02.07.2009 · IWW-Abrufnummer 092117
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 25.08.2008 – 5 U 243/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 U 243/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 21. November 2007 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 490/05 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger mit Ausnahme der Kosten des Streithelfers, die jener selbst zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger, der bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung unterhält, verlangt die Erstattung von Aufwendungen für wahlärztliche Leistungen, die ihm im Zuge von zwei stationären Aufenthalten in der T-Klinik, Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie, anlässlich der Behandlung einer bei ihm vorhandenen bipolaren affektiven Störung mit depressiver Episode entstanden sein sollen, und die nach GOÄ Ziffer 846 und 847 (übendes Verfahren, z. B. autogenes Training, in Einzel- bzw. Gruppenbehandlung, Dauer mindestens 20 Minuten), die dem Kläger insgesamt 906 mal (846 = 291 mal, 847 = 615 mal) berechnet worden sind. Nach einer vom Kläger vorgelegten Spezifizierung der Leistungen handelt es sich im Wesentlichen um seine Teilnahme am Morgenlauf/Lauftreff/Walking (etwa 260 mal) Beschäftigung/Ergotherapie (etwa 120 mal) sowie diverse Teilnahmen an der Gymnastik, am Entspannungstraining, an der Depressionsgruppe, sowie Einzelgespräche. Der Kläger meint, die Leistungen seien als Wahlarztleistungen abrechenbar, weil sie nach vom Chefarzt (Streithelfer) erstellten Behandlungsplänen und nach dessen Weisungen erfolgt seien. Der Streithelfer habe die Behandlungen überwacht und sich stets von dessen Wirksamkeit überzeugt. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen,
an ihn 6.898,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06. November 2004 zu zahlen,
an ihn weitere 305,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06. November 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Wirksamkeit der vorgelegten Wahlarztvereinbarungen bestritten und im Übrigen die Berechenbarkeit der in Ansatz gebrachten Leistungen in Abrede gestellt.
Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie Klageabweisung erstrebt.
Der Kläger und der Streithelfer treten der Berufung entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung führt zur Klageabweisung. Der Kläger hat keine Ansprüche auf Erstattung der nach GOÄ Ziffern 846 und 847 in Rechnung gestellten Leistungen.
In der Krankheitskostenversicherung kann der Versicherungsnehmer nur Ersatz der Aufwendungen verlangen, die ihm für medizinisch notwendige Heilbehandlungen entstanden sind. Das setzt wiederum einen wirksamen und fälligen Vergütungsanspruch des Arztes, hier des Streithelfers gegen ihn voraus. Daran fehlt es. Der Streithelfer hat keinen Anspruch gegen den Kläger auf Vergütung der streitgegenständlichen Leistungen. Dabei kann dahinstehen, ob die Wahlleistungsvereinbarungen überhaupt wirksam zustande gekommen sind, was die Beklagte mit beachtlichen Gründen anzweifelt. Es kann ferner offen bleiben, ob die Ansicht des Landgerichts zutrifft, die Beklagte könne sich auf eine etwaige Unwirksamkeit nicht mehr berufen, weil sie in Kenntnis aller Umstände Abschlagszahlungen geleistet habe. Der Kläger hat nämlich nicht dargetan, dass es sich bei den Leistungen, die nach Ziffern 846 und 847 in Ansatz gebracht worden sind, um abrechenbare wahlärztliche Leistungen handelt.
