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  • 19.12.2013 · IWW-Abrufnummer 134038

    Oberlandesgericht München: Urteil vom 22.08.2013 – 1 U 204/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG München

    1 U 204/12

    In dem Rechtsstreit
    ...- Kläger und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:Rechtsanwälte ...
    gegen
    1) ...- Beklagter und Berufungsbeklagter -
    2) ...
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:Rechtsanwälte ...
    Streithelfer zu 1 und 2:...
    Prozessbevollmächtigte:Rechtsanwälte ...
    wegen Schadensersatzes
    erlässt das Oberlandesgericht München -1. Zivilsenat- durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2013 folgendes
    Endurteil:
    Tenor:

    I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.11.2011 wird zurückgewiesen.
    II.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dort angefallenen Kosten des Streithelfers.
    III.

    Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern der Vollstreckende nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Der Kläger nimmt die Beklagten aus Arzthaftung in Anspruch.

    Der am 25.10.1957 geborene Kläger stürzte am 20.05.2008 in seiner Wohnung und verletzte sich am Knie. Deshalb suchte er noch am selben Tag die Praxis des Beklagten zu 1) auf. Der beim Beklagten zu 1) beschäftigte frühere Beklagte zu 2) Dr. H. untersuchte den Kläger klinisch, röntgte das Knie und riet an, ein MRT fertigen zu lassen.

    Nach Durchführung dieser Untersuchung beim Streithelfer sprach der Kläger am 23.05.2008 erneut bei Dr. H. vor. Der Kläger brachte Ausdrucke der MRT-Aufnahmen und die schriftliche Beurteilung des Streithelfers vom 21.05.2008 (Anlagenkonvolut K 3) mit. Dort hat der Streithelfer u.a. ausgeführt: "Beurteilung: Distension und Anriss des medialen Kollateralbandes, sowie der Quadrizepssehne." Tatsächlich war auf den vom Streithelfer gefertigten MRT-Aufnahmen vom 21.05.2008 bei fachgerechter Beurteilung ein (operationspflichtiger) Komplettabriss der Quadrizepssehne zu sehen. Dr. H. verließ sich, ohne die MRT-Ausdrucke in Augenschein zu nehmen, auf die schriftliche radiologische Beurteilung eines Anrisses der Quadrizepssehne und behandelte die Verletzung in der Folgezeit konservativ. Nach dem 12.06.2008 war der Kläger nicht mehr bei der beklagten Partei in Behandlung.

    Anfang August 2008 wurde bei einer anderweitigen erneuten MRT-Untersuchung der komplette Abriss der Quadrizepssehne festgestellt.

    Erst durch im Berufungsverfahren erholte Sachverständigengutachten wurde den Prozessparteien bekannt, dass bereits die MRT-Aufnahmen vom 21.05.2008 einen Komplettabriss der Quadrizepssehne zeigen.

    Im ersten Rechtszug hat der Kläger - auf der Basis seines damaligen Kenntnisstandes, dass zunächst nur ein Teilabriss der Quadrizepssehne vorgelegen habe - Dr. H. zur Last gelegt, dass dieser ihm, was zum späteren Komplettabriss geführt habe, keine Orthese (Hilfsmittel zur Stabilisierung, Entlastung und Ruhigstellung des verletzten Knies) verordnet bzw. empfohlen habe. Außerdem habe Dr. H. dem Kläger eine Operation empfehlen müssen.

    Der Kläger hat beantragt:

    1.

    Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld aufgrund des Behandlungsfehlers im Zeitraum vom 20.05.2008 bis 19.06.2008, mindestens aber 10.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2010 zu bezahlen.
    2.

    Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 24.985 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2010 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.341,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2010 zu bezahlen.
    3.

    Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger in der Zukunft aufgrund des Behandlungsfehlers im Zeitraum vom 21.05.2008 bis 12.06.2008 noch entstehen wird, sofern die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

    Die Beklagten haben im ersten Rechtszug beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie haben behauptet, dass dem Kläger von Anfang an eine Schonung des verletzten Beins angeraten worden sei. Am 28.05.2008 sei dem Kläger auch eine Donjoy-Schiene empfohlen worden. Der Kläger habe deren Benutzung jedoch abgelehnt.

