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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 31.07.2002 – V 285/01

    Keine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO im steuerlichen Vollstreckungsverfahren

    Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung nach § 15 VwZG


    Gründe

    I. Der Antragsteller - Ast - begehrt für das Hauptsacheverfahren V 285/01 Prozesskostenhilfe.

    Der Ast befindet sich seit 1980 in Vollstreckung. Am 16.12.1988 ging bei dem für ihn zuständigen Finanzamt Hamburg-... - FA - die von dem Ast am 9.12.1988 unterschriebene Einkommensteuererklärung 1985 sowie Vermögensteuererklärungen auf den 1.1.1984 und 1.1.1986 ein. In der Einkommensteuererklärung erklärte der Ast bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb u.a. einen Gewinnanteil aus der A GmbH & Co. - KG - in Höhe von 200.953 DM und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.038.410 DM. Lt. Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der KG für 1985 vom 7.7.1987 war der Veräußerungsgewinn mit Bescheid vom selben Tage auf 1.049.612,50 DM festgestellt worden. In den Steuererklärungen gab der Ast den Steuerberater S als Empfangsbevollmächtigten an.

    Das FA erhielt lt. Vermerk vom 30.5.1989 vom Einwohnermeldeamt die Auskunft, dass sich der Ast am 15.12.1988 ohne weitere Angaben ins Ausland abgemeldet habe. Auch diverse Anfragen des FA an den damaligen Steuerberater des Ast, S (Telefonat vom 1.6.1989, Schreiben vom 13.6.1989 und 25.8.1989), der die Einkommensteuererklärung 1985 eingereicht hatte, führten nicht zur Ermittlung der ausländischen Anschrift des Ast. Der Steuerberater erklärte am 1.6.1989 telefonisch, dass er die Zustellungsvollmacht dem FA vorlege, sofern sie vorhanden sei. Er teilte mit Schreiben vom 28.6.1989 mit, dass ihm die Anschrift des Ast „zur Zeit nicht bekannt” sei. Das Einwohnerzentralamt bestätigte mit Schreiben vom 9.8.1989, dass sich der Ast ohne nähere Angaben ins „Ausland” abgemeldet habe. Auch das Wirtschaftsprüfungsbüro, das eine von dem Ast zum 1.1.1985 übernommene Firma bislang betreut hatte, ließ dem FA am 13.8.1991 auf schriftliche Anfrage vom 27.6.1991 telefonisch mitteilen, dass dort die Anschrift des Ast nicht bekannt sei. Nachdem das FA dem damaligen Steuerberater des Ast mit Schreiben vom 31.5.1991 angekündigt hatte, ihm als Empfangsbevollmächtigten die ausstehenden Bescheide übersenden und diese zugleich dem Ast öffentlich zustellen zu wollen, teilte dieser dem FA mit Schreiben vom 4.6.1991 mit, dass ihm der Aufenthaltsort des Ast nicht bekannt sei und er das Mandat mit sofortiger Wirkung niederlege.

    Das FA setzte die Einkommensteuer 1985 mit Bescheid vom 8.7.1991 auf 437.425 DM und die Vermögensteuer 1984 und 1985 mit Bescheid auf dem 1.1.1984 (Neuveranlagung) vom 8.7.1991 auf jeweils 11.645 DM fest und stellte die Steuerforderungen jeweils zum 12.8.1991 fällig. Das FA ordnete am 4.7.1991 die öffentliche Zustellung an; der Tag des Aushangs der Benachrichtigung datiert vom 8.7.1991 und der der Abnahme vom 25.7.1991. Die Urkunde trägt den Stempel des FA vom 24.7.1991. Mit Bescheid auf den 1.1.1986 über Vermögensteuer (Hauptveranlagung) vom 22.7.1991 setzte das FA die Vermögensteuer 1986, 1987 und 1988 auf jeweils 8.795 DM fest und stellte diese Steuerforderungen jeweils zum 26.8.1991 fällig. Das FA ordnete am 18.7.1991 die öffentliche Zustellung an; der Tag des Aushangs der Benachrichtigung datiert vom 19.7.1991 und der der Abnahme vom 9.8.1991. Die Urkunde trägt den Stempel des FA vom 8.8.1991. Das FA führte in den beiden ausgehängten Benachrichtigungen die erlassende Behörde - das Finanzamt Hamburg-... -, den Ast mit seiner letzten Anschrift, die Steuernummer des Ast und die streitigen Steuerbescheide auf. Auf die Urkunden über die öffentliche Zustellung der streitigen Bescheide, Bl. 92 und 94 ESt-Akten, wird Bezug genommen.

