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  • 29.01.2015 · IWW-Abrufnummer 143737

    Verwaltungsgericht Aachen: Urteil vom 20.11.2014 – 1 K 2938/12



    Eine Satzung, durch die ein Universitätsklinikum den Leiter des Zentrallabors verpflichtet, die Hälfte seiner privat liquidierte Erlöse an Klinikdirektoren als Mitglieder der erweiterten Leitung des Labors abzuführen, wenn er von ihnen Patienten oder Material zur Untersuchung überwiesen erhalten hat, ist mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nichtig.


    Verwaltungsgericht Aachen

    1 K 2938/12

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckenden Betrages leistet.

    T a t b e s t a n d :

    2

    Die Beteiligten streiten über die Verteilung von Liquidationseinnahmen, die der Beklagte als Leiter des Zentrallabors des Klägers bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand erzielt hat.

    3

    Durch Urkunde vom 2. September 1997 ernannte das Land Nordrhein-Westfalen den Beklagten mit Wirkung vom 1. November 1997 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor. Zugleich wurde er von dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen in eine freie Planstelle der Besoldungsgruppe C 4 an der Technischen Hochschule Aachen eingewiesen, wo er verpflichtet war, an der Medizinischen Fakultät die mit dem Amt eines Universitätsprofessors verbundenen Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere das Fach "Klinische Chemie und Pathobiochemie" selbständig in Forschung, Lehre und Krankenversorgung zu vertreten. In dieser Eigenschaft war er zugleich Leiter des Zentrallabors des Klägers, für das am 26. November 1997 eine Betriebsordnung (BO) in Kraft gesetzt wurde. Gemäß § 1 BO erbrachte dieses Labor unter anderem Laborleistungen für Selbstzahler und Mitglieder gesetzlicher Krankenkasse, für Wahlarztpatienten, interne Leistungen und Leistungen für Forschung und Lehre der Kliniken und Institute. Gemäß § 4 Abs. 1 BO war das Zentrallabor ein Teilbereich des Instituts für Klinische Chemie und Pathobiochemie, dessen erweiterte Leitung nach § 2 BO gleichberechtigt von dem jeweiligen Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Pathobiochemie sowie von in einer Anlage zur Betriebsordnung näher bezeichneten Klinik-/Institutsdirektoren und Leitern von Lehr- und Forschungsgebieten wahrgenommen wurde. Nach § 4 Abs. 7 BO war der Klinische Vorstand der erweiterten Leitung des Zentrallabors gegenüber weisungsbefugt.

    4

    Gleichfalls zum 26. November 1997 erließ der Kläger eine so genannte "Liquidationsvereinbarung" für die Mitglieder der erweiterten Leitung des Zentrallabors, nach dessen § 1 der Beklagte als Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Pathobiochemie für die von den an der erweiterten Leitung des Zentrallabors Beteiligten für Wahlarztpatienten angeforderten und ausgeführten Laborleistungen liquidationsberechtigt war. Nach § 2 Abs. 1 wurden die an der erweiterten Leitung des Zentrallabors beteiligten Ärzte für die von ihnen angeforderten und vom Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Pathobiochemie ausgeführten Laborleistungen für Wahlarztpatienten von diesem zu 50 % an dessen Liquidationserlösen beteiligt. Dabei waren nach § 2 Abs. 2 der Vereinbarung das Nutzungsentgelt und die Sachkosten vor der Beteiligung in Abzug zu bringen. Gemäß § 3 der Vereinbarung war für Leistungen bei Wahlarztpatienten von nicht an der erweiterten Leitung des Zentrallabors beteiligten Direktoren und Leitern eine Beteiligung an den Liquidationserlösen ausgeschlossen.