    Das Landgericht hat die Parteien angehört und die Zeuginnen Gr., Ga. und Gal. vernommen sowie ein orthopädisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. erholt.

    Mit Urteil vom 28.11.2011, der Klägervertreterin zugstellt am 14.12.2011, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht München I die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 13.01.2012 eingegangene und nach Fristverlängerung am 14.03.2012 begründete Berufung des Klägers.

    Der Kläger brachte in der Berufungsinstanz zunächst weiterhin vor, dass Dr. H. grob behandlungsfehlerhaft keine Empfehlung zum Tragen einer Orthese ausgesprochen habe. Dr. H. habe den Kläger auch auf die Gefahr hinweisen müssen, dass, wenn keine Orthese getragen werde, die Gefahr eines Komplettabrisses der Sehne bestehe.

    Nachdem sich im Berufungsverfahren herausgestellt hatte, dass bereits am 21.05.2008 ein Komplettabriss der Sehne vorlag, bringt der Kläger vor, dass sich Dr. H. nicht auf den schriftlichen Befund des Streithelfers hätte verlassen dürfen, sondern vielmehr selbst die vom Kläger mitgebrachten Ausdrucke der vom Streithelfer gefertigten MRT-Aufnahmen hätte in Augenschein nehmen müssen. Hätte er dies getan, hätte er feststellen müssen, dass ein operationspflichtiger Komplettabriss der Quadrizepssehne vorliegt. Damit habe Dr. H. verschuldet, dass es nicht zeitnah zum Unfall zu einer Operation gekommen ist. Eine zeitnahe Operation hätte zur Ausheilung der Verletzung geführt. Demgegenüber müsse der Kläger nunmehr mit einem schadhaften Knie leben.

    Der Kläger beantragt:

    1.

    Das Endurteil des Landgerichts München I vom 28.11.2011, Az. 9 O 16057/10, zugestellt am 14.12.2011, wird aufgehoben.
    2.

    Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gesetztes Schmerzensgeld aufgrund des Behandlungsfehlers im Zeitraum vom 20.05.2008 bis 12.06.2008, mindestens aber 10.000 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2010 zu bezahlen.
    3.

    Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 24.985 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.07.2010 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.341,92 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.07.2010 zu bezahlen.
    4.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger in der Zukunft aufgrund des Behandlungsfehlers im Zeitraum vom 20.05.2008 bis 12.06.2008 noch entstehen wird, sofern die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

    Hilfsweise stellt der Kläger Zurückverweisungsantrag nach § 538 ZPO.

    Die Beklagten und der Streitverkündete beantragen,

    die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

    Die Beklagten haben zunächst geltend gemacht, dass Dr. H. dem Kläger am 23. und 28.05.2008 dringend empfohlen habe, eine Donjoy-Schiene zu tragen, was der Kläger jedoch als ihn zu sehr einschränkend abgelehnt habe.

    Im Übrigen habe sich Dr. H. mangels eigener diesbezüglicher Kompetenz im Sinne der horizontalen Arbeitsteilung zwischen an der Behandlung beteiligten Ärzten verschiedener Fachgebiete auf die Einschätzung des Streithelfers, dass die MRT-Aufnahmen nur einen Teilabriss der Quadrizepssehne zeigten, verlassen dürfen.

    Der Streitverkündete vertritt die Auffassung, dass die von ihm am 21.05.2008 gefertigten MRT-Aufnahmen nur eine Teilruptur der Quadrizepssehne auswiesen.

    Im Übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze des Klägers vom 14.03. und 12.11.2012 sowie vom 24.01., 19.02., 28.03., 21.06. und 18.03.2013, auf die Schriftsätze der Beklagten vom 30.04., 14.06., 09.11. und 19.11.2012 sowie vom 06.03. und 23.05.2013 und auf die Schriftsätze des Streithelfers vom 28.01. und 05.06.2013 verwiesen.

    Der frühere Beklagte zu 2) Dr. H. ist am 13.01.2012 verstorben. Er wurde von der nunmehrigen Beklagten zu 2) Barbara He. als Alleinerbin beerbt.

    Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 09.11.2012 Dr. B. den Streit verkündet. Dieser ist mit Schriftsatz vom 21.01.2013 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Mit Schriftsatz vom 28.03.2013, zugestellt am 11.04.2013, hat der Kläger Dr. B. den Streit verkündet.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Berufung ist unbegründet.

    I.

    1. Es ist zwischen Kläger und Beklagten unstreitig und aufgrund der einhelligen Bewertung der MRT-Aufnahmen des Streitverkündeten vom 21.05.2008 durch die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. M. auch bewiesen, dass diese einen Komplettabriss der Quadrizepssehne ausweisen.

    Des Weiteren haben beide Sachverständige den Befund übereinstimmend als operationspflichtig eingestuft.

    2. Mit einem unmittelbar unfallverursachten Komplettabriss der Quadrizepssehne erledigen sich die vom Kläger in der Berufung den Beklagten zunächst zur Last gelegten Behandlungsmängel.

    Das Vorbringen des Klägers, Dr. H. habe es versäumt, ihm eine Orthese zu verordnen und ihn auch nicht darüber aufgeklärt, dass das Nichttragen einer Orthese mit dem Risiko eines Komplettabrisses der Quadrizepssehne verbunden sei, fußt darauf, dass es Dr. H. damit versäumt habe, zu verhindern, dass die Sehne während der von ihm durchgeführten konservativen Behandlung vollständig durchreißt. Da die Quadrizepssehne jedoch schon zu Beginn der Behandlung komplett durchgerissen war, würde es, was diese Behandlungsmängel anbetrifft, jedenfalls an der Schadensursächlichkeit fehlen.

    Soweit der Kläger erstinstanzlich vorgebracht hatte, dass auch der (zunächst angenommene) Teilabriss der Quadrizepssehne operationspflichtig gewesen sei und nicht konservativ hätte behandelt werden dürfen, hat er diese Auffassung, wohl in Anbetracht der abweichenden (überzeugenden) erstinstanzlichen Einschätzung durch den Sachverständige Prof. Dr. K., in der Berufung nicht mehr aufrecht erhalten.

    3. Entgegen der Einschätzung der Berufung durfte sich Dr. H. auf den schriftlichen Befund des Radiologen, dass die von diesem gefertigten MRT-Aufnahmen (nur) eine Teilruptur der Quadrizepssehne zeigen, verlassen.

    Damit hatte Dr. H. auch keinen Anlass, mit dem Kläger die Frage einer Operation der Verletzung zu besprechen. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat nur für den Fall eines vollständigen Durchrisses beziehungsweise bei circa 90 prozentigem Abriss der Quadrizepssehne verlangt, dass der behandelnde Orthopäde mit dem Patienten die Option einer Operation bespricht. Ein derartiger Befund war durch den schriftlichen radiologischen Befund - "Distension und Anriss" - aber ausgeschlossen.

    a. In der Heilkunde hat sich mit der beträchtlichen Zunahme des ärztlichen Wissens eine Vielzahl von Spezialisierungen in Form der diversen Facharztrichtungen herausgebildet. Dies wurde erforderlich, weil ein einzelner Arzt schon lange nicht mehr das gesamte medizinische Wissen überblicken geschweige denn beherrschen und anwenden kann. Demzufolge muss, kann und darf sich ein Arzt auf die Feststellungen und Befunde verlassen, die ein anderer Arzt, zu dem er den Patienten überwiesen hat, auf einem dem Überweisenden fremden Facharztgebiet getroffen hat.

    b. Dies gilt entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. K. auch im Verhältnis des behandelnden Orthopäden zum Radiologen. Der Streithelfer ist Facharzt für diagnostische Radiologie, dessen spezifische fachärztliche Kompetenz darin besteht, bildgebende Befunde zu erstellen und auszuwerten. Dem Facharzt für Orthopädie fehlt dagegen (häufig) diese Kompetenz.

    c. Prof. Dr. Müller hat dargelegt, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem Dr. H. Facharzt für Orthopädie wurde, das MRT noch kein flächendeckend eingesetztes diagnostisches Verfahren war und somit zu diesem Zeitpunkt diesbezügliche Kenntnisse für die Verleihung des Facharztes keine Bedeutung hatten.