    Nachdem das FA in den Folgejahren vergeblich diverse Nachforschungen - auch über das Bundeszentralregister - zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Ast unternommen und noch am 2.11.2000 von der Meldebehörde Hamburg die Auskunft erhalten hatte, dass der Ast nicht zu ermitteln sei, konnte das FA im November 2001 den Aufenthaltsort des Ast mit seiner derzeitigen Anschrift über das Einwohner-Melderegister ermitteln. Wegen rückständiger Steuern in Höhe von 325.186,59 DM und steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von 402.491,00 DM aus den o.g. Bescheiden pfändete das FA mit Verfügung vom 19.11.2001 die Ansprüche, Forderungen und Rechte des Ast gegenüber der B-Bank, und ordnete zugleich deren Einziehung an.

    Mit Schreiben vom 5.12.2001 hat sich der Ast an das Gericht gewandt und einen Antrag auf einstweilige Anordnung (Aktenzeichen V 286/01) gestellt. Mit Schreiben vom 17.1.2002 hat der Ast im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hilfsweise die Aussetzung der Vollziehung der der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 19.11.2001 zugrundeliegenden Steuerbescheide beantragt. Mit Beschluss vom 5.2.2002 hat der Senat die Anträge abgelehnt.

    Mit Schreiben vom 6.12.2001, beim FA eingegangen am selben Tage, hat der Ast Einsprüche gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 und die Vermögensteuerbescheide auf den 1.1.1984 und 1.1.1986 eingelegt. Über diese Einsprüche hat das FA bislang nicht entschieden.

    Der Ast trägt vor: Der Einkommensteuerbescheid für 1985 und die Vermögensteuerbescheide für 1984 bis 1988 seien ihm nicht wirksam bekannt gegeben worden. Eine Fälligkeit habe es nie gegeben. Der Einkommensteuerbescheid 1985 stamme ausweislich der Aktenkopie vom 8.7.1991 und sei an diesem Tag zur Post gegeben worden. Das sei durch eine Namenzeichnung sowie durch die handschriftliche Ergänzung des Namens und der ehemaligen Adresse des Ast beurkundet. Entsprechendes gelte für die Vermögensteuerbescheide 1984 und 1985. Diese Bescheide seien jedoch bereits mit Verfügung vom 4.7.1991 - also vier Tage früher - angeblich an die Geschäftsstelle zur Bewirkung der öffentlichen Zustellung übergeben worden. Dort hätten sie vom 8.7.1991 bis zum 25.7.1991 aufgehangen haben sollen. Es sei aber ausgeschlossen, dass die vorbezeichneten Bescheide bereits vor deren Erlassdatum zum öffentlichen Aushang übergeben worden seien. Außerdem spreche dagegen auch die durch Namenzeichnung ausgewiesene Versendung per normaler Post. Es werde vermutet, dass andere Bescheide als die in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung genannten, ausgelegen hätten. Die Vermögensteuerbescheide 1986 bis 1988 stammten vom 22.7.1991. Diese Bescheide hätten aber bereits vier Tage vorher, nämlich am 18.7.1991, der Geschäftsstelle zur Bewirkung der öffentlichen Zustellung übergeben sein sollen. Dieses sei unmöglich. Ein Bescheid vom 22.7.1991 habe nicht bereits ab 19.7.1991 aushängen können. Unrichtig beurkundet sein dürfte auch der Tag der Abnahme (9.8.1991). Ausweislich des Blattes 94 der Veranlagungsakten sei die Bescheinigung über die öffentlichen Zustellung bereits am 8.8.1991 bei dem Veranlagungsbezirk wieder eingegangen. Dieser Eingangsstempel weise aus, dass der öffentliche Aushang nicht bis zum 9.8.1991 gedauert habe. Der Ast vermute, dass die gesetzliche Frist zum Aushang nicht gewahrt worden sei. Die Festsetzungsfristen seien abgelaufen.

