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  • 26.10.2016 · IWW-Abrufnummer 189544

    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 20.04.2016 – 6t A 2817/13.T

    1. Nicht jede Abweichung von Abrechnungsvorschriften der GOÄ stellt bereits einen Verstoß gegen dem Arzt obliegende Berufspflichten dar; vielmehr ist erst eine vorsätzlich fehlerhaft vorgenommene oder sich offensichtlich außerhalb jeder vertretbaren rechtlichen Meinung befindende Abrechnungspraxis geeignet, auf einen ahndungswürdigen Berufspflichtverstoß zu führen.

    2. Dem 2,3fachen des Gebührensatzes kommt die Funktion eines Schwellenwertes zu. Es stellt keinen Fehlgebrauch des Ermessens dar, wenn persönliche-ärztliche Leistungen, die sich in einem Bereich durchschnittlicher Schwierigkeit befinden, zum Schwellenwert abgerechnet werden.

    3. Überschreitet eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ). Die vom Arzt gegebene - auf die einzelne Leistung bezogene - Begründung muss geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände verständlich und nachvollziehbar zu machen, welche eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen. Die Begründung muss hinreichende Anhaltspunkte für einen Vergleich mit dem Durchschnittsfall enthalten, aus dem deutlich wird, dass die erbrachte Leistung überdurchschnittlich schwierig und/oder überdurchschnittlich zeitaufwendig war.

    4. Die persönliche Qualifikation des Arztes berechtigt ihn nicht, generell über dem Schwellenwert liegende Gebühren für persönlich-ärztliche Leistungen in Ansatz zu bringen. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ umschreibt die zulässigen Bemessungskriterien (Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie der Umstände der Ausführung) abschließend.


    Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

    Urt. v. 20.04.2016

    Az.: 6t A 2817/13.T

    Tenor:

    Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Antragstellerin ihre Berufung zurückgenommen hat.

    Die Berufung des Beschuldigten wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beschuldigte zu 6/7. Seine notwendigen Auslagen werden zu 1/7 der Staatskasse auferlegt.

    Die Gebühr für das Berufungsverfahren wird auf 500 Euro festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der Beschuldigte ist als Facharzt für Orthopädie in E. niedergelassen. Er ist berufsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
    In den Jahren 2005 und 2006 war die Antragstellerin mit insgesamt drei Vorgängen befasst, bei denen Art und Umfang der vom Beschuldigten in Rechnung gestellten Leistungen bzw. die Anwendung des 3,5fachen Steigerungssatzes beanstandet worden waren.

    Im Jahr 2008 führte die Antragstellerin aufgrund von Rechnungsbeschwerden sechs außergerichtliche Schlichtungsverfahren unter Anhörung bzw. Information des Beschuldigten durch. Gegenstand der Verfahren war erneut insbesondere die - zum Teil durchgängige - Anwendung des höchsten (3,5- bzw. 2,5fachen) Steigerungssatzes bei den in Rechnung gestellten Leistungen.

    Die Antragstellerin wies den Beschuldigten in all diesen Schlichtungsverfahren auf Folgendes hin:

    "Anwendung des 3,5fachen Steigerungssatzes

    Hierzu ist aus unserer Sicht anzumerken, dass die Berechnung des Honorars (Gebührenrahmen) für ärztliche Leistungen ausschließlich nach den Vorschriften der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), hier nach § 5 Abs. 2 GOÄ, vorzunehmen ist.

    Soweit keine begründeten besonderen Umstände vorliegen, kann nur eine Gebühr als angemessen angesehen werden, die den Schwellenwert des Gebührenrahmens nicht überschreitet. Die allgemeine Formulierung 'zeitaufwendige Untersuchung und Beratung bei kompl. Krankheitsbild', die der Rechnung vom ... zu entnehmen ist, reicht als Begründung für die Überschreitung des Schwellenwertes aus unserer Sicht grundsätzlich nicht aus. In der Begründung ist vielmehr individuell auf den einzelnen Krankheits- bzw. Behandlungsfall einzugehen und nachvollziehbar darzulegen, warum die Behandlung bzw. die Operation besonders zeitaufwendig oder schwierig war und in welcher Weise sie sich von den sonst üblichen, mit dem Schwellenwert abgegoltenen Fällen unterschieden hat. Pauschale Begründungen, die sich, wie im vorliegenden Fall, auf ganze Komplexe von Gebührennummern beziehen, entsprechen nicht der sich durch die Vorschrift des § 5 Abs. 2 GOÄ ergebenden Begründungspflicht, die auf die 'einzelne Leistung' bezogen ist. Wir dürfen hier auch auf die Vorschrift des § 12 Abs. 3 GOÄ verweisen."

    In den Jahren 2010 und 2011 beschwerten sich sechs Patienten über das Abrechnungsverhalten des Beschuldigten. Er hatte mittels der Verrechnungsstellen B. GmbH bzw. E1. -Med, S. , den Patienten u. a. folgende Rechnungen ausgestellt:

    - Patientin L. D. (B. GmbH):
    Rechnungen vom 2. September 2010, 20. Oktober 2010, 10. November 2010 und zwei Rechnungen vom 15. Oktober 2010
    - Patient Dr.-Ing. X. X1. (B. GmbH):
    Rechnungen vom 10. August 2010 und 9. November 2010
    - Patientin H. X2. -T. (B. GmbH):
    Rechnung vom 5. Juli 2010
    - Patient V. D1. (E2. -Med, S. ):
    Rechnung vom 28. Juni 2011
    - Patientin V1. L1. -w. c. W. (B. GmbH):
    Rechnung vom 16. September 2010 und zwei Rechnungen vom 30. September 2010
    - Patient S1. K. (B. GmbH):
    Rechnung vom 4. November 2010

    In all diesen Rechnungen - insgesamt dreizehn - war für persönlich-ärztliche Leistungen durchgängig der 3,5fache Steigerungssatz angesetzt worden. Zur Begründung der Überschreitung des 2,3fachen des Gebührensatzes wurde am Ende der berechneten Leistungen die Formulierung "Die Überschreitung der Mittelwerte ist gem. § 5 GOÄ aus folgenden Gründen gerechtfertigt: Zeitaufwendige Untersuchungen und Beratungen aufgrund des komplexen Krankheitsbildes" bzw. im Falle des Patienten K. die Formulierung "Die Überschreitung der Mittelwerte ist gem. § 5 GOÄ aus folgenden Gründen gerechtfertigt: erhöhter Aufwand bei komplexem Krankheitsbild" angeführt.