    Allerdings besteht für den Arzt in einem so wissensdynamischen Fach wie der Medizin die Pflicht zur kontinuierlichen Weiterbildung und Anpassung an den aktuellen Wissensstand. Es ist jedoch festzustellen, wie Prof. Dr. M. ebenfalls detailliert erläutert hat, dass die Weiterbildungsordnung vom Orthopäden auch heutzutage keine Kenntnisse zur Magnetresonanztomografie fordert. Vielmehr bietet die Weiterbildungsordnung, was ebenfalls zeigt, dass derartige Kenntnisse dem Facharzt für Orthopädie nicht abverlangt werden, eine zweijährige Zusatzweiterbildung Magnetresonanztomografie mit abschließender Prüfung an, welche auf den Facharzt aufgesetzt wird. Erst mit dem Erwerb dieser Zusatzqualifikation eröffnet sich dem Orthopäden die Möglichkeit, eine solche Tätigkeit der Krankenkasse des Patienten in Rechnung zu stellen. Folglich fällt, wie von Prof. Dr. M. überzeugend dargelegt, die Befundung von MRT-Bildern, solange dieser nicht die vorgenannte Zusatzqualifikation erworben hat, nicht in das Fachgebiet des Orthopäden. Bestätigt wird dies auch dadurch, dass, wie von Prof. Dr. M. erläutert, nur ein Orthopäde mit dieser Zusatzqualifikation die Auswertung von MRT-Aufnahmen auch abrechnen kann. Es erscheint als wenig schlüssig, dem Orthopäden von Rechts wegen anspruchsvolle Fertigkeiten aus einem fremden Fachgebiet abzuverlangen, die nicht einmal vergütungsfähig sind. Die Verantwortlichkeit des Orthopäden für die angemessene und richtige Therapie ändert entgegen der Einschätzung von Prof. Dr. K. nichts daran, dass sich der Orthopäde im Sinne der horizontalen ärztlichen Arbeitsteilung auf die Arbeitsergebnisse anderer Ärzte (hier des Radiologen) aus deren Facharztgebiet verlassen kann und darf. Die Entscheidungskompetenz des behandelnden Facharztes über die einzuschlagende Therapie liegt vielmehr gerade in der Natur der Arbeitsteilung zwischen diagnostischer Radiologie und dem Fachgebiet, in das der vom Radiologen festgestellte Befund fällt. Prof. Dr. M. hat auch instruktiv darauf hingewiesen, dass sich der Orthopäde bei seiner Therapieentscheidung auch anderweitig (Laborbefunde) auf Arbeitsergebnisse anderer Fachärzte verlassen muss, kann und darf.

    Der Senat verkennt nicht, dass eine Vielzahl jüngerer Fachärzte für sich in Anspruch nimmt, MRT-Aufnahmen, jedenfalls auf ihrem Spezialgebiet, auch ohne zertifizierte Zusatzqualifikation kompetent auswerten zu können und deshalb, wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. K. und Prof. Dr. M. in ihrer eigenen ärztlichen Praxis, die schriftlichen Ergebnisse des Radiologen durch eigene Nachschau überprüft. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das ärztliche Berufsrecht eine derartige Fertigkeit dem Facharzt für Orthopädie nach wie vor nicht abverlangt. Im Übrigen verträgt sich der Anspruch von Nichtradiologen, MRT-Aufnahmen letztlich auf facharzt- oder facharztnahem Niveau auswerten zu können, nicht so ohne weiteres damit, dass der Facharzt für radiologische Diagnostik rechtlich und tatsächlich institutionalisiert ist.

    d. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat dargelegt, dass es zwar für einen in der Beurteilung von MRT-Bildern des Kniegelenks erfahrenen Orthopäden relativ einfach gewesen wäre, die komplette Ruptur der Quadrizepssehne auf den MRT-Aufnahmen vom 21.05.2008 zu erkennen. Für einen Orthopäden, der wie Dr. H. mit der Befundung von MRT-Bildern keine Erfahrung hat, war es nach der Einschätzung von Prof. M. aber schwierig bzw. nicht möglich, die richtige Diagnose zu treffen.