Nach § 22 Abs. 1 S. 2 BPflV dürfen diagnostische und therapeutische Leistungen als Wahlleistungen nur gesondert berechnet werden, wenn die Leistungen von einem Arzt erbracht werden. Das ist bei der Teilnahme des Klägers am Morgenlauf, der Beschäftigungs- und Ergotherapie sowie der Gymnastik unzweifelhaft nicht der Fall. Der Kläger behauptet auch nicht, diese therapeutischen Maßnahmen seien von einem Arzt in dessen persönlicher Anwesenheit geleitet und durchgeführt worden. Die bloße Anordnung, diese Maßnahmen dem Patienten zuteil werden zu lassen, weil sie aufgrund einer zuvor vom Wahlarzt durchgeführten Untersuchung und Exploration für wirksam und notwendig erachtet worden sind, macht die anschließende Leistung nicht zu einer ärztlichen Leistung. Es besteht auch kein Grund, entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift eindeutige nichtärztliche Leistungen in die Vergütungspflicht zugunsten des Wahlarztes einzubeziehen. Der Wahlleistungspatient will sich die persönliche Zuwendung und Behandlung eines besonders qualifizierten und erfahrenen Krankenhausarztes hinzukaufen (vgl. BGH NJW 1998, 1778). Daran fehlt es, wenn bei der Behandlungsmaßnahme nicht einmal ein Arzt anwesend ist.
Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit § 4 Abs. 2 S. 1, 3 GOÄ. Auch danach sind nur selbständige ärztliche Leistungen berechenbar, die der Arzt selbst erbracht hat oder unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht werden. Zwar kann auch eine ärztliche Leistung vorliegen, wenn im Rahmen einer diagnostischen oder therapeutischen ärztlichen Maßnahme Einzelverrichtungen von nichtärztlichem Personal erbracht werden. Erforderlich ist dann aber stets die persönliche Überwachung, Anleitung und Kontrolle durch den Arzt. Die vollständige Delegation therapeutischer Leistungen an nichtärztliches Personal führt zum Verlust der Abrechnungsmöglichkeit als wahlärztliche Leistung (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 07.07.2008 - 12 K 4319/07 - Fundstelle bei Juris). Soweit das Oberlandesgericht Hamm gemeint hat, der Chefarzt erfülle bei einer psychiatrischen und psychotherapeutischen teilstationären Behandlung seine gemäß § 613 BGB bestehende persönliche Leistungspflicht, wenn er das Therapieprogramm entwickele oder vor Behandlungsbeginn persönlich überprüfe, den Verlauf der Behandlung engmaschig überwache und die Behandlung nötigenfalls jederzeit beeinflussen könne, er sei dagegen nicht verpflichtet, jeden einzelnen Behandlungsschritt persönlich auszuführen (vgl. NJW 1995, 2420), mag man dem beipflichten, wenn es um die Frage geht, ob der Chefarzt als Wahlarzt seine ihm dem Selbstzahler gegenüber obliegenden vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat. Daraus folgt aber noch nicht, dass er sämtliche dem Patienten zuteil gewordenen diagnostischen und therapeutischen Leistungen, einerlei von wem sie unter welchen Umständen erbracht worden sind, als eigene liquidieren darf. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die ärztliche Leistung im Bereich der Psychiatrie/Psychotherapie weiter gefasst werden soll als in anderen Bereichen. Der weisungsberechtigte Chefarzt ist ohnehin für Diagnostik und Therapie bei allen Patienten seines Bereichs verantwortlich. Als wahlärztliche Behandlung ist eine selbstständige therapeutische Maßnahme nur abrechenbar, wenn es sich um eine ärztliche Maßnahme handelt und der Wahlarzt ihr durch persönliche Befassung mit dem Patienten zu Beginn, während und zum Abschluss der Maßnahme sein persönliches Gepräge gegeben hat (vgl. auch Landgericht Hamburg, Urteil vom 02.02.2001 - 313 S 62/00 - Fundstelle bei Juris). Daran hat es im Streitfall gefehlt.
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die übrigen Maßnahmen, die unter den Gebührenziffern 846, 847 abgerechnet worden sind. Auch insoweit fehlt es an einem substantiierten Vortrag, welche Leistungen von Ärzten erbracht worden sein sollen und inwieweit der Streithelfer sich daran konkret beteiligt hat.
Schließlich bleibt zu erwähnen, dass der Kläger die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht beanspruchen kann.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 101, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.