    Die Antragstellerin versuchte, die Streitigkeiten im Rahmen von Schlichtungsverfahren zu klären. Dem Beschuldigten wurde dabei die Möglichkeit gegeben, sich zu den gebührenrechtlichen Bedenken zu äußern. Von dieser Möglichkeit machte er im Hinblick auf die Patientin L1. -w. c.W. und den Patienten K. keinen Gebrauch. Hinsichtlich der von Frau D. , von Herrn Dr.-Ing. X1. und von Frau X2. -T. erhobenen Vorwürfe ließ der Beschuldigte sich sinngemäß dahingehend ein, dass die B. GmbH die von ihm erbrachten Leistungen korrekt in Rechnung gestellt habe.

    Zur Beschwerde des Patienten D1. äußerte sich der Beschuldigte gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 18. September 2011 u.a. wie folgt:

    "Herr D1. wünscht von mir eine Rechnung mit einem Faktor 2,3 pauschal, da ein derartiger Faktor auch von anderen Ärzten in Rechnung gestellt wurde.

    Ich stelle keine Faktoren pauschal in Rechnung, wenn dies von anderen Ärzten so berechnet wird, ist dies deren Angelegenheit und kann von mir nicht beurteilt werden. Persönlich stelle ich die Faktoren und Abhängigkeit des konkret individuell vorliegenden Befundes und Schwierigkeitsgrades in Rechnung. Die Vereinbarung zum Bezahlen von Rechnungen ist Bestandteil des Behandlungsvertrages zwischen Patient und Arzt. Die Aufklärung darüber, dass die in der Gebührenordnung für Ärzte GOÄ üblichen Faktoren 1,0 und 2,3 und 3,5 abgerechnet werden, ist Bestandteil des Behandlungsvertrages zwischen Patient und Arzt.

    Eine gesonderte Honorarvereinbarung ist nur dann erforderlich, wenn Faktoren höher als 3,5 vereinbart werden, dies lag im vorliegenden Fall jedoch nicht vor."

    Die Antragstellerin beantragte auf Beschluss ihres Vorstandes vom 4. April 2012 mit Schriftsatz vom 19. April 2012, beim Berufsgericht eingegangen am 24. April 2012, die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens. Nachdem sie in der Antragsschrift bezüglich der streitbefangenen Rechnungen zunächst zahlreiche weitere Verstöße gegen die GOÄ angeführt hatte, hat sie auf eine entsprechende Anregung des Berufsgerichts hin unter dem 17. Juni 2013 klargestellt, dass der Rechtsstreit auf den Vorwurf beschränkt werde, den Patienten D. , Dr.-Ing. X1. , X2. -T. , D1. , L1. - w. c. W. und K. vorsätzlich überhöhte, mit dem 3,5fachen Steigerungssatz versehene, nicht der GOÄ entsprechende Rechnungen ausgestellt zu haben.

    Der Beschuldigte ist den Vorwürfen der Antragstellerin entgegen getreten. Die Patienten hätten einen Behandlungsvertrag mit ihm abgeschlossen, in dem ausdrücklich geregelt sei, dass sie die Honorare vollständig bezahlen müssten, unabhängig davon, ob sie krankenversichert seien und welche Versicherungsverträge (z.B. mit Selbstbeteiligung, Rabatte usw.) sie abgeschlossen hätten. Ihre Beanstandungen beruhten offenbar darauf, dass ihre Versicherungen ihnen den jeweils in Rechnung gestellten Betrag nicht vollständig erstattet hätten. Die Reaktion der Patienten sei immer gleich gewesen. Zunächst sei er kontaktiert und aufgefordert worden, den Rechnungsbetrag zu reduzieren, obwohl alle Patienten mit der medizinischen Behandlung stets sehr zufrieden gewesen seien. Die Zusammenstellung der Leistungen in den streitbefangenen Rechnungen sei nicht zu beanstanden. Die dort aufgeführten Leistungen seien auch tatsächlich von ihm höchstpersönlich erbracht worden. Allen Patienten habe er im Verlauf der Behandlung dargelegt, dass aufgrund der Komplexität der vorliegenden Krankheitserscheinungen eine "Abrechnung nach GOÄ zum Faktor 3,5" erfolgen müsse. Natürlich sei ihm bekannt, dass es Ärzte gebe, die grundsätzlich nur zum Faktor 1,0 oder 2,3 abrechneten. Dies sei aber kein Argument, da in den vorliegenden Fällen komplexe Krankheitsbilder vorgelegen hätten, die die von ihm vorgenommene Abrechnung rechtfertigten. Ebenso sei seine fachliche Qualifikation überdurchschnittlich, was sich aus seinen Zusatzbezeichnungen ergebe. Aufgrund seiner Qualifikation stelle sich die Behandlung für den Patienten als effizient dar, da schnell eine Diagnose erfolgen und eine entsprechend wirksame Therapie eingeleitet werden könne. Es liege auf der Hand, dass ein Arzt, der lediglich einen Facharztabschluss ohne Zusatzbezeichnungen aufweisen könne, fachlich unerfahren sei. Zudem sei dieser auch kein Spezialist wie er - der Beschuldigte -, so dass es dann verständlich sei, dass ein solcher Arzt "mit geringeren Faktoren" abrechnen müsse. Es sei selbstverständlich, dass man für die Leistung eines sehr guten Arztes und Spezialisten mehr bezahlen müsse. Der Antragstellerin sei auch vorzuwerfen, dass sie den Wahrheitsgehalt der Aussagen der Patienten nicht hinreichend überprüft habe.

