· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Schwangere Ärztinnen (Teil 2): Wo greifen die Beschäftigungsverbote, wo nicht?
von RA Marc Strüder und RA/FA für Arbeits- und Steuerrecht Norbert H. Müller, c/o Kanzlei Klostermann, Dr. Schmidt, Monstadt, Dr. Eisbrecher, Bochum
| Das Thema Mutterschutz bei Ärztinnen ist ein weites und schwieriges Feld. Nachdem in Ausgabe 7/2012 auf die Beschäftigungseinschränkungen für schwangere Ärztinnen bei ärztlichem Attest eingegangen wurde, folgen nunmehr konkrete Beispiele aus verschiedenen Fachabteilungen und Arbeitsbereichen, inwieweit die Beschäftigungsverbote greifen und wo noch Spielraum für die Weiterbeschäftigung von schwangeren Ärztinnen besteht. |
Mutterschutzgesetz bildet den gesetzlichen Rahmen
Die konkreten Verbote des § 4 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) greifen von Gesetzes wegen, also unabhängig von einem ärztlichen Attest. Sobald der Arbeitgeber der werdenden Mutter von der Schwangerschaft Kenntnis erhält, hat er auf die Ärztin Rücksicht zu nehmen und den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass weder die werdende Mutter noch das ungeborene Kind gefährdet werden (§ 2 MuSchG). Daraus erwachsen relativ weitreichende Beschäftigungsverbote für schwangere Ärztinnen - teilweise weitergehend, als diesen selbst und ihren jeweiligen Arbeitgebern lieb ist.
Die schwangere Ärztin selbst ist gesetzlich nicht verpflichtet, ihre Schwangerschaft zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt anzuzeigen. Dies soll sie zwar gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, aufgrund der gravierenden Einschränkungen im beruflichen Alltag kann sie aber nicht dazu gezwungen werden.
Rolle des Chefarztes beim Mutterschutz
Der Chefarzt selbst ist zwar nicht der Arbeitgeber der Ärztin, er hat aber seinerseits Schutz- und Loyalitätspflichten gegenüber der Geschäftsführung. Das bedeutet: Weiß er von der Schwangerschaft einer Ärztin, so sollte er zumindest darauf hinwirken, dass diese das der Krankenhausleitung mitteilt.
Sobald die Schwangerschaft bekannt ist, ist zu überlegen, in welchem Umfang die werdende Mutter in Anbetracht der Vorgaben des Mutterschutzgesetzes noch eingesetzt werden kann. Dies hängt stark von ihrem Einsatzgebiet ab. Gegebenenfalls sollte - sofern möglich - der Arbeitsalltag umorganisiert werden. Hierbei spielt der Chefarzt eine zentrale Rolle.
Beispiele aus verschiedenen Fachabteilungen
Juristische Fallbeispiele können immer nur einen Teilbereich der Problematik abdecken, sodass die weiteren Angaben nur beispielhaft sein können. Für den jeweiligen Einzelfall muss jeweils eine konkrete Prüfung der Arbeitsplatzbedingungen und des Zustands der werdenden Mutter abgegeben werden. Für alle Zweifelsfälle gilt § 2 Abs. 5 MSchG, wonach die Aufsichtsbehörde entscheidet, ob die Ärztin die Tätigkeit noch weiter ausüben darf oder nicht.
Schutz schwangerer Ärztinnen in der Chirurgie
Insbesondere in chirurgischen Kliniken verbieten die Aufsichtsbehörden sehr schnell jede Tätigkeit von schwangeren Ärztinnen. Das wird unter anderem damit begründet, dass werdende Mütter gemäß § 4 Abs. 1 MuSchG nicht schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen ausgesetzt werden dürfen und insbesondere im chirurgischen Alltag wegen der Verwendung von Schnitt- und Stechwerkzeugen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eventuell infektiöse Patienten eine Gefahr für die werdende Mutter darstellen.
Dies ist allerdings keine notwendige Konsequenz. Grundsätzlich kann auch der OP-Alltag derart umgestaltet werden, dass werdende Mütter zum Beispiel bei elektiven Eingriffen eingesetzt werden, bei denen zuvor die Patienten auf Infektionskrankheiten negativ getestet wurden.
