29.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141291
Sozialgericht Nürnberg: Urteil vom 13.02.2014 – S 1 KA 7/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SG Nürnberg, 13.02.2014 - S 1 KA 7/13
Tenor:
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 18.03.2013 (Beschluss: 07.02.2013; Az.: ) wird aufgehoben.
II.
Der Kläger wird mit einer hälftigen Zulassung als Vertragsarzt für den Fachbereich Pathologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
III.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Klägers.
IV.
Der Streitwert wird auf 208.056,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Zulassung des Klägers zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag als Pathologe für die A-Straße in A-Stadt.
Der am 23.08.1963 Kläger ist Pathologe und Chefarzt am Universitätsklinikum A-Stadt. Mit Formantrag vom 31.10.2011 - eingegangen beim Zulassungsausschuss für Ärzte - Mittelfranken - (ZA) - am 10.11.2011, beantragte er die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag als Pathologe für die A-Straße in A-Stadt.
Die Arztgruppe der Pathologen unterlag zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht der Bedarfsplanung.
Das Universitätsklinikum A-Stadt genehmigte ihm als Dienstherr in der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 28.10.2011 eine vertragsärztliche Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag für einen Stundenumfang von maximal 14 Wochenstunden.
Mit Bescheid vom 26.11.2012 (Beschluss: 19.09.2012) lehnte der ZA den Antrag des Klägers ab.
Aufgrund der vorgelegten Dienstverträge gehe man davon aus, dass der Kläger eine Vollzeittätigkeit an der Universität und am Universitätsklinikum A-Stadt ausübe. Dieser vollzeitige Lehrauftrag und die Chefarztfunktion stünden nach Auffassung des ZA der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit - auch bei hälftigem Versorgungsauftrag - entgegen (§ 20 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte = Ärzte-ZV). Neben der Wahrnehmung eines hälftigen Versorgungsauftrages sei eine Beschäftigung "in Vollzeit" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R) ausgeschlossen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Neufassung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG). Auch wenn ein in Beamtenverhältnis stehender Hochschullehrer seine Arbeitszeit frei einteilen könne, habe er grundsätzlich seine Arbeitskraft dem Dienstherren in vollem Umfange zur Verfügung zu stellen (§ 36 Satz 1 Beamtenrechtsrahmengesetz = BRRG). Der Umstand, dass er in der sog. vorlesungsfreien Zeit möglicherweise in der Lage sei, ganztägig eine vertragsärztliche Leistung zu erbringen, rechtfertige keine andere Beurteilung. Der Behandlungsbedarf der Versicherten erfordere das kontinuierliche zur Verfügungstehen des Vertragsarztes.
Die Nebentätigkeitsgenehmigung des Universitätsklinikums A-Stadt betrage darüber hinaus lediglich 14 Wochenstunden. Der Gesetzgeber gehe bei einer Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag aber grundsätzlich von einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden Arbeitszeit aus. Der ZA sie deshalb der Meinung, dass der Kläger wegen der anderweitigen Tätigkeiten den Versicherten nicht in einem dem Versorgungsauftrag entsprechendem Umfang persönlich zur Verfügung stehe. Der zeitliche Umfang, für den der Zulassungsbewerber regelmäßig zur Verfügung stehe, dürfe nicht aus Gründen, die außerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung lägen, von vorneherein eingeschränkt sein.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 20.12.2012 Widerspruch ein.
Der ZA habe die besondere Stellung der Pathologie als nicht patientenorientiertes Fach, den gesetzgeberischen Willen zur Förderung ambulanter und stationärer Kooperationen und die Präsenz von Vertragsärzten nach geltendem Recht und BSG-Rechtsprechung rechtlich falsch gewürdigt.
Er beabsichtige, die schon bisher im Rahmen seiner Ermächtigung erbrachten molekularpathologischen Leistungen zukünftig in einer Teilgemeinschaftspraxis mit niedergelassenen Pathologen einzubringen, um so den steigenden Anforderungen der Versorgung Rechnung zu tragen. Eine solche Teilgemeinschaftspraxis sei nicht mit ermächtigten Ärzten eingehbar, so dass der Kläger zur Realisierung des Konzeptes auf die Teilniederlassung angewiesen sei. Auch in der sog. Pathologen-Entscheidung aus dem Jahre 1997 habe das BSG das Fachgebiet der für Pathologie grundlegend andere zeitliche Maßstäbe für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugrunde gelegt.
