· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Vulgäre Beleidigung kostete Oberarzt nicht den Job
| Auch heftige Beleidigungen sind nicht immer ein Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Zumindest in dem vor dem sächsischen Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen verhandelten Fall musste der Krankenhausträger die fristlose sowie hilfsweise ordentliche Kündigung eines Oberarztes, der eine Assistenzärztin nach einem heftigen Streit mit den Worten „leck mich, fick dich“ beleidigt hatte, zurücknehmen. Nach Auffassung des LAG hätte hier eine Abmahnung ausgereicht ( Urteil vom 11. Februar 2011, Az: 3 Sa 461/10, Abruf-Nr. 112571 ). |
Der Fall
Der Streit entstand während einer Visite, bei der der Oberarzt die Assistenzärztin auf fachliche Mängel hinwies. Patienten, Pfleger und Schwestern waren dabei anwesend. Als der Streit eskalierte, wurde er zunächst außerhalb des Patientenzimmers im Gang und dann im Arztzimmer des Oberarztes fortgesetzt. Nachdem die Assistenzärztin das Zimmer verlassen hatte, schickte er ihr in leisem Tonfall die Worte „leck mich, fick dich“ hinterher. Die Assistenzärztin hörte sie nicht, zufällig aber eine Schwester.
Das Urteil
Das LAG sah in den sexuell anzüglichen Äußerungen, die der Oberarzt inhaltlich nicht bestreitet, ein vorsätzliches, die Würde der Assistenzärztin am Arbeitsplatz verletzendes Verhalten. Das Fehlverhalten habe aber nicht das Gewicht, das eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Letztlich sei es nicht zu unerwünschten sexuellen Handlungen gekommen. Auch habe der Oberarzt die Assistenzärztin nicht aufgefordert, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen. Die ihm vorzuwerfenden verbalen Belästigungen würden sich damit innerhalb des durch § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufgezeigten Spektrums in einem weniger gravierenden Bereich bewegen.
Hinzu komme, dass er die sexuellen Äußerungen in einem leisen Tonfall - mehr zu sich selbst - und nicht unmittelbar gegenüber der Assistenzärztin geäußert habe. Zugunsten des Oberarztes wertete das LAG noch seine lange Betriebszugehörigkeit sowie seine gute Arbeit als Herzchirurg. Die fristlose und die fristgerechte Kündigung seien deshalb in der Gesamtbetrachtung unverhältnismäßig. Eine Abmahnung erscheine als ausreichendes Mittel, um künftig ein solches Fehlverhalten zu unterbinden.
Fazit | |
Das Urteil des LAG mutet auf den ersten Blick milde an, erscheint aufgrund der besonderen Umstände aber angemessen. Keineswegs kann es als Freibrief für deftige Beleidigungen fehlinterpretiert werden. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, aus der sich aufgrund der speziellen Ausgangssituation kaum generelle Schlussfolgerungen herleiten lassen. Jeder Arzt ist daher gut beraten, im zuweilen hektischen und nicht immer frei von persönlichen Animositäten geprägten Krankenhausalltag darauf zu achten, sich nicht im Affekt zu unbedachten Bemerkungen wie im Urteilsfall hinreißen zu lassen. |