    Der Präsident der Antragstellerin, Herr I. , der die Antragsschrift unterschrieben habe, sei ihm gegenüber im Übrigen befangen. Herr I. sei seinerzeit Vorsitzender des Marburger Bundes gewesen, dem auch er - der Beschuldigte - angehört habe. Aufgrund von inhaltlichen Differenzen mit Herrn I. bezüglich der Bewertung der Gehälter der Chefärzte im Vergleich zu denen der Assistenzärzte und Oberärzte und bezüglich der Politik des Marburger Bundes im Tarifkampf habe er - der Beschuldigte - seine Mitgliedschaft im Marburger Bund seinerzeit gekündigt. Es sei offensichtlich, dass Herr I. in seiner Antragsschrift erhebliche unbelegte Behauptungen gegen ihn aufführe, um ihn persönlich zu schädigen.

    Das Berufsgericht hat mit Beschluss vom 3. Juli 2013 das berufsgerichtliche Verfahren gegen den Beschuldigten eröffnet. Ihm wurde sinngemäß zur Last gelegt,

    die ihm obliegenden Verpflichtungen, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei der Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, § 2 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein (BO), sowie angemessene Honorarforderungen zu stellen und für die Berechnung die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu Grunde zu legen, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten, § 12 Abs. 1 BO i.V.m. § 1 Abs. 1 GOÄ,

    dadurch verletzt zu haben,

    dass er seiner Patientin, Frau L. D. , am 2. September 2010, am 20. Oktober 2010, am 15. Oktober 2010 (zwei Rechnungen) sowie am 10. November 2010,

    seinem Patienten, Herrn Dr.-Ing. X. X1. , am 9. November 2010, am 10. August 2010 sowie am 16. Dezember 2010,
    seiner Patientin, Frau H. X2. -T. , am 5. Juli 2010,
    seinem Patienten, Herrn V. D1. , am 28. Juni 2011,
    seiner Patientin, Frau V1. L1. -w. c. W. , am 16. September 2010 und am 30. September 2010 (zwei Rechnungen),
    seinem Patienten, Herrn S1. K. , am 4. November 2010

    vorsätzlich überhöhte, mit dem 3,5fachen Steigerungssatz versehene, nicht der GOÄ entsprechende Rechnungen ausgestellt habe.

    In demselben Beschluss hat das Berufsgericht gegen den Beschuldigten wegen der angeschuldigten Verletzungen der Berufspflichten auf eine Geldbuße in Höhe von 8.000,00 Euro erkannt. Gegen diesen Beschluss hat der Beschuldigte rechtzeitig den Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

    Die Vertreter der Antragstellerin haben in der Hauptverhandlung erklärt, die den Patienten D1. betreffende Originalrechnung vom 28. Juni 2011 könne nicht vorgelegt werden. Daraufhin hat das Berufsgericht mit Zustimmung der Antragstellerin beschlossen, gemäß § 154a Abs. 2 StPO den Anschuldigungsvorwurf dahingehend zu beschränken, dass der Fall der Rechnungslegung beim Patienten D1. aus der Anschuldigung herausgenommen wird.

    Ferner haben die Vertreter der Antragstellerin mitgeteilt, der Beschuldigte sei nach den hier streitbefangenen Rechnungslegungen nicht mehr auffällig geworden. Es habe keine Schlichtungsverfahren mehr gegeben.

    Die Antragstellerin hat beantragt,

    dem Beschuldigten eine Geldbuße in Höhe von 8.000,00 Euro aufzuerlegen.

    Der Beschuldigte hat beantragt,

    ihm eine möglichst geringe Bestrafung aufzuerlegen, sofern eine Einstellung gegen eine Auflage nicht möglich ist.

    Die Vertreter der Antragstellerin haben insoweit in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie würden zu einer solchen Einstellung keine Zustimmung erteilen.

    Das Berufsgericht hat durch Urteil vom 11. November 2013 gegen den Beschuldigten wegen Verletzung der Berufspflichten auf eine Geldbuße in Höhe von 7.000,00 Euro erkannt.

    Es hat ausgeführt: Der Beschuldigte habe durch sein Verhalten gegen § 29 HeilBerG NRW, §§ 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5, 12 Abs. 1 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte sowie §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 2, 12 Abs. 3 der Gebührenordnung für Ärzte - im Folgenden: GOÄ - verstoßen. Für eine den Anforderungen des § 2 Abs. 2 GOÄ entsprechende Honorarvereinbarung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 GOÄ sei im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Mithin blieben die in § 5 i.V.m. § 12 Abs. 3 GOÄ geregelten Abrechnungsmodalitäten verbindlich. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ sei es auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen, wenn eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes überschreite. Diesen Anforderungen genügten die vom Beschuldigten in den Abrechnungen verwandten allgemeinen Formulierungen "zeitaufwendige Untersuchung und Beratung aufgrund des komplexen Krankheitsbildes" bzw. "erhöhter Aufwand bei komplexem Krankheitsbild" nicht. Das ergebe sich schon daraus, dass diese Begründungen sich nicht auf einzelne Leistungen bezögen, sondern pauschal auf alle Gebührenansätze und persönlichen ärztlichen Leistungen in der jeweiligen Rechnung. Auch im Übrigen sei die Begründung wegen ihrer Pauschalität unzureichend. Aus dem Einzelfall resultierende Besonderheiten, die ausnahmsweise das Ansetzen des 3,5fachen Steigerungssatzes rechtfertigten, ergäben sich weder aus der schriftlichen Begründung der Rechnungen noch habe der Beschuldigte diese im Nachhinein substantiiert dargetan. Das pauschale Berufen auf ein komplexes Krankheitsbild und daraus folgend eine zeitaufwendige Untersuchung und Beratung bzw. einen erhöhten Aufwand reiche insoweit nicht aus. Entgegen der Auffassung des Beschuldigten sei der durchgängige Ansatz eines 3,5fachen Steigerungssatzes auch nicht mit seiner persönlichen Qualifikation zu rechtfertigen. Die zulässigen Bemessungskriterien seien sämtlich leistungsbezogen.