Die Neufassung des § 20 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV stünde dem ebenfalls nicht entgegen, da der Gesetzgeber erkennbar die Hindernisse einer Tätigkeit sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich habe weiter abbauen wollen. Maßstab sei vielmehr allein, dass der Vertragsarzt den Patienten im Umfang des Versorgungsauftrages zur Verfügung stehe. Auf starre Sprechstundenzeiten komme es nicht mehr an. Ferner sei zu berücksichtigen, dass seit dem 01.01.2012 die starren Zeitgrenzen des BSG nicht mehr gelten würden.
Der Berufungsausschuss für Ärzte - Bayern - (BA) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2013 (Beschluss: 07.02.2013; Az.: ) als unbegründet zurück.
Der vollzeitige Lehrauftrag und die Chefarzttätigkeit am Universitätsklinikum A-Stadt stünden der Eignung des Klägers für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit hälftigem Versorgungsauftrag gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV entgegen.
Zu den Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV gehörten auch Tätigkeiten in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (BSG, Beschluss vom 11.12.2002 - B 6 KA 61/02 B).
Nach der Rechtsprechung des BSG (im Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R, Randnr. 19 und 24) sei neben der Zulassung als Vertragsarzt mit hälftigem Versorgungsauftrag eine Vollzeitbeschäftigung, wie vorliegend, ausgeschlossen. Die Tatsache, dass der Kläger als Hochschullehrer seine Arbeitszeit möglicherweise freier einteilen könne, führe zu keiner anderen Beurteilung. Bei einer Vollzeitbeschäftigung im Rahmen eines beamtenrechtlichen Dienstverhältnisses werde unwiderleglich vermutet, dass der Arzt durch die ihm in seinem Dienstverhältnis obliegenden Pflichten so in Anspruch genommen werde, dass daneben eine vertragsärztliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden könne (BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 61/02 B). Auch ein Beamter habe nach § 36 BRRG grundsätzlich seine volle Arbeitszeit dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen.
Ein Zulassungsbewerber für eine vertragsärztliche Tätigkeit müsse ebenfalls seine gesamte Arbeitskraft für die Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung einsetzen und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches regelmäßig durch die üblichen Sprechzeiten für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen und in den Grenzen der Zumutbarkeit und Üblichkeit auch für Notfallbehandlungen und für andere wichtige Fälle außerhalb der Sprechzeiten tätig sein können.
§ 17 Abs. 1 a BMV-Ä bzw. § 13 Abs. 7 a Satz 3 EKV-Ä legten fest, dass der sich aus der Zulassung ergebende Versorgungsauftrag dadurch zu erfüllen ist, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz persönlich im Umfang von wöchentlich 20 Stunden in Form von Sprechstunden zur Verfügung steht und für den halben Versorgungsauftrag im Unfang von 10 Stunden. Ferner habe das BSG in seinem Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R, Randnr. 19 und 24 ausgeführt, dass der Zeitaufwand des Vertragsarztes neben den Sprechstunden auch die notwendige Zeit für eine Bereitschaft außerhalb der Sprechstunden und den Notdienst umfasse.
Zwar habe der Gesetzgeber durch die Neufassung des GKV-VStG die durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebenen starren Zeitgrenzen lockern wollen. Jedoch seien Tätigkeiten, die, wie vorliegend, den Vertragsarzt rechtlich verpflichteten, deutlich unter dem Umfang persönlich zur Verfügung zu stehen, der seinen Versorgungsauftrag entspricht, auch mit der aktuellen Rechtslage nicht zu vereinbaren.
Dagegen hat der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 05.04.2013 Klage zum Sozialgericht (SG) München erheben lassen, die mit Beschluss des SG B-Stadt vom 24.04.2013 - S 38 KA 331/13 an das SG Nürnberg verwiesen wurde.