Häufig werden von den Aufsichtsbehörden gerade die chirurgisch tätigen Ärztinnen auch aufgrund von § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MuSchG mit einem Tätigkeitsverbot belegt. Nach diesen Vorschriften dürfen die werdenden Mütter nicht regelmäßig schwere Lasten von mehr als fünf Kilogramm tragen oder längere Zeit in Zwangshaltungen verbringen. Entsprechend sind Ärztinnen grundsätzlich nicht für solche Tätigkeiten einzusetzen, bei denen sie Körperteile über längere Zeit halten oder strecken müssen. Auch endoskopische Verfahren verlangen oftmals eine über längere Zeit andauernde gebückte oder gestreckte Haltung.
Zudem darf die werdende Mutter nach Ablauf des fünften Schwangerschaftsmonats nicht mehr in Bereichen eingesetzt werden, in denen sie mehr als vier Stunden stehen muss. Hierbei dürfte es schon schwieriger werden, den entsprechenden klinischen Ablauf umzugestalten. Selbstverständlich könnte man zuvor bei jedem Patienten ermitteln, wie schwer ein Bein oder ein Arm ist oder welcher Kraftaufwand nötig ist, um einen Patienten mit einem Körpergewicht von so und so viel Kilogramm zu drehen. Auch könnte man versuchen, die OP-Schichten in einen 4-Stunden-Rhythmus zu bringen, sodass die Ärztin nicht über diese Zeit hinaus stehen muss. Hier muss abgewägt werden, ob die zusätzlichen Maßnahmen noch in einem angemessenen Verhältnis zur erhaltenen Arbeitskraft der Ärztin stehen.
Schutz schwangerer Ärztinnen in der Anästhesie
Auch in der Anästhesie ist ein Tätigkeitsverbot für werdende Mütter eher wahrscheinlich. Gemäß § 4 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nämlich nicht den schädlichen Einwirkungen von Gasen oder Dämpfen ausgesetzt werden. Zwar sind die modernen Anästhesieverfahren mittlerweile ausgereift genug, dass nicht mehr im gesamten OP-Raum für die Chirurgin eine Gefahr von den Anästhesiedämpfen ausgeht. Für die direkt an den Geräten arbeitende Anästhesistin dürfte diese Gefahr allerdings nicht mit einer so hohen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass keinerlei Gefahr mehr besteht. Entsprechend dürfte es auch hier schwierig werden, den Arbeitsplatz konkret anders auszugestalten.
Schutz schwangerer Ärztinnen in Röntgenabteilungen
Auch der Einsatz in Röntgenabteilungen dürfte für die schwangere Ärztin nicht mehr möglich sein. Nach der Röntgenverordnung ist bereits der Einsatz einer Schwangeren im Kontrollbereich nicht mehr erlaubt. Ein Einsatz außerhalb des Kontrollbereichs ist zwar nicht ausdrücklich verboten, dürfte aber aufgrund der hohen Missbildungs- und Abortrate schwierig sein.
Schutz schwangerer Ärztinnen in der Pädiatrie
Der Einsatz von werdenden Müttern ist auch in der Pädiatrie eher risikobehaftet. Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 6 MuSchG dürfen sie nicht bei Arbeiten eingesetzt werden, bei denen die Gefahr besteht, an einer Berufskrankheit zu erkranken. Zumindest für Frauen in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen besteht in diesem Zusammenhang ein Tätigkeitsverbot, wenn die Schwangere nicht geimpft ist und mit Kindern in Kontakt kommen könnte, die an Mumps, Röteln oder Ringelröteln erkrankt sein könnten. Hier reicht schon eine geringe Infektionswahrscheinlichkeit aus, um ein Tätigkeitsverbot auszulösen.
Diese Gefahr besteht nicht für bereits geimpfte Ärztinnen. Grundsätzlich könnte natürlich auch bei jedem der kleinen Patienten zunächst ein entsprechender Test auf die Kinderkrankheiten gemacht werden. Ob dieser zusätzliche Testaufwand praktikabel ist, um die Ärztin weiterhin als solche einzusetzen und sie nicht nur Bürotätigkeiten übernehmen zu lassen, ist im Einzelfall zu entscheiden. Vielfach dürfte der Aufwand aber als zu groß bewertet werden.
Abteilungsübergreifende Beschäftigungsverbote
Schwangere Ärztinnen unterliegen auch Beschäftigungsverboten, die für verschiedene Fachabteilungen zutreffen können.
Einfache Tätigkeiten mit Infektionsgefahr
Aufgrund des Verbots, die werdende Mutter der Gefahr von Infektionskrankheiten auszusetzen, ist auch eine Tätigkeit mit einfachen Arbeiten wie Blut abnehmen und Verbändewechseln nicht mehr zu erlauben. Ausgenommen hiervon könnten höchstens Patienten sein, die vorher von anderen Ärzten negativ auf entsprechende Krankheiten getestet wurden. Hier könnte es im Klinikalltag überlegenswert sein, diesen grundsätzlichen Testaufwand zu betreiben, um die Arbeitskraft der werdenden Mutter zumindest in diesem Umfang zu erhalten.