    Mit Schreiben vom 5.12.2001, eingegangen am 6.12.2001, hat der Ast mit dem Begehren, die Zwangsvollstreckung aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 19.11.2001 für unzulässig zu erklären, „Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO” erhoben und unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 21.1.2002, eingegangen am 22.1.2002, begehrt er hilfsweise, die der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 19.11.2001 zugrundeliegenden Einkommen- und Vermögensteuerbescheide ersatzlos aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 4.3.2002 begehrt der Ast ersatzhilfsweise, die Feststellung der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheides 1985 sowie der Vermögensteuerbescheide auf den 1.1.1984 und 1.1.1986. Einen Prozesskostenhilfeantrag hat der Kläger insoweit nicht gestellt.

    Das FA trägt vor: Der Einkommensteuerbescheid 1985 und die Vermögensteuerfestsetzungen 1984 bis 1988 seien dem Ast wirksam bekannt gegeben worden. Sie seien nach § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG zugestellt worden. Die Bescheide hätten die gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG erforderlichen zwei Wochen ausgehangen. Die Veranlagung sei im Jahre 1991 in der Hamburger Steuerverwaltung durch Direkteingabe an einem Datenterminal erfolgt. Die eingegebenen Daten würden einem Zentralrechner übermittelt, wo die Steuerberechnungen erfolgten und die Bescheide auch gedruckt würden. Die gedruckten Bescheide würden alsdann zurück an die Veranlagungsdienststelle geschickt. Diese sende die Bescheide an die Steuerpflichtigen ab. Die Steuerbescheide trügen ein vordatiertes Datum für die Aufgabe zur Post. Dies fange Verzögerungen auf, die dadurch entstehen könnten, dass z. B. manuell eine Anlage zum Bescheid zu fertigen sei, Unterlagen hinzugefügt werden müssten oder Hinweismitteilungen zu bearbeiten seien. In der Regel würde der Steuerbescheid nach Bearbeitung und mit den u. U. beigefügten Unterlagen/Anlagen in einen Postausgangskorb gelegt und von der Poststelle an dem Tag, für welchen der Bescheid vordatiert sei, an den Adressaten gesendet. Wenn aber - wie im Streitfall - feststehe, dass der Steuerbescheid nicht per Post versandt, sondern öffentlich zugestellt werden solle, könne die zuständige Geschäftsstelle bereits vorher angewiesen werden, eine Benachrichtigung für den vordatierten Steuerbescheid an dem Tag auszuhängen, für den der Bescheid vordatiert sei.

    Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Bd. III, die Vermögensteuerakten, die Sonderakten, die Betriebsprüfungsakten Bd. I, ein Hefter ..., eine Vertragsakte und die Vollstreckungsakten Bd. 1 zur Steuernummer ... vorgelegen.

    II. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

    Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung - ZPO - ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für seinen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Hinreichende Erfolgsaussichten können in diesem Sinne zu bejahen sein, wenn es bei der Hauptsache um schwierige Fragen geht, über die im PKH-Verfahren eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist und wenn die Einwände des Klägers nicht von vornherein aussichtslos erscheinen. Ein Rechtsschutzbegehren hat in aller Regel auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung schwieriger, bislang ungeklärter Rechtsfragen abhängt (Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - Beschluss vom 13.3.1990 2 BvR 94u.a./88, BVerfGE 81, 347; Bundesfinanzhof - BFH - Beschluss vom 26.1.2001 VI B 310/00, BFH/NV 2001, 896).

