· Fachbeitrag · Bestechung
Korruption im Gesundheitswesen: Sind Chefärzte von dem neuen Gesetz betroffen?
von Dr. Tilman Clausen, Fachanwalt für Arbeits- und für Medizinrecht, armedis Rechtsanwälte, Hannover, www.armedis.de
| Verstöße gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt unterliegen schon jetzt vielfältigen Sanktionen. Trotzdem will der Gesetzgeber solche Verstöße zusätzlich bestrafen, indem er § 299a und § 299b in das Strafgesetzbuch (StGB) einfügt. Worauf muss der Chefarzt jetzt achten? |
Verstöße gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt
Schon heute verstoßen zum Beispiel Zahlungen an einweisende Ärzte gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt - mit gravierenden Folgen:
- Die Vereinbarungen sind nichtig (§ 134 BGB): Aufgrund solcher Vereinbarungen muss nichts gezahlt werden, bereits geleistete Zahlungen können zurückgefordert werden.
- Die Vereinbarungen sind wettbewerbsrechtlich angreifbar. Die Vertragspartner können wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden.
- Wer sich als Arzt an den Vereinbarungen beteiligt, muss Sanktionen des Berufsrechts fürchten.
- Wer wegen solcher Vereinbarungen Geld zahlt, gegen den kann strafrechtlich ermittelt werden - vor allem wegen des Verdachts der Untreue.
Welches neue Strafbarkeitsrisiko besteht für Chefärzte?
Für die geplanten § 299a Strafgesetzbuch (Bestechlichkeit) und § 299b (Bestechung im Gesundheitswesen) wird es darauf ankommen, wie sie in der Praxis ausgelegt werden. Erst dann kann das neue Risiko für Chefärzte beurteilt werden. Folgende Risikobereiche zeichnen sich jedoch bereits jetzt ab:
- Wer Beiträge Dritter zur Finanzierung wissenschaftlicher Fortbildungen annimmt oder als Arzt Veranstaltungen durchführt, kann einen Vorteil im Sinne des § 299a StGB des Gesetzentwurfs erlangen. Im Verdachtsfall kann die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleiten. Der Arzt sollte daher in solchen Fällen künftig äußerst vorsichtig sein.
- Die Teilnahme von Chefärzten an Anwendungsbeobachtungen ist grundsätzlich nicht strafbar. Der Entschädigung für den Chefarzt muss aber nach dem Gesetzentwurf einer erkennbaren ärztlichen Gegenleistung gegenüberstehen. Die Entschädigung darf den geleisteten Aufwand in der Klinik des Chefarztes nicht deutlich übersteigen.
- Gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt verstößt schon heute eine Vereinbarung zwischen Klinikträger, Chefarzt und niedergelassenen Ärzten, wonach letztere für jeden Patienten, den sie für eine bestimmte Operation in die Klinik des Chefarztes einweisen, einen vertraglich definierten Geldbetrag erhalten. Grund: Mit der Zahlung des Geldbetrags korrespondiert keine ärztliche Leistung des niedergelassenen Arztes. Folge: Die Vereinbarung ist nichtig, das Verhalten der Beteiligten ist zukünftig auch nach den neuen §§ 299a ff. StGB strafbar. Die Frage ist allerdings, ob es dieser neuen strafrechtlichen Regelung überhaupt bedurft hätte.
- Ebenfalls schon bisher war folgendes Vorgehen als Verstoß der Zuweisung gegen Entgelt verboten: Ein Krankenhaus und die Chefärzte einer Klinik für Orthopädie vereinbaren mit niedergelassenen Ärzten im Umfeld der Klinik, dass diese für die vor- und nachstationäre Behandlung von Patienten Pauschalen erhalten. Als Gegenleistung führen die niedergelassenen Ärzte mit ihren Patienten jeweils vor- und nachstationär einen Fragebogen aus. Für die Arbeit von wenigen Minuten wird ein Pauschal-Honorar von mehreren 100 Euro gezahlt.
- Auch diese Vereinbarungen, die vor- und nachstationäre Behandlung fingieren, um den niedergelassenen Ärzten Zuweiserpauschalen zahlen zu können, waren schon nach der bisherigen Regelung berufsrechtswidrig und nichtig. Die Beteiligten mussten schon nach der bisherigen gesetzlichen Regelung zusätzlich wettbewerbs- und strafrechtliche Konsequenzen fürchten. Die Strafbarkeit durch die Neuregelung kommt jetzt hinzu.
- Nicht strafbar sind nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung grundsätzlich alle zulässigen Kooperationsformen zwischen dem ambulanten und stationären Sektor. Beispielhaft seien hier das Entlass-Management nach § 39 Abs. 1 S. 4 SGB V, die vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus nach § 115a SGB V sowie ambulantes Operieren im Krankenhaus nach § 115b SGB V genannt.
- Zulässig ist prinzipiell auch die Tätigkeit von Honorarärzten im Krankenhaus bei der Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz und die Tätigkeit niedergelassener Ärzte im Krankenhaus auf der Grundlage einer Teilzeitanstellung.
Bei allen gesetzlich zugelassenen Kooperationsformen zwischen ambulant und stationär müssen sich gezahlte Vergütungen in einem angemessenen Verhältnis zu der hierfür erbrachten ärztlichen Leistung befinden. Fehlt diese Angemessenheit, müssen die Beteiligten eine strafrechtliche Überprüfung fürchten, sobald die §§ 299a ff. StGB in Kraft getreten sind.
PRAXISHINWEIS | Bisher bereits problematische Fallgestaltungen, die im Beitrag beschrieben wurden, sollten von Ärzten und Kliniken schnell abgestellt werden! Die geschilderten Beispiele kommen aus der anwaltlichen Beratungspraxis und sind nur leicht verfremdet worden. Somit sollten sämtliche Chefärzte und Kliniken den eigenen Bereich nach entsprechenden Risiken durchforsten. |