    Mithin habe der Beschuldigte seine Berufspflicht, angemessene Honorarforderungen auf der Grundlage der GOÄ zu stellen, mit dem durchgängigen Ansatz des 3,5fachen Steigerungssatzes für die persönlichen ärztlichen Leistungen in den streitbefangenen Rechnungen verletzt. Dieser Pflichtenverstoß sei auch schuldhaft, nämlich zumindest bedingt vorsätzlich erfolgt. Zum einen gehörten die Bemessungsgrundsätze nach §§ 5 und 12 GOÄ für ärztliche Honorarforderungen zu dem Grundwissen, das bei jedem Arzt vorausgesetzt werden könne. Das gelte namentlich auch im Hinblick auf den Ausnahmecharakter von Abrechnungen oberhalb des 2,3fachen des Gebührensatzes. Andererseits sei der Beschuldigte nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin bereits in den Jahren 2005, 2006, 2008 und 2010, als es aufgrund entsprechender Rechnungslegungen zur Durchführung außergerichtlicher Schlichtungsverfahren gekommen sei, auf die entsprechende Problematik hingewiesen worden. Daraus könne geschlossen werden, dass der Beschuldigte bewusst und gewollt gehandelt und den Verstoß gegen seine Berufspflichten zumindest billigend in Kauf genommen habe.

    Bei der nach §§ 83, 60 HeilBerG NRW zu treffenden Maßnahme sei zu Gunsten des Beschuldigten berücksichtigt worden, dass dieser einerseits bislang noch nicht berufsrechtlich in Erscheinung getreten sei. Andererseits sei jedoch zu beachten, dass gegen ihn - wie beschrieben - bereits seit mehreren Jahren außergerichtliche Schlichtungsverfahren geführt worden seien, bei denen sein Abrechnungsverhalten kritisiert worden sei.

    Gleichwohl habe er dieses Verhalten, das mit erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen für ihn verbunden sei, mit den noch streitbefangenen Rechnungen fortgesetzt. Auch im vorliegenden Verfahren habe er keine Einsicht in die Rechtswidrigkeit seines Tuns erkennen lassen, sondern vielmehr das durchgängige Ansetzen des 3,5fachen Steigerungssatzes in den streitbefangenen Rechnungen mit nicht tragfähigen Gründen zu rechtfertigen gesucht. Allerdings sei dem Beschuldigten zugute zu halten, dass er, wie sich aus der Erklärung der Vertreter der Antragstellerin in der Hauptverhandlung ergebe, nach den hier streitbefangenen Rechnungsstellungen nicht mehr auffällig geworden sei. Insbesondere habe es keine Schlichtungsverfahren wegen der Abrechnungen des Beschuldigten mehr gegeben. Gleichwohl lasse sein Gesamtverhalten es als geboten erscheinen, ihn zur künftigen Erfüllung seiner Berufspflichten durch eine deutlich fühlbare Geldbuße anzuhalten. Nach Abwägung aller Umstände erscheine ein Betrag von 7.000,00 Euro als erforderlich, aber auch ausreichend. Dabei sei berücksichtigt worden, dass in der Hauptverhandlung die den Patienten D1. betreffende Rechnungsstellung aus dem Anschuldigungsvorwurf herausgenommen worden sei. Dieser Gesichtspunkt und die Tatsache, dass keine weiteren fehlerhaften Abrechnungen des Beschuldigten bekannt geworden seien, hätten dazu geführt, dass die Sanktion unterhalb der zunächst mit Beschluss vom 3. Juli 2013 verhängten Geldbuße von 8.000,00 Euro geblieben sei.

    Sowohl die Antragstellerin als auch der Beschuldigte haben gegen das Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Antragstellerin hat ihre Berufung am 8. Oktober 2015 zurückgenommen.

    Der Beschuldigte trägt zur Begründung seiner Berufung vor: Er wende sich mit der Berufung sowohl gegen die Feststellung einer Berufspflichtverletzung als auch gegen die Höhe der festgesetzten Geldbuße.

    Er sei seit 2004 in E. als Facharzt für Orthopädie niedergelassen und habe seinen Beruf stets korrekt und gewissenhaft ausgeübt. Er habe zu keinem Zeitpunkt gegen die Berufsordnung verstoßen. Bei der Berechnung seiner Leistungen habe er sich immer einer Abrechnungsfirma bedient.

    Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin habe die B. GmbH den 3,5fachen Steigerungssatz nicht in allen 15 Rechnungen angesetzt.

    Die abgerechneten Ziffern entsprächen den von ihm erbrachten Leistungen. Dies könne gegebenenfalls durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens belegt werden.

    Die Behauptung der Antragstellerin, er habe die Patienten nicht darüber aufgeklärt, dass er bei deren komplexen Krankheitsbildern den Faktor 3,5 berechnen lassen würde, sei falsch.

    Er nehme die B. GmbH nicht mehr in Anspruch. Seit 2011 sei die E2. -Med , S. , für die Erstellung der GOÄ-Rechnungen zuständig. Bei der Antragstellerin seien seit 2010 keine Beschwerden mehr über ihn "wegen GOÄ-Rechnungen" eingegangen.

