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  • · Fachbeitrag · Chefarzt-Vertrag

    Der Bonusanteil des Chefarzt-Einkommens - Teil 2: Fallstricke in der Zielvereinbarung

    von RA, FA für ArbR und StR Norbert H. Müller und RA, FA für MedR und ArbR Marc Rumpenhorst, Kanzlei Klostermann pp., Bochum, klostermann-rae.de 

    | Zielvereinbarungen und Bonusregelungen in Chefarzt-Verträgen sorgen immer wieder für Streit. Teil 1 unserer Beitragsserie hatte die Untiefen in den Rahmenverträgen beleuchtet - dieser Teil 2 zeigt die Fallstricke, die in den jährlich neu abzuschließenden Zielvereinbarungen lauern. Die Autoren stellen anhand vertraglicher Formulierungen aus ihrer Beratungspraxis dar, welche Klauseln harmlos sind - und wann der Chefarzt stutzig werden und die Passage besser ändern (lassen) sollte. |

    Verschiedene Arten von Zielen

    Gegenstand von Zielvereinbarungen sind bislang vorwiegend wirtschaftliche Kriterien - etwa in Form von

    • Unternehmens- oder Abteilungsergebnissen,
    • Personal- und Sachkostenbudgets,
    • Erreichung von Deckungsbeiträgen oder
    • Erlösen aus DRG oder durch wahlärztliche Leistungen.

     

    Ob die Ziele erreicht wurden, wird anhand von Fallzahlen, dem Case-Mix bzw. Case-Mix-Index, Verweildauern oder Pflegetagen gemessen. Neben wirtschaftlichen Zielen finden sich teilweise auch Ziele im Bereich der „Qualität“ - beispielsweise die erfolgreiche Zertifizierung, die Etablierung neuer Leistungsbereiche, die Einführung neuer klinischer Standards oder die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen. Seltener werden Boni an Vortrags- und Publikationstätigkeiten, die Kontaktpflege zu Zuweisern oder an die Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit geknüpft.

    Zielvereinbarungen im wirtschaftlichen Bereich

    Nicht unproblematisch sind die nachfolgenden Klauseln, die den Chefarzt motivieren sollen, „wirtschaftliche“ Ziele zu erreichen:

     

    • Beispiel 1: Zielvereinbarungen im „wirtschaftlichen“ Bereich
    • „Der Arzt erhält je Operation einer TEP-Hüfte oder eines Knies einen Bonus in Höhe von (xy) Euro brutto.“

     

    • „Der Arzt erhält einen Bonus in Höhe von (xy) Euro brutto, wenn (xy) Prozent der stationären Patienten seiner Abteilung die untere Grenzverweildauer erreichen bzw. überschreiten.“

     

    • „Der Arzt erhält (xy) Euro brutto als Bonus, wenn (xy) Prozent der stationären Patienten seiner Abteilung die mittlere Verweildauer nicht überschreiten.“
     

    Problematisch wird es, wenn dem Arzt Prämien versprochen werden für einzelne ärztliche Leistungen. Die ärztliche Therapiefreiheit muss gewährleistet bleiben, das bedeutet: Der Chefarzt muss die Behandlung seiner Patienten ausschließlich am medizinischen Standard ausrichten können - ohne rechtliche oder finanzielle Nachteile hierdurch.

     

    Die Muster-Berufsordnung für Ärzte verbietet es angestellten Ärzten, eine Vergütung zu vereinbaren, die den Arzt in seiner Unabhängigkeit oder seiner medizinischen Entscheidung beeinträchtigt. Sogenannte Malus-Regeln verstoßen gegen die zu wahrende Unabhängigkeit ärztlicher Berufsausübung und sind deshalb unzulässig.

     

    PRAXISHINWEIS |  Eine Regelung, die interne Budgetüberschreitungen sanktioniert, ist berufsrechtswidrig - selbst dann, wenn sich der Chefarzt im Rahmen seiner Therapiefreiheit bewegt. Während Malus-Regeln weitgehend aus Chefarzt-Verträgen verschwunden sind, hat sich die Bonusvergütung gehalten, obwohl sie eine Malus-Regelung mit umgekehrten Vorzeichen darstellt. Denn auch der Verlust des Bonusanspruchs mangels Zielerreichung stellt einen Malus dar.