    5

    Kurze Zeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze schloss der Beklagten mit dem Kläger am 9. November 2006 eine so genannte "privatrechtliche Vereinbarung". In deren Präambel wurde der Eintritt in den Ruhestand zunächst für ein Jahr bis zum 1. August 2009 hinausgeschoben. § 1 Abs. 1 enthielt die Feststellung, dass die dem Beklagten durch das zuständige Ministerium allgemein genehmigte Nebentätigkeit (Laborleistungen für stationäre, teilstationäre und ambulante Privatpatienten des UKA) einvernehmlich mit Ablauf des 31. Juli 2008 erlöschen sollte und der Beklagte beim Rektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) eine neue Genehmigung dieser Nebentätigkeit beantragen sollte. Nach § 1 Abs. 2 trat der Beklagte sämtliche Forderungen aus im Rahmen dieser Nebentätigkeit zu erbringenden Leistungen ab dem 1. August 2008 an den Kläger ab. Gemäß § 2 Abs. 5 erfolgte die Beteiligung der Mitglieder der erweiterten Leitung des Zentrallabors gemäß der Liquidationsvereinbarung vom 26. November 1997 nunmehr durch das klagende Klinikum. Das bisher vom Beklagten praktizierte Verteilungsverfahren über die Privatärztliche Verrechnungsstelle (PVS) Büdingen sollte beibehalten werden.

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    Nach Eintritt des Beklagten in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Juli 2009 übernahm das klagende Klinikum selbst die Verteilung der Liquidationserlöse an die Mitglieder der erweiterten Leitung. Dabei fiel auf, dass diesen nunmehr deutliche höhere Erlöse als während der aktiven Dienstzeit des Beklagten zuflossen. Nach Überprüfung der vom Beklagten in der Zeit von Januar 2005 bis Dezember 2008 durchgeführten Abrechnungen gelangte der Kläger zu dem Ergebnis, dass der Beklagte nicht regelmäßig die Hälfte der von ihm erzielten Liquidationserlöse aus Leistungen des Zentrallabors an die Mitglieder der erweiterten Leitung abgeführt hatte und auf diese Weise in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 ein Betrag von 661.659,55 € zu wenig gezahlt worden war.

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    Mit seiner Klage vom 28. Dezember 2012 macht das klagende Klinikum gegenüber dem Beklagten diesen Betrag geltend und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, aus der Betriebsordnung in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Liquidationsvereinbarung sei der Beklagte verpflichtet gewesen, den Mitgliedern der erweiterten Leitung des Zentrallabors die Hälfte der Laborerlöse zukommen zu lassen. Diese Verpflichtung habe der Beklagte verletzt, indem er in zahlreichen Fällen einen geringen Prozentsatz abgeführt habe. Die danach noch offene Forderungen mache er für die "Neuvertragler" aus abgetretenem Recht und für die "Altvertragler", soweit sie ihre entsprechenden Forderungen nicht auch abgetreten hätten, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend. Hierzu sei er aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber den beamteten Professoren berechtigt, auch wenn diese ihre Ansprüche nicht ausdrücklich abgetreten hätten.

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    Der Beklagte sei aus der Liquidationsvereinbarung auch zur Zahlung höherer Beträge verpflichtet gewesen. Die Liquidationsvereinbarung sei wirksam und verstoße insbesondere nicht gegen § 31 Abs. 1 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BerufsO), denn diese Vorschrift betreffe ausschließlich die niedergelassenen Ärzte außerhalb des Universitätsklinikums. Die Liquidationsvereinbarung sei als öffentlich-rechtliche Satzung vom Fachbereichsrat und vom Klinischen Vorstand der Medizinischen Einrichtungen beschlossen und im Jahr 1997 in Kraft gesetzt worden. Bedenken an der Rechtmäßigkeit dieser hoheitlichen Maßnahme bestünden nicht. Der Beklagte habe im streitgegenständlichen Zeitraum regelmäßig weniger als die Hälfte der Liquidationserlöse aus Leistungen des Zentrallabors an die weiteren Leitungsmitglieder abgeführt, sodass diesen Nachforderungen zustünden bzw. ein Schaden in Höhe der entgangenen Erlöse entstanden sei.

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    Der Kläger beantragt,

    10

    den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 661.659,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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    Der Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen.

