08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 22.09.2005 – 10 K 1667/03
1. Kontoführungsgebühren sind ohne Einzelnachweis der beruflich veranlassten Buchungen und deren Kosten nur in Höhe einer Pauschale von 30 DM als Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit anzuerkennen.
2. Eine rückwirkende Erhöhung des Mietzinses für bereits abgelaufene Monate ist steuerlich auch dann nicht anzuerkennen, wenn die rückwirkende Regelung noch während des laufenden Veranlagungszeitraums getroffen wird.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat das Finanzgericht München, 10. Senat, … als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 22. September 2005
für Recht erkannt:
1. Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 28. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. April 2003 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer auf … herabgesetzt wird
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 78 % und der Beklagte zu 22 %.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen steuerlich anerkannt werden kann und inwieweit Kontoführungsgebühren Werbungskosten aus nichtselbstständiger Tätigkeit darstellen.
I.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.
In der am 30. September 2002 beim Beklagten (das Finanzamt –FA–) eingegangenen ESt-Erklärung 2001 machte der Kläger (Kl) bei seinen nichtselbstständigen Einkünften Kontoführungsgebühren in Höhe von 96 DM geltend. Der Betrag errechnet sich aus dem Ansatz der monatlichen Kontoführungspauschale in Höhe von 8 DM.
Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärten die Kläger aus dem Objekt L Einnahmen in Höhe von 6.000 DM und Werbungskosten in Höhe von 21.142 DM (Absetzung für Abnutzung 3.681 DM, Schuldzinsen 12.277 DM, Grundsteuer 348 DM, Hausgeld 4.836 DM), woraus sie einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von 15.142 DM errechneten. Die Wohnung (Wohnfläche 87 m²) wurde seit 01. September 2000 an die Eltern der Klägerin (Klin) vermietet. Bereits bei der Veranlagung für das Jahr 2000 war streitig, ob das Mietverhältnis zwischen den Klägern und den Eltern der Klin steuerlich anzuerkennen ist. Im Rahmen des gegen den ESt-Bescheid 2000 geführten Einspruchsverfahrens teilten die Kläger mit, dass die monatliche Warmmiete 355 DM betrug. Nachdem das monatliche Wohngeld einschließlich Instandhaltungsrücklage 403 DM betrug, ging das FA von einem steuerlich nicht anzuerkennenden Mietverhältnis aus. Die Kläger nahmen daraufhin ihren Einspruch zurück. Mit Schreiben vom 02. Oktober 2001 teilte das FA auf Nachfrage der Kläger mit, dass es bei seiner Prüfung von einer ortsüblichen Kaltmiete in Höhe von 7,40 DM ausgegangen sei und stellte den Klägern anheim, für die Zukunft einen Mietvertrag mit einer über 50 % der ortsüblichen Miete liegenden Miete zu gestalten. Mit der ESt-Erklärung 2001 legten die Kläger einen –nach dem Tod des Vaters der Klin– mit der Mutter (geb. 02. Januar 1923) der Klin geschlossenen Mietvertrag vor, der als Mietbeginn den 01. Januar 2001 und als Warmmiete einen monatlichen Betrag in Höhe von 500 DM bestimmt. Als Datum des Vertragsschlusses ist der 01. Januar 2001 ausgewiesen. Der Mietvertrag wurde auf einem Zweckform-Musterformular erstellt, der als Ausgabedatum „9/01” nennt. Ab November 2001 überwies die Mutter der Klin monatlich 500 DM an die Kläger. Mit Schreiben vom 04. Januar 2003 übersandten die Kläger die Hausgeldabrechnung 2001, wonach sich das Hausgeld auf 2.621,50 EUR belief.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2003 setzte das FA die ESt 2001 auf … EUR fest. Dabei berücksichtigte es Kontoführungsgebühren in Höhe von 30 DM und Vermietungseinkünfte aus dem Objekt L in Höhe von ./. 2.397 DM (davon ./. 1.199 DM beim Kläger und ./. 1.198 DM bei der Klin). Dabei ging das FA davon aus, dass ein wirksames Mietverhältnis erst ab November 2001 vorlag. Dementsprechend berücksichtigte es nur Einnahmen in Höhe von 1.000 DM (Miete für November und Dezember) und Werbungskosten in Höhe von 3.397 DM (= 2/12 von 20.380 DM). Den von den Klägern erklärten Werbungskostenbetrag in Höhe von 21.142 DM kürzte das FA auf 20.380 DM, da es das Hausgeld von 4.836 DM auf 4.074 DM reduzierte (2.621,50 EUR = 5.127,21 DM abzüglich Instandhaltungsrücklage in Höhe von 12 × 87,84 DM).