     

    Klauseln verstoßen gegen die Berufsordnung

    Der Gesetzgeber hatte auf den „Göttinger Organspende-Skandal“ reagiert und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) beauftragt, in ihr Chefarzt-Vertragsmuster - im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer (BÄK) - Empfehlungen aufzunehmen, „die sicherstellen, dass Zielvereinbarungen, die auf finanzielle Anreize bei einzelnen Leistungen abstellen, ausgeschlossen sind. Die Empfehlungen sollen insbesondere die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen sichern.“

     

    Obwohl die im Beispiel 1 genannten Formulierungen gegen die Berufsordnung für Ärzte verstoßen würden, wären sie nach dem Willen des Gesetzgebers nicht unwirksam, sondern hätten lediglich die Pflicht zur Offenlegung im Qualitätsbericht des jeweiligen Krankenhauses zur Folge.

    Zielvereinbarungen zum Case-Mix oder zu Personalkosten

    In manchen Zielvereinbarungen von Chefarzt-Verträgen findet sich auch eine der nachfolgenden Formulierungen:

     

    • Beispiel 2: Case-Mix oder Personalkosten als Zielvorgaben
    • „Der Chefarzt erhält einen Bonus in Höhe von (xy) Euro für den Fall, dass er (xy) Case-Mix-Punkte erreicht.“
    • „Der Chefarzt erhält einen Bonus, wenn die Personalkosten des ärztlichen Bereichs in seiner Abteilung (xy) Euro nicht überschreitet.“
     

    Mit der gesetzlichen Neuregelung soll die unmittelbare Beziehung zwischen einer Leistung und dem finanziellen Anreiz in Form einer Bonuszahlung ausgeschlossen werden - also die Belohnung für die Steigerung der Fallzahlen.

     

    Vom Wortlaut nicht erfasst werden jedoch finanzielle Anreize, die - selbst wenn sie sich nicht nur auf eine bestimmte Leistung beziehen - die ärztliche Unabhängigkeit sowie die medizinische Entscheidungsfreiheit gefährden könnten. Zu denken ist hierbei an Bonuszahlungen für die Erzielung eines bestimmten Case-Mix-Index oder Umsatzes sowie für die Einhaltung eines Personalkostenbudgets im Bereich des ärztlichen Dienstes: Solche Ziele werden auch von der DKG/BÄK-Empfehlung nicht erfasst.

     

    Wird die Vergütung eines Bonus mit einer wirtschaftlich optimalen Verweildauer verknüpft, stellt dies keinesfalls einen Anreiz für nur eine bestimmte Leistung dar - sie ist gleichwohl geeignet, die zu schützende Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen nachteilig zu beeinflussen.

    Gesetzgeber ohne konkrete Vorgaben

    Der Gesetzgeber selbst hat konkrete Vorgaben und Grenzen gemieden, sondern DKG und BÄK mit der Ausarbeitung von Empfehlungen beauftragt. Diese ist jedoch allenfalls der kleinste gemeinsame Nenner auf dem Weg, die Diagnose- und Therapiefreiheit der Ärzte vor Koppelungen zwischen Leistungsausweitung und Bonusvergütung zu schützen.

     

    Ungeachtet des Wortlauts der DKG/BÄK-Empfehlung entspricht es weder Sinn und Zweck dieser Empfehlung noch des Gesetzes, wenn Kliniken durch eine Zusammenfassung von Leistungen Boni gewähren. Insofern muss auch die Koppelung eines Bonus an die Steigerung von Case-Mix-Index und/oder Bewertungsrelationen als Umgehung der gesetzgeberischen Intention verstanden werden, die dann im Qualitätsbericht der Klinik auszuweisen ist.

