26.03.2015 · IWW-Abrufnummer 144130
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 18.02.2014 – 26 U 152/13
Die operative Versorgung einer Schultereckgelenksprengung ist grob behandlungsfehlerhaft, wenn die Bohrung für die einzubringende Schraube zu nahe am Gelenk liegt und der Operateur diesen Umstand nicht erkennt, weil er die gebotene intraoperative Bildgebung zur Überprüfung der Bohrung unterlässt.
Oberlandesgericht Hamm
26 U 152/13
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. August 2013 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 8.000 € nebst 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Oktober 2011 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 02. Mai. 2010 bis 07. Mai 2010 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht aus einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 1.275,68 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Oktober 2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
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I.
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Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen ( § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ).Ergänzend wird auf das Vorbringen der Parteien in den zweitinstanzlichen Schriftsätzen verwiesen.
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Der Senat hat den Kläger nochmals angehört und den Sachverständigen Prof. Dr. L erneut sein Gutachten erläutern lassen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 18. Februar 2014 verwiesen.
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II.
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Die Berufung des Klägers ist begründet.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen dem Kläger ein Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz materieller und weiterer nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden gemäß §§ 280 Abs.1, 823, 31, 253 Abs. 2 BGB zu, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen ein grober Befunderhebungsfehler vorliegt.
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Der Sachverständige hat bei seiner erneuten Anhörung bestätigt, dass sich bei einem postoperativen Röntgenbild ein fehlerhafter Schraubensitz herausgestellt hat, da das Gewinde mit der Schraube zu nahe am Gelenk gelegen hat. Eine solche Lage hat man nicht tolerieren dürfen, insbesondere nicht bei einem jungen Menschen.
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Nach seinen Ausführungen sei dieser Positionsfehler, der bei der Bohrung zunächst auch einem erfahrenen Chirurgen passieren könne, aber zu vermeiden gewesen, wenn man intraoperativ die notwendige und ausreichende Überprüfung durch eine Bildgebung in zwei Ebenen vorgenommen hätte. Diese sei nicht erfolgt, da die vorgenommene Bildgebung dazu nicht geeignet sei. Sie bilde keine zwei Ebenen ab, vielmehr handele es sich lediglich um zwei Aufnahmen aus zwei unterschiedlichen Winkeln, die zu dicht beieinander lagen. Nach seinen Angaben sei es mehr als mutig und stelle eine reine Selbstüberschätzung dar, wenn ein Operateur sich lediglich auf seine eigenen Augen und seine Erfahrung verlasse und auf eine ordnungsgemäße Überprüfung verzichte, die hier dazu hätte führen müssen, entweder eine erneute Bohrung vorzunehmen oder auf ein anderes Verfahren umzuschwenken. Insoweit konnte der Sachverständige auch nicht ausschließen, dass dem Kläger eine erneute Operation erspart worden wäre. Er hat dies vielmehr als durchaus vorhandene Chance gesehen, was im Fall eines groben Fehlers für eine Haftung aufgrund der Umkehr der Beweislast beim Kausalitätsnachweis ausreichend ist.
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Der Senat hält den Betrag von 8.000 € für das Erleiden der Revisionsoperation für angemessen, aber auch ausreichend, zumal es sich um eine jungen und sportlichen Mann handelt, dessen Genesung durch den Ausriss und die Zweitoperation verzögert wurde.
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Angesichts des vorliegenden Behandlungsfehlers und des Umstandes, dass weitergehende Schäden bei einem Gesundheitsschaden niemals ausgeschlossen sind, ist auch der Feststellungsantrag zulässig und aus den vorgenannten Gründen begründet.
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Der weitergehende materielle Zahlungsanspruch ist hingegen nicht begründet; denn der Sachverständige hat ausgeführt, dass eine solch schwere Verletzung in jedem Fall weitergehende Mobilisierungsmaßnahmen erforderlich gemacht hätte.
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Die vorgerichtlichen Kosten sind gemäß §§ 280 Abs. 1, 823, 31 BGB i.V.m. den Vorschriften des RVG begründet.
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Die Zinsansprüche ergeben sich aufgrund des Mahnschreibens mit Fristsetzung zum 19.Oktober 2011 aus §§ 286,288 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, weil die Zuvielforderung geringfügig ist und keine weiteren Kosten verursacht hat.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.