    Die Rechtsverfolgung des Ast verspricht bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

    1. Die Klage ist nach summarischer Prüfung unzulässig, soweit der Ast ausweislich seiner von einem Rechtsanwalt verfassten und eingereichten Klageschrift „Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO” mit dem Begehren erhoben hat, die Zwangsvollstreckung aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 19.11.2001 für unzulässig zu erklären. Zur Begründung des Klageantrags hat der Ast die Verjährung der der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 19.11.2001 zugrunde liegenden Steueransprüche (Einkommensteuer 1985 und Vermögensteuer 1984 bis 1988) und damit einen Einwand gegen den „Anspruch selbst” (§ 767 Abs.1 der Zivilprozessordnung - ZPO -) geltend gemacht.

    Die Vollstreckungsgegenklage ist aber, wie der Bundesfinanzhof - BFH - wiederholt entschieden hat (vgl. Beschlüsse vom 14.6.1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75; vom 11.9.1989 VII B 129/89, BFH/NV 1990, 212), im steuerlichen Vollstreckungsverfahren nicht zulässig. Eine Zulässigkeit kann nicht daraus hergeleitet werden, dass das Finanzamt - FA - nach § 257 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung - AO - die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken hat, sobald ein Steueranspruch erloschen ist. Auch wenn diese Voraussetzung im Streitfall durch Verjährung von Steueransprüchen gegeben wäre, kann eine Klage, mit der die Erklärung der Unzulässigkeit der Vollstreckung unmittelbar durch das Gericht angestrebt wird, keinen Erfolg haben. Zur Geltendmachung der Rechte nach § 257 Abs. 1 Nr. 3 AO kann nur eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage in Betracht kommen. Denn über die Einstellung der Vollstrekkung nach § 257 AO hat die Behörde zu entscheiden. Die Anfechtung einer solchen Entscheidung kann nur nach den Grundsätzen über die Anfechtung eines Verwaltungsakts erfolgen. Das bedeutet, dass eine Klage wie die Vollstreckungsgegenklage, mit der Rechte losgelöst von einer vorangegangenen Verwaltungsentscheidung geltend gemacht werden können, für die Geltendmachung der Rechte nach § 257 Abs. 1 AO nicht geeignet ist (BFH-Beschluss vom 11.9.1989 VII B 129/89, a.a.O).

    2. Die Anfechtungsklage des Ast i.S.d. § 40 Abs. 1 FGO mit dem Antrag, den Einkommensteuerbescheid 1985 und die Vermögensteuerbescheide auf den 1.1.1984 und 1.1.1986 aufzuheben, versteht der Senat dahin, dass der Ast die Aufhebung des Rechtsscheins der angefochtenen Verwaltungsakte begehrt. Denn die Anfechtungsklage kann - wenn die Bekanntgabe nicht ordnungsgemäß ist - mangels wirksamen Verwaltungsaktes nicht zu dessen „Aufhebung” oder „Änderung” führen, sondern allenfalls zur Beseitigung eines Rechtsscheins. Soweit hat die Klage keine Aussicht auf Erfolg.

    Der Einkommensteuerbescheid 1985 vom 8.7.1991 und die Vermögensteuerbescheide auf den 1.1.1984 vom 8.7.1991 sowie auf den 1.1.1986 vom 22.7.1991 sind nach summarischer Prüfung durch öffentliche Zustellung wirksam bekannt gegeben worden.

    Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte eröffnet § 122 AO unterschiedliche Übermittlungsmöglichkeiten. Nach § 122 Abs. 5 AO vollzieht sich die Bekanntgabe eines schriftlichen Steuerverwaltungsaktes durch förmliche Zustellung, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich dann nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG - (§ 122 Abs. 5 Satz 2 SO).