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    Er meint, nicht zu der geltend gemachten Zahlung verpflichtet zu sein, weil die hierfür angeführte Liquidationsvereinbarung unwirksam sei. Sie verstoße gegen das in § 31 Abs. 1 BerufsO geregelte Verbot der unerlaubten Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial und stelle eine Umgehung des Rechts auf Liquidation nur für eigene Leistungen aus § 4 Abs. 2 GOÄ dar. Die Berufsordnung treffe keinesfalls ausschließlich niedergelassene Ärzte. Sie solle vielmehr die ärztliche Unabhängigkeit bewahren und sicherstellen, dass ärztliche Entscheidungen nicht monetär beeinflusst würden. Deshalb untersage § 31 BerufsO sogenannte Koppelgeschäfte oder Kick-Back-Vereinbarungen, die die Höhe der Vergünstigung von der Anzahl der in Auftrag gegebenen Untersuchungen abhängig macht. So liege der Fall auch bei der streitgegenständlichen Regelung der Liquidationsvereinbarung. Demgemäß habe die Staatsanwaltschaft Aachen ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue mit Zustimmung des zuständigen Amtsgerichts eingestellt, weil erhebliche Bedenken an der Wirksamkeit der Liquidationsvereinbarung bestanden hätten. Im Übrigen ginge die Geltendmachung von Ansprüchen in gewillkürter Prozessstandschaft mangels entsprechender Ansprüche der Mitglieder der erweiterten Leitung des Zentrallabors ihm gegenüber ins Leere. Selbst bei Bestehen solcher Ansprüche könnten sie nicht von dem Kläger in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemacht werden, weil die Voraussetzungen für dieses Rechtsinstitut mangels eigener schutzwürdiger Interessen nicht vorlägen.

    14

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

    15

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

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    Die Klage hat keinen Erfolg.

    17

    Bereits ihre Zulässigkeit begegnet erheblichen Bedenken.

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    Zwar ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Klagt ein Universitätsklinikum Ansprüche gegen einen Klinikdirektor ein, der als Universitätsprofessor in einem Beamtenverhältnis stand, und stützt sich dabei auf dessen Rechtsbeziehung zur Hochschule sowie auf die eigene Fürsorgepflicht den anderen Klinikdirektoren gegenüber, so betrifft die Klage eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist,

    19

    vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2014 ‑ 6 E 578/14 ‑, juris.

    20

    Fraglich erscheint allerdings, ob der Kläger zur Erhebung der Leistungsklage befugt ist, § 42 Abs. 2 VwGO. Diese Vorschrift ist nach herrschender Meinung auf die hier statthafte Leistungsklagen entsprechend anwendbar,

    21

    vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 ‑ 7 C 21/12 ‑, BVerwGE 147, 312, und juris; Wahl/Schütz in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand März 2014, § 42 Abs. 2 Rn. 33; Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 42 Rn. 371; Gärditz, VwGO, § 42 Rn. 49.

    22

    Hiernach muss der Kläger geltend machen können, in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein.

    23

    Dies erscheint zunächst mit Blick auf ursprünglich eigene Rechte des Klägers ausgeschlossen. Weder aus dem Beamtenverhältnis unmittelbar noch aus sonstigen hoheitlichen oder privaten Verhältnissen bestehen mit Blick auf die erzielten Liquidationserlöse Rechtsbeziehungen zwischen Beklagtem und dem Klinikum, aus denen sich die Forderung des Klägers herleiten lässt. Weder die Betriebsordnung noch die Liquidationsvereinbarung regeln Zahlungsverpflichtungen des Beklagten gegenüber dem Kläger, sondern allenfalls gegenüber den weiteren Leitungsmitgliedern.

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    Deren vermeintliche Forderungen gegenüber dem Beklagten geltend zu machen ist der Kläger nicht berechtigt, denn insoweit handelt es sich um fremde und nicht um eigene Rechte iSv § 42 Abs. 2 VwGO. Die Befugnis zur Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen kann sich allerdings aus dem vom Kläger in Anspruch genommenen Rechtsinstitut der gewillkürten Prozessstandschaft ergeben. Insoweit kommen Ansprüche der Professoren N. und O. gegen den Beklagten in Betracht, da sie keine Ansprüche an den Kläger abgetreten haben.

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    Die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft (Prozessgeschäftsführung) im Verwaltungsprozess ist allerdings umstritten.

