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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Geldbuße nach Überdiagnostik: Arzt entnimmt 123 Stanzproben aus Prostata

    von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de

    | Zur Abklärung eines Verdachts von Krebs der Prostata entnahm ein Urologe dem Patienten 123 Stanzproben mittels 3D-Mapping-Biopsie. Er hatte den Patienten nicht darüber aufgeklärt, dass er derart viele Proben entnehmen wollte. Der Patient, selbst Lungenfacharzt, der an einer Gerinnungsstörung litt, hatte dem Kollegen aber zuvor erklärt, dass er eine möglichst gezielte Biopsie mit wenigen Stanzen wollte. In Folge der umfangreichen und damit recht invasiven Biopsie litt der Patient an erhöhter Inkontinenz und einer erektilen Dysfunktion. Das Verwaltungsgericht Gießen bejahte einen Aufklärungsfehler und eine Überdiagnostik. Wegen Verstoßes gegen die ärztlichen Berufspflichten wurde eine Geldbuße von 5.000 Euro verhängt (Urteil vom 25.04.2018, Az. 21 K 5529). |

     

    Sachverhalt

    Im vorliegenden Fall verwendete der Arzt ein elfseitiges Aufklärungsformular, aus dem jedoch die Zahl der geplanten Stanzen nicht hervorging. Laut Urteilsbegründung hatte der beschuldigte Urologe dem Patienten die empfohlene 3D-Biopsie so beschrieben, dass die MRT-Bilder in das Ultraschallgerät transportiert würden. Angaben zur voraussichtlichen Anzahl der Biopsiestanzen und dazu, dass die gesamte Prostata biopsiert werden würde, machte der Urologe gegenüber dem Patienten in diesem Gespräch und auch später vor Durchführung der Biopsie nicht. Zum Vergleich: leitliniengerecht sind 10-12 Stanz-Biopsien unter transrektal-sonografischer Kontrolle. Zusätzlich zu diesen systematischen Biopsien können ergänzend Proben aus auffälligen Arealen entnommen werden.

     

    Intensität des Eingriffs verdeutlichen und dies dokumentieren

    Grundsätzlich ist Ärzten zu raten, zum einen auf die besonderen Anliegen des Patienten zu hören (hier: der an einer Gerinnungsstörung leidende Patient will einen möglichst gering-invasiven diagnostischen Eingriff) und zum anderen die Eingriffsintensität (hier unübliche, sogenannte Sättigungsbiopsie mit 123 Stanzen) klar zu verdeutlichen und dies auch zu dokumentieren.

     

    MERKE | Fehlerhafte Aufklärungen können neben arzthaftungsrechtlichen Zahlungsansprüchen und strafrechtlichen Konsequenzen (Körperverletzung) auch zu berufsrechtlichen Konsequenzen führen, da nach § 8 Muster-Berufsordnung (MBO-Ä) der Arzt verpflichtet ist, den Patienten über Reichweite und Risiken des Eingriffs aufzuklären. Der Wortlaut im Einzelnen: „Zur Behandlung bedürfen Ärzte der Einwilligung des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Die Aufklärung hat dem Patienten insbesondere vor operativen Eingriffen Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einschließlich Behandlungsalternativen und die mit ihnen verbundenen Risiken in verständlicher und angemessener Weise zu verdeutlichen.“

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 12 | ID 45537285