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 02. April 2003 als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung machen die Kläger im Wesentlichen Folgendes geltend:
Die Kontogebühr sei in vollem Umfang anzuerkennen, da es sich um eine Pauschalgebühr handele. Es komme deshalb nicht darauf an, ob neben der Lohnüberweisung weitere Buchungen für Steuern, Versicherungen und private Anlässe erfolgt seien.
Das Mietverhältnis mit der Mutter der Klin müsse von Beginn des Streitjahres an steuerliche Berücksichtigung finden. Die Mutter habe die Differenz zur bisher gezahlten Miete für die Monate Januar bis Oktober 2001 in Höhe von insgesamt 1.450 DM in kleineren Raten in bar an die Kläger gezahlt. Auch wenn der schriftliche Mietvertrag erst später geschlossen worden sei, habe das Mietverhältnis schon früher auf der Grundlage mündlicher Vereinbarung bestanden. Zu berücksichtigen seien daher weitere Einnahmen in Höhe von 5.000 DM (10 × 500 DM) und Werbungskosten in Höhe von 18.037 DM (Abschreibung 3.681 DM + Schuldzinsen 12.277 DM + Grundsteuer 348 DM + Hausgeld 5.128 DM ./. bereits anerkannte Werbungskosten 3.397 DM)
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den ESt-Bescheid 2001 vom 28. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. April 2003 dahingehend abzuändern, dass weitere Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit des Kl in Höhe von 66 DM und ein weiterer Werbungskostenüberschuss aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 13.037 DM anerkannt und die ESt entsprechend herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es im Wesentlichen darauf, dass das Mietverhältnis im Zeitraum Januar bis Oktober 2001 einem Fremdvergleich nicht stand halte und daher steuerlich nicht anzuerkennen sei. Dies könne nicht durch einen rückdatierten Vertrag mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit geändert werden. Die Kontoführungsgebühr könne mangels Einzelnachweis nur in Höhe der üblichen Pauschale von 30 DM als Werbungskosten anerkannt werden.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. September 2005 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Beteiligten haben auch für diesen Fall auf mündliche Verhandlung verzichtet (Schreiben der Kläger vom 10. Mai 2003, Schreiben des FA vom 16. Mai 2003).
Gründe
II.
Die Klage ist nur teilweise begründet.
1. Die Kontoführungsgebühren sind mangels Einzelnachweis nur in Höhe der vom FA berücksichtigten 30 DM pauschal als Werbungskosten anzuerkennen.
Nach dem Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Werbungskosten alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. D.h. ein Werbungskostenabzug bei den nichtselbstständigen Einkünften kommt nur in Betracht, wenn und soweit die Aufwendungen durch die Erzielung nichtselbstständiger Einkünfte veranlasst sind. Die Kontoführungsgebühr ist nur insoweit beruflich veranlasst, als mit dem Beruf zusammenhängende Buchungen (insbesondere die Gehaltsüberweisung) abgegolten werden. Der Steuerpflichtige hat daher die Möglichkeit, entweder alle beruflich veranlassten Buchungen und deren Kosten im Einzelnen nachzuweisen (ggf. Aufteilung der Kontoführungspauschale auf den Anteil der beruflich veranlassten Buchungen und den Anteil der nicht beruflich veranlassten Buchungen) oder –so wie es der Kl auch im Veranlagungszeitraum 2000 tat– die von der Finanzverwaltung nach allgemeinen Erfahrungswerten berechnete Pauschale von 30 DM (entspricht etwa 30 % einer Monatspauschale von 8 DM) in Anspruch zu nehmen. Da die Kläger keinen Einzelnachweis geführt haben, ist der Ansatz der Pauschale nicht zu beanstanden.
2. Hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung ist nur ein Teilbetrag in Höhe von 2.831 DM anzuerkennen.
Mietverträge unter nahen Angehörigen sind der Besteuerung nur zugrunde zu legen, wenn sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Dies setzt nach der neueren Rechtsprechung des BFH zumindest voraus, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien, wie das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichtenden Miete (vgl. § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), klar und eindeutig vereinbart und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26. Juni 2001 IX R 68/97, BFH/NV 2001, 1551, m.w.N.). Vereinbaren Angehörige eine verbilligte Miete und beträgt die vertraglich vereinbarte Miete mindestens 50 v.H. (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung) der ortsüblichen Marktmiete und mehr, aber weniger als 75 v.H., so ist die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Überschussprognose zu prüfen (BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 IX R 73/01, BFH/NV 2005, 192). Führt die wegen der verbilligten Miete veranlasste Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht zu einer negativen Überschussprognose, so ist die Vertragsmiete in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Beträgt der Mietzins weniger als 50 v.H. (ab dem Veranlagungszeitraum 2004 weniger als 56 v.H.) der ortsüblichen Marktmiete, sind die mit der Vermietungstätigkeit zusammenhängenden Werbungskosten gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. insoweit abziehbar, als sie anteilig auf den entgeltlichen Teil der Vermietung entfallen. Wird die Nutzungsüberlassung danach in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt, so ist das in der verbilligten Vermietung liegende nicht marktgerechte Verhalten des Steuerpflichtigen für die Prüfung seiner Einkünfteerzielungsabsicht und für den Fremdvergleich ohne Bedeutung (z.B. BFH-Urteil vom 22. Juli 2003 IX R 59/02, BFHE 202, 566, BStBl II 2003, 806, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ergibt sich danach für den Zeitraum Januar bis Oktober 2001 eine Vermietung zu einem Mietzins von unter 50 v.H. der ortsüblichen Miete. Die ortsübliche Miete betrug 944,89 DM (7,40 DM ortsübliche Kaltmiete × 87 (m²) = 643,80 DM; zuzüglich umlagefähige Betriebskosten in Höhe von 3.613,04 DM: 12 (Monate) = 301,08 DM). Die Vermietung für den Zeitraum Januar bis Oktober 2001 erfolgte zu einer Warmmiete in Höhe von 355 DM und damit nur zu 37,57 v.H. (355 DM: 944,89 DM) entgeltlich. Die Tatsache, dass es sich um eine nicht marktgerechte Vermietung handelt, hindert –wie oben ausgeführt– die steuerliche Anerkennung des Mietverhältnisses nicht. Anhaltspunkte dafür, dem Mietverhältnis aus anderen Gründen die steuerliche Anerkennung zu versagen, bestehen nicht. Die Hauptleistungspflichten wurden –wenn auch zunächst nur mündlich– klar und eindeutig vereinbart und vertragsgemäß erfüllt, insbesondere wurde die vereinbarte Miete in Höhe von 355 DM nach den vorgelegten Kontoauszügen regelmäßig bezahlt.
Die rückwirkende Erhöhung des Mietzinses zum Januar 2001 auf 500 DM ist steuerlich nicht anzuerkennen. Dass die Änderung des Mietvertrages trotz des hierin ausgewiesenen Datums 01. Januar 2001 erst im November 2001 erfolgte, wird von den Klägern nicht bestritten. Das Steuerrecht knüpft aber an die Verwirklichung eines Einkünfteerzielungstatbestandes an. Im vorliegenden Fall ist der Einkünfteerzielungstatbestand gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG mit der Durchführung der (teil)entgeltlichen Vermietung in den Monaten Januar bis Oktober 2001 bereits verwirklich worden. Da bis Oktober 2001 nur ein Mietzins in Höhe von 355 DM vereinbart war, kann dieser bereits verwirklichte Tatbestand –trotz Geltung des Jahressteuerprinzips– nicht mehr rückwirkend abgeändert werden (vgl. etwa BFH-Urteil vom 07. Juli 1983 IV R 209/80, BFHE 1984, 60, BStBl II 1984, 53).
Es sind daher weitere Einnahmen in Höhe von 3.550 DM anzusetzen.
Die Werbungskosten wurden vom FA zu Recht um die Instandhaltungsrücklage gekürzt, da diese Aufwendungen erst bei Verausgabung durch den Verwalter zum Werbungskostenabzug führen (BFH-Urteil vom 26. Januar 1988 IX R 119/83, BFHE 152, 471, BStBl II 1988, 577). Von den danach verbleibenden Werbungskosten (20.380 DM) sind 6.381 DM anzuerkennen (20.380 DM × 10/12 × 37,57 v.H.). Somit ergibt sich ein weiterer Werbungskostenüberschuss in Höhe von 2.831 DM.
Auf der Basis eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 116.127 DM errechnet sich eine festzusetzende ESt in Höhe von 14.254,82 EUR (27.880 DM).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).