20.12.2001 · IWW-Abrufnummer 011457
Landgericht Koblenz: Urteil vom 20.06.2001 – 12 S 357/00
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Urteil mit Tatbestand und Entscheidungsgründen zur Geschäftsstelle gelangt am:
Verkündet
am 20. Juni 2001
- 12 S 357/00 -
- 5 C 642/99 -
(AG Montabaur)
LANDGERICHT KOBLENZ
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit XXX
gegen XXX
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2001 durch den Vizepräsidenten des Landgerichts XXX den Richter am Landgericht XXX und die Richterin XXX für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Montabaur vom 18. Oktober 2000 ? 5 C 642/99 ? teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11,73 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5. November 1999 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten, mit Ausnahme des auf die zulässige Anschlussberufung hin anzuerkennenden Betrages, keinen weiteren Zahlungsanspruch aus dem zwischen den Parteien zugrundeliegenden Krankenversicherungsvertrag. Die Beklagte hat die Erstattung der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen bis auf den zu erkannten Betrag zu Recht verweigert. Die von dem behandelnden Arzt Dr. ... erstellte Rechnung vom 28. Januar 1999 entspricht in dem von dem Beklagten beanstandeten Umfang nicht den Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), im Besonderen nicht § 4 Abs. 2. a GOÄ, wonach nur für selbständige Leistungen Gebühren berechnet werden dürfen. Der behandelnde Arzt hat im Zusammenhang mit der von ihm durchgeführten Operation, die als Zielleistung den endoprothetischen Totalersatz eines Hüftgelenks betraf, Leistungen abgerechnet, die zur Erbringung der Zielleistung erforderlich waren, worauf im Folgenden im Einzelnen eingegangen werden wird. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Zielleistungsprinzip mit einigen ?Detailregelungen? im Gebührenverzeichnis nur schwer in Einklang zu bringen ist. Dies kann aber nicht bedeuten, den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der diese grundlegende Regelung in der 4. Änderungsverordnung nochmals ausdrücklich bestätigt und verdeutlicht hat, zu ignorieren. Es hat vielmehr zu gelten, dass das Zielleistungsprinzip anzuwenden ist. Vermeintliche Mängel der GOÄ können nicht durch eine zusätzliche, gebührenrechtlich nicht zulässige Berechnung einzelner Leistungsbestandteile kompensiert werden. Vermeintliche ?Ungereimtheiten? können derzeit nur bei einem weiteren Novellierungsschritt durch den Verordnungsgeber beseitigt werden (vgl. Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 2. Aufl., Seite 35). Entscheidend für die Berechtigung der in Ansatz gebrachten Ziffern der GOÄ ist mithin, ob sich bei der abgerechneten Leistung um eine selbstständige Leistung des behandelnden Arztes oder ?nur? ein methodisch notwendiger Einzelschritt der operativen Zielleistung des endoprothetischen Totalersatzes des Hüftgelenkes ist.
Im Einzelnen:
Zu Nummer 34:
Die Berechtigung der Geltendmachung der hier beschriebenen speziellen Beratungsleistung scheidet bereits deshalb aus, da bei dem Kläger eine lebensbedrohende Erkrankung oder nachhaltig lebensverändernde Erkrankung nicht vorgelegen hat. Dass der Totalersatz eines Hüftgelenks durch eine Prothese das Leben des Patienten nachhaltig verändert, hat weder der Kläger vorgetragen, noch ist dies aus einer Stellungnahme des behandelnden Arztes vom 17. Juni 1999 erkennbar.
Zudem hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang anlässlich der Mitteilung der Diagnose und der Erörterung der Auswirkungen der Krankheit auf das Leben des Patienten nicht dargetan ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Diagnose bereits vor der stationären Aufnahme des Klägers gestellt worden ist.
Zu Nummer 3321:
Bezüglich dieser Position kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts, denen die Kammer folgt, Bezug genommen werden.
Zu Nummer 2405:
Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass diese Position unter Zugrundelegung des Zielleistungsprinzipes nicht abgerechnet werden darf. Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat in seinem Gutachten vom 2. Mai 2000 nachvollziehbar ausgeführt, dass die Entfernung eines Schleimbeutels bei dem gewählten Zugangsweg obligat ist. Es handelt sich deshalb um eine zur Erreichung des Zieles notwendige Maßnahme.
Zu Nummer 2125:
Die unter dieser Ziffer abgerechneten Leistungen beinhalten ebenfalls einen methodisch notwendigen Schritt auf dem Wege zum Einsetzen eines künstlichen Gelenkes. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt. Unter Zugrundelegung des Zielleistungsprinzips kommt deshalb eine Anrechnung nicht in Betracht. Demzufolge ist der gegenteiligen Auffassung des Amtsgerichts Trier nicht zu folgen. Eine Nebeneinanderberechnungsfähigkeit der GOÄ Ziffern 2125 und 2151 kommt demzufolge nicht in Betracht (vgl. Uleer/Miebach/Patt, a.a.O., Seite 35 m.w.N.).