Das BSG habe in seiner Pathologenentscheidung aus dem Jahre 1997 bereits festgestellt, dass f ür die Pathologie grundlegend andere zeitliche Maßstäbe für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gelten als für andere Fachgebiete. Aufgrund der Neufassung des § 20 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV seien zwar die bisherigen Urteile des BSG nur eingeschränkt heranziehbar, da der Gesetzgeber erkennbar die Hindernisse einer Tätigkeit sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich weiter abbauen wollte. Danach könnten die starren Zeitgrenzen des BSG nicht mehr gelten. Maßstab sei vielmehr allein, dass der Vertragsarzt dem Patienten im Umfang des Versorgungsauftrages zur Verfügung stehe, wobei es auf starre Sprechstundenzeiten nicht mehr ankomme. Von dieser Regelung, die für Vertragsärzte mit Patientenkontakt gelte, würde jedoch das Fachgebiet der Pathologie nicht erfasst. Der Kläger nehme als Pathologe weder während der Krankenhaustätigkeit noch als Vertragsarzt an der unmittelbaren Behandlung der Versicherten teil. Er habe ohne jeden persönlichen Kontakt zu den Patienten das ihm von den behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellte morphologische Untersuchungsgut zu beurteilen. Vertragsärztlich äußere sich dies darin, dass er gemäß § 13 Abs. 4 BMV-Ä ausschließlich auf Überweisung tätig werde. Entgegen der allgemeinen Verpflichtung aus § 17 BMV-Ä sei er gerade nicht zur Durchführung von Sprechstunden und Besuchen gehalten.
In der Anlage legte der Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung zur Ausübung der molekularpathologischen Praxis am Universitätsklinikum A-Stadt vom 06.08.2013 vor, in dem ihm entsprechend den von der Beigeladenen zu 1) vorgegebenen Zeitvorgaben zur vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen einer 50%igen Zulassung eine Nebentätigkeit genehmigt wurde. In dem erläuternden Schreiben vom 08.08.2013 war dazu ausgeführt, dass die Erweiterung des Umfanges der Nebentätigkeitsgenehmigung für den Kläger in diesem speziellen Fall möglich sei, weil in der Pathologie als nicht patientengebundenem Fachgebiet Proben aus dem ambulanten vertragsärztlichen, dem stationären und wissenschaftlichen Bereich flexibel nach den organisatorischen Anforderungen auch zeitlich bearbeitet werden können.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten in dem Ablehnungsbescheid vom 18.03.2013 wird dem Antrag des Klägers stattgegeben und dieser mit einer hälftigen Zulassung als Vertragsarzt für den Fachbereich Pathologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Entscheidungsgründe des Bescheides vom 18.03.2013 (Beschluss: 07.02.2013; Az.: ).
Mit Beschluss des SG B-Stadt vom 11.04.2013 wurde die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, die AOK Bayern, der Landesverband der Betriebskrankenkassen in Bayern, die IKK classic, die SVLFG Landwirtschaftliche Krankenkasse/Pflegekasse, der Verband der Ersatzkassen e. V. und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Trägerin der Krankenversicherung zu dem Verfahren beigeladen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat jedoch ausgeführt, dass durch die Neufassung des § 20 Ärzte-ZV infolge des GKV-VStG auch die Entscheidung des BSG vom 05.11.1997 - 6 RKa 52/97 obsolet geworden sei. Im Übrigen habe das BSG in diesem Urteil die Geeignetheit des Revisionsführers nur deshalb bejaht, weil die Arztgruppe der Pathologen nicht der Bedarfsplanung unterliege und der damalige Revisionsführer durch seine Beschäftigung als Chefarzt nur unter 20 Wochenstunden gebunden war. Der Kläger müsse hingegen seine Tätigkeit als Chefarzt und verbeamteter Hochschullehrer in vollem Umfange ausüben. Darüber hinaus sei auch die Fachgruppe der Pathologen zwischenzeitlich in die Bedarfsplanung aufgenommen worden. Auch für einen hälftigen Versorgungsauftrag müssten solche Bewerber ausgeschlossen werden, die erkennbar die Zulassung als bloße Option auf eine weitere Erwerbstätigkeit anstrebten, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen aber daran gehindert seien, in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung zu stehen. Selbst wenn dem Kläger mit der Nebentätigkeitsgenehmigung eine Tätigkeit "zur vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen einer 50%igen Zulassung" erteilt worden sei, ändere dies nichts an der klaren Aussage des BSG. Bei einer derart großzügigen Auslegung einer Nebentätigkeitsgenehmigung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Universitätsklinik A-Stadt eine rechtswidrige Nebentätigkeitsgenehmigung erteilen wollte. § 9 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Hochschullehrernebentätigkeitsverordnung (BayHSchLNV) bestimme, dass eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen durch eine Nebentätigkeit in der Regel dann zu besorgen sei, wenn diese den zeitlichen Umfang der Dienstaufgaben an durchschnittlich einem individuellen Arbeitstag wöchentlich übersteige. Es könne somit weder der Nebentätigkeitsgenehmigung entnommen werden, dass eine vertragsärztliche Tätigkeit von 20 Stunden pro Woche damit genehmigt worden sei, noch sei ausgeschlossen, dass neben einer vollzeitigen Beschäftigung ein hälftiger Versorgungsauftrag in der vertragsärztlichen Versorgung vom Kläger wahrgenommen werden könne.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Nürnberg vom 13.02.2014 hat der Kläger auf Befragen erklärt, dass er bereit sei, auch Notfalldienste und Vertretungen zu übernehmen.