    Er habe in den Jahren 2006 bis 2011 hunderte Patienten behandelt, die sich nicht bei der Antragstellerin beschwert hätten. Es sei kein systematischer Betrug gegeben, zumal er auch die Rechnungen nicht selber geschrieben habe. Ein Verschulden liege, wenn überhaupt, bei der B. GmbH vor.

    Die Geldbuße sei nicht angemessen. Den Patienten sei kein Schaden entstanden.

    Der Beschuldigte beantragt,

    das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen,

    dass eine Verletzung von Berufspflichten nicht vorliegt,

    hilfsweise die Geldbuße auf einen in das Ermessen des Gerichts gestellten geringeren Betrag festzusetzen.

    Die Antragstellerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie hat mit Schriftsatz vom 15. April 2014 die den Patienten D1. betreffende Rechnung der E2. -Med, S. , vom 28. Juni 2011 vorgelegt und beantragt, diese gemäß §§ 154a Abs. 3, 265 Abs. 4 StPO wieder zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

    Der Senatsvorsitzende hat am 20. Januar 2016 einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt und darauf hingewiesen, es sei beabsichtigt, in der Hauptverhandlung einen Beschluss des Inhalts herbeizuführen, dass die den Patienten D1. betreffende Rechnungsstellung gemäß § 112 Satz 1 HeilBerG NRW, § 154a Abs. 3 StPO wieder in die Anschuldigung einbezogen wird. Der Senat hat einen entsprechenden Beschluss in der Hauptverhandlung gefasst.

    Bezüglich der den Patienten D1. betreffenden Rechnungsstellung trägt der Beschuldigte ergänzend vor: Aufgrund seiner national bekannten fachlichen Expertise habe der Patient ihn mit einem komplexen Befund an der Hand nach einer Operation aufgesucht. Er habe sich als "second opinion Patient" angemeldet und angegeben, bereits bei fünf weiteren Ärzten gewesen zu sein. Patienten, die eine ärztliche Zweitmeinung begehrten, seien "bekanntlich sehr zeitintensiv". Der Patient D1. sei deshalb darauf hingewiesen worden, dass die "Abrechnung nach GOÄ gemäß dem dort vorgesehenen Faktor 3,5 erfolgen" werde. Er habe Gelegenheit bekommen, darüber in aller Ruhe im Warteraum nachzudenken. Im Sekretariatsbereich sei ihm ferner die "Buchform der GOÄ" ausgehändigt worden. Er habe sich ohne Druck und aus freien Stücken entschieden, "die Bezahlung des Faktors 3,5 anzunehmen". Nach einer umfassenden Untersuchung und Aufklärung über das Krankheitsbild sowie Darlegung aller evidenzbasierten Behandlungsmodalitäten habe er offensichtlich sehr zufrieden die Arztpraxis verlassen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragstellerin (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.

    II.

    Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Antragstellerin ihre Berufung zurückgenommen hat.

    Die zulässige Berufung des Beschuldigten bleibt ohne Erfolg.

    Der Beschuldigte hat seine Berufspflichten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (1.). Die Auferlegung einer Geldbuße in Höhe von 7.000,00 Euro ist hierfür eine tat- und schuldangemessene berufsgerichtliche Maßnahme (2.).

    1. Der Beschuldigte hat gegen § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW, §§ 2 Abs. 2, 12 Abs. 1 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte - im Folgenden: BO - verstoßen, indem er nicht den Vorschriften der GOÄ entsprechende und damit unangemessene Honorarforderungen gestellt hat.

    a) Nach § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW sind Kammerangehörige verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Inhaltsgleich bestimmt § 2 Abs. 2 BO vom 14. November 1998 (MBl. NRW. 1999 S. 350) in der hier maßgeblichen Fassung vom 17. März 2007 (MBl. NRW. S. 406), dass Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen bei ihrer Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen haben.

    Nach § 12 Abs. 1 Satz BO muss die Honorarforderung angemessen sein. Für die Bemessung ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BO die Amtliche Gebührenordnung (GOÄ) die Grundlage, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten. In Übereinstimmung damit sieht § 1 Abs. 1 GOÄ liegt vor, dass die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte sich nach dieser Verordnung bestimmen, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.

    Eine die Vorschriften der GOÄ nicht beachtende Abrechnung ist geeignet, einen Verstoß gegen die Berufspflichten begründen. Soweit die Anwendung von Vergütungsregelungen von komplexen medizinischen und juristischen Bewertungen abhängig ist, liegt allerdings eine Berufspflichtverletzung nicht schon dann vor, wenn sich eine jedenfalls im Ansatz vertretbare Bewertung durch den Arzt im Nachhinein als unzutreffend herausstellt. Nicht jede Abweichung von den Abrechnungsvorschriften der GOÄ stellt demnach bereits einen Verstoß gegen dem Arzt obliegende Berufspflichten dar; vielmehr ist erst eine vorsätzlich fehlerhaft vorgenommene oder sich offensichtlich außerhalb jeder vertretbaren rechtlichen Meinung befindende Abrechnungspraxis geeignet, auf einen ahndungswürdigen Berufspflichtverstoß zu führen. Es ist nicht Sinn des berufsgerichtlichen Verfahrens, bei differierenden rechtlichen Bewertungen einer Gebührenforderung inzident über die zivilrechtliche Berechtigung der Gebührenforderung zu entscheiden und einen Berufsverstoß schon immer dann anzunehmen, wenn sich eine Rechnungsstellung im Nachhinein als unzutreffend erweist. Auch wenn der Arzt berufsrechtlich zur gewissenhaften Berufsausübung verpflichtet ist und in diesem Zusammenhang nur angemessene und auch im Übrigen den Anforderungen der GOÄ entsprechende Honorarforderungen stellen darf, ist ein Streit über die Berechtigung dieser Forderung ungeachtet der außergerichtlichen Inanspruchnahme der Vermittlungsversuche der Antragstellerin vornehmlich im Innenverhältnis zwischen Arzt und Patient zu regeln. Jede andere Betrachtungsweise würde den Arzt etwa bei sog. Analogbewertungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ oder bei in der Rechtsanwendung im Einzelfall umstrittenen Gebührenansätzen dem Risiko aussetzen, nach einer etwaigen zivilgerichtlichen Feststellung zu seinen Lasten auch noch mit berufsrechtlichen Sanktionen belegt zu werden. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Einhaltung der generalklauselartigen Grundpflicht des § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW, § 2 Abs. 2 BO in Rede steht, die nicht auf ein konkretes Verhalten, sondern auf die Zielrichtung ärztlicher Bemühungen abstellt.
    Vgl. Landesberufsgericht für Heilberufe beim OVG NRW, Beschlusse vom 25. November 2015 - 6t E 441/13.T -, [...], und Urteil vom 6. Februar 2013 - 6t A 1843/10.T -, MedR 2013, 690.