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    Vgl. hierzu nur: Wahl/Schütz, a. a. O., § 42 Abs. 2 Rn. 34; Wysk, VwGO, Rn. 37 vor § 40; Terhechte in: Fehling/Kastner, Verwaltungsrecht, 2. Auflage 2010, § 44 VwGO Rn. 12; Czybulka in: Sodan/Ziekow, a. a. O., § 62 Rn. 18 ff.; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 1999 ‑ 1 C 17/98 ‑, BVerwGE 110, 1, und juris Rn. 14, BVerwG, Urteil vom 30. November 1973 ‑ IV C 20.73 ‑, DÖV 1974, 318, und juris Rn. 19, sowie Urteil vom 9. April 2014 ‑ 8 C 23/12 ‑, juris Rn. 26
    .
    27

    Selbst bei Anerkennung der gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess fehlt es zunächst an Anhaltspunkten dafür, dass die Professoren N. und O1. den Kläger ausdrücklich oder stillschweigend durch rechtsgeschäftliche Erlaubnis zur Prozessgeschäftsführung hinsichtlich vermeintlicher Ansprüche gegen den Beklagten ermächtigt hätten.

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    Vgl. zu diesem Erfordernis Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl. 2011, Grdz. § 50 Rn. 29.

    29

    Möglicherweise hätten diese mit Blick auf das Prozessrisiko oder aus anderen ‑ eventuell persönlichen ‑ Gründen ihre vermeintlichen Ansprüche gar nicht geltend gemacht. Jedenfalls hat der Kläger die erforderliche Ermächtigung zur Prozessgeschäftsführung im Prozess nicht belegt. Darüber hinaus bedarf es für die wirksame Begründung einer Prozessstandschaft eines eigenen schutzwürdigen rechtlichen Interesses sowohl bei dem ermächtigenden Dritten als auch bei dem Prozessgeschäftsführer,

    30

    vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO 28. Aufl. 2009, Rn. 42 vor § 50.

    31

    Ein solches Interesse des Klägers besteht nicht. Es lässt sich insbesondere nicht aus dem Institut der Fürsorgepflicht des Dienstherrn für seine (beamteten) Professoren herleiten. Denn zum einen verblieb das wissenschaftliche Personal, zu dem die Professoren zählen, nach § 20 der Verordnung über die Errichtung des Klinikums Aachen der Technischen Hochschule Aachen als Anstalt des öffentlichen Rechts vom 1. Dezember 2000 (GV.NRW. S. 715) bei den Universitäten. Danach war allenfalls die RWTH, nicht aber das Universitätsklinikum als Teil der unselbständigen medizinischen Fakultät der Hochschule, den Professoren gegenüber zur Fürsorge verpflichtet. Zum anderen ist es nicht Inhalt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, vermeintliche finanzielle Forderungen seiner Beamten im eigenen Namen geltend zu machen.

    32

    Auch aus den Abtretungserklärungen der sog. "Neuvertragler" lassen sich eigene Rechte des Klägers nicht herleiten. Denn nach § 2 Abs. 4 der vom Kläger beispielhaft vorgelegten (Muster-)Verträge zwischen den Neuprofessoren und dem Kläger werden (nur) Forderungen aus den nach Maßgabe der Absätze 1-3 des Vertrages erbrachten Leistungen abgetreten. Darin sind geregelt die Erbringung von wahlärztlichen Leistungen und Erstellung von Gutachten (Abs. 1), die kassenärztlichen Leistungen (Abs. 2) und medizinische Leistungen für andere Krankenhäuser oder Praxen (Abs. 3). Derartige zur Liquidation berechtigende Leistungen haben die "Neuvertragler" gegenüber dem Beklagten nicht erbracht, sodass ihnen keine abtretbaren Forderungen zustanden. Vermeintliche Forderungen aus der Liquidationsvereinbarung sind in den Verträgen weder ausdrücklich noch stillschweigend (mit) abgetreten.

    33

    Allerdings erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger abgetretene Ansprüche der "Altvertragler" geltend machen kann. In 13 vorgelegten Abtretungserklärungen haben diese "Schadensersatzansprüche im Hinblick auf die missbräuchliche Anwendung der Liquidationsvereinbarung (eigenmächtige Reduzierung des hälftigen Verteilungsschlüssels) als Mitglied der erweiterten Leitung des Zentrallabors" schriftlich an den Kläger abgetreten. Zwar erscheint es fraglich, ob diese Abtretungen ins Leere gehen, weil den "Altvertraglern" die abgetretenen Schadensersatzansprüche nicht zustehen. Dies ist allerdings keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Zahlungsklage.