Der Vertreter der Beigeladenen zu 1) hat erklärt, dass aufgrund der Übergangsregelung und des Zeitpunktes der Antragstellung des Klägers die Arztgruppe der Pathologen bei der Antragstellung nicht der Bedarfsplanung unterlag und somit Zulassungsbeschränkungen hier nicht bestehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Prozessakte des SG Nürnberg, insbesondere auf das Vorbringen der Beteiligten in den eingereichten Schriftsätzen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§§ 90, 92, 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz = SGG) zum sachlich und örtlich zuständigen SG Nürnberg (§§ 51 Abs. 1 Nr. 5, 57 a Abs. 1, 10 Abs. 2 SGG i. V. m. § 3 Abs. 2 der Verordnung über die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit in Bayern - BayRS-33-A -) erhobene Anfechtungs -und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist zulässig. Gegenstand der Klage in der streitbefangenen Zulassungssache ist dabei nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt des ZA vom 26.11.2012 (Beschluss: 19.09.2012), sondern allein der Bescheid des Beklagten vom 18.03.2013 (Beschluss: 07.02.2013, Az.: ), denn mit der Anrufung des BA nach § 96 Abs. 4 SGB V wird ein besonderes, der organisatorischen Eigenständigkeit des Zulassungs- und Berufungsausschusses entsprechendes Verfahren eingeleitet, das nicht mit dem Widerspruchsverfahren nach den §§ 83 ff. SGG identisch ist (vgl. dazu in SozR 1500, § 96 Nr. 32, Seite 42; BSGE 62, 24, 32 [BSG 02.06.1987 - 6 RKa 23/86]; BSG vom 27.01.1993 - 6 RKa 40/91). Das SG Nürnberg hat deshalb über die Zulassungssache in der Gestalt zu entscheiden, die sie im Bescheid des Beklagten gefunden hat.
In der Sache erweist sich die Klage auch als begründet, denn der Kläger hat Anspruch auf Zulassung als Pathologe mit einem hälftigen Versorgungsauftrag am Vertragsarztsitz A-Straße, A-Stadt.
Die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 18 Ärzte-ZV vorliegen, für den Planungsbereich und die Arztgruppe keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und keine Hinderungsgründe nach den §§ 20, 21 Ärzte-ZV entgegenstehen.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Voraussetzungen des § 18 Ärzte-ZV hier vorliegen. Auch stehen Zulassungsbeschränkungen der Zulassung des Klägers nicht entgegen, denn aufgrund des Zeitpunktes seiner Antragstellung und der Übergangsregelung für Pathologen (Moratorium) unterlag diese Arztgruppe damals nicht der Bedarfsplanung.
Auch § 20 Absätze 1 und 2 Ärzte-ZV stehen einer Zulassung des Klägers nicht entgegen.