    e. Der Orthopäde muss den schriftlichen radiologischen Befund nur dann hinterfragen und in geeigneter Weise verifizieren lassen, wenn sich dieser mit den von ihm erhobenen klinischen Befunden nicht oder nur erheblich eingeschränkt vereinbaren lässt. Es bestehen jedoch, wie Prof. Dr. M. dargelegt hat, keine Anhaltspunkte dafür, dass dies hier der Fall war. Erst recht hat der Kläger keine derartigen Umstände behauptet und bewiesen.

    f. Soweit Prof. Dr. K. verlangt, dass Dr. H. zur Überprüfung des schriftlichen radiologischen Befundes eine spezifische klinische Untersuchung (Abtasten der Quadrizepssehne) nebst einer sonographischen Untersuchung der Sehne hätte vornehmen müssen, lässt Prof. Dr. K., wie Prof. Dr. M. erläutert hat, außer Acht, dass es nicht schlüssig ist - die Magnetresonanztomografie ist die Untersuchungsmethode mit der höchsten Spezifität für die Beurteilung der Knieverletzung des Klägers - einen Befund, der auf diesem Verfahren mit der höchsten Spezifität beruht, durch weniger aussagekräftige (oder in Teilbereichen allenfalls gleichwertige) Verfahren verifizieren zu wollen. Die von Prof. Dr. K. geforderten Untersuchungen wären deshalb möglicherweise dann rechtlich geboten gewesen, wenn der klinische Befund in Widerspruch zum schriftlichen radiologischen Befund gestanden hätte.

    Prof. Dr. M. hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass auch die sichtbare Einblutung in das Oberhauptgewebe des Knies des Klägers den schriftlichen radiologischen Befund, weil auch ein Teilabriss der Sehne zu einer von außen sichtbaren Einblutung führen kann, nicht in Frage gestellt hat.

    4. Ein Obergutachten war nicht zu erholen. Zwar waren auch nach der Senatssitzung von 01.08.2013 die Meinungsverschiedenheiten der gerichtlichen Gutachter Prof. Dr. M. und Prof. Dr. K. darüber, inwieweit sich Dr. H. auf den schriftlichen Befund des Streithelfers vom 21.05.2008 verlassen durfte, nicht ausgeräumt. Das ändert jedoch nichts daran, dass Prof. Dr. M. seinen Standpunkt anhand des ärztlichen Berufsrechts und der ärztlichen Praxis so überzeugend dargelegt hat, dass der Senat keinen Aufklärungsbedarf mehr hat, sondern auf Grund der dargelegten Erwägungen davon überzeugt ist, dass sich Dr. H. in der streitgegenständlichen Situation auf die schriftliche Einschätzung des Facharztes für radiologische Diagnostik (Streithelfer) verlassen durfte.

    5. Es besteht auch kein Anlass Beweis über die Behauptung des Klägers zu erheben, dass Dr. H. sich nicht pflichtgemäß weitergebildet habe. Selbst wenn dem so wäre, würde sich nichts daran ändern, dass Dr. H. kein Behandlungsfehler zur Last fällt. Die vom Kläger behauptete unzureichende Weiterbildung hätte sich jedenfalls nicht in haftungsrelevanter Weise auf das Behandlungsgeschehen ausgewirkt.

    6. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.

    Es entspricht gesicherter obergerichtlicher Rechtsprechung, dass, wenn Ärzte verschiedener Fachrichtung an der Behandlung eines Patienten beteiligt sind, zwischen diesen Ärzten der Vertrauensgrundsatz gilt, d.h. jeder beteiligte Arzt kann und darf, wenn keine aussagekräftigen gegenteiligen Umstände zu Tage treten, ohne Kontrollmaßnahmen davon ausgehen, dass der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der notwendigen Sorgfalt erfüllt hat (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Auflage, Rdnr. A 253 m.w.N.). Die Entscheidung des Senats statuiert keine Ausnahme von diesem Grundsatz, was Anlass zur Zulassung der Revision geben könnte, sondern bestätigt lediglich, was, soweit ersichtlich, auch nicht in Frage gestellt wird, dass dieser auch im Verhältnis zwischen Orthopäden und Facharzt für radiologische Diagnostik gilt.

    II.

    1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 101 ZPO.

    2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Verkündet am 22.08.2013

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 823 Abs. 1 BGB