    34

    Ungeachtet der so geäußerten Zweifel an der Zulässigkeit der Klage ist diese unbegründet.

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    Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu, weil sich weder die Neuvertragler noch die Altvertragler auf vermeintliche Ansprüche aus der Liquidationsvereinbarung berufen können.

    36

    Die Liquidationsvereinbarung ist unwirksam. Bei ihr handelt es sich trotz der Bezeichnung als "Vereinbarung" nicht um einen (privat-) oder öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Kläger und den Mitgliedern der erweiterten Leitung des Zentrallabors. Vielmehr stellt diese Liquidationsvereinbarung ein einseitig durch den Kläger erlassenes Regelwerk dar, das nur aufgrund von hoheitlichen Befugnissen möglich ist,

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    vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2014 ‑ 6 E 578/14 ‑, juris Rn. 11.

    38

    Hiervon geht auch der Kläger selbst aus, der die Liquidationsvereinbarung als eine von den zuständigen Gremien beschlossene, gültig zustande gekommene öffentlich-rechtliche Satzung der Hochschule bezeichnet.

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    Mit ihr wird in Rechte des Beklagten eingegriffen. Nach § 4 Abs. 2 GOÄ kann der Arzt Gebühren nur für selbstständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Hieraus folgt zugleich, dass er die Liquidationserlöse aus diesen Leistungen für sich behalten darf. In dieses Recht greift die Satzungsregelung ein, wonach der Beklagten verpflichtet wird, die Hälfte der (um Nutzungsentgelt und Sachkosten bereinigten) Liquidationserlöse an die einsendenden Mitglieder des erweiterten Zentrallabors auszukehren. Ein Eingriff in das Liquidationsrecht des Chefarztes ist aber nur durch den Gesetzgeber, d. h. durch ein formelles Gesetz oder aufgrund eines formellen Gesetzes zulässig,

    40

    vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 ‑ 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 ‑, BVerfGE 52, 303; juris Rn. 104; Bender in: Heidelberger Kommentar ‑ Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht (HK-AKM), 30. Auflage, Liquidationsrecht Rn. 49.

    41

    Ein solches formelles Gesetz ist die Satzung nicht. Als untergesetzliche Norm kann die Liquidationsvereinbarung auch nicht auf § 2 Abs. 4 Hochschulgesetz NRW bzw. dessen Vorgängerregelung (§ 2 Abs. 4 UG NRW vom 3. August 1994, GV.NRW. S. 532) gestützt werden. Nach diesen Vorschriften waren bzw. sind die Hochschulen berechtigt, (durch Satzung) die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Ordnungen zu erlassen.

    42

    Die Liquidationsvereinbarung durfte allerdings nicht auf Grund der Hochschulgesetze als Satzung erlassen werden, denn es ist nicht ersichtlich und geht aus der Vereinbarung auch nicht hervor, dass die Hochschule sie "zur Erfüllung ihrer Aufgaben" erlassen hat. Die Erlöse aus der Privatliquidation standen gemäß § 2 Abs. 4 GOÄ nur dem Leiter des Zentrallabors zu. Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Zuordnung bestand für eine Erlösverteilung durch eine einseitige hoheitliche gesetzte Regelung weder eine Notwendigkeit noch Bedarf. Die Erlösverteilung diente mithin nicht der Aufgabenerfüllung der Hochschule. Damit fehlt der Satzung eine gesetzliche Grundlage, sie ist nichtig. Aus ihr kann der Kläger keine Ansprüche gegenüber dem Beklagten herleiten.

    43

    Auch aus der gleichfalls nach vorgenannten Gesetzen vom Klinischen Vorstand als Satzung erlassenen Betriebsordnung für die erweiterte Leitung des Zentrallabors vom 26. November 1997 kann der Kläger gegenüber dem Beklagten keine Rechte geltend machen. Es kann dahin stehen, ob auch diese Satzung nichtig ist, weil durch § 4 Abs. 2 gesetzeswidrig (vgl. § 2 Abs. 4 GOÄ) eine große Zahl von Klinik- und Institutsleiter zu erweiterten Mitgliedern eines Zentrallabors bestimmt worden ist

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    - vgl. hierzu: Clausen, Ärzteblatt 1996, 2720 ff. unter Hinweis auf einen Vorstandsbeschluss der Bundesärztekammer vom 13. September 1996; Bender HK-AKM, a.a.O. Rn. 105 -,

    45

    denn die Betriebsordnung gewährt diesem Personenkreis allenfalls eigene Liquidationsansprüche gegenüber den Patienten, deren Material im Labor untersucht wurde. Da die betroffenen Professoren aber nie liquidiert haben, dies vielmehr ausschließlich durch den Beklagten erfolgte, sind abtretbare Ansprüche nicht entstanden.