    Das FA hat bezüglich der streitigen Steuerbescheide eine öffentliche Zustellung gemäß § 15 VwZG angeordnet. Nach dieser Vorschrift wurden der Einkommensteuerbescheid 1985 und die Vermögensteuerbescheide auf den 1.1.1984 sowie auf den 1.1.1986 wirksam öffentlich zugestellt.

    a) Das FA hat - bei summarischer Prüfung - seiner Verpflichtung zu prüfen, ob der Aufenthalt des Ast allgemein „unbekannt” ist, genügt.

    Gemäß § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG kann durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist. Bevor die Finanzbehörde die öffentliche Zustellung verfügt, muss sie sich durch nach der Sachlage gebotene Ermittlungen Gewissheit darüber verschaffen, dass der Aufenthaltsort des Steuerpflichtigen nicht nur ihr, sondern allgemein „unbekannt” war. Seiner entsprechenden Prüfungspflicht genügt das FA allerdings, wenn es versucht, die Anschrift des Steuerpflichtigen durch die Polizei oder das Einwohnermeldeamt zu ermitteln (vgl. BFH-Beschluss vom 4.8.1992 VII B 93/92, BFH/NV 1993, 701).

    Der Aufenthaltsort des Ast war allgemein unbekannt. Die Ermittlungen des FA bei der Meldebehörde und anderen Kontaktpersonen des Ast nach seiner Anschrift waren ergebnislos verlaufen. Der Ast war, nachdem er die den streitigen Steuerverwaltungsakten zugrunde liegenden Steuererklärungen am 9.12.1988 unter seiner Anschrift X-Straße in Hamburg unterschrieben hatte und durch seinen Steuerberater am 16.12.1988 beim Ag hatte einreichen lassen, ins Ausland unbekannt verzogen. Nach der vom Ag eingeholten telefonischen Auskunft des Einwohnermeldeamtes vom 30.5.1989 hatte sich der Ast ohne weitere Angaben ins Ausland abgemeldet. Der damalige steuerliche Berater des Ast gab auf Nachfrage des FA vom 1.6.1989 über dessen Auslandsanschrift ebenfalls keine Auskunft. Er teilte mit Schreiben vom 28.6.1989 mit, dass ihm die Anschrift des Ast „zur Zeit nicht bekannt” sei. Das Einwohnerzentralamt bestätigte mit Schreiben vom 9.8.1989, dass sich der Ast ohne nähere Angaben ins „Ausland” abgemeldet habe. Auch das Wirtschaftsprüfungsbüro, das eine von dem Ast zum 1.1.1985 übernommene Firma bislang betreut hatte, ließ dem FA auf schriftliche Anfrage vom 27.6.1991 am 13.8.1991 telefonisch mitteilen, dass dort die Anschrift des Ast nicht bekannt sei. Der von dem Ast noch in seinen Steuererklärungen für 1985 benannte Empfangsbevollmächtigte teilte dem FA mit Schreiben vom 4.6.1991 mit, dass ihm der Aufenthaltsort des Ast nicht bekannt sei und er das Mandat mit sofortiger Wirkung niederlege. Damit erfolgte die öffentliche Zustellung durch das FA in einer Situation, in der eine andere Form der Zustellung nicht ohne weiteres möglich war. Denn der Steuerberater war der Ankündigung vom 1.6.1989, die Zustellvollmacht einzureichen, sofern sie vorhanden wäre, nicht nachgekommen. Das FA durfte deshalb spätestens im Zeitpunkt der Erklärung (Schreiben vom 4.6.1991), dass er das Mandat niederlege, davon ausgehen, dass das Vollmachtsverhältnis zwischen dem ehemaligen Steuerberater und dem Ast beendet worden war. Die Zustellungsfiktion der öffentlichen Bekanntmachung war damit verfahrensrechtlich zu rechtfertigen, da eine andere Art der Zustellung wegen des unbekannten Aufenthalts des Ast aus sachlichen Gründen nicht durchführbar war (vgl. Bundesgerichtshof - BGH - Urteil vom 6.4.1992 II ZR 242/91, NJW 1992, 2280).