    Mit diesem Verständnis des § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW sind auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken begründet. Zwar müssen auch berufsrechtliche Normen, die mit einer Sanktion bewehrt sind, den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG genügen, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Auch stellen berufsgerichtliche Verurteilungen Eingriffe in die Berufsausübung dar, die an Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen sind, wonach Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt.
    Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Mai 1996 - 1 BvR 744/88 u. a. -, BVerfGE 94, 372, und vom 11. Juni 1969 - 2 BvR 518/66 -, BVerfGE 26, 186.

    Das Bundesverfassungsgericht hat bezogen auf die Ehrengerichtsbarkeit der Rechtsanwälte ausgeführt, dass sich in den Disziplinargesetzen seit jeher nicht wie im allgemeinen Strafrecht einzelne Straftatbestände mit entsprechenden Strafdrohungen, sondern Generalklauseln finden, wonach die schuldhafte Verletzung von Berufspflichten mit einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarstrafen geahndet wird. Diese Generalklauseln sind gerechtfertigt, weil eine vollständige Aufzählung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten nicht möglich ist. Eine Einzelnormierung ist hier - anders als im allgemeinen Strafrecht - in der Regel auch nicht nötig; denn es handelt sich um Normen, die nur den Kreis der Berufsangehörigen betreffen, sich aus der ihnen gestellten Aufgabe ergeben und daher für sie im Allgemeinen leicht erkennbar sind.
    Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1969 - 2 BvR 518/66 -, a.a.O.

    Die Generalklausel des § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW, die diese Beziehung zwischen Berufsaufgabe und Berufspflicht zum Ausdruck bringt, ist daher sowohl im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG als auch des Art. 12 Abs. 1 GG eine hinreichend bestimmte Grundlage für eine berufsgerichtliche Sanktion.
    Vgl. Landesberufsgericht für Heilberufe beim OVG NRW, Beschluss vom 25. November 2015 - 6t E 441/13.T -, Urteil vom 6. Februar 2013 - 6t A 1843/10.T -, a.a.O., und Beschluss vom 29. September 2010 - 6t E 1060/08.T -, MedR 2011, 467.

    b) Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beschuldigte seine Berufspflichten verletzt hat, indem er mittels der B. GmbH bzw. der E2. -Med, S. ,

    - seiner Patientin L. D. unter dem 2. September 2010, unter dem 15. Oktober 2010 (zwei Rechnungen), unter dem 20. Oktober 2010 und unter dem 10. November 2010,
    - seinem Patienten Dr.-Ing. X. X1. unter dem 10. August 2010 und unter dem 9. November 2010,
    - seiner Patientin H. X2. -T. unter dem 5. Juli 2010,
    - seinem Patienten V. D1. unter dem 28. Juni 2011,
    - seiner Patientin V1. L1. -w. c. W. unter dem 16. September 2010 und unter dem 30. September 2010 (zwei Rechnungen) und
    - seinem Patienten S1. K. unter dem 4. November 2010

    nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 5 GOÄ entsprechende Rechnungen übermittelt und damit unangemessene Honorarforderungen gestellt hat.

    aa) Der Beschuldigte war vorliegend u.a. an die in § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 5 GOÄ enthaltenen Vorgaben der GOÄ gebunden. Deren Anwendungsbereich (vgl. § 1 Abs. 1 GOÄ) ist eröffnet, weil insoweit bundesgesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

    bb) Die Verbindlichkeit dieser Vorgaben der GOÄ ist auch nicht etwa durch eine Honorarvereinbarung entfallen. Denn der Beschuldigte hat bezogen auf die genannten Rechnungsstellungen keine wirksame Vereinbarung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 GOÄ getroffen.

    Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GOÄ ist eine solche Vereinbarung nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes in einem Schriftstück zu treffen. Dieses muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten. Der Arzt hat dem Zahlungspflichtigen einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen (vgl § 2 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 GOÄ).

    Der Beschuldigte hat kein Schriftstück vorgelegt, dass eine zwischen ihm und einem der genannten Patienten getroffene, geschweige denn den genannten inhaltlichen Anforderungen genügende Honorarvereinbarung enthält. Er behauptet auch selbst nicht, eine schriftliche Honorarvereinbarung getroffen, sondern die Patienten im Verlaufe der Behandlung lediglich darauf hingewiesen zu haben, dass aufgrund der Komplexität des jeweiligen Krankheitsbildes mit dem Faktor 3,5 abgerechnet werde. Insoweit fügt sich, dass der Beschuldigte sich gegenüber der Antragstellerin bezüglich der Beschwerde des Patienten D1. mit Schreiben vom 18. September 2011 rechtsirrig dahingehend geäußert hat, eine Honorarvereinbarung sei nur dann erforderlich, wenn Faktoren "höher als 3,5 vereinbart" würden.