Zu Nummer 2113:
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts stellt die Synovialitis kein eigenständiges Krankheitsbild dar. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass die Entfernung der Gelenkschleimhaut ein methodisch normaler Schritt auf dem Wege zur Alloarthroplastik ist. Demzufolge geht auch Brück (Brück, Krimmel, Hess, Kleinken, Warlo, Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Stand Februar 2000) davon aus, dass ein Ansatz der Ziffer 2113 nicht neben 2125 oder 2151 in Betracht kommt.
Zu Nummer 2103:
Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat nachvollziehbar ausgeführt, dass nach dem Operationsbericht eine Muskelentspannungsoperation nicht durchgeführt worden ist.
Durchgeführt worden ist vielmehr eine Sehnendurchtrennung der Piriformismuskeln zur Verbesserung der Beweglichkeit des Hüftgelenks. Diese Leistung ist in Punkt 2072 erfasst. Eine Maßnahme nach 2072 ist jedoch nicht gesondert abrechenbar, da sie eine notwendige Zielleistung auf dem Weg zum Einsatz eines künstlichen Hüftgelenkes ist.
Zu Nummer 2148:
Die Abrechnung der insoweit erbrachten Leistungen kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Herrichtung des Pfannendaches zur Aufnahme des Kunstgelenkes einen notwendigen Schritt zur Erbringung der Zielleistung darstellt. Eine Anrechnung der Nummer 2148 kommt nur dann in Betracht, wenn das Hüftpfannendach neu gebildet wird. Eine solche Leistung hat der Operateur nach den Ausführungen des Sachverständigen hier jedoch nicht erbracht, sondern lediglich das Hüftpfannendach zur Aufnahme des Hüftgelenkes ?hergerichtet?. Insoweit kann nach den Ausführungen des Sachverständigen lediglich von einer ?Reparatur? und nicht von einer ?Neuherstellung? gesprochen werden.
Zu Nummer 2090 analog:
Bei der durchgeführten Wundspülung handelt es sich laut den Ausführungen des Sachverständigen um eine notwendige Maßnahme bei der durchgeführten Operation. Eine eigenständige Abrechnung dieser Leistung kommt daher nicht in Betracht.
Zu den Punkten 2254 und 2255:
Hier folgt die Kammer den zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts, dass eine Erstattungsfähigkeit der unter diesen Nummern geltend gemachten Beträge mit zutreffender Begründung abgelehnt hat. Zudem kommt ein Ansatz der 2254 und 2255 nebeneinander nicht in Betracht (vgl. Brück, Kommentar zu GOÄ, Anmerkungen zu den Nrn. 2254 und 2255).
Zu Nummer 2032:
Leistungen für das Legen von Redon-Drainagen dürfen nicht unter Nummer 2032, sondern nur unter 2015 abgerechnet werden. Eine Abrechnung nach 2032 setzt zudem voraus, dass Leistungen nach der Nummer 2031 erbracht worden sind, da es sich bei Leistungen nach 2032 um Zusatzleistungen zur Nummer 2031 handelt (vgl. Brück, a.a.O., Anmerkungen zu Ziffer 2031, 2032). Diese Auffassung vertritt, soweit ersichtlich, auch die Beklagte (Schriftsatz vom 18. Mai 2001 Seite 9, 2. Abs.). Geltend gemacht werden kann daher lediglich eine Leistung nach 2015. Soweit die Beklagte ausführt, dass sie die unter der Nummer 2032 abgerechneten Leistungen nach 2015 erstattet habe, ist dies für die Kammer nicht nachvollziehbar. Die von der Beklagten insoweit vorgelegten Abrechnungsnachweise beinhalten die Nummer 2015 nicht. Die Klage ist daher in Höhe von 11,73 DM begründet (6,80 DM x 2,3 abzüglich 25 %).
Zu Nummer 530:
Ein Anspruch auf Erstattung der unter 530 abgerechneten Leistungen besteht nicht. Der Rechnungssteller hat diese Leistungen nicht selbst erbracht. Eine Abrechnung wäre demzufolge nach § 4 Abs. 2 S. 4 GOÄ nur dann zulässig, wenn der Wahlarzt durch die Zusatzbezeichnung physikalische Therapie, Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin qualifiziert ist und die Leistungen nach fachlicher Weisung unter deren Aufsicht erbracht werden. Der Wahlarzt mag zwar qualifiziert sein, eine Abrechnung der erbrachten Leistungen erfordert aber darüber hinaus den Nachweis, dass eine Überprüfung der Wirkung jeder einzelnen physikalisch medizinischen Behandlungsmaßnahme durch persönliche Untersuchung des Patienten bzw. persönliche Rücksprache mit dem Physiotherapeuten erfolgt ist (vgl. Uleer/Miebach/Patt, a.a.O., Seite 53). Entscheidend ist demzufolge, dass der Wahlarzt jede einzelne Maßnahme überprüft. Derartiges hat der Kläger weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.
Die Kammer hat den Streitwert auf 2.922,39 DM festgesetzt.