    b) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 VwZG ist das zuzustellende Schriftstück an der Stelle auszuhängen, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist. Statt des Schriftstücks kann eine Benachrichtigung ausgehängt werden, in der allgemein anzugeben ist, dass und wo das Schriftstück eingesehen werden kann. Die von der Geschäftsstelle des FA ausgehängten Urkunden über die öffentliche Zustellung enthalten jeweils den Hinweis, dass die streitigen Steuerbescheide bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Tag des Aushangs in Zimmer ... abgeholt werden können.

    Die öffentliche Zustellung genügte nach summarischer Prüfung auch den Mindestanforderungen, die auch an die allgemeinen Formen der Zustellung zu stellen sind. Zustellung ist die formalisierte Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes, einer Gerichtsentscheidung oder eines sonstigen Schriftstükkes (vgl. BFH-Beschluss vom 22.11.1990 III B 300/90, BFH/NV 1991, 335). Danach muss die zuzustellende Sendung u. a. mit einer Geschäftsnummer versehen sein. Sie soll die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Sendung gewährleisten, deren Zustellung mit oder ohne Übergabe an den Adressaten gemäß § 3 Abs. 2 VwZG beurkundet wird (vgl. BFH-Urteile vom 12.1.1990 VI R 137/86, BFHE 160, 103, BStBl II 1990, 602; vom 19.6.1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826). Für die in § 15 VwZG geregelte Sonderform der Zustellung muss grundsätzlich Entsprechendes gelten. Deshalb muss das Zustellungszeugnis angeben, an wen und in welcher Form zugestellt wurde und den Nämlichkeitsnachweis erbringen, d. h. die zugestellte Sendung konkretisieren. Fehlt es an dem Nämlichkeitsnachweis, so ist die Zustellung unwirksam. Für § 15 Abs. 2 Satz 2 VwZG kann nichts anderes gelten. Die ausgehängte Benachrichtigung hat die Funktion einer Erklärung, die die Zustellung beurkundet (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.1995 I R 16/95, BFHE 179, 202, BStBl II 1996, 301). Im Streitfall hat das FA in den beiden ausgehängten Benachrichtigungen die erlassende Behörde - das Finanzamt Hamburg-Nord -, den Ast mit seiner letzten Anschrift, die Steuernummer des Ast und die streitigen Steuerbescheide bezeichnet.

    c) Der auf den 8.7.1991 datierte Einkommensteuerbescheid 1985 und der ebenfalls auf den 8.7.1991 datierte Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1984 (Festsetzung der Vermögensteuer 1984 und 1985) sind als am 22.7.1991 zugestellt anzusehen. Der auf den 22.7.1991 datierte Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1986 (Festsetzung der Vermögensteuer 1986, 1987 und 1988) ist als am 2.8.1991 zugestellt anzusehen.

    Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 ist das Schriftstück, das keine Ladung enthält, an dem Tage als zugestellt anzusehen, an dem seit dem Tage des Aushängens zwei Wochen verstrichen sind. Der Tag des Aushängens und der Tag der Abnahme sind von dem zuständigen Bediensteten auf dem Schriftstück zu vermerken. Bei der Berechnung der Aushangfrist ist der Tag des Aushängens nicht mit zu berechnen, § 187 Abs. 1 BGB. Die Frist verstreicht mit dem Tag, der dem Aushangtag kalendermäßig entspricht; an dem darauf folgenden Tag gilt die Zustellung als bewirkt.