    Ob der Patient D1. oder auch die anderen Patienten sich im Rahmen der Behandlung mit der angekündigten Abrechnungsweise einverstanden erklärt haben, kann dahinstehen. Denn es ist - wie dargestellt - nicht ersichtlich, dass eine entsprechende Vereinbarung in einer den Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 GOÄ entsprechenden Weise getroffen worden ist.

    cc) Nach § 5 Abs. 1 S. 1 GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr, soweit in den - vorliegend nicht einschlägigen - Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein; dies gilt nicht für die in Abs. 3 genannten Leistungen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GOÄ). Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GOÄ). In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes - sog. Regelspanne - bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ).

    Dem 2,3fachen des Gebührensatzes kommt die Funktion eines Schwellenwertes zu. Es stellt keinen Fehlgebrauch des Ermessens dar, wenn persönlich-ärztliche Leistungen, die sich in einem Bereich durchschnittlicher Schwierigkeit befinden, zum Schwellenwert abgerechnet werden.

    Dem scheint zwar der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ entgegenzustehen. Ohne eine nähere Begründungspflicht im Bereich der Regelspanne ist es jedoch nicht praktikabel und vom Verordnungsgeber nicht gewollt, den für eine durchschnittliche Leistung angemessenen Faktor zu ermitteln oder anderweitig festzulegen.

    Vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 - III ZR 54/07 -, BGHZ 174, 101.

    Enthalten muss die Rechnung bei Gebühren die Nummer und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ). Überschreitet eine berechnete Gebühr nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ). Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ).

    Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Zahlungspflichtigen eine (lediglich) grobe Handhabe an die Hand zu geben, um die Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs abschätzen zu können, sind zwar keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Die vom Arzt gegebene - auf die einzelne Leistung bezogene - Begründung muss aber geeignet sein, das Vorliegen solcher Umstände verständlich und nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes und insbesondere den Ansatz des Höchstsatzes von 3,5 rechtfertigen können.
    Vgl. zu § 5 Abs. 2 GOZ: OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 1999 - 12 A 2889/99 -, [...], und Beschluss vom 20. Oktober 2004 - 6 A 215/02 -, [...].

    Die Begründung kann nicht durch die schlichte Wiedergabe der Bemessungskriterien erfüllt werden. Es bedarf vielmehr einer individuellen, auf den Behandlungsfall bezogenen Begründung.
    Vgl. Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Stand: 1. Oktober 2015, § 5 Nr. 13.

    Ausgehend von der zitierten Entscheidung des BGH ist eine Überschreitung des Schwellenwertes nur zulässig, wenn eine überdurchschnittlich schwierige und/oder zeitaufwendige persönlich-ärztliche Leistung abgerechnet wird. Folglich muss sich aus der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GOÄ erforderlichen Begründung ergeben, dass mit der erbrachten Leistung eine überdurchschnittliche Schwierigkeit und/oder ein überdurchschnittlicher Zeitaufwand einhergegangen ist, wobei Schwierigkeit und Zeitaufwand häufig in einer Wechselbeziehung zueinander stehen.
    Vgl. auch hierzu: BGH, Urteil vom 8. November 2007, a.a.O.

    Die Begründung muss, damit sie für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar ist, hinreichende Anhaltspunkte für einen Vergleich mit dem Durchschnittsfall enthalten, aus dem deutlich wird, dass die erbrachte Leistung überdurchschnittlich schwierig und/oder überdurchschnittlich zeitaufwendig war und der Schwierigkeitsgrad bzw. der Zeitaufwand somit über demjenigen lag, der durch den Schwellenwert abgedeckt wird.
    Vgl. zum Zeitaufwand: OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 1999 - 12 A 2889/09 -, a.a.O.

    Auch § 5 Abs. 2 Satz 2 GOÄ, wonach die Schwierigkeit der einzelnen Leistung auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein kann, entbindet den Arzt nicht von der Verpflichtung, die Überschreitung des Schwellenwertes auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen.
    Vgl. Miebach, in: Uleer, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 5 Rn. 26 f.; Liebold/Raff/Wissung, Kommentar zur Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand: November 2015, § 5 Rdnr. 16; a.A.: Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Stand: 1. Oktober 2015, § 5 Nr. 6, und Hoffmann/Kleinken, Gebührenordnung für Ärzte, 3. Aufl., Stand: Frühjahr 2012, § 5 B Nr. 9a.

    Die vom Beschuldigten zur Begründung der Überschreitung der Schwellenwerte in den Rechnungen angeführten Formulierungen "Die Überschreitung der Mittelwerte ist gem. § 5 GOÄ aus folgenden Gründen gerechtfertigt: Zeitaufwendige Untersuchungen und Beratungen aufgrund des komplexen Krankheitsbildes" bzw. "Die Überschreitung der Mittelwerte ist gem. § 5 GOÄ aus folgenden Gründen gerechtfertigt: erhöhter Aufwand bei komplexem Krankheitsbild" knüpfen an das in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ genannte Bemessungskriterium des Zeitaufwands ("zeitaufwendige Untersuchungen und Beratungen", "erhöhter Aufwand") an. Sie werden den Vorgaben des § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 5 GOÄ schon deshalb nicht gerecht, weil sie nicht auf einzelne Leistungen bezogen sind. Die Formulierungen beziehen sich vielmehr pauschal auf alle berechneten persönlich-ärztlichen Leistungen in den jeweiligen Rechnungen.

