29.04.2015 · IWW-Abrufnummer 144356
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 17.03.2014 – 5 U 124/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
5 U 124/13
Tenor:
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 14.08.2013 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 67/12 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
G r ü n d e:
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I.
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Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehen die klageweise geltend gemachten Ansprüche nicht zu, denn er hat durch die Beklagten begangene Behandlungsfehler nicht bewiesen. Auch die Feststellungsklage hat keinen Erfolg.
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Nicht zu beanstanden ist zunächst die Feststellung des Landgerichts, es sei nicht erwiesen, dass die durch den Beklagten zu 2) am 06.07.2007 durchgeführten Operation nicht lege artis erfolgt ist. Der Sachverständige Prof. Dr. L, der als ärztlicher Direktor einer Klinik für Orthopädie zur Beantwortung der an ihn gestellten Beweisfragen fachlich berufen ist, hat nach sorgfältiger Auswertung der Behandlungsdokumentation, insbesondere des Operationsberichtes vom 06.07.2007 und Sichtung der Röntgenbilder Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) nicht feststellen können. Er ist vielmehr in einer auch den Senat überzeugenden Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die durchgeführte Operation mit Ausbau der gelockerten Prothese, der Versorgung der Fraktur mittels Osteosynthese und Drahtcerclagen sowie der Verwendung einer längeren Stielprothese zementiert dem gängigen Standard entsprochen habe. Die Prothesenspitze habe deutlich über die Fraktur hinausgeragt und die am 26.11.2007 angefertigte Röntgenaufnahme habe einen korrekten Prothesensitz gezeigt. Auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige auf erneutes Nachfragen bestätigt, dass das Röntgenbild vom 26.11.2008 einen geraden Sitz der Prothese zeige und der Zementköcher zu diesem Zeitpunkt noch nicht gerissen war.
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Die mit der Berufungsbegründung gegen die Person des Sachverständigen und seine fachlichen Ausführung geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Ohne Erfolg bleibt die erstmals mit der Berufung erhobene Rüge mangelnder Unvoreingenommenheit des Sachverständigen. Sollte das Vorbringen als Ablehnung des Sachverständigen als befangen zu verstehen sein, dürfte ein entsprechender Antrag bereits nicht unverzüglich gestellt und damit verspätet sein (vgl. hierzu Zöller-Greger, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 29. Auflage, § 406 ZPO, Rz. 11). Darüber hinaus rechtfertigen die mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Gründe eine Ablehnung des Sachverständigen aber auch in keiner Weise. Entgegen der Auffassung des Klägers deutet der Hinweis des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten, ein Aktenvermerk des Beklagten zu 1) lasse auf eine problematische Arzt-/Patientenbeziehung schließen, nicht auf eine Voreingenommenheit des Sachverständigen hin. Der Sachverständige hatte sich in Bezug auf die klägerseits erhobene Rüge unzureichender Nachbehandlung durch den Beklagten zu 1) mit dem Verlauf der Behandlung nach den Operationen vom 20.06. und 06.07.2007 auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang waren Eintragungen in der Behandlungsdokumentation relevant, nach denen der Kläger mehrfach eine erneute Vorstellung bei dem Beklagten zu 1) als seinem behandelnden Orthopäden abgelehnt hatte. Der Sachverständige hat hieraus durchaus nachvollziehbar auf eine problematische Arzt-/Patientenbeziehung geschlossen, ohne indes damit irgendeine Veranwortlichkeit der einen oder anderen Seite zu beschreiben. Der Sachverständige hatte auch keine Veranlassung, den Kläger während der Untersuchung am 15.10.2012 zur dieser Frage anzuhören. Dies wäre für den Fall, dass die Frage rechtliche Relevanz gehabt hätte – was sie im Ergebnis nicht hatte - Aufgabe der Kammer gewesen.
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Nicht folgen kann der Senat auch der Auffassung des Klägers, die Bezeichnung des Beklagten zu 1) durch den Sachverständigen als „Kollege“ lasse auf mangelnde Neutralität und eine „gewisse Solidarität“ schließen. Die Bezeichnung „Kollege“ ist im Verhältnis zwischen Ärzten sachlich zutreffend und bietet aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei keinen Anlass, an eine Voreingenommenheit des Sachverständigen etwa aufgrund persönlicher Nähe zum Beklagten zu denken. Sollte bei dem Kläger dennoch ein anderer Eindruck entstanden sein, darf ihm durch den Senat versichert sein, dass es ist in Arzthaftungsprozessen vollkommen üblich ist und nichts Ungewöhnliches darstellt, dass ein medizinischer Sachverständiger einen Arzt, sei er am Prozess als Zeuge oder als Partei beteiligt, anstelle seines Namens mit „Kollege“ anspricht.