    46

    Auch die Hochschulnebentätigkeitsverordnung oder die Nebentätigkeitsverordnung des Landes NRW sehen nicht vor, dass ein Hochschullehrer seine Liquidationserlöse aus privaten Behandlungen mit anderen teilen muss. Den Professoren wird nach § 14 Abs. 1 HNtV NRW die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Landes in den Bereichen der Hochschule, in denen sie tätig sind, für nicht genehmigungspflichtige oder allgemein genehmigte Nebentätigkeiten in ihrem Fach allgemein genehmigt. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 NtV NRW kann den Leitenden Ärzten (Chefärzten, Abteilungsärzten) der Krankenhäuser als Nebentätigkeit genehmigt werden, in den Krankenhäusern wahlärztliche Leistungen im stationären (voll-, teil-, vor- und nachstationären) Bereich und ambulante ärztliche Leistungen zu erbringen und zu berechnen, wenn die Patienten die persönliche Leistung des Leitenden Arztes wünschen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HNtV NRW ist den vom Minister für Wissenschaft und Forschung bestellten Leitern einer Abteilung mit Aufgaben in der Krankenversorgung (Leitende Abteilungsärzte) allgemein genehmigt, in den Kliniken wahlärztliche Leistungen im vorbezeichneten Bereich zu erbringen und zu berechnen, wenn die Patienten die persönliche Leistung des Leitenden Abteilungsarztes wünschen. Finanzielle Verpflichtungen ergeben sich für die betroffenen Ärzte aus § 17 HNtV NRW, wonach sie bei ärztlicher Nebentätigkeit im stationären Bereich zur Entrichtung eines Nutzungsentgelts im näher bezeichneten Umfang verpflichtet sind. Weitere gesetzliche Verpflichtungen zur Abgabe von privaten Liquidationserlösen enthalten weder die Nebentätigkeitsverordnung noch die Hochschulnebentätigkeitsverordnung des Landes. Da anzunehmen ist, dass der Verordnungsgeber das Nebentätigkeitsrecht der Beamten (und Professoren) des Landes abschließend in den Nebentätigkeitsverordnungen geregelt hat, ist kein Raum für abweichende "Vereinbarungen" zwischen einzelnen Hochschulen bzw. Kliniken und dem dort beschäftigten beamteten Personal.

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    Fehlt es demnach an einer Rechtsgrundlage für den Erlass der Liquidationsvereinbarung, kann dahinstehen, ob deren § 2 Abs. 1 auch ‑ wofür vieles spricht ‑ unwirksam ist, weil mit der Verpflichtung zur Abführung von Liquidationserlösen an die Mitglieder des erweiterten Vorstands des Zentrallabors eine Umgehung des Grundsatzes der Liquidationen nur für eigene Leistungen aus § 4 Abs. 2 GOÄ zu sehen ist oder weil die Abführungsvereinbarung gegen das in § 31 Abs. 1 BerufsO enthaltene Verbot der unerlaubten Zuweisung von Untersuchungsmaterial verstößt,

    48

    vgl. Bender in: HK-AKM, a. a. O., Rn. 105.

    49

    Rechtsfolge der fehlenden Ermächtigungsgrundlage für die Liquidationsvereinbarung ist die Nichtigkeit der Satzung, aus der keine Forderungen der Mitglieder des erweiterten Vorstands des Zentrallabors gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden können.

    50

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    RechtsgebieteVwGO,GOÄ, HG, UGVorschriftenVwGO § 40 Abs 1 Satz 1; VwGO § 42 Abs 2; GOÄ § 2 Abs 4; HG § 2 Abs 4; UG § 2 Abs 4