    Ungeachtet dessen machen die Formulierungen auch nicht deutlich, dass ein Zeitaufwand entfaltet worden ist, der die jeweils erbrachten Leistungen im Vergleich zum Durchschnittsfall als überdurchschnittlich, geschweige in einem Maße qualifiziert, das sogar den Ansatz des Höchstsatzes von 3,5 rechtfertigt. Soweit der Beschuldigte bezüglich des Patienten D1. im Nachhinein erläutert hat, es handele sich um einen Patienten, der eine ärztliche Zweitmeinung begehrt habe und solche Patienten seien "bekanntlich sehr zeitintensiv", reicht auch dies nicht ansatzweise. Denn die Abgabe einer Zweitmeinung geht nicht zwangsläufig mit persönlich-ärztlichen Leistungen einher, die überdurchschnittlich zeitaufwendig sind.

    Soweit der Beschuldigte mit den angeführten Formulierungen "Die Überschreitung der Mittelwerte ist gem. § 5 GOÄ aus folgenden Gründen gerechtfertigt: Zeitaufwendige Untersuchungen und Beratungen aufgrund des komplexen Krankheitsbildes" bzw. "Die Überschreitung der Mittelwerte ist gem. § 5 GOÄ aus folgenden Gründen gerechtfertigt: erhöhter Aufwand bei komplexem Krankheitsbild" überdies an das Bemessungskriterium "Schwierigkeit" und zugleich an die Schwierigkeit des Krankheitsfalles i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 GOÄ anknüpft, und - entgegen der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung - angenommen wird, er sei nicht verpflichtet gewesen, die Überschreitung des Schwellenwertes auf die einzelne Leistung bezogen zu begründen, genügen die Formulierungen ebenfalls nicht den Vorgaben des § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 5 GOÄ. Denn auch dann hätte es einer individuellen und für den Zahlungspflichtigen nachvollziehbaren schriftlichen Begründung der Schwierigkeit des jeweiligen Krankheitsfalles bedurft. Der pauschale Hinweis auf ein komplexes Krankheitsbild reicht insoweit nicht.

    Entgegen der Auffassung des Beschuldigten berechtigt ihn auch seine persönliche Qualifikation nicht, generell über dem Schwellenwert liegende Gebühren für persönlich-ärztliche Leistungen in Ansatz zu bringen. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ umschreibt die zulässigen Bemessungskriterien (Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung) abschließend.
    Vgl. Brück/Klakow-Franck, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Stand: 1. Oktober 2015, § 5 Nr. 5 und § 12 Nr. 3.4.

    dd) Die dem Patienten Dr.-Ing. X. X1. unter dem 16. Oktober 2010 übermittelte Rechnung widerspricht allerdings nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 5 GOÄ. Eine Gebühr, die das 2,3fache des Gebührensatzes überschreitet, ist dort nicht berechnet worden.

    c) Der Beschuldigte hat auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Als Arzt muss er die einschlägigen Bestimmungen des HeilBerG NRW, der BO und der GOÄ kennen. Überdies ist der Beschuldigte nach dem Vortrag der Antragstellerin, dem er nicht widersprochen hat, bereits in den Jahren 2005, 2006, 2008 und 2010 auf die Anforderungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 5 GOÄ hingewiesen worden, nachdem sich Patienten über seine Rechnungsstellungen beschwert hatten. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass der Beschuldigte bei den eingangs unter b) genannten Rechnungsstellungen mit der Möglichkeit gerechnet hat, Unrecht zu tun, und die Verletzung der Berufspflichten zumindest billigend in Kauf genommen hat. Mithin liegt zumindest bedingter Vorsatz vor.

    2. Die Auferlegung einer Geldbuße ist nach allem gerechtfertigt, um den Berufsverstoß zu ahnden und den Beschuldigten auch künftig zur Beachtung seiner berufsrechtlichen Pflichten anzuhalten. Der Senat hält es unter Einbeziehung des Anschuldigungspunktes "Patient D1. " für angemessen, es bei einer Geldbuße in Höhe von 7.000,00 Euro zu belassen. Der Senat berücksichtigt hierbei einerseits, dass die Art und Weise der in Rede stehenden fehlerhaften Rechnungsstellung in erheblichem Maße zu Lasten der Patienten und Versicherungsträger schadensgeneigt ist, ferner die hartnäckige - jedenfalls bis 2011 fortdauernde - Uneinsichtigkeit des Beschuldigten und Missachtung der Bemühungen der Antragstellerin, ihn zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, und andererseits seine bisherige berufsrechtliche Unauffälligkeit sowie die lange - nicht von ihm zu vertretende - Dauer des berufsgerichtlichen Verfahrens vor dem Senat.

    Für die Bemessung der Geldbuße ist es dagegen ohne Bedeutung, ob aufgrund aus dem Einzelfall resultierender Besonderheiten das Ansetzen des 3,5fachen Gebührensatzes für persönlich-ärztliche Leistungen, die mit den eingangs unter b) genannten Rechnungen abgerechnet worden sind, zu rechtfertigen gewesen wäre. Selbst wenn dies zu Gunsten des Beschuldigten unterstellt wird, wäre es nicht maßnahme-mildernd zu berücksichtigen. Denn dadurch würden die begangenen Berufspflichtverletzungen in kein milderes Licht gerückt, weil dem Beschuldigten kein Vermögensdelikt, sondern eine vorsätzlich fehlerhafte Rechnungsstellung vorgeworfen wird.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 107, 108, 112 Satz 1 HeilberG NRW i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

    Die Entscheidung über die Verfahrensgebühr beruht auf § 107 Abs. 2 HeilBerG NRW.

    RechtsgebietHeilBerG NRW; BO; GOÄ; GGVorschriften§ 29 Abs. 1 HeilBerG NRW; § 12 Abs. 1 BO; § 1 Abs. 1 GOÄ; § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ; § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ; Art. 12 Abs. 1 GG; Art. 103 Abs. 2 GG