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Der Kläger dringt auch mit seinen sachlichen Einwendungen gegen das Gutachten nicht durch. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung ist der Sachverständige nicht von einer unzutreffenden Operationsindikation ausgegangen. Prof. Dr. L hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, der Kläger habe sich nach der Operation vom 20.06.2007 eine periprothetische Fraktur zugezogen. Diese Fraktur sei mit Prothesenentfernung, Frakturreposition, Osteosynthese mit Cerclagen und Implantation einer zementierten Femurprothese angegangen worden (Seite 14 des Gutachtens vom 11.12.2012, Bl. 157 d.A.). Soweit der Sachverständige weiter davon ausgegangen ist, die ausgebaute Prothese sei gelockert gewesen (vgl. Seite 15 des Gutachtens vom 11.12.2012), hat er dies zum einen nicht als einzige Operationsindikation benannt, sondern er hat insbesondere auf die zu behandelnde Fraktur durch Osteosynthese und Drahtcerclagen hingewiesen. Zum anderen ist auch ohne Weiteres nachvollziehbar, dass die periprothetische Fraktur zu einer Lockerung der Prothese selbst geführt haben kann.
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Soweit der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2) habe die Prothese zu steil eingesetzt, hat er dies nicht bewiesen. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat ausgeführt, aus der nach der Operation am 26.11.2007 angefertigten Röntgenaufnahme ergebe sich ein korrekter und gerader Prothesensitz. Hinreichende Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit dieser sachverständigen Ausführungen sprechen, zeigt die Berufung nicht auf. Der Kläger verweist lediglich auf eine Mitteilung von Prof. Dr. N, ärztlicher Direktor der chirurgischen Klinik und Poliklinik des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums C, nach der die Prothese zu steil eingesetzt und eine nicht mehr standardgemäße Operationstechnik angewendet worden sein soll. Eine privatgutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. N, die eine vom Gerichtsgutachten abweichende Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes und eine profunde Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Prof. Dr. L enthalten würde, legt der Kläger nicht vor. Eine erneuten Beweiserhebung durch ergänzende Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. L oder Einholung eines neuen Gutachtens zu der Frage einer inkorrekten Prothesenimplantation und einer nicht standardgemäßen Operationstechnik bedarf es daher nicht und wird mit der Berufungsbegründung auch nicht beantragt. Da von einem korrekten Prothesensitz auszugehen ist, bedarf es auch keiner weiteren sachverständige Aufklärung hinsichtlich der Frage, ob ein zu steiler Einbau der Prothese Ursache für eine klägerseits behauptete, nach der Operation am 06.07.2007 eingetretene weitere Fraktur am Schaftende sein kann.
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Der Kläger dringt auch mit seinem Vorwurf, der Beklagte zu 1) habe eine Infektion im Bereich der rechten Hüfte nicht erkannt und behandelt, nicht durch. Der Sachverständige Prof. Dr. L hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, es sei im Nachhinein nicht mehr festzustellen, wann die Infektion entstanden und erkennbar geworden sei. Eine Erhebung weiterer Befunde zur Abklärung einer Infektion wäre nach Angaben des Sachverständigen dann vom Beklagten zu 1) zu fordern gewesen, wenn der Kläger permanent über massive Schmerzen geklagt hätte. Der Kläger hat weder in erster Instanz noch mit der Berufungsbegründung vorgetragen, er habe gegenüber dem Beklagten zu 1) permanent über massive Schmerzen geklagt. Soweit er in der mündliche Verhandlung durch seine Prozessbevollmächtigte hat erklären lassen, er habe permanent über Schmerzen geklagt, geht daraus schon nicht hinreichend hervor, dass über eine anhaltende Massivität der Schmerzen berichtet wurde, die nicht mehr mit den üblichen postoperativen Schmerzen in Zusammenhang zu bringen war, sondern an ein Infektionsgeschehen denken lassen musste. Darüber hinaus steht der Behauptung des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers aber auch der Inhalt der Behandlungsdokumentation des Beklagten zu 1) entgegen. Danach stellte sich der Kläger in der Praxis des Beklagten am 24.08.2007, 18.09.2007, 26.11.2007 und 24.01.2008 vor und berichtete zwar nicht über eine Beschwerdefreiheit, jedoch immerhin über eine Besserung der Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte. Die Angabe permanent massiver Schmerzen ist nicht dokumentiert. Der Kläger behauptet zwar, dass die Eintragungen nicht richtig seien. Konkrete Anhaltspunkte für eine Manipulation der Dokumentation trägt der Kläger jedoch nicht vor. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Eine Vernehmung der durch den Kläger benannten Zeugin Anne Laue bedurfte und bedarf es nicht. Die Zeugin ist zu der Behauptung benannt, der Kläger habe zu keiner Zeit Beschwerdefreiheit geäußert. Hierauf kommt es indes nicht an, denn Anlass für ein weiteres Handeln des Beklagten zu 1) hätte – wie bereits ausgeführt – lediglich dann bestanden, wenn der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1) permanent über massive Schmerzen geklagt hätte.
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Sonstige Umstände, die einen schadensursächlichen Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) begründen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger wurde laut Behandlungsdokumentation sowohl am 18.09.2007 als auch am 26.11.2007 darauf hingewiesen, seine Blutwerte beim Hausarzt routinemäßig kontrollieren zu lassen. Ferner wurde er mehrfach, auch telefonisch gebeten, sich zur Verlaufskontrolle beim Beklagten zu 1) oder beim Beklagten zu 2) vorzustellen, was er jedoch ablehnte. Eine Pflicht zur Überweisung des Klägers in die chirurgische Klinik zur Beinvermessung ist nicht erkennbar und selbst bei unterstellter Pflichtverletzung fehlt es an der Darlegung eines kausalen Schadens.
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II.
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Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).