    Bezüglich des Einkommensteuerbescheides 1985 und des Vermögensteuerbescheides auf den 1.1.1984 wurde die Benachrichtigung am 8.7.1991 ausgehängt. Die Frist nach § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG begann danach am 9.7.1991 zu laufen. Sie verstrich mit dem 22.7.1991. Die Zustellung galt am 23.7.1991 als bewirkt. An diesem Tag war die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung der Bescheide noch ausgehängt. Die Benachrichtigung wurde ausweislich der Urkunde über die öffentliche Zustellung am 25.7.1991 abgenommen.

    Bezüglich des Vermögensteuerbescheides auf den 1.1.1986 wurde die Benachrichtigung am 19.7.1991 ausgehängt. Die Frist nach § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG begann danach am 20.7.1991 zulaufen. Sie verstrich mit dem 2.8.1991. Die Zustellung galt am 3.8.1991 als bewirkt. Die Benachrichtigung wurde ausweislich der Urkunde über die öffentliche Zustellung am 9.8.1991 abgenommen.

    Daran ändert nach summarischer Prüfung auch nichts, dass der Tag des Aushangs vor dem in den jeweiligen Bescheiden aufgeführten Datum liegt. Maßgeblich ist die Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG, die im Streitfall für sämtliche streitbefangenen Bescheide eingehalten ist. Das FA hat dargelegt, dass ihm die von dem Zentralrechner vordatierten Bescheide bereits einige Tage vor dem gewöhnlichen Absendedatum zugehen, um gegebenenfalls Anlagen zu den Bescheiden fertigen und mit diesen absenden oder Hinweismitteilungen bearbeiteten zu können. Dafür, dass dem FA im Zeitpunkt des Aushängens der Benachrichtigung i. S. des § 15 VwZG die Bescheide noch nicht vorlagen, gibt es nach summarischer Prüfung keine Hinweise. Das FA konnte somit auch schon vor dem in den Bescheiden selbst genannten Datum die Steuerverwaltungsakte erlassen. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 AO ist Steuerbescheid der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt. Mit den Anordnungen des zuständigen Sachbearbeiters beim Ag vom 4. bzw. 18.7.1991, die streitigen Steuerbescheide öffentlich zuzustellen, ist dessen Wille zur Bekanntgabe der streitigen Steuerverwaltungsakte i.S.d. § 118 Satz 1 AO manifestiert worden. Die Zweiwochenfrist ist selbst dann eingehalten, wenn davon auszugehen wäre, dass die Benachrichtigungen entsprechend den Stempelausdrucken am 24.7. bzw. am 8.8.1991 bei dem zuständigen Veranlagungsbezirk wieder eingegangen sein sollten, da die Zustellungen gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 VwZG an diesen Tagen bereits als bewirkt galten. Ebenso unmaßgeblich ist es, ob es sich bei dem unter dem Datum der Bescheidausfertigungen für die Akte (Einkommensteuer 1985 und Vermögensteuer auf den 1.1.1984) und neben dem Wort „Namensz.:” befindlichen Zeichen um ein - wie vom Ast behauptet - Namenszeichen handelt, was der Senat im summarischen Verfahren nicht nachzuvollziehen vermag, oder um ein sonstiges Zeichen, das zum Ausdruck bringen soll, dass hier mangels Aufgabe zur Post ein Namenszeichen nicht hinzugefügt werden sollte. Für letzteres spricht, dass in der Ausfertigung des Vermögensteuerbescheides auf den 1.1.1986 das anstelle eines solchen Zeichens zunächst aufgeführte Namenszeichen durchgestrichen und mit dem Zusatz „gestr.” nebst Namenszeichen versehenen ist. Denn die Bescheide sind durch öffentliche Zustellung wirksam bekannt gegeben worden.

    3. Für die auf die Feststellung der nicht wirksamen Bekanntgabe der streitigen Steuerbescheide gerichtete Klage hat der Ast einen Prozesskostenhilfeantrag nicht gestellt.

    VorschriftenVwZG § 15 Abs. 1, VwZG § 15 Abs. 2 Satz 1, VwZG § 15 Abs. 3 Satz 2