" (nach engmaschiger visueller Kontrolle, die vorliegend nicht zu leisten war) sei (Gutachten S. 22 oben, Bl. 299 d.A.). Eine Mobilisierung konnte schon wegen des Zustandes der Patientin ohnehin nur in Anwesenheit von Pflegekräften (nach Entfernen einer Fixierung) erfolgen.
Die Problematik der Fixierung als unterbringungsähnliche Maßnahme (vgl. hierzu die Darstellung in http://wiki.btprax.de/Unterbringungsähnliche-Maßnahme mit einer umfangreichen Weiterverweisung auf Bücher, Zeitschriften, wissenschaftliche Untersuchungen und weblinks) wurde bedacht.
Die Fixierung birgt - je nach Anwendung - nicht zu verkennende und von der Beklagten zu Recht angesprochene Risiken und Nachteile (vgl. hierzu ausführlich und instruktiv die Dissertation von Doris Bredthauer / Münster aus 2002 unter http://vts.uni-ulm.de/docs/2003/3001/vts-3001.pdf). Diese können aber durch eine sachgerechte Anwendung oder aber durch Erarbeitung von Alternativen (vgl. z.B. a.a.O., S. 158 - 160) verringert werden, was allerdings entsprechende Vorüberlegungen und Maßnahmen der jeweiligen Klinik voraussetzt.
Im Streitfall ist trotz der bekannten Problematik dem Schutzbedürfnis des Patienten vor Stürzen Vorrang einzuräumen.
f.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im Vergleich zu dem vom BGH im Verfahren III ZR 399/04 entschiedenen Fall, bei dem die Klage letztlich keinen Erfolg hatte, folgende wesentlichen Unterschiede bestehen, die zu der Beurteilung führen, dass das Landgericht im Streitfall der Klage zu Recht dem Grunde nach stattgegeben hat :
Die Patientin stürzte nicht im Pflegeheim, sondern im Krankenhaus im Rahmen eines stationäreren Aufenthalts. Die Anforderungen an eine Sturzprophylaxe in dieser Situation sind gegenüber einem Aufenthalt im Pflegeheim leicht erhöht.
Nach den erstellten Sachverständigengutachten war die Patientin eindeutig und akut sturzgefährdet. Deshalb hatte die Arztseite auch das Medikament MARCUMAR abgesetzt.
Die hierfür allein zuständige Arztseite hatte wegen der Sturzgefährdung bereits eine Sicherung angeordnet, die auch während des stationären Aufenthalts der Patientin ausgeführt, jedoch am Sturztag ohne Rücksprache mit einem Arzt beseitigt wurde.
Ein Betreuungsverfahren (Folge: leichtere Kontaktaufnahme) war bereits eingeleitet. Der Betreuungsrichter hat die Patientin (nach dem Sturz am gleichen Tag) angehört und eine Betreuung angeordnet.
III.
Über die Höhe (Sachvortrag in der Klage auf S. 5/6 mit Anlagen K 5 und K 6 / Bestreiten in der Klageantwort unter Ziffer II, S. 6) hat das Landgericht zu entscheiden.
Eine ausdrückliche Zurückverweisung (und auch ein Zurückverweisungsantrag) ist hierfür nicht erforderlich, weil kein Antrag nach § 304 Abs. 2 ZPO gestellt wurde und keine der Parteien eine Entscheidung des Berufungsgericht zur Höhe gewünscht hat (vgl. zur Problematik: Musielak, ZPO, 8. Auflage 2011, § 538, RN 5 unter Verweis auf BGH NJW-RR 2004, 1637; vgl. dort insb. RN 27). Im Berufungsverfahren ist nur über den Grund gestritten worden.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 (Kosten) und 708 Nr. 11, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit). Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).