Einsatz in Polikliniken und Notaufnahmen
Der Einsatz in einer Poliklinik ist kaum damit in Einklang zu bringen, dass die Ärztin keinen Infektionskrankheiten ausgesetzt wird. Vielmehr können gerade in diesen Tätigkeitsbereichen jederzeit unbekannte Verunfallte mit lebensbedrohlichen Krankheiten eingeliefert werden, ohne dass auf die Einhaltung der Mutterschutzgesetze Rücksicht genommen werden kann. Dies gilt selbstverständlich erst recht für einen Einsatz in der Notaufnahme.
Einsatz auf Beförderungsmitteln
Ab dem dritten Schwangerschaftsmonat darf die werdende Mutter gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG nicht mehr auf Beförderungsmitteln eingesetzt werden. Darunter fallen auch der Krankentransportwagen, der Rettungswagen und auch der Rettungshubschrauber. Insbesondere in diesem Arbeitsbereich dürfte eine Veränderung der Arbeitsbedingungen nicht möglich sein, denn zusätzlich soll die werdende Mutter gemäß § 4 Abs. 1 MuSchG vor Erschütterungen und Lärm geschützt werden. Der Hubschrauber dürfte allein durch seine Motorgeräusche, der Rettungs- oder Krankentransportwagen spätestens bei Einsatz des Martinhorns die weitere Beschäftigung unmöglich machen.
Gewichtsbeschränkungen
Die Gewichtsbeschränkungen des § 4 Abs. 2 Nr. 1 MuSchG sind auch im allgemeinen Stationsbetrieb zu beachten. So dürften Tätigkeiten wie Bettenschieben oder Bahrenheben die Gewichtsgrenze von fünf Kilogramm überschreiten, sodass die schwangere Ärztin jedenfalls nicht mehr allein die Patienten bewegen sollte. Die Probleme mit dem Heben von übermäßig schwerem Gewicht könnten genauso in der Orthopädie auftreten, die Einhaltung von Zwangshaltungen ist in der Endoskopie ein großes Problem.
Besondere Arbeitszeitschutzvorschriften
Zudem ist in jedem Dienst, den eine werdende Mutter im Arztberuf eventuell noch absolvieren kann, zu beachten, dass über die bereits bestehenden strengen Arbeitszeitschutzvorschriften hinaus gemäß § 8 Abs. 2 MuSchG nicht mehr als 8,5 Stunden täglich bzw. 90 Stunden in der Doppelwoche gearbeitet werden darf. Die Einsatzmöglichkeiten in einem normalen Schichtbetrieb dürften dadurch erschwert sein. Dennoch muss dies bei der Erarbeitung der jeweiligen Schicht- und Dienstpläne beachtet werden.
Nachtschichtverbot
Sehr zum (wohl auch finanziellen) Nachteil der werdenden Mutter darf sie nicht mehr in Nachtschichten jeglicher Art - also auch nicht bei Ruf- und Bereitschaftsdiensten zu dieser Zeit - eingesetzt werden, da die Zeit von 20 bis 6 Uhr als Nachtruhe gilt.
FAZIT | Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Beschäftigungsverbote für schwangere Ärztinnen relativ weit reichen und teilweise erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen, um sie noch sinnvoll einsetzen zu können. Manchmal aber führen die Verbote zu weit, wie etwa in einem gerichtsbekannten Fall, wo einer schwangeren Ärztin der Einsatz in der Psychiatrie wegen „unvorhersehbarer körperlicher und infektiöser Gefahren“ grundsätzlich verboten wurde. Ein derart abstraktes Verbot der Aufsichtsbehörden dürfte allerdings im Einzelfall kaum haltbar sein. Generell sollte der Chefarzt zur Erhaltung der Arbeitskraft der schwangeren Ärztin und zur Aufrechterhaltung eines geregelten Klinikalltags zunächst gemeinsam mit der Ärztin überlegen, wie der Arbeitsalltag gestaltet werden kann. Sollte es weitgehende Beschränkungen der Aufsichtsbehörden geben, empfiehlt es sich, zunächst juristischen Rat einzuholen und im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübten Tätigkeiten tatsächlich eine Gefahr im Sinne des Mutterschutzgesetzes darstellen. |