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  • · Fachbeitrag · Haftungsrecht

    BGH urteilt: Chefarzt hätte bei unerwarteter OP-Erweiterung erneut aufklären müssen!

    von FA Medizinrecht Dr. Rainer Hellweg, Hannover

    | Wenn intraoperativ eine unvorhergesehene Änderung des operativen Vorgehens erforderlich wird, können Ärzte nur unter engen Voraussetzungen eine fiktive Einwilligung des Patienten annehmen. Ansonsten muss der Eingriff verschoben und der Patient erneut aufgeklärt werden. Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem jetzt veröffentlichten Urteil vom 21.05.2019 eine Entscheidung getroffen (Az. VI ZR 119/18). Im verhandelten Fall war auch der Chefarzt verklagt worden. |

    Der Sachverhalt

    In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um eine operative Gebärmutterentfernung. Diese nahm der Chefarzt der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe vor, der zugleich niedergelassener Gynäkologe war. Die Patientin verklagte sowohl den Klinikträger als auch den Chefarzt. Sie berief sich auf eine mangelhafte präoperative Aufklärung. Die Patientin verlangte Schmerzensgeld und machte geltend, sie sei nicht hinreichend aufgeklärt worden ‒ und zwar insbesondere nicht über die eventuelle Notwendigkeit des intraoperativen Wechsels des Operationsregimes. Die Behandlerseite hingegen berief sich auf eine mutmaßliche Einwilligung der Patientin.

     

    • Der Sachverhalt im Einzelnen

    Der Chefarzt hatte bei der Patientin eine Zystozelenbildung im Sinne einer Traktionszystozele sowie einen Descensus uteri festgestellt. Er empfahl ein operatives Verfahren zum Anheben der Harnblase und der erschlafften Scheidenwände. Zur Durchführung der OP begab sich die Patientin einige Wochen später in die Klinik.

     

    Im Rahmen des präoperativen Aufklärungsgesprächs wurde der Patientin erklärt, dass die Gebärmutter entfernt werden sollte. Darüber war sie so irritiert, dass sie den Chefarzt zum Gespräch hinzu bat. Dieser erläuterte den Eingriff nochmals anhand einer Zeichnung. Letztlich unterzeichnete die Patientin die Aufklärungsbögen „Operationen bei Harninkontinenz“ sowie „diagnostische Hysteroskopie“.

     

    Für den Operationstag wurde die laparoskopische suprazervikale Hysterektomie geplant. Da bei einer solchen Operation der Gebärmutterkörper innerhalb des Bauchraums zerstückelt wird, sollte zunächst eine Hysteroskopie durchgeführt werden, um eine bösartige Veränderung der Gebärmutterschleimhaut und damit die bei einer Zerstückelung gefährliche Versprengung von Tumorzellen in die Bauchhöhle auszuschließen.

     

    Am Operationstag konnte der Chefarzt allerdings die Gebärmutterspiegelung wegen einer Stenose des Gebärmutterkanals nicht vornehmen. Er entschloss sich daher zu einer kompletten vaginalen Hysterektomie und entfernte sowohl Gebärmutterkörper als auch Gebärmutterhals. Bei der Operation kam es zu einer Verletzung des Harnleiters.