    An wahlärztliche Leistungen geknüpfte Boni

    Zum Teil werden Boni in Zielvereinbarungen auch an die Erzielung eines bestimmten Erlöses aus wahlärztlichen Leistungen geknüpft:

     

    • Beispiel 3: Boni für wahlärztliche Leistungen

    „Der Arzt erhält einen Bonus für den Fall, dass er (xy) Euro aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen erzielt.“

     

    Einerseits ist die Kopplung des Bonus an die Erzielung von Einnahmen aus wahlärztlichen Leistungen ein finanzieller Anreiz für bestimmte Leistungen; sie erinnert andererseits an eine Berechtigung zur Privatliquidation bzw. an die Beteiligung an den Klinikeinnahmen aus wahlärztlichen Leistungen. Der Unterschied zur Liquidationsberechtigung bzw. zur Beteiligungsvergütung liegt in dem „Alles-oder-nichts“-Charakter.

     

    Soll der Chefarzt also für die erzielten Erlöse aus seinen wahlärztlich erzielten Leistungen belohnt werden, ist die Einräumung des Liquidationsrechtes oder die unmittelbare Beteiligung an den entsprechenden Einnahmen des Krankenhausträgers die vorzugswürdige Variante.

     

    PRAXISHINWEIS |  Bedenklich sind Bonusvergütungen also immer dann, wenn der erzeugte wirtschaftliche Druck in unangemessener Weise die ärztliche Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt - etwa bei einer Bonusregelung, die sich an der Verweildauer misst. Dies gilt nicht nur für Chefärzte, sondern für den gesamten ärztlichen Dienst. Anzuerkennen ist jedoch, dass sich nicht-wirtschaftliche Ziele, die vom Arzt beeinflussbar sind, manchmal sogar positiver auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Abteilung oder der Klinik auswirken als rein wirtschaftliche Ziele, auf deren Erreichung der Arzt häufig nur bedingten Einfluss hat.

     

    Ziele müssen SMART sein

    Smarte Ziele sind S pezifisch, M essbar, A usführbar, R ealistisch und T erminiert. Die Ziele sollen spezifisch in das Aufgabengebiet und Tätigkeitsbild des Arztes fallen, also von ihm beeinflussbar sein. Messbar sind „harte“ Ziele, während „weiche“ Ziele wie die Qualitätssteigerung oder die Patienten- oder Mitarbeiterzufriedenheit nur schwer quantifizierbar sind. Die Ziele müssen ausführbar und realistisch sein, also innerhalb eines bestimmten Zeitraums erzielt werden können.

     

    • Beispiel 4: SMARTe Ziele

    „Voraussetzung der Bonuszahlung ist, dass

    • der Chefarzt bei (xy) niedergelassenen Ärzten, die Zuweiser der Klinik sind, und bei (xy) Ärzten, die noch nicht Zuweiser der Klinik sind, vorstellig wird.
    • der Chefarzt (xy) Vorträge für Patienten im Krankenhaus durchführt.
    • der Chefarzt (xy) Fachvorträge für niedergelassene Ärzte, Zuweiser und Nicht-Zuweiser im Krankenhaus durchführt.
    • der Chefarzt (xy) interne Fortbildungsveranstaltungen für die ärztlichen Mitarbeiter seiner Abteilung durchführt.
    • (xy) Prozent der Arztbriefe des Chefarztes am Tage der Entlassung des Patienten diktiert und dem Schreibdienst übergeben werden.“
     

    Was kann der Chefarzt tun?

    Bei Zielen, die gegen die DKG/BÄK-Empfehlung verstoßen, sollte sich der Chefarzt je nach Einzelfall darauf berufen, dass diese seine ärztliche Unabhängigkeit beeinträchtigen und somit gegen § 23 Abs. 2 der Muster-Berufsordnung für Ärzte verstoßen. Sofern überhaupt keine Zielvereinbarung zustande kommt, könnte der Chefarzt - nach Ablauf des beabsichtigten Zielvereinbarungszeitraumes - einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Krankenhausträger für die entgangene Bonusvergütung haben. Voraussetzung ist hierbei, dass der Krankenhausträger das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung verschuldet hat.

     

    Da der Klinikträger vom Arzt nicht verlangen kann, gegen sein Berufsrecht zu verstoßen, hätte der Träger das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten, sofern er nicht die Vereinbarung anderer Ziele anbietet. Schadensersatzpflichtig macht sich der Träger auch dann, wenn aus von ihm zu vertretenden anderen Gründen keine Zielvereinbarung getroffen wird.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 5 | ID 42320887