Nach § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV steht ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche Tätigkeit der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegen, wenn der Arzt unter Berücksichtigung der Dauer und zeitlichen Lage der anderweitigen Tätigkeit nicht den Versicherten nicht in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechend Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV bestimmt, dass für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ein Arzt nicht geeignet ist, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) oder einer Rehabilitationseinrichtung nach § 111 SGB V ist mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar.
Nach der amtlichen Begründung der mit Wirkung vom 01.01.2012 neu gefassten Bestimmung des § 20 Ärzte-ZV soll die Neufassung eine weitere Flexibilisierung der vertragsärztlichen Berufsausübung bewirken und zu einer Lockerung der zeitlichen Grenzen für Nebenbeschäftigungen von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten führen. Die vom BSG aufgestellten starren Zeitgrenzen für den Umfang einer Nebentätigkeit stehen nach dem Willen des Gesetzgebers einer den jeweiligen Umständen des Einzelfalles angemessenen und flexiblen Anwendung der Regelung entgegen. Durch die Neufassung werde deshalb klargestellt, dass es für die Zulässigkeit von weiteren Tätigkeiten neben einer vertragsärztlichen Tätigkeit maßgeblich darauf ankommt, dass die Vertragsärztin bzw. der Vertragsarzt trotz der Arbeitszeiten in der Lage ist, den Patientinnen und Patienten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen und Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten.
Da der Gesetzgeber nun in § 20 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV - zur besseren Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung - die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus mit der Tätigkeit des Vertragsarztes für vereinbar erklärt hat, ist die Rechtsprechung des BSG, wonach die Einbindung eines Krankenhausarztes und die stationäre Versorgung von Patienten im Einzugsbereich des Krankenhauses einer Zulassung entgegensteht, obsolet geworden (vgl. Schallen, Kommentar zur Ärzte-ZV, 8. Auflage § 20 Randnr. 12). Die Tätigkeit des Klägers im Universitätsklinikum der Universität A-Stadt steht somit einer Tätigkeit als Vertragsarzt grundsätzlich nicht entgegen.
Nicht anwendbar ist nach Auffassung des erkennenden Gerichtes hier aber auch das Urteil des BSG vom 13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R, Randnr. 19 und 24, wonach neben der Zulassung als Vertragsarzt mit hälftigem Versorgungsauftrag eine Vollzeitbeschäftigung ausgeschlossen ist. Zwar übt der Kläger eine Tätigkeit als Hochschullehrer und Chefarzt am Universitätsklinikum der Universität A-Stadt aus, doch ist zu berücksichtigen, dass er eine Zulassung im Fachgebiet Pathologie begehrt.
Die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom13.10.2010 - B 6 KA 40/09 R bezog sich auf die Zulassung eines psychologischen Psychotherapeuten, also ein ärztliches Fachgebiet, das von der Gesprächstherapie geprägt ist. Der Kläger nimmt dagegen als Pathologe weder während seiner Krankenhaustätigkeit noch als Vertragsarzt an der unmittelbaren Behandlung der Versicherten teil. Er hat ohne jeden persönlichen Kontakt zu den Patientinnen und Patienten das ihm von den behandelnden Ärzten zur Verfügung gestellte morphologische Untersuchungsgut zu beurteilen und wird gemäß § 13 Abs. 4 BMV-Ä ausschließlich auf Überweisung tätig, so dass er - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht der allgemeinen Verpflichtung aus § 17 BMV-Ä zur Durchführung von Sprechstunden und Besuchen unterliegt. Insofern ist das Urteil des BSG vom 05.11.1997 - 6 RKa 52/97 (= sog. Pathologen-Urteil) zwar zu einer anderen Rechtslage ergangen. Die Besonderheiten des Fachgebietes Pathologie sind jedoch aus medizinischer und vertragsärztlicher Sicht seit 1997 keine anderen geworden. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1) ist deshalb das Pathologen-Urteil des BSG aus medizinischer Sicht nicht obsolet, auch wenn sich die juristischen Bestimmungen geändert haben.
Nach der amtlichen Begründung der Neufassung des § 20 Abs. 1 und 2 Ärzte-ZV kommt es vielmehr maßgeblich darauf an, dass die Vertragsärztin bzw. der Vertragsarzt trotz der Arbeitszeiten in der Lage ist, den Patientinnen und Patienten in einem vom Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen. Sprechstunden müssen Ärzte jedenfalls als Pathologen in der vertragsärztlichen Versorgung nicht anbieten. Die Überlegungen der Beigeladenen zu 1) zu § 17 Abs. 1 a BMV-Ä und § 13 Abs. 7 a Satz 3 EKV-Ä stehen deshalb dem "zur Verfügung-Stehen im üblichen Umfang" von Pathologen in der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegen.
Darüber hinaus verfügt der Kläger über eine unbefristete Nebentätigkeitsgenehmigung vom 06.08.2013, die ihm eine Nebentätigkeit entsprechend den Zeitvorgaben zur vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen einer 50%igen Zulassung gewährt. Dem Gericht liegen hierzu keine Erkenntnisse darüber vor, dass diese Nebentätigkeitsgenehmigung nicht bestandskräftig ist. Das SG Nürnberg teilt auch nicht die vom Beklagten und der Beigeladenen zu 1) erhobenen Zweifel gegen die erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung vom 06.08.2013. Aus der Fassung der Nebentätigkeitsgenehmigung und dem beigefügten Schreiben des Dienstherren des Klägers geht vielmehr eindeutig hervor, dass ihm die Nebentätigkeit einer vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen einer 50%igen Zulassung genehmigt wird. Daraus ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichtes, dass der Dienstherr des Klägers diesen von seinen dienstrechtlichen Pflichten insoweit freizustellen bereit ist, soweit dies für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit für einen hälftigen Versorgungsauftrag erforderlich ist. Die von dem Beigeladenen zu 1) hierzu geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Bestimmungen des Bayerischen Beamtenrechtes können vom SG Nürnberg nicht überprüft werden, da diesem insoweit die Zuständigkeit fehlt. Das Gericht hat vielmehr allein das Bestehen einer Nebentätigkeitsgenehmigung durch den Dienstherrn in diesem Umfang zu berücksichtigen und davon auszugehen, dass für den Kläger eine rechts- und bestandskräftige sowie unbefristete Nebentätigkeitsgenehmigung für den angestrebten hälftigen Versorgungsauftrag vorliegt.
Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger unter den gegebenen Bedingungen in der Lage ist, den Patientinnen und Patienten in einem vom Versorgungsauftrag für das Fachgebiet Pathologie entsprechenden Umfang zur Verfügung zu stehen.
Die Klage musste deshalb Erfolg haben.
Gehören in einem Rechtstreit - wie im vorliegenden Fall - weder der Kläger noch der Beklagte zu den § 183 SGG genannten Personen, werden nach § 197 a SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind dabei entsprechend anzuwenden. Im vorliegenden Fall waren dem Beklagten als dem unterliegenden Teil die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Bezüglich des Streitwertes in Zulassungssachen finden nach § 197 a Abs. 1 SGG ebenfalls die Vorschriften des GKG Anwendung. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert nach der für den Kläger sich ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei ist der Streitwert in der Regel in Höhe der Einnahme anzusetzen, die der Kläger innerhalb der nächsten drei Jahre erzielen kann (vgl. BSG vom 01.09.2005 - B 6 KA 41/01 R-), wobei die erzielten Einkünfte um die durchschnittlichen Praxiskosten zu vermindern sind (vgl. BSG vom 07.01.1998 in MDR 1998, Seite 186). Kann nicht auf eigene Umsatzzahlen des Klägers zurückgegriffen werden, ist auf den durchschnittlichen Umsatz abzustellen. Nach der Umsatzstatistik für Pathologen erzielten diese im Jahre 2012 - neuere Zahlen liegen der Kammer nicht vor - durchschnittliche Honorarumsätze in Höhe von 277.408,00 Euro. Abzüglich der durchschnittlichen Betriebskosten in Höhe von 50 % (also in Höhe von 138.704,00 Euro) errechnet sich ein Einnahmeüberschuss in Höhe von 138.704,00 Euro. Bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren ergibt sich damit ein Betrag von 416.112,00 Euro. Da im vorliegenden Rechtsstreit lediglich ein hälftiger Versorgungsauftrag streitig war, ist die Hälfte dieses Wertes, also 208.056,00 Euro als Streitwert festzusetzen.